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Nach dem Bestseller 'Schiffbruch mit Tiger' jetzt der neue große Roman von Yann Martel: 'Die Hohen Berge Portugals' ist ein Meisterwerk voller Weisheit und Witz.
Lissabon, Anfang des 20. Jahrhunderts: In einem sogenannten Automobil begibt sich der junge Tomás auf eine abenteuerliche Expedition in die Hohen Berge Portugals. Damit beginnt ein tragikomischer Roadtrip, der ein unvorhergesehenes Ende nehmen soll. Doch das ist erst der Anfang einer phantastischen Geschichte, die die Hohen Berge Portugals noch Jahrzehnte später umweht wie ein tragischer Zauber. In seinem neuen großen Roman…mehr

Produktbeschreibung
Nach dem Bestseller 'Schiffbruch mit Tiger' jetzt der neue große Roman von Yann Martel: 'Die Hohen Berge Portugals' ist ein Meisterwerk voller Weisheit und Witz.

Lissabon, Anfang des 20. Jahrhunderts: In einem sogenannten Automobil begibt sich der junge Tomás auf eine abenteuerliche Expedition in die Hohen Berge Portugals. Damit beginnt ein tragikomischer Roadtrip, der ein unvorhergesehenes Ende nehmen soll. Doch das ist erst der Anfang einer phantastischen Geschichte, die die Hohen Berge Portugals noch Jahrzehnte später umweht wie ein tragischer Zauber.
In seinem neuen großen Roman verknüpft Yann Martel verschiedene Fäden eindrucksvoll zu einem literarischen Wunder: ein unglaubliches und doch absolut glaubhaftes Meisterwerk über das Leben, den Tod und die Liebe - voller Weisheit und Witz.
Autorenporträt
Martel, Yann
Yann Martel wurde 1963 in Spanien geboren. Er wuchs in Costa Rica, Frankreich, Mexiko, Alaska und Kanada auf, als Sohn eines Diplomaten, und lebte später im Iran, in der Türkei und in Indien. Sein Roman 'Schiffbruch mit Tiger' erschien in über 50 Ländern, wurde millionenfach verkauft und 2002 mit dem Man Booker Prize ausgezeichnet. Die Verfilmung von Regisseur Ang Lee wurde 2013 mit vier Oscars prämiert. Yann Martel lebt mit seiner Familie in Saskatoon, Kanada.
Rezensionen

buecher-magazin.de - Rezension
buecher-magazin.de

Es ist kein Tiger und auch kein Esel. In dem neuen Buch von Yann Martel steht wieder ein Affe im Mittelpunkt. Die drei menschlichen Protagonisten sind Tomás, Eusebio und Peter. Obgleich durch Dekaden voneinander getrennt, vereint sie das Gefühl der Trauer. Martel unterteilt sein Buch in die Teile "Heimatlos", "Heimwärts" und "Heimat". Besonders schön ist der letzte Teil, in dem der Autor die Freundschaft zwischen Odo, einem Schimpansen, und Peter schildert. Sie beginnt mit einem Handschlag und endet im Iberischen Scheidegebirge Portugals, wo Odo und Peter auch noch auf ein Nashorn treffen. Wie in seinen früheren Werken bedient sich der Autor erneut zahlreicher Allegorien und Sinnbilder - und so sind Affe und Nashorn auch hier mehr, als es auf den ersten Blick scheint. Besonders surreal ist der zweite Teil der Erzählung: Hier macht der Gerichtsmediziner Eusebio besondere Begegnungen mit einem Bärenjungen. Martel liefert Detail um Detail, bis der Leser völlig in seine wundersame Welt eintaucht. Leser, die auf ein ebenso tiefsinniges wie liebreizendes Werk hoffen, wie es bei "Schiffbruch mit Tiger" der Fall war, werden mit diesem Roman nicht gleichermaßen glücklich. Doch wer ohne bestimmte Erwartungen mit Tomás, Eusebio und Peter auf Reisen geht, wird seine Freude haben.

© BÜCHERmagazin, Anna Gielas

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Dass spirituelle und lebensphilosophische Themen Erzählkunst nicht ausschließen müssen, entdeckt Rezensent Wolfgang Schneider bei Yann Martel, der laut Kritiker nichts mit dem "Esoterikkitsch" eines Paulo Coelho gemein hat. Vielmehr liest der Rezensent ein eindringliches Triptychon, das ebenso witzig wie traurig über ein Jahrhundert hinweg vom Umgang seiner Helden mit dem Tod erzählt. "Subtil" verknüpft erscheinen Schneider die Schicksale der drei Protagonisten, etwa jenes des Kurators Tomas, der sich nach dem Tod von Frau, Kind und Vater im Jahre 1904 mit einem der ersten Automobile auf eine Reise durch die Berge Portugals begibt, um das hinterlassene Kruzifix eines exkommunizierten Priesters zu finden, das einen Affen am Kreuz zeigt. Ein "beglückender", rührender und fesselnder Roman, der leichthändig mit Elementen des Surrealen spielt und zeigt, dass Martel auch die Ästhetik des "Grotesken, Ekelhaften" nicht fremd ist, lobt der Rezensent.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.05.2016

Schimpanse mit Seele
Yann Martel zieht in seinem Roman „Die hohen Berge Portugals“
noch einmal aus, um die letzten Dinge zu suchen
VON KRISTINA MAIDT-ZINKE
Rückwärtslaufen, auch Retro Walking genannt, wird in Japan und China seit Jahrhunderten als Technik zur Verbesserung der geistigen und körperlichen Gesundheit angewandt und erfreut sich im Westen zunehmender Beliebtheit. Über die segensreichen Wirkungen dieser Praxis gibt es verschiedene Theorien; sogar ein spiritueller Nutzen soll damit verbunden sein. Zweifellos verändert die retrograde Fortbewegung den Blick auf die Welt, und im günstigsten Fall erzeugt sie einen meditativen Zustand, der die Selbstwahrnehmung schärft.
  Allerdings dürfte kaum ein Rückwärtsgeher eine so elegante Figur machen wie Tomás, der erste Held in Yann Martels dreiteiligem Roman „Die hohen Berge Portugals“: Rasch, mühelos und festen Schrittes durchquert er die Stadt Lissabon. Er hat seine eigene Methode entwickelt, Hindernisse zu orten und ihnen auszuweichen; kleine Missgeschicke bringen ihn nicht aus dem Takt, das Starren der Leute kümmert ihn nicht. Dass es sich um das weitgehend noch unmotorisierte Lissabon des Jahres 1904 handelt, erleichtert die Prozedur, ebenso wie die Tatsache, dass der Autor Martel das Genre des fantastischen Realismus vertritt. Doch Tomás, von Beruf Museumskurator, bewegt sich weder aus sportlichen noch aus spirituellen Gründen „mit dem Rücken zur Welt, dem Rücken zu Gott“. Vielmehr artikuliert er im Rückwärtsgang seinen „Protest“ gegen das, was ihm widerfahren ist: Innerhalb weniger Tage hat der Tod ihm seine Geliebte, seinen Sohn und seinen Vater geraubt.
  Um zu ermessen, welche Erwartungen sich an das neue Opus des kosmopolitischen Kanadiers Yann Martel knüpfen, muss man zurückgehen bis ins Jahr 2001. Damals erschien sein Welterfolg „Life of Pi“ (Schiffbruch mit Tiger), der den Man Booker Prize gewann und es auf zwölf Millionen verkaufter Exemplare brachte. Der erste Satz lautete dort: „Ich hatte so viel gelitten, ich war ein finsterer und trauriger Mensch geworden“. Die bizarre, mit Zootieren bevölkerte und mit Glaubensfragen gewürzte Abenteuergeschichte, später von Ang Lee spektakulär verfilmt, ging vielen zu Herzen, wahrend sich an ihrer literarischen Qualität die Geister schieden.
  Das dürfte bei dem Werk, das Martel – nach recycelten Jugenderzählungen und einem achtbaren Holocaust-Roman – jetzt vorgelegt hat, nicht anders sein, weil sich die Stärken und die Schwächen dieses Autors so schwer gegeneinander aufwiegen lassen. Seine Prosa ist geschmeidig und einfallsreich, ohne die Grenzen der Unterhaltungsliteratur zu sprengen. Glaubensfragen treiben ihn dauerhaft um, Tod und Trauer sind seine bevorzugten Themen, obwohl er in Interviews bekundet hat, gar keine einschlägigen Erfahrungen zu besitzen.
  Abermals hat er eine überaus originelle Konstruktion ersonnen, um seine philosophischen Fragen an das Leben zu stellen, und die lockere Ambiguität, in der er mögliche Antworten auflöst, vermag zumindest streckenweise zu bezaubern. Doch auch wenn er sich diesmal keinen so ungelenken Rückzieher leistet wie in „Life of Pi“, wo er am Ende die Story ins Psychologische umbog und dadurch verpuffen ließ, machen sich auch hier dramaturgische und formale Defizite störend bemerkbar.
  Im ersten Drittel des Roman-Triptychons, dessen Teile durch einen Ort und ein Tiermotiv über drei Epochen hinweg verbunden sind, folgt man dem trauernden Rückwärtsläufer gern auf seinem mit Slapstick-Szenen gespickten Weg durch Lissabon bis zum Haus seines reichen Onkels. Dort nimmt er eines der ersten Automobile Europas in Empfang, um sich auf eine Expedition in den Nordosten Portugals zu begeben, auf die Hochebene Trás-os-Montes, wörtlich „jenseits der Berge“.
  Den Titel „Die hohen Berge Portugals“ soll der Autor ironisch gemeint haben, im Glauben, es gäbe in Portugal gar keine Berge. Er glaubt anscheinend auch, die Statue des Marquis von Pombalbefinde sich in Lissabon nicht auf dem gleichnamigen Platz, sondern auf der Praça do Comércio – jedenfalls sieht Tomás sie dort, als sein Onkel ihn im nagelneuen Vierzylinder-Renault bis vor die Tore der Stadt fährt. Hier wird der Neffe, des Chauffierens unkundig, aber mit allem erdenklichen Komfort versehen, seinem Schicksal überlassen.
  Die Beschreibung des Vehikels samt Ausrüstung macht Vergnügen; die Schilderung der hindernisreichen Fahrt, auf der sich das Auto allmählich in seine Bestandteile auflöst, spielt slapstickhafte Tragikomik bis zum Exzess aus, zieht sich aber arg in die Länge. Ermüdend wirkt auch die stückweise eingeblendete Erklärung für den Anlass der Reise: Tomás hat aus dem Museum das Tagebuch eines schwer depressiven Missionspriesters aus dem 17. Jahrhundert entwendet, der sich Erleichterung verschaffte, indem er ein ketzerisches Kruzifix schnitzte. Dieses Kunstwerk, das in der Provinz Trás-os-Montes gelandet sein soll, sucht Tomás, um sich damit an Gott zu rächen. Im Dorf Tuizelo wird er fündig, und siehe: am Kreuz hängt eine affenähnliche Gestalt. Gott aber ist schnell und sattelt dem Verzweifelten noch mehr Horror auf – Hiob lässt grüßen.
  Nun wäre ein Lichtwechsel angesagt, aber es wird noch düsterer. Im Mittelteil des Romans springt der Autor ins ausklingende Jahr 1938 und ins Arbeitszimmer eines trauernden Pathologen in der nordportugiesischen Kreisstadt Bragança. Die Frau des frommen Mannes ist unter ungeklärten Umständen gestorben; in der Silvesternacht erscheint sie ihm und hält ihm einen Vortrag über Agatha Christies Krimis als Allegorie der Evangelien. So trocken diese Lektion ist, so nachhaltig wird der Leser anschließend mit Körperflüssigkeiten traktiert: Eine Witwe aus Tuizelo bringt im Koffer die Leiche ihres Mannes, um sie sezieren zu lassen. Der ekelerregende Vorgang fördert ein Sammelsurium aus den Vorratskellern von Surrealismus und Schauerromantik zutage, bei dem auch ein leibhaftiger Schimpanse nicht fehlt.
  Ein solches Tier wird im dritten Romanteil – wir befinden uns nun in den Achtzigerjahren – aus einem Institut für Primatenforschung in Oklahoma befreit und folgt dem kanadischen Senator Peter Tovy nach Portugal, ins Land seiner Vorfahren. Wieder handelt es sich um Trauertherapie, denn Tovy kann den Verlust seiner geliebten Frau nicht verwinden, und wieder laufen die Fäden im Dorf Tuizelo zusammen. Der Affe wird Tovys Lebensgefährte, und in seiner schwersten Stunde schenkt er ihm den Beistand, der den Helden der beiden anderen Triptychon-Flügel immerhin noch von Menschen zuteil wird. Eine ebenso rührende wie unwahrscheinliche Geschichte, also typisch Martel.
  „Wir sind emporgestiegene Affen, keine gefallenen Engel“: So formuliert Tomás am Ende seiner abenteuerlichen Autofahrt seine spätdarwinistische Einsicht in die Mechanik der Welt. Vielleicht besteht Yann Martels Problem darin, dass er in seinen Büchern ständig versucht, letzte Dinge zu verhandeln, ohne eine klare Vorstellung davon zu haben, was die letzten Dinge sind. Retro-Walker, Oldtimer-Fans und Tierfreunde jedenfalls werden hier voll auf ihre Kosten kommen, und die Übersetzung von Manfred Allié verdient ein Extralob.
Yann Martel: Die hohen Berge Portugals. Aus dem Englischen von Manfred Allié. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2016. 414 Seiten, 22,99 Euro. E–Book 19,99 Euro.
Martels „Schiffbruch mit Tiger“
wurde ein Millionenerfolg
„Wir sind emporgestiegene Affen,
keine gefallenen Engel.“
Tod, Trauer und Turbulenz – Yann Martel träumt vom metaphysischen Abenteuerroman.
Foto: Judith Jockel/laif
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.09.2016

Schiffbruch mit Schimpanse
Wieviel Humor verträgt Religion? In seinem Roman "Die hohen Berge Portugals" verhandelt Yann Martel letzte Dinge

Tomás ist Museumskurator und ein rückwärtsgewandter Mensch. Das ist wörtlich zu verstehen, denn er hat sich angewöhnt, rückwärts durch Lissabon zu gehen. Damit entspricht er - im Jahr 1904 - keiner fernöstlichen Gesundheitsphilosphie, sondern drückt seinen Protest aus, seine Wut. Das Schicksal, dieser unerbittliche Vorwärtsläufer, hat ihm mit einer heimtückischen Krankheit Kind und Ehefrau genommen, dann auch noch den Vater.

Wen es derart erwischt, der tut gut daran, wenn er sich in irgendein Projekt retten kann. Tómas läuft nicht nur rückwärts, er unternimmt auch eine Reise durch die Bergprovinzen Portugals, um ein Kreuz zu finden. In seiner Trauer bieten ihm Aufzeichnungen eines Missionspriesters aus dem siebzehnten Jahrhundert Trost, die er zufällig im Museum gefunden hat. Auf der Insel São Tomé im Golf von Guinea arbeitete Pater Ulisses als Sklaventäufer, wurde Zeuge der maßlosen Brutalitäten des Menschenhandels, verlor den Glauben an seinen Auftrag und wurde exkommuniziert. Seine Aufzeichnungen bieten Tomás, der sein eigenes leeres Haus nicht mehr betreten mag, einen Seelenspiegel: die Wunden der Vereinsamung, die Schrecken der Heimatlosigkeit und des allgegenwärtigen Todes.

Pater Ulisses hat als Essenz seiner Afrika-Erfahrung ein Vermächtnis hinterlassen: ein aus edelsten Hölzern geschnitztes Kruzifix, das jedoch die christliche Lehre auf den Kopf stellen, sie verhöhnen soll. Genau das, was Tomás jetzt braucht. Er hasst Kruzifixe, seit seine Frau mit einem Messingkreuz in der verkrampften Hand starb. Das Kunstwerk soll sich inzwischen in irgendeiner Dorfkirche im hintersten Portugal befinden. Tomás macht sich auf den Weg, ausgerüstet mit einem Verkehrsmittel, wie es die rückständige Region noch nicht gesehen hat: einem teuren Automobil, das ihm sein reicher Onkel zur Verfügung stellt. Ein unwilligerer Fahrer als Tomás ist jedoch kaum denkbar. Eigentlich hasst er diese allerneueste Errungenschaft des technischen Fortschritts, der doch ebenfalls ein unerbittlicher Vorwärtsläufer ist. Auch die Menschen, denen er unterwegs begegnet, sind nur teilweise fasziniert von der prächtigen Maschine. Postkutscher und Hufschmiede ahnen, dass sich mit dem lärmenden Vehikel eine neue Zeit ankündigt, die ihnen keine Vorteile bringt.

Tomás' bitterernste Mission gerät zur Komödie. Mit der Wartung des Wagens ist er hoffnungslos überfordert. Panne reiht sich an Panne, selbst das Besorgen von Treibstoff (in Apotheken!) erweist sich als ungeahnt schwierig. Dann aber kippt die Geschichte wiederum ins Tragische: Der Mann, der aufgebrochen ist, dem Tod seines Kindes zu entkommen, überfährt zu seinem Horror selbst ein Kind. Schließlich öffnet ihm das Schnitzwerk des Pater Ulisses in der Dorfkirche von Tuizelo die Augen: Der Schmerzensmann am Kreuz ist ein Affe. Auch Gott wurde der Sohn genommen.

Der Kanadier Yann Martel, 1963 in Spanien geboren, gilt seit dem Weltbestseller "Schiffbruch mit Tiger" als Autor, der spirituelle und lebensphilosphische Themen mit Erzählkunst verbinden kann. Das ist durchaus bemerkenswert, denn oft gilt: Je mehr Spiritualität, desto weniger Erzählkunst. Vom Esoterikkitsch etwa eines Paulo Coelho ist Martel jedoch weit entfernt. Allein die Grundstruktur seines von Manfred Allié glänzend übersetzten Romans ist so originell wie gelungen: Ein Triptychon, dessen Teile viele subtile Verbindungen aufweisen.

Der zweite Teil spielt am Silvesterabend 1938, im Büro eines von Überarbeitung und Trauer gezeichneten portugiesischen Pathologen. Er bekommt unverhofften Besuch aus dem Jenseits: Seine kürzlich verstorbene Frau, eine gelehrte Person, hält ihm einen forschen Vortrag über die Parallelen zwischen den Evangelien und den Kriminalromanen Agatha Christies, die er leidenschaftlich gern liest. Hier wie dort gehe es um das Problem des Bösen. Paulus ist der Poirot der Bibel, der Licht in einen spektakulären Todesfall bringt - den des Gekreuzigten. Wer eine Antwort darauf sucht, warum die Menschen fasziniert sind von Krimis, findet hier das plausibelste Argument: "Für uns alle ist das Leben ein Kriminalroman, und wir sind das Opfer."

In derselben Nacht kommt noch ein zweiter Besuch in den Arbeitsraum des Pathologen: Eine alte Frau aus dem Bergdorf Tuizelo - sie erweist sich als die Mutter des im ersten Teil überfahrenen Kindes - ist mit einem schweren Koffer in die Stadt gereist. Darin: die Leiche ihres geliebten Mannes. Befremdlich genug, aber was der Mediziner dann in einer akribisch beschriebenen Sektion aus dem Leib des alten Mannes herausbefördert, zeigt, dass sich Yann Martel auch auf die Ästhetik des Grotesken und Ekelhaften versteht. Immer wieder spielt er das Geschehen gleitend ins Surreale, Wundersame und Wunderbare hinüber. Dieser zweite Teil des Romans ist ein - im Wortsinn - unter die Haut gehendes Memento mori, eine Klage über die Vergänglichkeit und das Grauen der Verwesung, deren Details so eingehend beschrieben werden, dass auch hartgesottenen Lesern flau wird.

Die drei Teile des Romans sind verbunden durch Figuren, Schauplätze und Motive wie das tote Kind, das Rückwärtsgehen und den Affen, der im dritten Teil zu einer veritablen Erlösergestalt wird. Der kanadische Politiker Peter Tovy, der am Sinn seiner Arbeit zweifelt und ebenfalls um seine verstorbene Frau trauert, hat 1981 beim Besuch eines Primatenzoos eine Begegnung, die sein Leben ändert. Der tiefe Blick eines Schimpansen rührt an sein Herz; er kauft das Tier und macht sich mit ihm auf den Weg nach Portugal, ins Herkunftsdorf seiner nach Kanada ausgewanderten Eltern. Wieder wird eine Reise mit Erschwernissen und gleichermaßen komischen wie anrührenden Momenten geschildert - was eben so passiert, wenn man mit einem Schimpansen durch die halbe Welt reist. Die letzten hundert Seiten, die das Leben des merkwürdigen Paares in Tuizelo schildern, sind eine beglückende Lektüre. Das ganze Dorf gerät in den Bann des Affen. Die Menschen seien keine "gefallenen Engel", sondern "emporgestiegene Affen", lautet ein zentraler Satz des Buches. Eine Kränkung ist das nur für jene, die bis heute Schwierigkeiten mit der Evolutionsbiologie haben, und Tomás versteht im ersten Teil das Affenkruzifix des Pater Ulisses zweifellos als Blasphemie. Im Kontext des dritten Teils aber wird das Tier zum metaphysischen Platzhalter und Retter aus einer persönlichen Welt der Trauer und des Sinnverlusts. Damit bewegt sich Martel in einem der großen Trends der Literatur dieser Jahre, die aufs Tier gekommen ist. Ganz ähnliche Motive findet man etwa - um nur ein einziges Buch unter vielen zu nennen - in Helen Macdonalds faszinierendem Roman eines Trauerjahrs, "H wie Habicht", in dem sich die raubvogelkundliche Kennerschaft mit dem Anflug von etwas Wunderbarem verbindet.

Bei Martel zeigen die drei Teile des Romans verschiedene Aggregatzustände des religiösen Verhaltens: vom Hadern bis zur Erfüllung. Immer geht es um Variationen der alten Theodizee-Frage, darum, ob der Glaube Leid und Tod bewältigen hilft oder von ihnen entkräftet wird. Yann Martel doziert und dogmatisiert nicht nach Vorgabe einer Glaubenslehre. Er meidet das Explizite, schlägt die religiösen Töne nicht direkt an, sondern vertraut eher auf die Obertöne seines Erzählens. "Humor und Religion vertragen sich nicht so gut", weiß die Frau des Pathologen. Wenn das stimmt, hat Martel zu viel Humor, um im strengen Sinn religiös zu sein. Es dürfte derzeit nicht viele Romane geben, die auf so inspirierte, eigenwillige und erzählerisch fesselnde Weise die "letzten Dinge" verhandeln.

WOLFGANG SCHNEIDER

Yann Martel: "Die hohen Berge Portugals". Roman.

Aus dem Englischen von Manfred Allié. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2016. 414 S., geb., 22,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Nach 'Schiffbruch mit Tiger' ein neues wildes Abenteuer des Bestseller-Autors. Roadtrip mit magischem Realismus und einem klapprigen alten Automobil. Angela Wittmann Brigitte 20160511