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Einer der größten Stilisten Amerikas ist tot. Denis Johnson, berühmt geworden durch seinen Erzählungsband 'Jesus' Sohn' (1992) und den mit dem National Book Award ausgezeichneten Vietnamkriegsroman 'Ein gerader Rauch' (2007), hinterlässt ein letztes fulminantes Buch - fünf längere Geschichten aus dem Hier und Jetzt, Kurzromane fast, tiefsinnig, bewegend und durchdrungen von der Weisheit eines Menschen, der am Ende seines Lebens steht. Mitte sechzig sind sie, die Erzähler, und immer schauen sie zurück, auf Ehen, Begegnungen, außerordentliche Begebenheiten, hüllen sich in das fadenscheinige…mehr

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Produktbeschreibung
Einer der größten Stilisten Amerikas ist tot. Denis Johnson, berühmt geworden durch seinen Erzählungsband 'Jesus' Sohn' (1992) und den mit dem National Book Award ausgezeichneten Vietnamkriegsroman 'Ein gerader Rauch' (2007), hinterlässt ein letztes fulminantes Buch - fünf längere Geschichten aus dem Hier und Jetzt, Kurzromane fast, tiefsinnig, bewegend und durchdrungen von der Weisheit eines Menschen, der am Ende seines Lebens steht. Mitte sechzig sind sie, die Erzähler, und immer schauen sie zurück, auf Ehen, Begegnungen, außerordentliche Begebenheiten, hüllen sich in das fadenscheinige Flickwerk von Erinnerungen, die vor allem eines signalisieren: Alter, Sterblichkeit und Tod. Dabei ist es so lebendig und ungeheuer reich, was jeder von ihnen zu erzählen hat! Die Geister der Vergangenheit, ja die so schwer fassbaren und immer wieder überraschenden Wege, die die Mysterien des Universums einschlagen, um von uns Menschen wahrgenommen zu werden - all das ist zart und berührend beschrieben, unerhört, phantastisch, einfach groß.
Autorenporträt
Johnson, DenisDenis Johnson, 1949 in München als Sohn eines amerikanischen Offiziers geboren, galt nach neun Romanen und der legendären Story-Sammlung «Jesus' Sohn» als einer der wichtigsten Autoren der amerikanischen Gegenwartsliteratur. Für sein Vietnamkriegsepos «Ein gerader Rauch» wurde ihm der National Book Award verliehen, die Novelle «Train Dreams» stand - wie auch «Ein gerader Rauch» - auf der Shortlist des Pulitzer-Preises. 2017 erhielt er posthum für sein Gesamtwerk den Library of Congress Prize for American Fiction. Er lebte zuletzt in Idaho, USA, und starb im Mai 2017.

Abarbanell, BettinaBettina Abarbanell, geboren in Hamburg, lebt als Übersetzerin - u.a. von Jonathan Franzen, Denis Johnson, Rachel Kushner, Elizabeth Taylor und F. Scott Fitzgerald - in Potsdam. Ihr Werk wurde vielfach ausgezeichnet, etwa mit dem Heinrich Maria Ledig-Rowohlt-Übersetzerpreis.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.12.2018

Elvis und seine Brüder

Jazz hören, Kaffee trinken und dabei die perfekte Kurzgeschichte schreiben - kann es denn so einfach sein? Die letzten Erzählungen von Denis Johnson legen genau dies nahe, wenn auch augenzwinkernd.

Der Begriff, den man am ehesten mit einer "klassischen" amerikanischen Kurzgeschichte verbindet, ist wohl jener der Lakonie - also einer, der neben Kürze auch Nüchternheit, Schmucklosigkeit und womöglich trockenen Witz beinhaltet. Das lässt sich an gewissen Aushängeschildern des Genres leicht festmachen, wenn etwa der Jagdführer Wilson in Ernest Hemingways Geschichte vom kurzen, glücklichen Leben des Francis Macomber über Löwen sagt: "Worst one can do is kill you."

Wenn man schon bei Hemingway ist, kann man dort auch gleich noch eine andere wichtige Qualität von Kurzgeschichten mitnehmen: nämlich das sogenannte Eisberg-Prinzip. "Ein Eisberg bewegt sich deshalb so anmutig, weil nur ein Achtel von ihm sich über Wasser befindet", schreibt Hemingway in "Tod am Nachmittag" und spielt damit auf die Leerstellen einer Erzählung an, die von der Phantasie des Lesers gefüllt werden müssen: Der Text ist bloß das sichtbare Achtel.

Das Lakonische und die Kunst des Weglassens haben inzwischen viele andere übernommen und gepflegt, notorisch etwa Charles Bukowski, T. C. Boyle oder Donald Ray Pollock; zum Glück ist solches Erzählen auch längst keine Männerdomäne mehr, wie sich etwa an den Kurz- und Kürzestgeschichten der 1947 geborenen Lydia Davis zeigt oder an der gerade erst breiter bekannt werdenen Meisterin Lucia Berlin (1936 bis 2004).

Einer, der die beiden Grunddisziplinen der Short Story ebenfalls perfektioniert hat, ist Denis Johnson. Wer auf die Idee kommt, einen Protagonisten einfach nur "Fuckhead" zu nennen (so in seinem Erzählband "Jesus' Son", 1992), muss in dieser Hinsicht eigentlich schon gar nichts mehr beweisen, aber eine nun postum erscheinende Geschichtensammlung des leider im Mai 2017 schon verstorbenen Autors tut dies doch noch einmal auf bestechende Weise.

"Die Großzügigkeit der Meerjungfrau" versammelt fünf Geschichten, die sich alle um den Tod drehen und dennoch von einem eigentümlichen Humor sind. Es ist häufig ein Humor der Beiläufigkeit, mit der Johnson Nebenfiguren streift und dabei schnell noch einen vernichtenden Satz über sie fallenlässt. "Das wenige, was sie verständlich ausdrücken konnte, verdiente noch nicht einmal die Bezeichnung seicht", heißt es etwa angesichts des Vortrags einer Art-Brut-Künstlerin, die sich gerade an Maximen wie "Die Kunst ist Mensch, und der Mensch ist Kunst!" berauscht, während der Erzähler, ein gealterter Werbefachmann, zufällig zuhört.

Das zufällig Aufgeschnappte kommt bei Johnson häufig vor als Teil einer rätselhaften, weil eben nur unvollständig erfassten Wirklichkeit. Da hören wir etwa im Warteraum eines Krankenhauses einen Mann in ein Münztelefon sagen "Ich war nie ein großer Tierfreund", und ein paar Seiten später kommen wir noch mal vorbei, als er gerade sagt: "Es war dumm von dir, mir deinen Hund zu überlassen" - den Rest muss man sich denken, bestes Eisbergprinzip.

Denis Johnson ist, durch seine Ausflüge zum Thriller und sein reportagehaftes Erzählen von Afrika, bei vielen abgespeichert als Autor des noir. Er war aber weit mehr als ein Hard-Boiled-Reporter der Wirklichkeit. Die größte Kunst seines Erzählens erinnert an die Tradition der amerikanischen "tall tale", also die steile Lügengeschichte, und an ihre Verfeinerung beim Altmeister Edgar Allan Poe. Sie besteht darin, etwas allzu Unwahrscheinliches, fast Groteskes, doch so realistisch zu schildern, dass der Leser es sich gerade noch als wahre Geschichte vorstellen kann. Zum Beispiel wenn jemand, der mit einer Blockade im Kniegelenk das Untersuchungszimmer eines Orthopäden zu betreten glaubt, sich stattdessen unversehens auf der Bühne eines Auditoriums voller Medizinstudenten findet - als Anschauungsobjekt in einer Horrorsituation, in der dem Orthopäden das Einrenken misslingt und stattdessen ein "etwas fetter Medizinstudent mit dem Hintern voran auf mein Knie sprang, wie man es tun würde, um einen überquellenden Koffer zu schließen". So gefesselt ist man bei dieser Schilderung, dass man glatt das vorherige Eingeständnis ihres Erzählers vergisst, er habe "Entspannungsdrogen" genommen.

Denis Johnsons Erzählen ist zutiefst spielerisch. Mit einem Satz, den der Literaturwissenschaftler Horst-Jürgen Gerigk einmal über Poe geschrieben hat, könnte man vielleicht auch über Johnson sagen: "Hier zeigt sich das Grinsen dessen, der bis zum Überdruss weiß, wie so etwas wie pointiertes Erzählen aussieht." In diesen nun wohl letzten Geschichten von Denis Johnson wird das "pointierte Erzählen", wird die Schriftstellerei selbst zum Thema, sie wirken wie metafiktionale Abschiedsgrüße. Die beste heißt, programmatisch auf das Nachleben im Werk zielend, "Triumph über das Grab", während sie sich gleichzeitig über eine solche Vorstellung lustig zu machen scheint. "Manche meiner Kollegen glauben, ich wäre berühmt", sagt der Schriftsteller darin. "Die meisten haben noch nie von mir gehört. Aber es ist schön zu denken, man beherrsche ein Handwerk, könne etwas bewirken. Einmal habe ich ein paar Kindern eine Geistergeschichte erzählt, und eins von ihnen ist in Ohnmacht gefallen."

Johnson verspottet die Wirksamkeit von Literatur, während er sie lebhaft unter Beweis stellt: Vor den Augen des Lesers erst erfinden seine Erzählerfiguren die fiktionale Wirklichkeit, und trotzdem glaubt man sie kurz darauf gern - sei es die des gealterten texanischen Autors und Drehbuchschreibers Darcy Miller, der meint, mit den Geistern seiner verstorbenen Verwandten in einem Haus zu leben, oder sogar die völlig überdrehte Geschichte vom Zwillingsbruder Elvis Presleys, der diesen mitten in dessen Karriere ersetzt habe.

"Schreiben", heißt es einmal, "ist leichte Arbeit. Was man dazu braucht, kostet nicht viel, und man kann diesen Beruf überall ausüben. Man bestimmt die Arbeitszeiten selbst, schlumpft im Pyjama zuhause herum, hört Jazz und trinkt Kaffee, während sich ein weiterer Tag davonstiehlt." Wenn diese Idylle mal nicht nur ein Achtel des Eisbergs ist.

JAN WIELE

Denis Johnson: "Die Großzügigkeit der Meerjungfrau". Erzählungen.

Aus dem Englischen

von Bettina Abarbanell.

Rowohlt Verlag,

Reinbek 2018. 224 S., geb., 24,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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