Google statt Gelbe Seiten, Uber-App statt Taxi-Stand, Tinder statt Disko. Alles ist neu und digital. Disruption, denken wir, ist ein technologischer Trend. Falsch! Sie ist das Phänomen unserer Zeit. Radikal wälzt sie unser Leben um. Parteien und Verbrennungsmotor sind tot, Nachkriegsdeutschland ist vorbei. Die Menschen fühlen sich überfordert, die Gesellschaft polarisiert sich und kippt. Künstliche Intelligenz und autonome Maschinen nehmen uns Arbeit und Selbstwirksamkeit. Der Staat zerbricht unter seiner Fürsorgelast. Facebook, Google und Chinas Datenmacht steuern auf einen globalen Staatsstreich zu. Doch im Bruch liegt auch die Lösung. Digitale Bewegungen wie #MeToo und Fridays for Future machen Hoffnung auf eine neue demokratische Weltordnung. Klar ist: National bewirken wir heute nichts mehr, wir brauchen einen globalen Ordnungsrahmen. Eine Utopie in Zeiten von Trump und Co? Nein. Dieses Buch macht konkrete Vorschläge, was wir jetzt tun müssen: Europa fasst Mut. In flexiblen Allianzen macht es sich auf zur globalen Bürgergesellschaft. Aus Old Europe wird Bold Europe."Ein Buch mit lauter Aha-Effekten. Man kommt gar nicht mehr davon los. Wer den Zeitgeist verstehen will und wissen will, wohin Wirtschaft und Gesellschaft steuern, muss dieses packende Buch lesen!"Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hans-Werner Sinn, ifo Institut München
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensentin Melanie Mühl lernt bei Andreas Barthelemess, wie uns die Tech-Giganten aus Silicon Valley einspinnen. Dass der Autor nicht kulturpessimistisch rüberkommt, sondern die positiven Effekte der Vernetzung benennt, findet Mühl prinzipiell gut. Nur geht er etwas weit, wenn er pauschal behauptet, dass Social Media unsere Empathie steigert, meint sie. Das gilt nur für Einzelfälle, so Mühl. Erhellend, findet sie, wie der Autor die Plattformökonomie analysiert, über Wagniskapital und Wettbewerbspolitik schreibt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.07.2020Wir sind nur Marionetten
Andreas Barthelmess über das digitale Leben
Der Tyrannosaurus Rex war der König unter den Dinosauriern, ein fleischfressendes Ungetüm, dem man sich besser nicht in den Weg stellte. In Andreas Barthelmess' Buch "Die große Zerstörung" spielt der T-Rex eine wichtige Rolle, allerdings in Form eines schnell wachsenden T-Rex-Huhns, das alle anderen Hühner im Umkreis auffrisst. "In der Plattformökonomie geht es immer um das T-Rex-Huhn", schreibt Barthelmess, selbst Gründer eines Start-ups. Die milliardenschweren Tech-Giganten Amazon, Google, Facebook und Microsoft sind, um bei Barthelmess' Bild zu bleiben, solche T-Rex-Hühner, die nach dem "The Winner takes it all"-Prinzip funktionieren, sprich Konkurrenten ausschalten oder aufkaufen.
Es blicken zwar immer mehr Menschen besorgt auf die Machtakkumulation weniger Silicon-Valley-Konzerne, die Daten abschöpfen, Meinungsäußerungen im Netz zensieren, kuratieren und analysieren, Nachrichten- und Warenströme lenken und die Politik beeinflussen, doch die Bequemlichkeit, mit wenigen Klicks seinen Alltag zu optimieren, wiegt schwerer.
Barthelmess zeigt, was wir eigentlich längst wissen, zigfach gelesen haben, aber trotzdem nicht wahrhaben wollen: dass wir zu Marionetten der digitalen Revolution geworden sind. Whatsapp, Facebook, Instagram, Uber, Airbnb, Carsharing, Google-Maps, Amazon, Tripadvisor, Paypal, all die praktischen Dienste und Vernetzungstools sind Selbstverständlichkeiten. Nähme man den Modebegriff "Digital Detox" tatsächlich ernst, man würde sich selbst ins soziale Aus manövrieren: "Technologie-Unternehmen sind nicht nur ökonomisch, sondern mittlerweile auch geopolitisch mächtige Player. Dazu kommt noch der Einfluss über ihre Soft Power, ihre kulturelle Bedeutung, die Macht ihrer Applikationen, Regeln und Icons, der Silicon-Valley-Einfluss auf Mode und Zeitgeist."
Doch der Autor ist kein Kulturpessimist, der sich zurück ins heimelige "Nutella-Deutschland" träumt. Weder #MeToo noch Greta Thunberg und die Fridays-for-Future-Bewegung wären ohne die weltumspannende Vernetzung in ihrer Durchschlagskraft denkbar gewesen. Dass das Foto des toten Jungen Alan Kurdi am Strand von Bodrum der Welt die Tragödie, die sich täglich auf dem Mittelmeer abspielt, vor Augen geführt hat, stimmt ebenfalls - nur zieht Barthelmess daraus den falschen Schluss, wenn er pauschal behauptet: "Social Media steigert unsere Empathie für diejenigen Schwachen und Unterdrückten, deren Leid uns früher ganz einfach verborgen geblieben wäre."
In großem Maßstab trifft das in der Regel nur auf ausgeleuchtete Einzelschicksale zu. Unsere Empathie ist ein umworbenes Gut; auch im Netz investieren wir sie am liebsten dort, wo wir ihren Nutzen beobachten können. Deshalb generieren Crowdfunding-Aktionen für Schicksalsgebeutelte immer wieder absurde Spendensummen. Andererseits hat Barthelmess natürlich recht, was die durch soziale Medien gesteigerte Aufmerksamkeit für Missstände betrifft.
Sein Buch ist immer dann besonders erhellend, sobald er die Mechanismen der Plattformökonomie und des Überwachungskapitalismus freilegt, wenn er also über Netzwerk- und Skaleneffekte schreibt, über die Steuertricks der Silicon-Valley-Elite, über Wettbewerbspolitik und Wagniskapital. Und über die Verlierer weltweit, deren Zahl durch die digitale Disruption, Big Data, Automatisierung und Künstliche Intelligenz zunehmen wird. Hierzulande profitiert von dieser Entwicklung die AfD, die nicht in erster Linie aus ökonomischen, sondern aus soziokulturellen und sozialpsychologischen Gründen gewählt wird.
Barthelmess hatte das Pech, dass sein Buch während des Lockdowns erschienen und der Aufmerksamkeitsökonomie zum Opfer gefallen ist. Andererseits ist gerade jetzt, da die Karten zumindest ein bisschen neu gemischt werden, ein guter Zeitpunkt für die Lektüre - und wenn auch nur, um sich daran zu erinnern, dass Amazon zu Beginn der Corona-Pandemie Bücher als irrelevant einstufte, eine Zeitlang aus dem Sortiment verbannte und der Buchbranche einen weiteren Schlag versetzte. Die Frage, die bei Barthelmess stets mitschwingt, lautet: In welche Abhängigkeiten wollen wir uns eigentlich zukünftig noch begeben?
MELANIE MÜHL.
Andreas Barthelmess: "Die große Zerstörung".
Was der digitale Bruch mit unserem Leben macht.
Dudenverlag, Berlin 2020. 256., geb., 18,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Andreas Barthelmess über das digitale Leben
Der Tyrannosaurus Rex war der König unter den Dinosauriern, ein fleischfressendes Ungetüm, dem man sich besser nicht in den Weg stellte. In Andreas Barthelmess' Buch "Die große Zerstörung" spielt der T-Rex eine wichtige Rolle, allerdings in Form eines schnell wachsenden T-Rex-Huhns, das alle anderen Hühner im Umkreis auffrisst. "In der Plattformökonomie geht es immer um das T-Rex-Huhn", schreibt Barthelmess, selbst Gründer eines Start-ups. Die milliardenschweren Tech-Giganten Amazon, Google, Facebook und Microsoft sind, um bei Barthelmess' Bild zu bleiben, solche T-Rex-Hühner, die nach dem "The Winner takes it all"-Prinzip funktionieren, sprich Konkurrenten ausschalten oder aufkaufen.
Es blicken zwar immer mehr Menschen besorgt auf die Machtakkumulation weniger Silicon-Valley-Konzerne, die Daten abschöpfen, Meinungsäußerungen im Netz zensieren, kuratieren und analysieren, Nachrichten- und Warenströme lenken und die Politik beeinflussen, doch die Bequemlichkeit, mit wenigen Klicks seinen Alltag zu optimieren, wiegt schwerer.
Barthelmess zeigt, was wir eigentlich längst wissen, zigfach gelesen haben, aber trotzdem nicht wahrhaben wollen: dass wir zu Marionetten der digitalen Revolution geworden sind. Whatsapp, Facebook, Instagram, Uber, Airbnb, Carsharing, Google-Maps, Amazon, Tripadvisor, Paypal, all die praktischen Dienste und Vernetzungstools sind Selbstverständlichkeiten. Nähme man den Modebegriff "Digital Detox" tatsächlich ernst, man würde sich selbst ins soziale Aus manövrieren: "Technologie-Unternehmen sind nicht nur ökonomisch, sondern mittlerweile auch geopolitisch mächtige Player. Dazu kommt noch der Einfluss über ihre Soft Power, ihre kulturelle Bedeutung, die Macht ihrer Applikationen, Regeln und Icons, der Silicon-Valley-Einfluss auf Mode und Zeitgeist."
Doch der Autor ist kein Kulturpessimist, der sich zurück ins heimelige "Nutella-Deutschland" träumt. Weder #MeToo noch Greta Thunberg und die Fridays-for-Future-Bewegung wären ohne die weltumspannende Vernetzung in ihrer Durchschlagskraft denkbar gewesen. Dass das Foto des toten Jungen Alan Kurdi am Strand von Bodrum der Welt die Tragödie, die sich täglich auf dem Mittelmeer abspielt, vor Augen geführt hat, stimmt ebenfalls - nur zieht Barthelmess daraus den falschen Schluss, wenn er pauschal behauptet: "Social Media steigert unsere Empathie für diejenigen Schwachen und Unterdrückten, deren Leid uns früher ganz einfach verborgen geblieben wäre."
In großem Maßstab trifft das in der Regel nur auf ausgeleuchtete Einzelschicksale zu. Unsere Empathie ist ein umworbenes Gut; auch im Netz investieren wir sie am liebsten dort, wo wir ihren Nutzen beobachten können. Deshalb generieren Crowdfunding-Aktionen für Schicksalsgebeutelte immer wieder absurde Spendensummen. Andererseits hat Barthelmess natürlich recht, was die durch soziale Medien gesteigerte Aufmerksamkeit für Missstände betrifft.
Sein Buch ist immer dann besonders erhellend, sobald er die Mechanismen der Plattformökonomie und des Überwachungskapitalismus freilegt, wenn er also über Netzwerk- und Skaleneffekte schreibt, über die Steuertricks der Silicon-Valley-Elite, über Wettbewerbspolitik und Wagniskapital. Und über die Verlierer weltweit, deren Zahl durch die digitale Disruption, Big Data, Automatisierung und Künstliche Intelligenz zunehmen wird. Hierzulande profitiert von dieser Entwicklung die AfD, die nicht in erster Linie aus ökonomischen, sondern aus soziokulturellen und sozialpsychologischen Gründen gewählt wird.
Barthelmess hatte das Pech, dass sein Buch während des Lockdowns erschienen und der Aufmerksamkeitsökonomie zum Opfer gefallen ist. Andererseits ist gerade jetzt, da die Karten zumindest ein bisschen neu gemischt werden, ein guter Zeitpunkt für die Lektüre - und wenn auch nur, um sich daran zu erinnern, dass Amazon zu Beginn der Corona-Pandemie Bücher als irrelevant einstufte, eine Zeitlang aus dem Sortiment verbannte und der Buchbranche einen weiteren Schlag versetzte. Die Frage, die bei Barthelmess stets mitschwingt, lautet: In welche Abhängigkeiten wollen wir uns eigentlich zukünftig noch begeben?
MELANIE MÜHL.
Andreas Barthelmess: "Die große Zerstörung".
Was der digitale Bruch mit unserem Leben macht.
Dudenverlag, Berlin 2020. 256., geb., 18,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"21 Jahre nach Florian Illies' einschneidendem Werk "Generation Golf" liefert Barthelmess' Buch ein empathisches und kontroverses Update zur digitalen Kultur." Rheinpfalz Wolfgang Scheidt Rheinpfalz