Katja Wiesberg verschwimmt die Welt vor den Augen. Ihr Mann ist fort, und sie ist ihren Job los. Katja ist allein. Da sitzt auf einmal ein älterer Herr auf dem Rand ihrer Badewanne und stellt sich als Dr. Blank vor. Es ist der Geist ihres ehemaligen Nachbarn. Und noch ein fremder taucht auf: Nachts steht ein Feuerwehrmann vor der Tür, der behauptet, zu einem Brand gerufen worden zu sein - und nicht wieder geht. Mit entwaffnender Zutraulichkeit nistet er sich in Katjas Leben ein. Erst allmählich begreift sie, wie gut er ihr tut: Ein kleinkrimineller Feuerwehrmann, der Karatefilme liebt, ist gerade das Richtige, um sie zurück ins Leben zu holen. Eine abenteuerliche Dreiecksgeschichte nimmt ihren Lauf, zwischen einer aus dem Alltag gefallenen Frau, einem überaus selbstbewussten Liebhaber und einem lebensweisen Toten, den allerdings nur Katja sehen kann.
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.06.2010Schutzengel sollten Karate können
Mariana Leky hat eine gespenstisch komische Dreiecksgeschichte geschrieben: „Die Herrenausstatterin“
Lange wussten wir über Tote nicht viel mehr, als dass sie keine Karos tragen. Zwar tauchten in der Literatur, namentlich der phantastischen, der magisch-realistischen und der esoterischen, immer wieder einmal Botschaften oder Erscheinungen aus dem Jenseits auf, aber das Verständnis der sichtbaren für die unsichtbare Welt vermochten sie kaum zu fördern. In jüngster Zeit haben Autoren wie Cees Nooteboom oder Sibylle Lewitscharoff den Verstorbenen literarische Auftritte der etwas anderen Art verschafft: Ungezwungen bewegen sich diese Figuren im Alltag ihrer lebenden Mit- und Gegenspieler, reden mit ihnen auf Augenhöhe und geben wie beiläufig erhellende Auskünfte über das Reich der Schatten, das sich ja, wenn man alten Lehren glauben darf, ohnehin mitten unter uns befindet.
Einen weiteren Schritt auf dem Weg zum entspannten Umgang zwischen Hüben und Drüben vollzieht jetzt die 1973 geborene Mariana Leky, die vor einigen Jahren mit einem Debütroman („Erste Hilfe“) von stilsicherer Leichtigkeit auffiel. Ihrem neuen Werk „Die Herrenausstatterin“ hat sie als Motto einen Satz des „vermummten Herrn“ aus Wedekinds „Frühlings Erwachen“ vorangestellt, was dem Titel einen listigen Hintersinn verleiht. Und der im Roman herumgeisternde Tote ruft zwei Gestalten aus der Finalszene des Dramas in Erinnerung – einerseits den kopflosen Wiedergänger Moritz mit seiner abgeklärt-erhabenen Sicht auf das irdische Treiben, andererseits den namenlosen Vermummten mit seinem resoluten Plädoyer für die Hingabe an das Leben. Ausgestattet hat Leky diesen freundlichen älteren Herrn mit schwarzem Anzug und weißem Hemd, schwarzen Schuhen und schwarzer Krawatte, ovalen Brillengläsern und dem Nachnamen Blank, der „leer“ oder „Leerstelle“ bedeutet und demnach als zeitgemäße Variante von „Anonymus“ durchgehen kann.
Professionell für Herrenoberbekleidung zuständig ist Blanks Witwe, eine überaus lebensfrohe Dame, deren Unfähigkeit zu trauern den Dahingeschiedenen nicht zur Ruhe kommen lässt. Um sie noch ein wenig observieren zu können, übernimmt er eine Art Schutzengelposten bei seiner ehemaligen Nachbarin, der gleichfalls frisch verwitweten, aber viel jüngeren und unglücklicheren Katja.
Ihr, der Ich-Heldin, hat nicht nur das jähe Ableben des Gatten einen harten Schlag versetzt, sondern auch die Entdeckung, dass er sie zuvor schon eine ganze Weile hinterging – die übliche Geschichte, hier bemerkenswert lakonisch und skurril erzählt. Zu allem Überfluss verliert sie ihren Job als Übersetzerin von Gebrauchstexten, und da bei so viel Elend ein Schutzengel nicht genügt, muss ein zweiter in Aktion treten, ein etwas zwielichtiger, aber quicklebendiger und höchst selbstbewusster Feuerwehrmann, Karatefilmgucker und Kleptomane namens Armin, der sich mit entwaffnender Dreistigkeit in Katjas Leben einnistet.
Jeder der beiden Kavaliere trägt auf seine Weise dazu bei, die Entwurzelte vor depressiver Verwahrlosung zu retten. Armin tut ein Übriges, indem er Katja ungebeten schwängert, was Blank wiederum die Arbeit an ihrer moralischen Aufrichtung erschwert, weil von Liebe zwischen den beiden jungen Leuten nicht eigentlich die Rede sein kann. Viel tiefer ist die Zuneigung zwischen Katja und dem alten Herrn, aber dessen Nachspieltage auf Erden sind gezählt: Immer größer werden die Löcher, beziehungsweise Leerstellen, die in seiner physischen Erscheinung klaffen, und lassen sie sich auch anfangs noch mit Pflaster zukleben, kündigen sie doch unerbittlich sein endgültiges Verschwinden an.
Die kuriose Dreierkonstellation, die einen Extrareiz daraus bezieht, dass Blank für alle außer seiner Schutzbefohlenen unsichtbar bleibt, funktioniert immerhin lange genug, um Katja wieder zukunftstauglich zu machen. Im Trio reist man an Hollands Nordseeküste, wo Armin einem leibhaftigen Karatefilmstar begegnet und sinnfreie Diebstähle in Ferienbungalows begeht. In der Pension „Zum fröhlichen Hirten“ hängt neben der Eingangstür ein großer Spiegel, über dem geschrieben steht: „Hier siehst du den Menschen, der für dein Leben verantwortlich ist.“ Ob die Autorin es nun beabsichtigt hat oder nicht – an diese Perle holländischen Humors wird der Leser künftig morgens im Badezimmer denken müssen. Es könnte ihm auch der eine oder andere Gedanke von der Zwanzig- Punkte-Liste, die Blank bei seinem Abgang für Katja hinterlässt, hartnäckig im Kopf herumgehen. Zum Beispiel: „Ich vermute, dass der Schrecken des Todes eine Einflüsterung des Lebens ist. Schlimm ist nicht, dass der Tod am einen Ende zieht, sondern dass das Leben am anderen nicht loslässt (dafür schätzen wir es ja auch).“
Die kleine Geschichte, die Mariana Leky sich ausgedacht hat, ist komisch und traurig, gespenstisch und menschlich, grotesk und rührend, vor allem aber verblüffend weise. Sie kommt in einer Sprache daher, die weder originell sein will noch in Geschwätz ausartet, die nicht um Pointen ringt, sondern sie scheinbar absichtslos findet, die schlichte Sätze baut und sie wie Bretterstege über lebensphilosophische Abgründe legt. Es geschieht wahrlich selten, dass ein so federleichtes, unprätentiöses Buch einen mit der Frage zurücklässt: „Tod, wo ist dein Stachel?“ Am Ende hält man sogar für möglich, was Herr Blank mit seinem geisterhaften Durchblick als Punkt zehn auf der Liste vermerkt – dass Karatefilme besser seien als ihr Ruf. KRISTINA MAIDT-ZINKE
MARIANA LEKY: Die Herrenausstatterin. Roman. DuMont Buchverlag, Köln 2010. 208 Seiten, 18,95 Euro.
Leky baut Sätze, die sie wie
Bretterstege über die Abgründe
der Lebensphilosophie legt
Der Rosenkavalier ist zwar schon ein wenig tot, trägt aber keine Karos. In ihrem neuen Roman spielt Mariana Leky auf Frank Wedekinds Kindertragödie „Frühlings Erwachen“ an. In deren Schlussszene steigt der junge Moritz
Stiefel, der sich erschossen hat, aus dem Grab und trägt seinen Kopf unter dem Arm. Hier eine Szene mit Lukas Rüppel als Moritz in Claus Peymanns Inszenierung des Stücks am Berliner Ensemble 2008.
Foto: Braun/
dramaberlin.de
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Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
Mariana Leky hat eine gespenstisch komische Dreiecksgeschichte geschrieben: „Die Herrenausstatterin“
Lange wussten wir über Tote nicht viel mehr, als dass sie keine Karos tragen. Zwar tauchten in der Literatur, namentlich der phantastischen, der magisch-realistischen und der esoterischen, immer wieder einmal Botschaften oder Erscheinungen aus dem Jenseits auf, aber das Verständnis der sichtbaren für die unsichtbare Welt vermochten sie kaum zu fördern. In jüngster Zeit haben Autoren wie Cees Nooteboom oder Sibylle Lewitscharoff den Verstorbenen literarische Auftritte der etwas anderen Art verschafft: Ungezwungen bewegen sich diese Figuren im Alltag ihrer lebenden Mit- und Gegenspieler, reden mit ihnen auf Augenhöhe und geben wie beiläufig erhellende Auskünfte über das Reich der Schatten, das sich ja, wenn man alten Lehren glauben darf, ohnehin mitten unter uns befindet.
Einen weiteren Schritt auf dem Weg zum entspannten Umgang zwischen Hüben und Drüben vollzieht jetzt die 1973 geborene Mariana Leky, die vor einigen Jahren mit einem Debütroman („Erste Hilfe“) von stilsicherer Leichtigkeit auffiel. Ihrem neuen Werk „Die Herrenausstatterin“ hat sie als Motto einen Satz des „vermummten Herrn“ aus Wedekinds „Frühlings Erwachen“ vorangestellt, was dem Titel einen listigen Hintersinn verleiht. Und der im Roman herumgeisternde Tote ruft zwei Gestalten aus der Finalszene des Dramas in Erinnerung – einerseits den kopflosen Wiedergänger Moritz mit seiner abgeklärt-erhabenen Sicht auf das irdische Treiben, andererseits den namenlosen Vermummten mit seinem resoluten Plädoyer für die Hingabe an das Leben. Ausgestattet hat Leky diesen freundlichen älteren Herrn mit schwarzem Anzug und weißem Hemd, schwarzen Schuhen und schwarzer Krawatte, ovalen Brillengläsern und dem Nachnamen Blank, der „leer“ oder „Leerstelle“ bedeutet und demnach als zeitgemäße Variante von „Anonymus“ durchgehen kann.
Professionell für Herrenoberbekleidung zuständig ist Blanks Witwe, eine überaus lebensfrohe Dame, deren Unfähigkeit zu trauern den Dahingeschiedenen nicht zur Ruhe kommen lässt. Um sie noch ein wenig observieren zu können, übernimmt er eine Art Schutzengelposten bei seiner ehemaligen Nachbarin, der gleichfalls frisch verwitweten, aber viel jüngeren und unglücklicheren Katja.
Ihr, der Ich-Heldin, hat nicht nur das jähe Ableben des Gatten einen harten Schlag versetzt, sondern auch die Entdeckung, dass er sie zuvor schon eine ganze Weile hinterging – die übliche Geschichte, hier bemerkenswert lakonisch und skurril erzählt. Zu allem Überfluss verliert sie ihren Job als Übersetzerin von Gebrauchstexten, und da bei so viel Elend ein Schutzengel nicht genügt, muss ein zweiter in Aktion treten, ein etwas zwielichtiger, aber quicklebendiger und höchst selbstbewusster Feuerwehrmann, Karatefilmgucker und Kleptomane namens Armin, der sich mit entwaffnender Dreistigkeit in Katjas Leben einnistet.
Jeder der beiden Kavaliere trägt auf seine Weise dazu bei, die Entwurzelte vor depressiver Verwahrlosung zu retten. Armin tut ein Übriges, indem er Katja ungebeten schwängert, was Blank wiederum die Arbeit an ihrer moralischen Aufrichtung erschwert, weil von Liebe zwischen den beiden jungen Leuten nicht eigentlich die Rede sein kann. Viel tiefer ist die Zuneigung zwischen Katja und dem alten Herrn, aber dessen Nachspieltage auf Erden sind gezählt: Immer größer werden die Löcher, beziehungsweise Leerstellen, die in seiner physischen Erscheinung klaffen, und lassen sie sich auch anfangs noch mit Pflaster zukleben, kündigen sie doch unerbittlich sein endgültiges Verschwinden an.
Die kuriose Dreierkonstellation, die einen Extrareiz daraus bezieht, dass Blank für alle außer seiner Schutzbefohlenen unsichtbar bleibt, funktioniert immerhin lange genug, um Katja wieder zukunftstauglich zu machen. Im Trio reist man an Hollands Nordseeküste, wo Armin einem leibhaftigen Karatefilmstar begegnet und sinnfreie Diebstähle in Ferienbungalows begeht. In der Pension „Zum fröhlichen Hirten“ hängt neben der Eingangstür ein großer Spiegel, über dem geschrieben steht: „Hier siehst du den Menschen, der für dein Leben verantwortlich ist.“ Ob die Autorin es nun beabsichtigt hat oder nicht – an diese Perle holländischen Humors wird der Leser künftig morgens im Badezimmer denken müssen. Es könnte ihm auch der eine oder andere Gedanke von der Zwanzig- Punkte-Liste, die Blank bei seinem Abgang für Katja hinterlässt, hartnäckig im Kopf herumgehen. Zum Beispiel: „Ich vermute, dass der Schrecken des Todes eine Einflüsterung des Lebens ist. Schlimm ist nicht, dass der Tod am einen Ende zieht, sondern dass das Leben am anderen nicht loslässt (dafür schätzen wir es ja auch).“
Die kleine Geschichte, die Mariana Leky sich ausgedacht hat, ist komisch und traurig, gespenstisch und menschlich, grotesk und rührend, vor allem aber verblüffend weise. Sie kommt in einer Sprache daher, die weder originell sein will noch in Geschwätz ausartet, die nicht um Pointen ringt, sondern sie scheinbar absichtslos findet, die schlichte Sätze baut und sie wie Bretterstege über lebensphilosophische Abgründe legt. Es geschieht wahrlich selten, dass ein so federleichtes, unprätentiöses Buch einen mit der Frage zurücklässt: „Tod, wo ist dein Stachel?“ Am Ende hält man sogar für möglich, was Herr Blank mit seinem geisterhaften Durchblick als Punkt zehn auf der Liste vermerkt – dass Karatefilme besser seien als ihr Ruf. KRISTINA MAIDT-ZINKE
MARIANA LEKY: Die Herrenausstatterin. Roman. DuMont Buchverlag, Köln 2010. 208 Seiten, 18,95 Euro.
Leky baut Sätze, die sie wie
Bretterstege über die Abgründe
der Lebensphilosophie legt
Der Rosenkavalier ist zwar schon ein wenig tot, trägt aber keine Karos. In ihrem neuen Roman spielt Mariana Leky auf Frank Wedekinds Kindertragödie „Frühlings Erwachen“ an. In deren Schlussszene steigt der junge Moritz
Stiefel, der sich erschossen hat, aus dem Grab und trägt seinen Kopf unter dem Arm. Hier eine Szene mit Lukas Rüppel als Moritz in Claus Peymanns Inszenierung des Stücks am Berliner Ensemble 2008.
Foto: Braun/
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.09.2010Karate mit Altphilologen
Wie repariert man einen Wackelkontakt mit der Wirklichkeit? Warum nicht mit kalter Lasagne? Die Berliner Autorin Mariana Leky hat ein leichtes und witziges Buch über tiefe Trauer geschrieben.
Am Strand von Zandvoort ist der Schmerz plötzlich vorbei. Katja sitzt mit dem kleptomanen Feuerwehrmann Armin im Sand und isst kalt gewordene Lasagne aus einer Aluminiumschale. Vor ihnen kämpft ein versoffener Karatefilm-Darsteller mit dem toten Altphilologen Dr. Friedrich Blank, den außer Katja keiner sehen kann. Der Mond bescheint die Idylle, und dann gehen alle schwimmen.
Mariana Leky erzählt in ihrem Roman "Die Herrenausstatterin", wie die junge Übersetzerin Katja den Weg vom Schmerz des doppelten Verlassenwerdens - die große Liebe ihres Lebens verlässt sie für eine andere und stirbt kurz darauf bei einem Autounfall - an den Strand von Zaandvoort schafft. Es beginnt mit der märchenhaft erzählten Liebesgeschichte zwischen dem lebenslustigen Jakob und der ängstlichen Katja, die auf seinem Zahnarztstuhl zueinander finden und über die Zeit eine innige Zweisamkeit entwickeln. Als er sich abwendet, erkrankt Katja an einer seltsamen Augenkrankheit. Sie kann ihn nicht sehen, als er sie am Krankenbett verlässt, sie erkennt die neue Geliebte nicht, als sie die Todesnachricht überbringt und auf der Beerdigung wollen einfach keine Tränen fließen.
In den Wochen danach versinkt Katja in auswegloser Trauer. Doch anstatt die junge Witwe endlos lamentieren zu lassen, bricht Mariana Leky die Trauer aufs Konkret-Alltägliche herunter: Katja isst nicht, sie schläft nicht, sie wäscht sich nicht, stiert stundenlang in die Luft. Dann wieder räumt sie sinnlos die Wohnung um und streicht mitten in der Nacht das Badezimmer. Keine gute Idee, wenn man nichts im Bauch hat und fast nichts sieht.
In diesem Moment tritt Blank, der tote Altphilologe, in Katjas Leben. Er füttert sie mit Astronautennahrung, hält sie vom geheimen Plan des Hinterhersterbens ab und beschimpft den Chef der Übersetzungsagentur, als dieser Katja feuert. Nach einem Fehlalarm nistet sich schließlich auch Armin, der sehr lebendige Feuerwehrmann, bei Katja ein. Nacht für Nacht berichtet er von seinen wahren und erfundenen Abenteuern als Feuerwehrmann, versucht sie für Siebziger-Jahre-Karatefilme zu begeistern. In einem Akt der Hilflosigkeit kommt es versehentlich auch noch zu einer Befruchtung. Trotzdem bessert sich Katjas Zustand nicht, den Abstand zu Dingen und Menschen kann sie immer noch nicht richtig einschätzen. Sie hat, wie Armin sagt, einen "Wackelkontakt mit der Realität". Der Kontakt steht erst wieder, als sie in Zandvoort eine kalte Lasagne isst.
Trotz des ernsten Themas ist Leky eine luftig-leichte Geschichte voller Skurrilitäten und ohne jeden Kitsch geglückt. Ihre Sprache ist von scharfer Präzision und hinreißendem Witz. Ironisch verpackt verlieren bei Leky sogar Weisheiten über Tod und Leben den Beigeschmack von Glückskeksen. So weiß Katja: "Der Tod ist, so scheint es mir jedenfalls, sehr nahe liegend. Abwegig ist das Leben, einschließlich der Hornhautraspeln."
Katja, die von einem freistehenden Haus mit Fensterläden träumt und nicht wie Jakob von einem Leben im Zelt, ist eine typische Leky-Figur: Bereits in ihrem Erzähldebüt "Liebesperlen" von 2002 schrieb die 1973 in Köln geborene Autorin über eine mutlose Germanistikstudentin, die finanziell und emotional von ihrem Vater abhängig ist. In "Erste Hilfe" (2004) ging es wieder um verzagte Studenten, die nichts erleben und in der Kuscheligkeit ihrer WG versumpfen - immer auf der Schwelle von der latenten zur manifesten Angstneurose. Doch diesmal ist es anders. Diesmal holt Leky ihre Protagonistin heraus aus dem Tal der Schmerzen.
SARAH ELSING
Mariana Leky: "Die Herrenausstatterin". DuMont Verlag, Köln 2010. 208 S., geb., 18,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wie repariert man einen Wackelkontakt mit der Wirklichkeit? Warum nicht mit kalter Lasagne? Die Berliner Autorin Mariana Leky hat ein leichtes und witziges Buch über tiefe Trauer geschrieben.
Am Strand von Zandvoort ist der Schmerz plötzlich vorbei. Katja sitzt mit dem kleptomanen Feuerwehrmann Armin im Sand und isst kalt gewordene Lasagne aus einer Aluminiumschale. Vor ihnen kämpft ein versoffener Karatefilm-Darsteller mit dem toten Altphilologen Dr. Friedrich Blank, den außer Katja keiner sehen kann. Der Mond bescheint die Idylle, und dann gehen alle schwimmen.
Mariana Leky erzählt in ihrem Roman "Die Herrenausstatterin", wie die junge Übersetzerin Katja den Weg vom Schmerz des doppelten Verlassenwerdens - die große Liebe ihres Lebens verlässt sie für eine andere und stirbt kurz darauf bei einem Autounfall - an den Strand von Zaandvoort schafft. Es beginnt mit der märchenhaft erzählten Liebesgeschichte zwischen dem lebenslustigen Jakob und der ängstlichen Katja, die auf seinem Zahnarztstuhl zueinander finden und über die Zeit eine innige Zweisamkeit entwickeln. Als er sich abwendet, erkrankt Katja an einer seltsamen Augenkrankheit. Sie kann ihn nicht sehen, als er sie am Krankenbett verlässt, sie erkennt die neue Geliebte nicht, als sie die Todesnachricht überbringt und auf der Beerdigung wollen einfach keine Tränen fließen.
In den Wochen danach versinkt Katja in auswegloser Trauer. Doch anstatt die junge Witwe endlos lamentieren zu lassen, bricht Mariana Leky die Trauer aufs Konkret-Alltägliche herunter: Katja isst nicht, sie schläft nicht, sie wäscht sich nicht, stiert stundenlang in die Luft. Dann wieder räumt sie sinnlos die Wohnung um und streicht mitten in der Nacht das Badezimmer. Keine gute Idee, wenn man nichts im Bauch hat und fast nichts sieht.
In diesem Moment tritt Blank, der tote Altphilologe, in Katjas Leben. Er füttert sie mit Astronautennahrung, hält sie vom geheimen Plan des Hinterhersterbens ab und beschimpft den Chef der Übersetzungsagentur, als dieser Katja feuert. Nach einem Fehlalarm nistet sich schließlich auch Armin, der sehr lebendige Feuerwehrmann, bei Katja ein. Nacht für Nacht berichtet er von seinen wahren und erfundenen Abenteuern als Feuerwehrmann, versucht sie für Siebziger-Jahre-Karatefilme zu begeistern. In einem Akt der Hilflosigkeit kommt es versehentlich auch noch zu einer Befruchtung. Trotzdem bessert sich Katjas Zustand nicht, den Abstand zu Dingen und Menschen kann sie immer noch nicht richtig einschätzen. Sie hat, wie Armin sagt, einen "Wackelkontakt mit der Realität". Der Kontakt steht erst wieder, als sie in Zandvoort eine kalte Lasagne isst.
Trotz des ernsten Themas ist Leky eine luftig-leichte Geschichte voller Skurrilitäten und ohne jeden Kitsch geglückt. Ihre Sprache ist von scharfer Präzision und hinreißendem Witz. Ironisch verpackt verlieren bei Leky sogar Weisheiten über Tod und Leben den Beigeschmack von Glückskeksen. So weiß Katja: "Der Tod ist, so scheint es mir jedenfalls, sehr nahe liegend. Abwegig ist das Leben, einschließlich der Hornhautraspeln."
Katja, die von einem freistehenden Haus mit Fensterläden träumt und nicht wie Jakob von einem Leben im Zelt, ist eine typische Leky-Figur: Bereits in ihrem Erzähldebüt "Liebesperlen" von 2002 schrieb die 1973 in Köln geborene Autorin über eine mutlose Germanistikstudentin, die finanziell und emotional von ihrem Vater abhängig ist. In "Erste Hilfe" (2004) ging es wieder um verzagte Studenten, die nichts erleben und in der Kuscheligkeit ihrer WG versumpfen - immer auf der Schwelle von der latenten zur manifesten Angstneurose. Doch diesmal ist es anders. Diesmal holt Leky ihre Protagonistin heraus aus dem Tal der Schmerzen.
SARAH ELSING
Mariana Leky: "Die Herrenausstatterin". DuMont Verlag, Köln 2010. 208 S., geb., 18,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Da ist Rezensentin Sarah Elsing aber froh. Endlich schafft es eine von Mariana Lekys Romanfiguren raus aus der Studenten-WG und rein in den Alltag. Gefühle von Liebe und Trauer fasst die Autorin laut Elsing luftig und leicht und reichert sie mit Skurrilem an, ohne kitschig zu werden. Dank einer präzisen Sprache und einer Portion Ironie erträgt Elsing die von Leky feilgebotenen Weisheiten über Leben und Tod und sogar den Auftritt eines Liebhabers, der nachts über seine Abenteuer als Feuerwehrmann berichtet.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
"Ganz große Unterhaltungsliteratur [...] Irre, wie Mariana Leky es hinkriegt, aus vertrauten Zutaten ein so charmantes und kurzweiliges Buch zu machen. [...] Sie schreibt genau, ehrlich, witzig, furchtlos und erfrischend. Das perfekte Lesevergnügen!" BRIGITTE "Der bezauberndste und lustigste Liebesroman seit langem." TAZ "Mariana Leky hat eine traumhafte Geschichte geschrieben mit vielen schönen Ideen. (...) Die Herrenausstatterin ist ein Buch für alle, deren Leben etwas merkwürdiger ist und die trotzdem nicht aufgeben." BUCHMARKT "Die Geschichte ist märchenhaft und versponnen, aber überhaupt nicht kitschig." HANNOVERSCHE ALLGEMEINE ZEITUNG "Eine wunderbare Geschichte von Liebe, Verlust, Trauer und Neuanfang. (...) Mariana Lekys Roman trägt viel magischen Realismus in sich, und sie findet für Unaussprechliches starke Bilder, Umschreibungen und Metaphern, die ihre Geschichte reizvoll und außergewöhnlich machen." MAIN ECHO "Ein schönes Buch voller Komik, voller Tragik, eben einfach voller Leben." VOGUE "Mariana Lekys ¿Herrenausstatterin¿ ist ein umwerfend komischer und fantastisch schräger Roman darüber, wie man den ganz großen Schmerz überlebt." DAS MAGAZIN "Vergnüglich schräg." EMOTION "Eine Liebesgeschichte, sehr komisch,auch melancholisch. Voller schöner, origineller Beobachtungen in einer genauen Sprache geschrieben. Ein hinreißendes Buch." Amelie Fried in "Die Vorleser", ZDF "Ein tiefgründiges Schmunzelstück." KURIER WIEN "Mariana Lekys Roman ¿Die Herrenausstatterin¿ ist eine absurd schöne und komische Geschichte über die Sorgen der Geister, Astronautennahrung und verschiebbare Herzen." STERN "Ein Märchenbuch für alle, die Märchen eigentlich hassen, ein wunderbar leicht geschriebener, poetisch vertrackter, surrealer Einsamkeitsroman: klug und rührend, zum Schreien und zum Seufzen komisch." KULTUR SPIEGEL "Die kleine Geschichte, die Mariana Leky sich ausgedacht hat, ist komisch und traurig, gespenstisch und menschlich, grotesk und rührend, vor allem aber verblüffend weise." SZ "Fakten hin oder her. Ein gutes Buch." DER TAGESSPIEGEL "Schräge Geschichte, zugegeben. Aber eine, die straight ins Herz (und Hirn) trifft." MYSELF "Originelle, herzerwärmende, tragikomische Geschichte über Freundschaft, Abschied und Marzipankartoffeln" KÖLNISCHE RUNDSCHAU "Sehr witzig, sehr traurig, sehr lebensklug." LEIPZIGER VOLKSZEITUNG»Das perfekte Lesevergnügen!« Brigitte »Eine hinreißend komische Liebesgeschichte.« Amelie Fried "Der skurrile Roman ist absolut unrealistisch und vielleicht deswegen auch so herzerfrischend anders." BRIGITTE TASCHENBUCH EXTRA "Eine skurrile, rührende Dreiecksgeschichte." LAVIVA "Ein sehr gutes Buch." BRIGITTE