In seinem 1808 vollendeten Drama „Die Hermannsschlacht“ brachte Heinrich von Kleist (1777-1811) den Sieg des Cheruskerfürsten Hermann bzw. Arminius 9 n. Chr. im Teutoburger Wald über ein römisches Herr auf die Bühne. Mit der gezeigten Uneinigkeit der germanischen Stämme wies er auf die politischen
Ereignisse in Preußen nach der Niederlage gegen Napoleon hin.
Kleist als Mitglied eines bekannten…mehrIn seinem 1808 vollendeten Drama „Die Hermannsschlacht“ brachte Heinrich von Kleist (1777-1811) den Sieg des Cheruskerfürsten Hermann bzw. Arminius 9 n. Chr. im Teutoburger Wald über ein römisches Herr auf die Bühne. Mit der gezeigten Uneinigkeit der germanischen Stämme wies er auf die politischen Ereignisse in Preußen nach der Niederlage gegen Napoleon hin.
Kleist als Mitglied eines bekannten preußischen Adelsgeschlechts, das sich mit dem Kriegshandwerk bestens auskannte, war sich frühzeitig bewusst, dass Napoleon nicht mit einem „feudalen Kabinettskrieg alten Stils“ zu bezwingen war, sondern dass es der ver-einten Kräfte des deutschen Volkes bedurfte. So ist seine „Herrmannsschlacht“ weder der Versuch, den Ablauf der historischen Varusschlacht darzustellen noch sich mit der Geschichte seiner Zeit auseinanderzusetzen - sie ist als Aufruf zu einem Volkskrieg zu verstehen.
Anders seine Zeitgenossen Fichte und Gneisenau, die davon ausgingen, dass der Volks-krieg eine freie Gesellschaft zur Voraussetzung hat, träumt Kleist von der Einheit der Deutschen unter der Führung einer starken Persönlichkeit. Das Volk in seinem Drama handelt nicht aus Bewusstsein und politischer Einsicht, es wird vielmehr von Empörung und blindwütigem Hass getrieben.
Obwohl Kleist niemals einem blinden Franzosenhass oder einer bornierten Deutschtümelei verfiel, wurde seine „Herrmannsschlacht“ wie kaum ein anderes Drama der deutschen Literaturgeschichte von deutschnationalen Kreisen vereinnahmt.
Aufgrund dieser widersprechenden Deutungen geht der Herausgeber Kai Bremer in einem ausführlichen Anhang auf die Entstehungs-, Publikations- und Wirkungsgeschichte des Dramas ein. So machten damals die politische Aktualität des Stücks eine Aufführung und einen Druck zu Lebzeiten von Kleist unmöglich. Einzelne Szenen des letzten Aktes wurden posthum 1818 in zwei unterschiedlichen Textvarianten in der Zeitschrift „Zeitschwingen“ veröffentlicht.
Erst Ludwig Tieck besorgte 1821 eine erste Ausgabe von „Kleists hinterlassenen Schriften“. Er nahm auch eine erste Einschätzung des Dramas vor, die die Wirkungs-geschichte lange Zeit prägte. Heute lässt sich feststellen, dass die „Herrmannsschlacht“ das ‚am wenigsten besprochene‘ Drama von Kleist ist.
Die Textgrundlage für die Reclam-Studienausgabe bilden die Exemplare der UB Gießen und der BSB München, wobei die letzten Szenen in beiden „Zeitschwingen“-Varianten wiedergegeben werden.
Pünktlich zum 200. Todestag des Dichters liegt nun eines seiner weniger bekannten Dramen als Reclam-Band wieder vor und regt zur intensiven Auseinandersetzung an. Mit seinen ausführlichen Erläuterungen bestens für Schule und Studium geeignet.
Manfred Orlick