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Suzanne Césaires Werk umfasst sieben Essays, geschrieben für die von ihr mitbegründete Zeitschrift Tropiques 1941 bis 1945 in Martinique, in den schwierigen Jahren der »Dissidenz«, des Widerstands gegen das autoritäre Vichy- Regime, dem auch ihre karibische Heimatinsel unterstand In jedem Essay geht sie der Trope, dem Bild der Maske in einer anderen Facette nach, arbeitet jeweils den blinden Fleck und einen Imperativ der Erkenntnis heraus. Sie entlarvt Assimilation als Selbstverleugnung, bürgerliche Konventionen als erzwungene Anpassung - als Teile der »großen Maskerade«: Gegen die Anpassung…mehr

Produktbeschreibung
Suzanne Césaires Werk umfasst sieben Essays, geschrieben für die von ihr mitbegründete Zeitschrift Tropiques 1941 bis 1945 in Martinique, in den schwierigen Jahren der »Dissidenz«, des Widerstands gegen das autoritäre Vichy- Regime, dem auch ihre karibische Heimatinsel unterstand In jedem Essay geht sie der Trope, dem Bild der Maske in einer anderen Facette nach, arbeitet jeweils den blinden Fleck und einen Imperativ der Erkenntnis heraus. Sie entlarvt Assimilation als Selbstverleugnung, bürgerliche Konventionen als erzwungene Anpassung - als Teile der »großen Maskerade«: Gegen die Anpassung an die Herrschenden setzt sie die Neuschaffung von postkolonialen Identitäten. Sie fragt nach der Rolle von Literatur und Kunst bei der Ausbildung der Identitäten. Im Surrealismus, seiner Suche nach einem neuen Imaginären, sieht sie einen Weg, aus der Sackgasse der Täuschung herauszukommen. Ein anderer ist die Négritude, jene Bewegung, die den beleidigenden Ausdruck aufnimmt und kämpferisch verkehrt.
Autorenporträt
Die antikolonialistische Dichterin und feministische Aktivistin Suzanne Césaire wurde 1915 auf Martinique geboren, studierte Literatur in Frankreich, lernte in Paris die avantgardistischen Zirkel um André Breton und ihren späteren Mann Aimé Césaire kennen, mit dem sie 1938 nach Martinique zurückkehrte. Dort gründeten sie die Widerstandszeitschrift Tropiques, für die sie Essays verfasste. Mit der Einstellung der Zeitschrift 1945 hörte sie auf zu schreiben. Sie arbeitete als Lehrerin, hatte mit ihrem Mann sechs Kinder und starb mit nur fünfzig Jahren 1966.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension

Eine "faszinierende literarische Entdeckung" macht Rezensent Ingo Arend mit dem Essay-Band der Dichterin Suzanne Césaire aus Martinique. Ihren Mann, den afrokaribischen Literaten Aime Césaire, lernte sie während ihres Studium in Paris kenne, weiß Arend. Sowohl kulturelle als auch politische Themen verhandelt die Schriftstellerin in den sieben hier versammelten Essays, mit der surrealistischen Poesie André Bretons setzt sie sich ebenso auseinander, wie mit der "Negritude", die damals den Rückbezug auf "afrikanische Kulturtraditionen" vertrat, so der Kritiker. Als eine der ersten kritisierte Suzanne Césaire die Gräuel der Kolonialisierung, erläutert Arend, der diese "markante Essayistin" gerade in Bezug auf die aktuellen Diskussionen über Postkolonialismus empfiehlt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.11.2023

Schön wie die Flamme ihres Denkens

Suzanne Césaire war eine Vordenkerin des postkolonialen Denkens. In Deutschland aber war die 1966 gestorbene Autorin unbekannt. Bis jetzt.

Von Barbara von Machui

Mehr als sechzig Jahre nach dem Verstummen einer der wichtigsten Stimmen des antikolonialistischen Kampfes der Afro-Martinikaner können wir sie wieder hören, die Stimme von Suzanne Césaire, der Wegbegleiterin und Ehefrau des legendären Dichters, Theoretikers und politischen Kämpfers Aimé Césaire, der zusammen mit Léopold Sédar Senghor aus dem Senegal und Léon-Gontran Damas aus Guyana die Négritude zu einem Kampfbegriff des Widerstands machte, indem er die dem Wort "nègre" inhärente Abwertung in Aufwertung und Selbstbewusstsein umwandelte. Es galt dabei zunächst, den Kolonialismus ideell zu überwinden, die "entliehenen Kleider, die Kleider der Assimilation", abzulegen ebenso wie die "panische Hoffnungslosigkeit" und die "eigene und wirkliche Revolution" zu beginnen, so Aimé Césaire in seinem Schlüsseltext "Jeunesse noire et assimilation".

Kennengelernt hatten sich Suzanne, deren Eltern beide Mestizen waren, und Aimé, der von Sklaven abstammte, in Paris an der École normale supérieure. Aimé war der erste schwarze Absolvent der Eliteschule, Suzanne dann die erste schwarze Studentin an der Sorbonne. Ihre Ideen wurden in Pariser Intellektuellenkreisen begeistert aufgenommen. Kein Geringerer als Jean-Paul Sartre hat in seinem berühmten Essay "Der schwarze Orpheus" den von Aimé Césaire geprägten Begriff geadelt: "Négritude ist ein anti-rassistischer Rassismus", dessen Aufgabe es sei, "sich seiner Rasse bewusst zu werden". Gleichzeitig nahmen die Vertreter der "schwarzen Diaspora" auch begierig Ideen europäischer Ethnographen wie Maurice Delafosse und Leo Frobenius auf, erfuhren so wesentliche Prägungen und Anstöße, sodass auch das "Black Paris" ein hemingwaysches "Fest fürs Leben" feiern konnte.

Jetzt führt uns ein schön aufgemachtes Buch diese Zeit wieder vor Augen: "Die große Maskerade", erschienen im Schweizer Elster-Verlag (Aus dem Französischen von Uta Goridis, 138 Seiten, 20 Euro), auf Französisch schon 2009 publiziert. Als Hommage an die in Vergessenheit geratene feministische Autorin und Pionierin Suzanne Césaire, die 1966 im Alter von nur fünfzig Jahren starb, vereint der Band jene sieben poetischen Essays, die sie in der Zeit der Vichy-Herrschaft über ihre Heimatinsel Martinique unter Umgehung der dort herrschenden Zensur für die von ihr mitbegründete Zeitschrift "Tropiques" schrieb, mit Erinnerungen von Freunden und Weggenossen an die Autorin sowie einigen Gedichten von Aimé Césaire und einem poème en prose ihrer Tochter Ina. Herausgeber des Buchs ist der aus Guadeloupe stammende Dichter und Césaire-Bewunderer Daniel Maximin, der auch das Vorwort verfasst hat. Er hält Suzanne Cézaires Texte für die wohl wichtigsten über die Identität der Antillen - neben Frantz Fanons "Schwarze Haut, weiße Masken". Selbst wenn einige ideologische Positionen und Einschätzungen heute überholt sein mögen, wie Maximin auch selbst andeutet, bleibt die herausragende Rolle dieser Essays für die Entstehung einer antikolonialistischen afrokaribischen Identität, die auch der "Kulturseele" der Frauen Rechnung trägt, mit diesem Band zu würdigen.

Suzanne Césaire war eine strahlende Erscheinung, in den Worten ihrer Tochter Ina "schön wie die Flamme ihres Denkens", mit leuchtendem Blick und "lianenhaftem" Körper. Aimé Césaire bezeichnete sie als "Fontäne der Sonne", André Breton als "schön wie eine Punschflamme", ihre Schüler nannten sie "die schwarze Pantherin".

Sie und ihr Mann waren nach der gemeinsamen Zeit in Paris 1939 wieder nach Martinique zurückgekehrt, wo beide als Lehrer arbeiteten. Ihre Situation beschreibt Aimé Césaire eindringlich in seinem visionären Langgedicht "Cahier d'un retour au pays natal" (Notizheft einer Rückkehr ins Geburtsland), das einem Aufschrei gleicht.

Nach der Niederlage Frankreichs 1940 und der folgenden deutschen Besetzung eines Großteils des Landes entstand die widersprüchliche Situation, dass das Ehepaar Césaire in der Résistance als Teil der Forces françaises libres aufseiten der Alliierten gegen den aktuellen Kolonialherrn - das Vichy-Régime des noch unbesetzten "État Française" - für ein freies Frankreich kämpfte anstatt für seine eigene Befreiung. Admiral Georges Robert, ein beflissener Handlanger des Vichy-Staatschefs Philippe Pétain, regierte mit eiserner Hand und versuchte, auf der Insel Zustände nach deutschem Vorbild herzustellen; er überwachte persönlich die Zensur. Mithilfe von Internierungen, Deportationen nach Guyana und zahlreichen Repressionen gegen die einheimische Bevölkerung errichtete er auf Martinique eine faschistische Ordnung, unterstützt von kollaborierenden weißen Siedlern (den Béké) und der repressiven Gewalt von Hunderten Marinesoldaten, die sich mit dem Gold der französischen Staatsbank auf die Antillen abgesetzt hatten. Eine Blockade der Alliierten verschärfte die ökonomische Mangelsituation. Unter entsprechend prekären Verhältnissen entstanden, war die Gründung der "Tropiques" ein Fanal, das dem Widerstand auf den Antillen ein Gesicht und eine Richtung gegeben, den Bewohnern der paradiesischen Insel zu neuer, selbstbewusster Identität verholfen hat.

In ihren avantgardistischen lyrisch-surrealistischen Texten begriff Suzanne Césaire, inspiriert von André Breton, der sie und Aimé 1941 zufällig entdeckt hatte, Schreiben als Widerstand, verschlüsselt zwar, camouflé, aber radikal in der Wirkung. Breton war aufgrund eines Zwangsstopps des von Varian Fry für das amerikanische Emergency Rescue Committee angeheuerten Frachters Capitaine Paul Lemerle auf Martinique für drei Wochen interniert worden. Das Schiff sollte ihn und viele weitere Exilanten - darunter der surrealistische Maler Wilfredo Lam und die Schriftstellerin Anna Seghers, die an Bord ihren berühmten Roman "Transit" konzipierte - nach New York bringen. Die ungeplante Begegnung auf Martinique wurde für alle Beteiligten zu einer ungemein befruchtenden künstlerischen Freundschaft, vor allem nach einem Tag im tropischen Regenwald von Absalon, der Breton an das Bild "Der Schlangenbeschwörer" des Zöllners Rousseau erinnerte und zu seinem Buch "Martinique, charmeuse de serpents" inspirierte. Lam wiederum animierte dieser Besuch zu seinem berühmten Bild "La Jungla".

Für alle ist dieses Zusammentreffen die Verschmelzung von Surrealismus und Négritude, der Beginn der transatlantischen Avantgarde, trotz Isolation und Verfolgung ein gelungener transkultureller Dialog. In ihrer ausdrucksstarken Sprache schreibt Suzanne Césaire denn auch über Themen der Poesie, den Surrealismus, der für sie "das Drahtseil unserer Hoffnung" und ein "mentaler Schwebebalken" ist, über André Breton, den sie trotz seiner "Saint-Just-Attitude" glühend verehrte, dessen Dichtung für sie eine "Poesie des Glücks" war.

Immer wieder geht es dabei auch um die koloniale Vergangenheit, die afrikanischen Wurzeln, die afrokaribische Identität. Das revolutionäre Potential des Surrealismus liegt für die Autorin in der Auseinandersetzung mit dem Trauma der Sklaverei, das ins Unbewusste verdrängt wurde. Eine Schlüsselpassage aus Bretons "Surrealistischem Manifest" von 1924 wird von Suzanne Césaire in den soziokulturellen Kontext der Karibik übersetzt: "Unser Surrealismus wird ihnen die Nahrung aus seinen Reserven liefern. Mit den schmutzigen Antinomien von heute muss endlich Schluss gemacht werden: weiß-schwarz, europäisch-afrikanisch, zivilisiert-primitiv. Wir haben endlich wieder die magischen Kräfte der Mahoulis (der Regenmacher) für uns entdeckt und aus unseren eigenen lebendigen Quellen geschöpft."

Die Texte der Autorin markieren den Beginn der Moderne und den Bruch mit der tradierten doudou, der "Hängematten"-Literatur, die nach Zucker und Vanille schmecke und nichts anderes sei als "literarischer Tourismus" - so ihre scharfzüngige Kritik am ersten Prix-Goncourt-Preisträgers John-Antoine Nau, dessen Lyrik alle touristischen Klischees über die Antillen reproduziere. Suzanne Césaire hält dagegen: "Die martinikanische Dichtung wird kühn sein. Die martinikanische Dichtung wird kannibalisch sein. Oder sie wird nicht sein."

Der letzte ihrer Essays - "Die große Maskerade" - bildet den literarischen Höhepunkt ihres Werks. Hier bewegt sie sich von der Reflexion über surrealistische Poetik zu deren Praxis und schafft einen Text voller Lyrismen von atemraubender Schönheit über den Zauber, aber auch die zerstörerische Gewalt der Natur der Antillen und über den Horror der Versklavung und Diskriminierung ihrer Bevölkerung. Es dauert zwei Jahre, bis die Zensur nach vierzehn Ausgaben die Sprengwirkung der Texte erkennt und die Zeitschrift "Tropiques" verbietet.

Suzanne Césaire, die mit ihrem Mann sechs Kinder hatte, veröffentlichte daraufhin nichts mehr. Aimé unterstützte sie auch nicht bei ihrem Schreiben; er pendelte zwischen Martinique, wo er Bürgermeister, und Paris, wo er bis 1993 Parlamentsabgeordneter wurde, hin und her. Sein Schwerpunkt war die Politik, der Suzanne sich nach dem Verlust kommunistischer Utopien immer mehr entzog - sie musste in der Pariser Banlieue als Lehrerin arbeiten, um die Familie zu ernähren. "Zertrümmerte Traumgefilde" und "verschmutzt tönende Kielwasser", aber vor allem eine tiefe Entfremdung führten dazu, dass sie sich 1963 scheiden ließ, was zu ihrer völligen familiären und künstlerischen Marginalisierung beitrug. Auch die Literaturkritik der nächsten Jahrzehnte nahm sie nicht mehr zur Kenntnis, in der umfangreichen Sekundärliteratur zu Aimé Césaire wird sie kaum erwähnt, ihre Rolle als Ideengeberin afrokaribischer Identität und Galionsfigur des Afro-Surrealismus nicht gesehen. Sie verbrachte noch drei Jahre in großer Einsamkeit und starb 1966 an einem Gehirntumor. Ihr Verstummen schon Jahre zuvor bleibt rätselhaft. Ein Theaterstück "Youma, aurore de la liberté", das mit jugendlichen Darstellern aus Fort-de-France aufgeführt wurde, ist verschollen.

Für Aimé Césaire blieb sie die Muse, die "Frau mit den Tausend Namen / Quellennamen Sonnennamen Tränennamen". Kurz vor seinem Tod gestand er: "Wir atmeten gemeinsam, mit dem Glauben an die Zukunft." Das Ende haben auch diese beiden nicht gut bestanden.

Aimé Césaires Gedichte auf Suzanne bilden den Abschluss dieses ungewöhnlichen Bandes. Seinen Lobpreis der Kreativität von Frauen, die er mit einem Rimbaud-Zitat aus dem berühmten Seher-Brief beschrieb, hat Aimé Césaire selbst erst nach Suzannes Tod eingelöst. Rimbauds von ihm zitierte Äußerung lautet: "Wenn einmal die endlose Versklavung der Frau gebrochen wird, wenn sie für sich selbst und aus sich selbst lebt und der Mann - erbärmlich bislang - ihr zurückerstattet, was er ihr schuldet, wird sie Dichter sein, auch sie! Die Frau wird Unbekanntes finden! Und sie wird fremdartige, unergründliche und abstoßende, kostbare Dinge entdecken . . ." Suzanne Césaires Tochter Ina erzählt in ihrem kleinen Text, dass die Mutter als "geborene Feministin" immer wieder betont habe: "Die Frauen deiner Generation werden ihre eigenen Entscheidungen treffen."

In dem liebevoll edierten Band des Elster- Verlags sind viele, vor allem sprachliche Kostbarkeiten zu finden. Und neben Suzanne Césaires cartesianisch klaren Analysen auch die Idee einer "femme-plante", einer Pflanzenfrau, die, barfuß nach den Rhythmen ihrer karibischen Heimat tanzend, ihre dionysische Seite entdeckt und lebt. Die paradiesische Blumeninsel Martinique, Bretons "Schlangenbeschwörerin", mit ihren multiethnischen Menschen, die während der Französischen Revolution schon einmal selbständig war, ist zwar seit 1946 nicht mehr Kolonie, aber immer noch ein französisches Département d'outre-mer, jenseits des Meeres, und immer noch weit entfernt von der eigentlichen, der "magischen" Botschaft des Surrealismus, jener "Freiheit in der Kunst wie im Leben", wie Suzanne Césaire in ihrem Essay "1943 - Der Surrealismus und wir" Breton zitiert. In diesem Text treten die ansonsten oft nur zwischen den Zeilen versteckten politischen Botschaften unverhüllt hervor. Wie schrieb Suzanne Césaire? "Wir müssen den Mut haben, im unbarmherzigen Licht der Ereignisse auf den antillanischen Makel hinzuweisen, der das Gesicht Frankreichs verunziert . . ."

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