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Unter den sieben antiken Weltwundern nehmen die Hängenden Gärten von Babylon eine Sonderstellung ein - auch weil sie als einziges keine Spuren hinterließen: Bis in die Moderne ist umstritten, ob die monumentale bepflanzte Terrassenarchitektur jemals existierte.Der Faszination für die Hängenden Gärten tat das keinen Abbruch - im Gegenteil. Vom Altertum bis hin zu Karl Friedrich Schinkel erzählt eine Überlieferungs- und Imaginationsgeschichte davon, wie sich jede Epoche ihr eigenes Bild von diesem Urtyp der Gartenkunst machte - und von seiner sagenumwobenen Erschafferin, der babylonischen…mehr

Produktbeschreibung
Unter den sieben antiken Weltwundern nehmen die Hängenden Gärten von Babylon eine Sonderstellung ein - auch weil sie als einziges keine Spuren hinterließen: Bis in die Moderne ist umstritten, ob die monumentale bepflanzte Terrassenarchitektur jemals existierte.Der Faszination für die Hängenden Gärten tat das keinen Abbruch - im Gegenteil. Vom Altertum bis hin zu Karl Friedrich Schinkel erzählt eine Überlieferungs- und Imaginationsgeschichte davon, wie sich jede Epoche ihr eigenes Bild von diesem Urtyp der Gartenkunst machte - und von seiner sagenumwobenen Erschafferin, der babylonischen Königin Semiramis. Neben Rekonstruktions-phantasien, die mit Robert Koldeweys archäologischer Wiederentdeckung Babylons um 1900 ihren Höhepunkt erreichten, zeugen zahlreiche Anlagen seit der Renaissance vom Einfluss der Hängenden Gärten: der Palazzo Piccolomini in Pienza, der Palazzo Ducale in Urbino, die Kleine Eremitage in Sankt Petersburg oder die Dachgärten Le Corbusiers.Im Zeichen von Nachhaltigkeit und Klimaschutz erneuert heute eine grüne »Hortitecture« das alte Versprechen der Hängenden Gärten: blühende Natur inmitten gebauter Stadtarchitektur.
Autorenporträt
Stefan Schweizer, geboren 1968, studierte Kunstgeschichte, Soziologie und Geschichte, war Juniorprofessor für Kunstgeschichte an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und bekleidete die Stiftungsprofessur Europäische Gartenkunst der Stadt Düsseldorf. Seit 2012 ist er Wissenschaftlicher Vorstand der Stiftung Schloss und Park Benrath und leitet dort unter anderem das Museum für Gartenkunst. Frank Maier-Solgk ist Autor zahlreicher Bücher, schreibt regelmäßig für Zeitungen und Fachzeitschriften über Architektur, Gartenkunst und Kulturpolitik.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.04.2020

Das Beet muss an die Wand
Aufbäumen gegen den Klimakollaps: Stefan Schweizer streift durch die Rezeptionsgeschichte der Hängenden Gärten von Babylon

Was hat ein Garten auf einem Mauerwerk zu suchen? Für den römischen Gelehrten Seneca war es geradezu skandalös, contra naturam, wie Männer, die in Frauenkleidern herumstolzieren: "Leben nicht jene naturwidrig, die auf den Spitzen von Türmen Obstgärten anlegen? Bei denen sich Wälder auf Hausdächern und Firsten hin und her neigen, wo Wurzeln in einer Höhe sprießen, wohin man selbst Baumgipfel nur in vermessener Selbstüberschätzung hätte wachsen lassen?"

Was in der Antike als eitles Blendwerk galt, gehört heute zum Standardprogramm grüner Architektur. Die neue Generation der Wolkenkratzer in Asien macht es vor: Statt spiegelglatter Oberflächen dominiert ein wildwucherndes Erscheinungsbild, wie etwa beim Büro WOHA aus Singapur, dessen Hochhäuser unter Pflanzen beinahe zu verschwinden drohen. Oder der "Bosco Verticale" von Stefano Boeri: Der Architekt hat 2014 in Mailand bewaldete Zwillingstürme in die Höhe ziehen lassen und kürzlich eine "Smart Forest City" für Mexico entworfen.

Kein Rückbau der Zivilisation ohne vertikale Wälder, begrünte Dächer und hängende Gärten also. Aber die Idee, Wände in Beete und Häuser in Flanierparks zu verwandeln, ist natürlich älter als das aktuelle Aufbäumen gegen den drohenden Klimakollaps. Alles begann mit einem antiken Weltwunder, das auch Seneca im Hinterkopf gespukt haben dürfte, als er seine Kritik äußerte: Der Sage nach ließ die babylonische Königin Semiramis erstmals terrassierte Gärten bauen. Ihre Wirkung mitten in der Wüste befeuerte die Phantasie der Zeitgenossen derart, dass es nicht lange dauerte, bis sie zum Mythos der sieben Weltwunder dazugerechnet wurden. Die Faszination eines scheinbar schwebenden Bauwerks mit angeschlossener Grünoase hat über Jahrhunderte nicht nachgelassen, auch wenn seine Existenz bis heute nicht eindeutig bewiesen ist.

Sowohl die italienische Renaissance-Elite, von Pius II. in Pienza bis zu Federico da Montefeltro in Urbino, als auch eine Katharina die Große mit ihren Hängenden Gärten in der Sankt Petersburger Eremitage, setzten in der Baupraxis um, was erst dank der archäologischen Wiederentdeckung Babylons um 1900 mit den möglichen Originalen verglichen werden konnte. Warum die Hängenden Gärten als phantastischer Sehnsuchtsort sogar in dem weiten Feld der Popkultur fortleben und zur Blaupause der heutigen "Hortitecture" aufsteigen konnten, das zu erzählen hat sich Stefan Schweizer in seinem Buch vorgenommen.

Als einer der Herausgeber der Zeitschrift "Die Gartenkunst", wissenschaftlicher Vorstand der Stiftung Schloss und Park Benrath und Leiter des dortigen Museums für Gartenkunst ist er nicht nur Experte auf dem Gebiet der gepflegten Landschaftsgestaltung. Er ist auch ein begnadeter Maulwurf, wenn es darum geht, möglichst viele Verzweigungen der mitunter auch zweifelhaften Überlieferung aufzuspüren. Folgt man den anschwellenden Wissensströmen, erfährt man etwa, dass Semiramis bereits in mittelalterlichen Heilspiegeln eine Wandlung von der in der Antike als sittenlos charakterisierten Herrscherin zur Präfiguration Mariens durchmachte. Der Universalgelehrte Athanasius Kircher sah in ihr in seinem Werk über den Turmbau zu Babel von 1679 gar die Erfinderin der Pyramide und verwendete für die Darstellung der Hängenden Gärten einen Stich Alessandro Francinis, mit dem dieser eigentlich den königlichen Garten am Château-Neuf de Saint-Germain-en-Laye illustrieren wollte. Offenbar erschien es Kircher wichtiger, einen Katalog von architektonischen Archetypen herzustellen, als auf historische Korrektheit zu setzen. "Auch nach 1700 wurde das von Kircher in die Welt gesetzte Bild der Hängenden Gärten als authentisches Modell betrachtet", schreibt der Autor. Was ihn natürlich dazu anstiftet, das Netz aus Projektionen, die über Enzyklopädien oder Gartentraktate weitergereicht wurden, mit Genuss aufzufächern. Bis zum kuriosen Transfer nach China.

Der flämische Missionar Ferdinand Verbiest fertigte 1674 in Peking eine Weltkarte samt Illustrationen an, die den chinesischen Betrachtern Europa näherbringen sollte. Die Babylon-Darstellung schoss dabei etwas übers Ziel hinaus: Die Berglandschaft mit Flusstal, Brücke und einem begrünten Bastionswall ähnelte verdächtig den typisch asiatischen Vorstellungen einer idealen Grünanlage. Weniger abschweifend näherte sich Karl Friedrich Schinkel dem Bauwerk in seinen Dioramen, die 1814 in Wilhelm Gropius' Mechanischem Theater ausgestellt waren.

Auf den erhaltenen Skizzen rekonstruiert Schinkel, auf dessen Konto der Entwurf eines Hängenden Gartens für Schloss Orianda auf der Krim ging, gewissenhaft die Unterbauten mit der Bepflanzung in Untersicht. Auch wenn man sich bei der Fülle des ausgebreiteten Materials in einem Labyrinth der verlässlich sich weiter verzweigenden Seitenwege wähnt, das dem Leser Ausdauer abverlangt, überwiegt das Staunen über die Mobilität einer Erzählung, auch mit Blick auf die sorgfältig ausgesuchten Abbildungen. Unter den aufgerufenen Zeugnissen fehlen nicht Exkursionen zu den Spuren bei Giuseppe Verdi, Edgar Degas, Karl May oder Stefan George, von dem der Gedicht-Zyklus "Das Buch der hängenden Gärten" stammt. Über den Siegeszug des Flachdachs gelingt der Sprung in die Moderne, flankiert im Finale vom Siegeszug der green architecture und ihren jüngsten Beispielen auch hierzulande, etwa den Düsseldorfer Kö-Bögen II, die sowohl auf dem Dach als auch auf Nord- und Westseite mit einer acht Kilometer langen Hainbuchenhecke begrünt sein werden. Eines von vielen Beispielen, so der Autor, "bei denen als Vision die Idee einer neuen pastoralen Urbanität die alte Idee des exklusiven Weltwunders ersetzt hat".

ALEXANDRA WACH

Stefan Schweizer: "Die Hängenden Gärten von Babylon." Vom Weltwunder zur grünen Architektur.

Wagenbach Verlag, Berlin 2020. 240 S., Abb., br., 28,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 31.07.2020

Vertikale Strukturen
Ein historischer Längsschnitt über die Geschichte der Hängenden Gärten
Von den sieben klassischen Weltwundern der Antike hatte eins immer einen besonderen Status gehabt. Zwar sind sie alle (mit Ausnahme der wind- und wetterfesten Pyramiden) inzwischen hinüber; aber man weiß doch sehr Bestimmtes über sie, was ihr Zweck war, wie sie aussahen, so ungefähr mindestens, wer sie baute, manchmal sogar, wer sie zerstörte. Es handelt sich um belastbare historische Fakten.
Nicht so bei den Hängenden Gärten der Semiramis. Schon der geheimnisvolle Klang dieses Namens! Was heißt „hängend“? Und wer war Semiramis? Der Kunsthistoriker Stefan Schweizer ist ihnen nachgegangen, in einem Band, der ursprünglich als Begleitschrift einer Ausstellung zum Thema in Schloss und Park Benrath konzipiert wurde (Schweizer ist Wissenschaftlicher Vorstand der zugehörigen Stiftung), aber sich sehr gut auch unabhängig davon lesen lässt. Nur den Bildern hätte man doch ein klein wenig mehr Platz gegönnt.
„Hängend“, um damit anzufangen, ist ein altes Missverständnis. Selbstverständlich sind die Gärten nicht aufgehängt wie eine Blumenampel. Die entsprechenden griechischen und lateinischen Vokabeln meinen vielmehr einen schwebenden Zustand, und dieser wiederum bezieht sich auf mächtige Substruktionsbauten, die erforderlich waren, um die terrassierten Anlagen mit ihren Bäumen hoch in die Lüfte zu stemmen.
Die antiken Quellen zeichnen sich durch märchenhafte und widersprüchliche Züge aus und ließen, als das Sujet nach der Inkubationszeit des Mittelalters in der Neuzeit wieder mehr Zuspruch fand, der bildlichen und architektonischen Vorstellungskraft die nötige Freiheit. Sebastian Münster entwarf im 16. Jahrhundert eine Art gigantischen Tisch auf Säulenbeinen; die Stiche des 17. und 18. Jahrhunderts schwelgten in monumentalem Exotismus und brachten die Gärten gern zusammen mit ihrem Nachbarn, dem Turm von Babel ins Bild, der mit seiner spiralig umlaufenden Rampe aussieht wie die Spitze eines riesigen Bohrers, der sich aus dem Untergrund den Weg ins Licht bahnt.
Die Päpste und Fürsten der italienischen Renaissance bevorzugten ein intimes Format, was sie aber nicht daran hinderte, mit dem gewaltigen Bau-Aufwand anzugeben. Gerade diese naturwidrige, teure Ablösung der Pflanzen vom Mutterboden, um sie gewissermaßen in den Himmel umzutopfen, galt als ein exquisiter Herrscherluxus.
Im 19. Jahrhundert trat die Archäologie auf die Bühne und begann die bisherige Fata Morgana erstmals mit harten Fakten zu unterfüttern. Leider fand sie nicht viel außer einem Riesenhaufen von Ziegeltrümmern. Gärten dauern schlecht; wenn keiner sie pflegt, verschwinden sie rasch von der historischen Bildfläche. Aber noch einmal beflügelte die Idee der Hängenden Gärten die Architekten und die Maler von Sammelbildern, welche Liebigs Fleischextrakt beilagen; Schinkel entwarf eine grandiose Anlage für die Zarin auf der Krim, und Hans Poelzig ein in mehreren Ebenen zurückspringendes Haus der deutsch-türkischen Freundschaft in Konstantinopel. Beides wurde nie gebaut, weil jeweils Kriege dazwischenkamen. Der Krieg ist der ewige Todfeind des Gartens. Die Hängenden Gärten der Sankt Petersburger Eremitage überstanden die 1000tägige deutsche Belagerung nur, weil die Museumsangestellten sie in Zeiten der Hungersnot zum Anbau von Lauch und roter Bete nutzten.
Das letzte Kapitel des Bandes ist ein Gastbeitrag des Germanisten Frank Maier-Solgk und befasst sich mit der Fortschreibung der antiken Idee in Moderne und heutiger Zeit. Dem alten Phantasma kam das neue Konzept des Flachdachs entgegen. Le Corbusier forderte, die Grundfläche der Städte durch Dachgärten quasi zu verdoppeln.
Ganz neue Perspektiven hat das Hochhaus eröffnet; hier beginnen die Gärten erstmals wirklich zu hängen, indem sie sich in senkrechte Strukturen verwandeln. Andere Hochgebäude (z.B. der Trudo Vertical Forest in Eindhoven, der dieses Jahr fertig werden soll) machen den Eindruck großer Kommoden, wo von oben bis unten das Grün herausquillt wie Socken aus schlecht geschlossenen Schubladen.
Aber auch in Deutschland gibt es einige ehrgeizige Projekte; das Buch behandelt den Kö-Bogen in Düsseldorf und das Pschorr-Haus in München. Im Zeitalter des klima- und energiebewussten Bauens liegen die Hängenden Gärten eindeutig im Trend. Schade nur, meint Maier-Solgk, dass sie nicht mehr so heißen dürfen und gerade dann, wenn sie faktisch Allgemeingut werden, aufgehört haben, ein verbreitetes Bildungsgut zu sein, das alle mit einem lauten Ah! erkennen. Ein alter Menschheitstraum geht in Erfüllung, und keiner merkt es. Außer den Autoren des Buchs natürlich.
Und Semiramis? Die bleibt so rätselhaft wie eh und je. Eine große Jägerin soll sie gewesen sein, eine große Fürstin, die sich klug als ihr minderjähriger Sohn ausgab, um die Herrschaft für beide zu sichern; leider auch wollüstig und inzestuös. Bis in die Sechzigerjahre wurde sie in Sandalenfilmen verherrlicht, für die, dem abgebildeten Plakat nach zu schließen, B-Movie ein zu hoch gegriffenes Kompliment gewesen wäre. Als „Semiramis des Nordens“ feierte Voltaire die russische Zarin Katharina II., auf die St. Petersburgs Hängende Gärten zurückgehen. Dass dabei auch die legendäre Erotomanie der Babylonierin auf Katharina abfärbte, das war, wie Schweizer trockenen Tons kommentiert, „höchstwahrscheinlich eine von Voltaire unbeabsichtigte Parallele“.
BURKHARD MÜLLER
Le Corbusier wollte mit
dem Flachdach die Grundfläche
der Städte verdoppelten
Stefan Schweizer: Die Hängenden Gärten von Babylon. Vom Weltwunder zur grünen Architektur. Mit einem Beitrag von Frank Maier-Solgk. Wagenbach Verlag, Berlin 2020. 240 Seiten, 28 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Burkhard Müller liest das Buch des Kunsthistorikers Stefan Schweizer mit Interesse. Was es mit den hängenden Gärten der Semiramis auf sich hat, erläutert ihm der Autor in allen märchenhaften und widersprüchlichen Facetten des Sujets. Als Ausstellungsband geplant, findet Müller das Buch auch "unabhängig davon" lesenswert. Zum einen, weil er endlich erfährt, was es mit dem "Hängen" der Gärten auf sich hat, zum anderen, da ihm ein Beitrag des Germanisten Frank Maier-Solgk aufzeigt, wie die antike Idee der hängenden Gärten bis heute fortgeschrieben wird, etwa bei Le Corbusier oder heute beim energiebewussten Bauen.

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