Zum 350-jährigen Cotta-Jubiläum eine kenntnisreiche und sehr lesbare Biografie aus der großen Zeit des geistigen Deutschlands. Mit viel ironischem Verständnis für den Widerstreit zwischen Ökonomie und geistigem Anspruch beschreibt Peter Kaeding den Lebenslauf des sicherlich bedeutendsten deutschen Verlegers.
1787 übernahm der 23 Jahre alte Johann Friedrich Cotta (1764 -1832) nach dem Jurastudium das nicht eben glanzvolle Familienunternehmen, die Cotta'sche Verlagsbuchhandlung in Tübingen. Als er starb, war er nicht nur der Buchhändlerfürst Deutschlands, Eigentümer zahlreicher Industrieunternehmen, sondern auch der Regent eines Zeitungsimperiums, dessen Glanz bis in unsere Tage strahlt. Fleiß, Fairness und ein Gespür für Themen, die die geistige Elite Deutschlands interessierten, machten diesen Mann, über dessen sparsamen Lebenszuschnitt mancher Zeitgenosse den Kopf schüttelte, zu einem intellektuellen Strategen.
Cotta gelang es nicht nur, unter seinem Verlagsnamen Autoren wie Goethe, Schiller, Hölderlin, Schelling, Alexander von Humboldt, Jean Paul und viele andere zu vereinen. Er schuf mit der europaweit berühmten »Allgemeinen Zeitung«, mit dem »Morgenblatt für gebildete Stände«, mit den »Horen« und einem ganzen Strauß von Frauenzeitschriften liberale Diskussionsforen, die nicht selten die Obrigkeit herausforderten.
1787 übernahm der 23 Jahre alte Johann Friedrich Cotta (1764 -1832) nach dem Jurastudium das nicht eben glanzvolle Familienunternehmen, die Cotta'sche Verlagsbuchhandlung in Tübingen. Als er starb, war er nicht nur der Buchhändlerfürst Deutschlands, Eigentümer zahlreicher Industrieunternehmen, sondern auch der Regent eines Zeitungsimperiums, dessen Glanz bis in unsere Tage strahlt. Fleiß, Fairness und ein Gespür für Themen, die die geistige Elite Deutschlands interessierten, machten diesen Mann, über dessen sparsamen Lebenszuschnitt mancher Zeitgenosse den Kopf schüttelte, zu einem intellektuellen Strategen.
Cotta gelang es nicht nur, unter seinem Verlagsnamen Autoren wie Goethe, Schiller, Hölderlin, Schelling, Alexander von Humboldt, Jean Paul und viele andere zu vereinen. Er schuf mit der europaweit berühmten »Allgemeinen Zeitung«, mit dem »Morgenblatt für gebildete Stände«, mit den »Horen« und einem ganzen Strauß von Frauenzeitschriften liberale Diskussionsforen, die nicht selten die Obrigkeit herausforderten.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.06.2009Keine Klassik ohne Cotta
Peter Kaedings Biographie des Verlegers enttäuscht
"Napoleon unter den Buchhändlern" oder "Bibliopolischer Despot": So lauten die aus Furcht und Anerkennung gemischten Beinamen Johann Friedrich Cottas, der bedeutendsten und mächtigsten Verlegerpersönlichkeit des neunzehnten Jahrhunderts. Mit seinem auf Klassikerausgaben basierenden Imperium war er an der Entstehung der deutschen Nationalliteratur maßgeblich beteiligt. Als der Dreiundzwanzigjährige 1787 das Familienunternehmen von seinem Vater übernahm, war ein solcher Erfolg keineswegs absehbar. Die Firma war recht angeschlagen, und der studierte Jurist hatte bis dahin kaum Erfahrung mit dem Buchhandel. Vielleicht war Cotta aber gerade deshalb weniger skeptisch und freier für kühne unternehmerische Entscheidungen.
Mit Schillers Zeitschrift "Die Horen" erzielte Cotta zwar keinen riesigen Verkaufserfolg, konnte aber die bedeutendsten Autoren seiner Zeit für sich gewinnen. Zu Goethe, Jean Paul und Kleist kamen bald auch Hölderlin und Humboldt sowie die Romantiker Fichte, Schelling, Schlegel und Tieck. Cotta regierte aber nicht nur den geistigen Parnass, sondern versorgte die Öffentlichkeit auch flächendeckend mit Zeitungen und Zeitschriften wie dem "Morgenblatt für gebildete Stände", der "Allgemeinen Zeitung" oder den "Europäischen Annalen". Wie weitreichend und kulturell prägend die Cotta-Kultur tatsächlich war, ist seit der jüngsten philologischen Grundlagenforschung unübersehbar. Bernhard Fischer, Direktor des Goetheund Schiller-Archivs in Weimar, legte 2003 die Verlagsbibliographie in drei umfangreichen Bänden vor, und das Brief-Repertorium (1997) von Helmut Mojem, Leiter des Cotta-Archivs, verzeichnet die noch weitgehend unpublizierte Korrespondenz in mehr als 4500 Einträgen. Hinzu kommen wichtige Einzelstudien.
Die Bedingungen für die erste wissenschaftliche Biographie auf Grundlage von Archivmaterialien könnten günstiger nicht sein. Umso befremdlicher ist Peter Kaedings Lebensschilderung, die all diese Vorarbeiten einfach ignoriert. Wie schon die Viten von August von Kotzebue (1988) und Adolph Freiherr Knigge (1991) erzählt er jetzt auch Cottas Weg zum Ruhm nett, aber ohne Pfiff. Kaeding kennt sich mit den Autoren der Zeit zwar gut aus und arrangiert den Stoff auf gefällige Weise. Doch hinter den biographischen Standards der vergangenen Jahre bleibt sein Buch weit zurück: Es beziffert nicht hinreichend den intellektuellen Gewinn einer Auseinandersetzung mit diesem Leben, bezieht verfügbares neues Material nicht ein und übergeht aktuelle Debatten von Buchhandelshistorikern und Medienwissenschaftlern zur Entwicklung des modernen Buchmarktes.
Ein Verlag, der für Goethes Ausgabe letzter Hand mit dem Spitzenhonorar von 65 000 Talern sechsunddreißig Konkurrenten aus dem Feld schlagen konnte und auch politisch lange eine Führungsposition im deutschen Buchhandel behauptete, hätte zum dreihundertfünfzigjährigen Bestehen eine glanzvollere Würdigung verdient. Noch ist Zeit bis zu Johann Friedrich Cottas zweihundertfünfzigstem Geburtstag im Jahre 2014 - vielleicht wagt dann einer wie Bernhard Fischer jene große wissenschaftliche Biographie, die weiterhin aussteht.
ALEXANDER KOSENINA.
Peter Kaeding: "Die Hand über der ganzen Welt". Johann Friedrich Cotta. Der Verleger der deutschen Klassik. Cotta'sche Buchhandlung, Stuttgart 2009. 496 S., geb. 29,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Peter Kaedings Biographie des Verlegers enttäuscht
"Napoleon unter den Buchhändlern" oder "Bibliopolischer Despot": So lauten die aus Furcht und Anerkennung gemischten Beinamen Johann Friedrich Cottas, der bedeutendsten und mächtigsten Verlegerpersönlichkeit des neunzehnten Jahrhunderts. Mit seinem auf Klassikerausgaben basierenden Imperium war er an der Entstehung der deutschen Nationalliteratur maßgeblich beteiligt. Als der Dreiundzwanzigjährige 1787 das Familienunternehmen von seinem Vater übernahm, war ein solcher Erfolg keineswegs absehbar. Die Firma war recht angeschlagen, und der studierte Jurist hatte bis dahin kaum Erfahrung mit dem Buchhandel. Vielleicht war Cotta aber gerade deshalb weniger skeptisch und freier für kühne unternehmerische Entscheidungen.
Mit Schillers Zeitschrift "Die Horen" erzielte Cotta zwar keinen riesigen Verkaufserfolg, konnte aber die bedeutendsten Autoren seiner Zeit für sich gewinnen. Zu Goethe, Jean Paul und Kleist kamen bald auch Hölderlin und Humboldt sowie die Romantiker Fichte, Schelling, Schlegel und Tieck. Cotta regierte aber nicht nur den geistigen Parnass, sondern versorgte die Öffentlichkeit auch flächendeckend mit Zeitungen und Zeitschriften wie dem "Morgenblatt für gebildete Stände", der "Allgemeinen Zeitung" oder den "Europäischen Annalen". Wie weitreichend und kulturell prägend die Cotta-Kultur tatsächlich war, ist seit der jüngsten philologischen Grundlagenforschung unübersehbar. Bernhard Fischer, Direktor des Goetheund Schiller-Archivs in Weimar, legte 2003 die Verlagsbibliographie in drei umfangreichen Bänden vor, und das Brief-Repertorium (1997) von Helmut Mojem, Leiter des Cotta-Archivs, verzeichnet die noch weitgehend unpublizierte Korrespondenz in mehr als 4500 Einträgen. Hinzu kommen wichtige Einzelstudien.
Die Bedingungen für die erste wissenschaftliche Biographie auf Grundlage von Archivmaterialien könnten günstiger nicht sein. Umso befremdlicher ist Peter Kaedings Lebensschilderung, die all diese Vorarbeiten einfach ignoriert. Wie schon die Viten von August von Kotzebue (1988) und Adolph Freiherr Knigge (1991) erzählt er jetzt auch Cottas Weg zum Ruhm nett, aber ohne Pfiff. Kaeding kennt sich mit den Autoren der Zeit zwar gut aus und arrangiert den Stoff auf gefällige Weise. Doch hinter den biographischen Standards der vergangenen Jahre bleibt sein Buch weit zurück: Es beziffert nicht hinreichend den intellektuellen Gewinn einer Auseinandersetzung mit diesem Leben, bezieht verfügbares neues Material nicht ein und übergeht aktuelle Debatten von Buchhandelshistorikern und Medienwissenschaftlern zur Entwicklung des modernen Buchmarktes.
Ein Verlag, der für Goethes Ausgabe letzter Hand mit dem Spitzenhonorar von 65 000 Talern sechsunddreißig Konkurrenten aus dem Feld schlagen konnte und auch politisch lange eine Führungsposition im deutschen Buchhandel behauptete, hätte zum dreihundertfünfzigjährigen Bestehen eine glanzvollere Würdigung verdient. Noch ist Zeit bis zu Johann Friedrich Cottas zweihundertfünfzigstem Geburtstag im Jahre 2014 - vielleicht wagt dann einer wie Bernhard Fischer jene große wissenschaftliche Biographie, die weiterhin aussteht.
ALEXANDER KOSENINA.
Peter Kaeding: "Die Hand über der ganzen Welt". Johann Friedrich Cotta. Der Verleger der deutschen Klassik. Cotta'sche Buchhandlung, Stuttgart 2009. 496 S., geb. 29,90 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Rezensent Heinz Schlaffer ist von Peter Kaedings Biografie über Johann Friedrich Cotta schlicht enttäuscht. Der große Verleger der Klassik, der unter anderem die Werkausgaben von Schiller und Goethe herausbrachte, hätte seines Erachtens eine bessere Lebensbeschreibung als vorliegende verdient. Er hält dem Autor vor, sich darauf zu beschränken, eine Chronik von Cottas Leben in eine "fortlaufende Erzählung" zu kleiden. Besonders ärgert ihn, dass der Autor so tut, "als sei er Cottas Hausfreund gewesen". Überprüfen lassen sich die Mitteilungen Kaedings zu seinem Bedauern natürlich nicht. Außerdem vermisst er schmerzlich Anmerkungen, Register und ein Inhaltsverzeichnis. Die schöne Aufmachung des Buchs ist für ihn da kein echter Trost.
© Perlentaucher Medien GmbH
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