38,00 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Versandfertig in 3-5 Tagen
  • Gebundenes Buch

Eine Dynastie wie die Habsburger hat es in der Geschichte nicht noch einmal gegeben. Aus einer kleinen Grafenfamilie im Südwesten Deutschlands wurde ein Herrschergeschlecht, das die römisch-deutsche Kaiserwürde eroberte und sich gleichzeitig ein eigenes Imperium entlang der Donau aufbaute. Mehr noch: Das Reich der Habsburger erstreckte sich zeitweilig über mehrere Kontinente, in ihm ging tatsächlich die Sonne nicht unter, wie die Zeitgenossen bewundernd sagten. Martyn Rady fasst diese große Geschichte in eine große Erzählung, die die Herrschergestalten ebenso betrachtet wie die Grundzüge der…mehr

Produktbeschreibung
Eine Dynastie wie die Habsburger hat es in der Geschichte nicht noch einmal gegeben. Aus einer kleinen Grafenfamilie im Südwesten Deutschlands wurde ein Herrschergeschlecht, das die römisch-deutsche Kaiserwürde eroberte und sich gleichzeitig ein eigenes Imperium entlang der Donau aufbaute. Mehr noch: Das Reich der Habsburger erstreckte sich zeitweilig über mehrere Kontinente, in ihm ging tatsächlich die Sonne nicht unter, wie die Zeitgenossen bewundernd sagten.
Martyn Rady fasst diese große Geschichte in eine große Erzählung, die die Herrschergestalten ebenso betrachtet wie die Grundzüge der europäischen Geschichte. Der Machtkampf im Mittelalter zwischen den Fürsten und dem Kaiser, die Glaubensauseinandersetzungen zwischen Reformation und Gegenreformation, die Bewegung der Aufklärung und der Nationalismus: Immer sind die Habsburger an entscheidender Stelle beteiligt. Das gilt dann auch für die letzte Phase, das 19. Jahrhundert bis zum «Großen Krieg», der das Ende der Habsburger brachte. Den ewigen Kaiser Franz Joseph, seine schöne Kaiserin Sisi, den bunten Vielvölkerstaat der k. u. k. Monarchie meint jeder zu kennen, sind sie doch zur Vorlage für unzählige Romane und Filme geworden. Rady zeigt, dass die Wirklichkeit eine andere war - und keineswegs weniger spannend.
Autorenporträt
Martyn Rady, geboren 1955, lehrte als Professor für Mitteleuropäische Geschichte am University College London, wo er den Masaryk-Lehrstuhl innehatte. Darüber hinaus trat er als Übersetzer und Herausgeber mittelalterlicher Texte hervor. Für seine Arbeiten wurde er mehrfach ausgezeichnet. Zuletzt erschien sein viel gelobtes Buch 'Die Habsburger. Aufstieg und Fall einer Weltmacht', über das der 'Tagesspiegel' schrieb: 'Ein Buch, das seinen Stoff wirkungsvoll verdichtet, Thesen und Zuspitzungen nicht scheut und vor allem eines ist: eine fesselnde Lektüre.'
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Hannes Grandits ahnt mit Martyn Radys Buch über die Habsburger, warum deren Dynastie europäische Geschichte auf so zentrale Weise geprägt hat. Über 900 Jahre Habsburger-Herrschaft erzählt der Autor laut Rezensent anekdotenreich, eintauchend in Heiraten und Fehden und anhand von Feinden und Mitstreitern der porträtierten Herrscherfiguren. Die globalen Bezüge der Habsburger Geschichte werden dabei für Grandis ebenso erhellt wie Reichs- und Regionalgeschichtliches.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.06.2021

Das Erzhaus
Was machte die Habsburger so erfolgreich? Martyn Rady erzählt ihre Geschichte im familiären Plauderton
Die Geschichte von Herrscherfamilien ist ein leicht verdächtiges Genre. Einerseits setzt es einen wichtigen frühen Impuls zur Verwissenschaftlichung der Historie fort, der in genealogischer Forschung bestand, die Legitimität in Monarchien sichern oder bestreiten sollte. Andererseits tendiert es dazu, Welt- und Staatengeschichte ins Anekdotische von Familienangelegenheiten zu ziehen. Dann ist man nicht weit entfernt vom pittoresken, künstlich dramatisierten Schauleben, das die Medienmonarchien der Gegenwart, allen voran die britische, führen müssen.
Da gab es doch diesen Vorfahren, der ein begabter Flötenspieler war, und zwar trotz seiner unübersehbar markant hervorstehenden Unterlippe. Die hatte er von einem noch früheren Ahnen geerbt, dessen Unterkiefer sogar so weit aus dem Gesicht ragte, dass man befürchtete, in dem offenstehenden Mund könnten sich Fliegen einnisten. Die Rede ist, jeder weiß es, von den Habsburgern, und zwar von den Kaisern Leopold I. (Flöte) und Karl V. (Fliegen).
Der in London lehrende Historiker Martyn Rady, ein Fachmann für die Geschichte Südosteuropas, geizt in seinem Wälzer zur Geschichte der Habsburger nicht mit solchen Anekdoten. Aber was heißt Wälzer: 600 Seiten sind ja nicht viel für eine Dynastie, die seit dem 10. Jahrhundert bezeugt ist, die seit dem 13. Jahrhundert immer wieder den deutschen Königs- oder Kaiserthron innehatte und die erst im Revolutionsjahr 1918 abdanken musste - und die auch geographisch weltweit ausgriff, phasenweise vom Pazifik bis in den Balkan. Wer Geschichte im Plauderton schätzt, in dem das charakteristische Detail ebenso viel Gewicht erhält wie der eine oder andere Epochenumbruch, der lernt hier auf unangestrengte Weise eine ganze Menge.
Für den dynastischen Ansatz spricht aber noch ein hintergründigeres Argument: Die Zeit der Geschichte, das Ineinander langfristiger Prozesse und sich überstürzender Ereignisse, wird lebenszeitlich, damit auch naturzeitlich gegliedert, nämlich in Generationen. Eine solche Sichtweise eröffnet Erkenntnischancen, die die Fachwissenschaft gern unterschätzt. Denn der Wechsel von Geburt und Tod lässt auch die Frage nach der Sicherung von Kontinuität dringlich werden. Wie gelang es einer so langlebigen Dynastie wie den Habsburgern, sich als „Haus“ zu konstituieren und selbst eine dramatische Lücke in der männlichen Erbfolge wie den Übergang von Kaiser Karl VI. zu Maria Theresia im Jahr 1740 zu bewältigen?
Rady stellt dazu viel Material bereit, er berichtet von den spätmittelalterlichen Selbstmythisierungen (bis ins alte Rom wurde die Genealogie zurückgeführt), von der Erfindung des Titels „Erzherzog“, von den Zeremonien im Barock, vor allem von einer auf Neuerwerb und Absicherung ausgerichteten Heiratspolitik. Dafür sind die Habsburger bis heute berühmt. Das Riesenreich Karls V. um 1520 verdankte sich einer Abfolge riskanter Heiraten und unvorhergesehener Todesfälle: Innerhalb weniger Jahre versammelten sich auf dem Haupt des unterbissigen Prinzen die Kronen von Burgund, Kastilien und Aragon, von österreichischen, böhmischen und ungarischen Ländern. Da von Spanien aus damals weite Teile Südamerikas kolonisiert wurden, ging, wie man sagen konnte, in diesem Reich die Sonne nicht unter.
Diese Ausdehnung erzwang familiäre Arbeits- und Gebietsteilungen zwischen dem Westen und Osten Europas, zwischen Spanien und den Niederlanden, zwischen Österreich und Italien. Gleichzeitig begann deshalb auch ein System von Verwandtschaftsheiraten innerhalb der Großfamilie, das am Ende zu biologisch grotesken Ergebnissen führte: Der letzte Thronfolger der habsburgischen Doppelmonarchie, der 1914 in Sarajewo erschossene Franz Ferdinand, war mit seinem Vorfahren Ferdinand I., dem Bruder Karls V., über mehr als hundert verschiedene Nachkommen verwandt. Oder statistisch noch krasser gewendet: Unter seinen rechnerisch viertausend Vorfahren bis zurück ins 16. Jahrhundert konnten nur etwa 1500 reale Individuen identifiziert werden, so viele Doppelrollen gab es im Aufgebot der Urgroßväter und Urururgroßtanten.
Das berühmteste Produkt dieser Politik des Inzests war Karl II., der 1700 verstorbene letzte spanische Habsburger. Er war von Geburt schwer krank.
Die nicht besonders appetitlichen Befunde referiert Rady aus einem urologischen Fachorgan. Und doch konnte der offensichtlich regierungsunfähige Karl, der als Fünfjähriger seinem Vater nachfolgte, 35 Jahre unangefochten König bleiben, wenn auch unter höfischer Kuratel.
Metternich, der den Habsburgern in Wien seit 1809 vierzig Jahre lang als leitender Staatsmann diente, sprach anlässlich solcher Konstellationen vom „Wunder des Legitimismus“. Die legitime Erbfolge hatte eine so starke rechtliche Bindekraft, dass es auf die Fähigkeiten des jeweiligen Herrschers nicht ankam.
Das setzte natürlich beträchtliche Ressourcen an höfischen, ständischen, später konstitutionellen Selbstregierungsfähigkeiten in den betroffenen Monarchien voraus. Und hier liegt der Haupteinwand gegen Radys Buch: Ihm fehlt gebührendes Staunen über das legitimistische Wunder. Härter gesagt: Ihm fehlt eine erkenntnisleitende Fragestellung.
Das Haus Habsburg agierte nicht allein, es war Teil eines Dynastienverbunds, der seit der frühen Neuzeit zu einem gesamteuropäischen System wurde. Die hier erwachsende Legitimität beruhte nicht zuletzt auf wechselseitiger Anerkennung, verstärkt durch immer erneuerte Verwandtschaftsbande unter unbedingt Gleichrangigen. Damit wurde eine enorme zivilisatorische Errungenschaft abgesichert, nämlich der meist unblutige Machtwechsel. Neben den modernen Wahldemokratien sind Erbmonarchien die Staatsform, in denen Machtwechsel am wenigsten gewaltsam verlaufen. Schon Monarchien mit unklaren Erbregelungen – beispielsweise das julisch-claudischen Kaiserhaus im Rom des ersten nachchristlichen Jahrhunderts oder die russischen Zaren im 18. Jahrhundert – versanken leicht in Mord und Totschlag.
So ist das Wunder des Legitimismus eng mit einem weniger farbigen, abstrakteren historischen Prozess verbunden, nämlich den europäischen Staatsbildungen seit dem späten Mittelalter. Hier waren die Habsburger Protagonisten, was bei Rady aber nur punktuell erläutert wird. Das phantastisch traditionsbewusste Erzhaus blieb bis in die letzte Generation auch eine Instanz sich immer überholender Modernisierungen. Womöglich wäre ohne den Ersten Weltkrieg unter einem Kaiser Franz Ferdinand eine weitere Stufe zu einem multinationalen Staat erreicht worden.
Die Habsburger wurden nicht groß in einem Land und durch ein Land wie die Könige von Frankreich, und sie wurden nicht begleitet von einem gleich starken Parlament wie in England, sie schufen sich vielmehr im Südosten Deutschlands einen Monarchienverbund, den es ohne die Dynastie nicht gegeben hätte.
Das ist das eigentliche Wunder, vergleichbar nur mit der Konsequenz, mit der die Hohenzollern im 17. und 18. Jahrhundert aus einem wirtschaftlich schwachen norddeutschen Streugebiet eine schlagkräftige europäische Großmacht formten.
Dies alles sind Prozesse, die über das Anekdotische hinausreichen. Wie man sie historiographisch fassen kann, das hat der geniale Sozialhistoriker Otto Hintze 1915 in seinem Jubiläumsbuch „Die Hohenzollern und ihr Werk“ exemplarisch vorgeführt, übrigens auch stilistisch meisterhaft, ohne sich im methodischen Kleinklein zu verlieren. Martyn Rady hat ein unterhaltsames, meist auch im Detail verlässliches Buch geschrieben, die Fragen muss der Leser selbst mitbringen.
GUSTAV SEIBT
Für ihre riskante Heiratspolitik
sind die Habsburger
bis heute berühmt
Das Wunder des Legitimismus,
das der Dynastie so lange
gelang, bleibt leider unerklärt
Politik des Inzests: Karl V. (li., im Porträt von Christoph Amberger) war von 1520 bis 1556 Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, Leopold I. (Porträt von Benjamin von Block) von 1658 bis 1705.
Abb.: OH; Imago
Martyn Rady: Die Habsburger. Aufstieg und Fall einer Weltmacht. Rowohlt Berlin, Berlin 2021. 624 Seiten, 34 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.03.2022

Bis zuletzt ein Friedenskaiser in den Großen Krieg taumelte
Vom aufstrebenden Rittergeschlecht bis zum Untergang im Herbst 1918: Martyn Rady erzählt anekdotenreich die fast tausendjährige Geschichte der Habsburgerdynastie

Seit dem späten zehnten Jahrhundert hatte das am Oberrhein und in der heutigen Nordschweiz begüterte Rittergeschlecht der Habsburger eine beträchtliche Machtstellung erlangt. Rudolf von Habsburg wurde schließlich sogar von 1273 bis 1291 römisch-deutscher König. Unter ihm gelangten die Habsburger zudem in den Besitz des Herzogtums Österreich und weiterer Gebiete am südöstlichen Rand des Reiches. Während im Laufe des vierzehnten und frühen fünfzehnten Jahrhunderts die meisten schwäbischen Besitzungen verloren gingen, wurden die österreichischen Gebiete zu ihren neuen Stammlanden. Sie verlegten in der ersten Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts ihren Hof in die Alte Burg nach Wien. Danach präsentierte sich die Familie als "Haus Österreich". Aus Schwaben wurden Österreicher.

Wien und die österreichischen Länder sollten jedoch bald wieder eine untergeordnete Rolle für die Dynastie spielen, der Martyn Rady eine Darstellung gewidmet hat. Über Heirats- und Erbverträge gelangten die Habsburger im Übergang zum sechzehnten Jahrhundert in den Besitz großer Teile der burgundischen Niederlande und dann auch ganz Spaniens. Durch die spanischen Konquistadorenunternehmungen kamen so auch die spanischen "Erwerbungen" in Amerika in den habsburgischen Herrschaftsverbund. Karl von Gent, der in den Niederlanden aufgewachsene Enkel Maximilians, der als Karl V. von 1520 bis 1558 auch als Kaiser des Hl. Römischen Reiches regierte, empfand sich nicht ganz zu Unrecht als "Weltenherrscher". Habsburgische Geschichte vollzog sich, und der Bezug zu Karl V. macht dies anschaulich, in größeren europäischen und nicht selten globalen Bezügen. Eine große Stärke des Buchs von Martyn Rady ist sein besonderes Interesse genau dafür.

Indem Rady Generation um Generation von habsburgischen Herrscherpersönlichkeiten und ausgewählten Familienmitgliedern, Ehefrauen, Weggefährten, Mitstreitern sowie auch Feinden zum Thema seiner anekdotenreichen Erzählungen macht, nimmt der Leser an einem Parforceritt durch fast ein Jahrtausend europäischer Geschichte teil. In den ersten sechs Kapiteln geht es um die Habsburger in der mittelalterlichen Regional- und Reichsgeschichte. Die folgenden zehn Kapitel behandeln die Zeit des aufkommenden Religionsstreits. Die beiden habsburgischen dynastischen Linien - die spanische und die mitteleuropäische - brachten zwischen 1500 und 1700 Persönlichkeiten hervor, die zu zentralen Fürstreitern der katholischen Sache wurden. Das betraf anfangs stärker die spanischen Herrscher, die wie Philipp II. der Inquisition in Spanien (und in Übersee) enorme Macht zur Verfolgung Andersdenkender zugestanden. Verschiedene Habsburger der mitteleuropäischen Linie, die es ab dem frühen sechzehnten Jahrhundert mit der Abwehr einer drohenden osmanischen Expansion bis in ihr eigenes Stammgebiet zu tun bekamen, waren hier anfangs pragmatischer. Spätestens mit dem Dreißigjährigen Krieg war dies vorbei. "Der dreißigjährige Weltkrieg", wie ihn Rady beschreibt, verwüstete nicht nur viele Regionen in Europa, sondern wurde auch weit in die außereuropäische Welt getragen - in den Kongo, auf die Philippinen oder nach Süd- und Mittelamerika.

Im Jahr 1700 endeten mit dem erbenlosen Tod des spanischen Königs Karl II. die spanische Linie der Habsburger und somit auch der spanisch-habsburgische Schwerpunkt der Erzählung in Radys Buch. Nun rückt wieder das "Haus Österreich" in Mitteleuropa ins Zentrum der Betrachtungen. In den fünfzehn Kapiteln, die die zweite Hälfte des Buches ausmachen, verortet Rady die Habsburger in der sich wandelnden Welt des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts. Durch den "Sieg über die Türken" expandierte ihr Reich nun allerdings zu einem ostmitteleuropäischen Imperium. Die Gewinne aus den "Türkenkriegen" ermöglichen den "barocken Triumph", in dem nun wieder unangefochten ins Zentrum ihres dynastischen Denkens gerückten Wien.

Bald wird dann ein Engagement zur Umsetzung eines aufgeklärten Absolutismus Dreh- und Angelpunkt des Herrschaftswirkens. Am Höhepunkt dieser Politik unter Kaiser Joseph II lässt dieser sogar Hunderte Klöster, die aus seiner Sicht "keine soziale Funktion" erfüllten, schließen. Eine "Revolution von oben" sollte den Weg zu einer säkular-rationalen bürokratischen Herrschaft bahnen. In dieser Ära wird Wien zu einem kulturellen Impulsgeber für ganz Europa.

Mit den Erschütterungen der Napoleonischen Kriege folgt nach 1814/15 eine Epoche, in der die österreichischen Kaiser stark an Herrschaftsmacht einbüßen. Im Vormärz sind es Metternich und andere Regierungsbürokraten, die die Fäden einer repressiv-konservativen Politik ziehen. Im Revolutionsjahr 1848/49 retten habsburgische Generäle durch einen faktischen Militärputsch das Kaiserreich. Und auch Kaiser Franz Joseph, der als Achtzehnjähriger 1848 auf den Thron kommt, auf dem er dann 68 Jahre lang bis 1916 verbleiben sollte, war nur noch einer von mehreren gestaltenden Faktoren der Reichsentwicklung in einer Ära des turbulenten industriellen Wandels, des Liberalismus und dann Imperialismus, in der auch die Habsburgermonarchie den Weg zu einer Ausweitung gesellschaftlicher Teilhabe im politischen Leben eingeschlagen hatte.

Obwohl Radys Buch auch hier anekdotenreich den "Zeitgeist" einzufangen weiß und auch so einige nicht wirklich geläufige Details zum Thema macht (wie beispielsweise die Tianjin-Episode, als die heutige Millionenstadt in China im Jahr 1900 als Konzessionsgebiet eine Art habsburgische "Mikrokolonie" wurde), ist sein Fokus auf das Herrscherwirken doch nur mehr eingeschränkt geeignet, die Vielschichtigkeit des politisch-gesellschaftlich-ökonomischen Gefüges zu fassen, das die Habsburgermonarchie zwischen 1848 und 1918 ausmachte. Zuletzt hat Pieter Judsons in seinem zu Recht gefeierten Buch "The Habsburg Empire. A New History" in überzeugender Weise gezeigt, wie sich die erstaunlich starken innergesellschaftlichen Kohäsionskräfte, die Österreich-Ungarn bis zuletzt trotz aller inneren "Kompliziertheiten" recht stabil zusammenhielten, erklären lassen, wenn man den Blick nicht auf die dynastische oder national-politischen Ebenen allein richtet.

Je länger Franz Joseph regierte, desto mehr firmierte er als "Friedenskaiser". Er war dies aus der Sicht großer Teile der Bevölkerung auch tatsächlich geworden. Österreich-Ungarn hatte über Jahrzehnte keinen Krieg mehr geführt, und Wien, Budapest und andere Städte der Monarchie galten als Orte einer ganz besonderen habsburgischen Moderne.

Franz Joseph blieb freilich nicht der Friedenskaiser. Als er unter dem Einfluss der "Falken" in seiner Militärführung 1914 die Kriegserklärung gegen Serbien unterschrieb - wohl wissend, dass dies kein regionaler Krieg auf "dem Balkan" bleiben würde, sondern alle in Bündnisverpflichtungen aufgestellten europäischen Großmächte in einen "Großen Krieg" hineinziehen (würde) -, tat er dies mit den Worten: "Wenn wir untergehen müssen, dann ehrenhaft". Am Ende des als "Urkatastrophe" des zwanzigsten Jahrhunderts in die Geschichte eingehenden Ersten Weltkriegs hatte sich der Herrschaftsanspruch der Habsburgerdynastie für immer erübrigt.

Warum sie über die Jahrhunderte hinweg ein so zentrales Element der europäischen Geschichte war, davon vermittelt Martyn Rady in seinem Buch einen guten Eindruck. HANNES GRANDITS

Martyn Rady: "Die Habsburger". Aufstieg einer Weltmacht.

Aus dem Englischen von Henning Thies.

Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2021. 624 S., geb., 34,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr
Ein Parforceritt durch fast ein Jahrtausend europäischer Geschichte. Hannes Grandits Frankfurter Allgemeine Zeitung 20220309