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Die Hessens sind eine europäische Familie. Ihre höchst spannende und wechselhafte Geschichte beginnt vor 800 Jahren. Rainer von Hessen erzählt sie anschaulich in seinem reich bebilderten Buch "Die Hessens". Der Leser lernt bemerkenswerte, aber auch zwiespältige Charaktere kennen. Er erfährt von eingefädelten Hochzeiten und starken Frauen. Und von folgenreichen Zufällen. "Die Hessens" ist ein kurzweiliger und fundierter Wegweiser durch die Geschichte des Landes und des Hauses Hessen.

Produktbeschreibung
Die Hessens sind eine europäische Familie. Ihre höchst spannende und wechselhafte Geschichte beginnt vor 800 Jahren. Rainer von Hessen erzählt sie anschaulich in seinem reich bebilderten Buch "Die Hessens". Der Leser lernt bemerkenswerte, aber auch zwiespältige Charaktere kennen. Er erfährt von eingefädelten Hochzeiten und starken Frauen. Und von folgenreichen Zufällen. "Die Hessens" ist ein kurzweiliger und fundierter Wegweiser durch die Geschichte des Landes und des Hauses Hessen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.04.2018

Eine Adelsdynastie, die das Land geprägt hat

Rainer von Hessen erzählt die Geschichte der "Hessens" in einem neuen Buch. Dabei lässt er auch für die Familie unangenehme Details nicht aus.

Von Rainer Hein

DARMSTADT. "Hessische Prinzessinnen in der russischen Geschichte" haben das Frankfurter Ikonenmuseum zu einer vielbeachteten Ausstellung veranlasst. Das Institut Mathildenhöhe wiederum wird in diesem Jahr den 150. Geburtstag von Darmstadts letztem Großherzog Ernst Ludwig zum Anlass nehmen, den Begründer der Darmstädter Künstlerkolonie erstmals nicht als Landesherrn und Mäzen, sondern als eigenständigen Künstler zu präsentieren. Zu diesem erkennbaren Interesse an der Geschichte des Hauses Hessen passt, dass eine Buchautorin sich kürzlich ausführlich mit der sexuellen Präferenz des Großherzogs auseinandergesetzt hat und der Büchner-Kenner Peter Brunner neue Tagebücher eines Büchner-Verwandten entdeckte, die ihn fragen lassen, ob Georg Büchner womöglich ein illegitimer Abkömmling des hessischen Adelsgeschlechts ist.

Die letzten beiden Fragen werden von Rainer von Hessen in seinem Buch "Die Hessens. Geschichte einer europäischen Familie" nicht beantwortet. Was aber seinen Grund nicht darin hat, dass der Historiker unangenehmen Fragen aus dem Weg geht. Im Gegenteil: Seine 140 Seiten sind eine komprimierte Darstellung der rund 800 Jahre währenden Geschichte der Adelsfamilie, deren Besonderheit außer in der üppigen Bebilderung in der Betonung biographischer Details liegt. Wobei die Schilderung sexueller Präferenzen, individueller Leidenschaften oder familiärer Verflechtungen bei ihm stets im Kontext von deren gesellschaftlicher, theologischer oder politischer Bedeutung steht.

Die Achillesferse von Philipp dem Großmütigen beispielsweise, Zeitgenosse Luthers und politischer Führer der evangelischen Bewegung, war seine Leidenschaft für eine 17 Jahre alte Hofdame. Mit ihr wollte er eine Zweitehe eingehen, die Luther als Theologe vor Gott und der Welt rechtfertigen sollte. Was der Reformator in Form eines privaten Beichtrats auch tat. Die Folgen, so schildert Rainer von Hessen, waren beträchtlich. "Philipp hatte sich nicht nur als politischer Kopf des Luthertums kompromittiert, er hatte sich obendrein von der Gnade seines mächtigsten Feindes, des Kaisers, abhängig gemacht." Es kommt hinzu, dass Philipp am Ende seiner Tage nicht an dem von ihm eingeführten Erstgeburtsrecht festhielt, sondern sein Erbe an seine vier "Hauptsöhne" verteilte. Die Linien Hessen-Rheinfels und Hessen-Marburg starben nach einer Generation aus, die Linien Kassel und Hessen sollten die Jahrhunderte überleben.

Zum Glück für Hessen, darf man sagen. Schon Wilhelm von Kassel machte seine Landeshauptstadt zum Zentrum wissenschaftlich-technischer Innovation. Sein Nachkomme Landgraf Karl von Hessen-Kassel schuf mit der barocken Parkanlage Karlsaue und dem Karlsberg, diesem Kolossalbauwerk aus Kaskaden, Wasserkünsten und Grotten, die heute Teil des Bergparks Wilhelmshöhe sind, ein Denkmal, das vor ein paar Jahren von der Unesco zum Weltkulturerbe erklärt wurde.

Schlägt man vom 17. Jahrhundert den Bogen in die Gegenwart, wiederholt sich womöglich diese Geschichte bald noch einmal. Die von Hessen-Darmstadts Großherzog Ernst Ludwig initiierte Künstlerkolonie auf der Mathildenhöhe ist ebenfalls bei der Unesco als Welterbestätte angemeldet. Auch hier ist es die Leidenschaft eines Mannes gewesen, die Hessen einen Stempel aufdrückte.

Rainer von Hessen zeigt in seinem Buch an vielen Beispielen, dass in einer regierenden Adelsfamilie privat und öffentlich kaum zu trennen sind. Philipp der Großmütige, wäre vermutlich nie zum Landesherrn geworden, hätte nicht seine resolute Mutter Anna von Mecklenburg die Staatszügel in die Hand genommen, während ihr Sohn noch minderjährig war. Sie markiert damit den Beginn "großer Frauen" wie Landgräfin Caroline oder Großherzogin Alice.

Selbst die Jagdleidenschaft mancher Herrscher prägte Städtebilder, so in Wolfsgarten oder Kranichstein. Überdies spielten dynastische Verquickungen immer wieder ins Privatleben hinein, etwa bei Ernst Ludwig, dessen erste Ehefrau ihm seine Großmutter, Queen Victoria, empfohlen hatte. Ein Automatismus, auch das zeigt Rainer von Hessen, existierte gleichwohl nicht. Als Ernst Ludwigs Schwester Ella den Großfürsten Sergej von Russland heiraten wollte, warnte die Queen alle ihre Enkelinnen: "Russland würde ich keiner von Euch wünschen." Ella hielt das von der Ehe ebenso wenig ab wie ihre Schwester Alix, die den Zarewitsch Nikolaus ehelichte. England, Deutschland, Russland wurden die zentralen dynastischen Achsen der Hessens.

Rainer von Hessen, 1939 in Kronberg als Sohn von Christoph von Hessen und Sophie von Griechenland geboren, hat als Regisseur gearbeitet und als Historiker die Quellen der Familiengeschichte ediert. Er gehört der Hessischen Hausstiftung an, die das kulturelle Erbe des Hauses Hessen-Kassel verwaltet. Sein Buch enthält keine historischen Sensationen. Die großen Epochen der hessischen Adelsgeschichte, die er erzählt, sind weithin bekannt. Aber er erzählt angenehm souverän, unprätentiös, mit Liebe zum Detail und feinem Blick auf die "Verwandtschaft". So zeigt er zum Beispiel die grotesken Phantasiegestalten, die Ernst Ludwig zum Zeitvertreib und zur Unterhaltung seiner Söhne aufs Papier brachte und "Katuffs" nannte. En passant lässt er einfließen, dass der Großherzog mit Förderhilfen den Rüsselsheimer Nähmaschinen- und Fahrradfabrikanten Opel dazu gebracht habe, "seine Produktion auf Autos umzustellen".

Sehr offen schildert Rainer von Hessen ebenfalls die Verstrickungen der Familie ins Hitler-Regime, insbesondere am Beispiel von Landgraf Philipp von Hessen-Kassel. Fasziniert vom italienischen Faschistenführer Benito Mussolini diente der sich der NSDAP an, wurde vom Regime zum höchsten Verwaltungsbeamten der Provinz Hessen-Nassau gemacht und wirkte später als "Kunstagent" für Hitler. Der angebliche historische Kompromiss zwischen dem alten Herrschaftshaus und den neuen Herren endete in einem Entnazifizierungsverfahren. Das Buch illustriert diesen Abschnitt mit einer Gouache von Philipps Sohn Heinrich: Wolfsgarten als grünes Eiland inmitten einer von Kälte und Feuer bedrohten Welt.

"Die Hessens, Geschichte einer europäischen Familie" von Rainer von Hessen, veröffentlicht von der Kulturstiftung des Hauses Hessen im Imhof Verlag. 144 Seiten mit Abbildungen, 19,80 Euro.

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