Nur wenige Vorschriften im europäischen Lebensmittelrecht wurden so kontrovers diskutiert und haben in den letzten Jahren für so viel Aufsehen in der Lebensmittelwirtschaft gesorgt wie die Health Claims Verordnung der EU. In der vorliegenden Studie wird die praktische Umsetzung der Health Claims-Verordnung (HCVO) in der deutschen Lebensmittelwirtschaft untersucht. In Kooperation mit dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) und dem Nahrungsergänzungsmittelverband (NEM e.V.) wurden zwei Unternehmensbefragungen durchgeführt. 31 Lebensmittelunternehmen, welche beim BVL entsprechende Vorschläge zur Erstellung einer deutschen Liste eingereicht haben und insgesamt 34 Mitgliedsunternehmen des NEM e.V. wurden zu verschiedenen Regelungsinhalten der HCVO befragt. Es hat sich gezeigt, dass die Mehrheit der Unternehmen aktiv auf das Inkrafttreten der HCVO reagiert hat. Hauptsächlich wurden Verpackungsumstellungen und zusätzliche Nährwertanalysen durchgeführt, um die Rechtskonformität und die Verkehrsfähigkeit der entsprechenden Produkte zu gewährleisten. Etwa die Hälfte der antwortenden Unternehmen konstatierte, dass die HCVO einen verzögernden und verhindernden Einfluss auf Produktneuentwicklungen ihres Unternehmens habe. Die Gründe für diese Zurückhaltung liegen höchstwahrscheinlich in den langen, kostenintensiven und aufwendigen Zulassungsverfahren für gesundheitsbezogene Angaben nach Artikel 14 der HCVO. Im Rahmen einer erfolgreichen Antragsstellung sind Lebensmittelunternehmen in der Regel auf die kostenintensive Unterstützung von Experten für Lebensmittelrecht, wissenschaftlichen Sachverständigen und sofern notwendig auf die Durchführung von Interventionsstudien am Menschen angewiesen. In Anbetracht dessen, dass sich die Kosten für derartige Studien auf ca. 50.000-300.000 Euro belaufen können, sind Investitionen in Produktinnovationen gerade für klein- und mittelständische Unternehmen schwer zu realisieren. Dieses Ergebnis steht im Widerspruch zu dem angestrebten Ziel der Innovationsförderung im EU-Lebensmittelsektor durch die HCVO. Weiterhin gab die überwiegende Mehrheit der Unternehmen an, dass ihnen finanzielle Mehrbelastungen durch die Verordnungsvorgaben entstanden sind. Ein erheblicher Teil dieser Kosten ist durch die Inanspruchnahme einer externen Rechtsberatung entstanden. Zudem wurden die hohen wissenschaftlichen Anforderungen der EFSA an die eingereichten gesundheitsbezogenen Angaben kritisiert. In der Gesamtheit bewertet die Mehrzahl der Unternehmen die jetzige Fassung der HCVO insgesamt als negativ für ihre unternehmerischen Belange.
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