"Stephan Malinowski [erzählt] für das große Publikum, wie Mitglieder der Monarchenfamilie zu Steigbügelhaltern Hitlers wurden." Lothar Müller, Süddeutsche Zeitung
Seit über 100 Jahren haben die »Oberhäupter« der Hohenzollern immer wieder mit Juristen, Historikern, Journalisten, Ghostwritern und PR-Beratern zusammengearbeitet, mit deren Hilfe sie das Bild der Familie in der Öffentlichkeit aufpolierten. Nun werden Rollen und Selbstdarstellung der wichtigsten Familienmitglieder von einem der besten Kenner der Materie erstmals analysiert und dargestellt: In einer großen historischen Erzählung zieht Stephan Malinowski den Bogen über drei Generationen von 1918 bis in die Gegenwart und beschreibt das politische Milieu, in dem sich ihre Akteure bewegten.
Seit über 100 Jahren haben die »Oberhäupter« der Hohenzollern immer wieder mit Juristen, Historikern, Journalisten, Ghostwritern und PR-Beratern zusammengearbeitet, mit deren Hilfe sie das Bild der Familie in der Öffentlichkeit aufpolierten. Nun werden Rollen und Selbstdarstellung der wichtigsten Familienmitglieder von einem der besten Kenner der Materie erstmals analysiert und dargestellt: In einer großen historischen Erzählung zieht Stephan Malinowski den Bogen über drei Generationen von 1918 bis in die Gegenwart und beschreibt das politische Milieu, in dem sich ihre Akteure bewegten.
»Stephan Malinowskis brillantem Buch gelingt ein Gleichgewicht zwischen der forensischen Analyse individuellen Verhaltens und einem neuen Verständnis dafür, wie die giftige politische Kultur einer besiegten Monarchie dazu beitrug, die Demokratie in Deutschland zu zerstören.« Christopher Clark Die Zeit 20211007
Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension
Rezensent Hans von Trotha empfiehlt das Buch des Historikers Stephan Malinowski über die Rolle der Hohenzollern beim Aufstieg der Nationalsozialisten. Umfassend, grundlegend zeigt ihm der Autor wie die Familie ihren Einfluss nicht für den Widerstand gegen Hitler einsetzte, sondern für sein Fortkommen. Malinowski zeigt die "tiefe (rechte) Überzeugung" des ehemaligen Kronprinzen und anderer Akteure. Trotha taucht ein in die rechten Milieus der Weimarer Republik und erkennt, wie sich im Buch der juristische (um die Restitutionsfrage) und der historische Diskurs begegnen. Anschaulich, eindringlich und spannend zu lesen, verspricht er.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.10.2021Im Spiegelsaal der Projektionen
Frontbegradigung 1933: Stephan Malinowski erklärt mit der Krise des Charismas, dass die Hohenzollern sich mit den Nationalsozialisten gemeinmachten.
Wie stand Wilhelm von Preußen, der ehemalige deutsche Kronprinz, zum Regierungs- und Systemwechsel des Jahres 1933? Über diese Frage wird in Gerichtsgutachten und Zeitungsartikeln heftig gestritten. Dabei hatte sich der hohe Herr gnädigerweise zeitig herabgelassen, durch schriftliche Mitteilung "etwaige Zweifel in der Frage meiner Einstellung zur jetzigen innenpolitischen Lage zu beseitigen". In einem auf den 17. März 1933 datierten Schreiben an die Verwalter seiner schlesischen Güter, dessen Abdruck in Stephan Malinowskis Buch über die Hohenzollern und die Nationalsozialisten fast eine ganze Seite füllt, heißt es, Wilhelm begrüße "den Zusammenschluß aller nationalen Kräfte, die sich in der schwarz-weiß-roten Front und der nationalsozialistischen Bewegung als Einheitsfront verkörpern".
Von "allen in meinem Dienst stehenden Beamten, Angestellten und Arbeitern" verlangte der Verfasser totalen Einsatz "im Sinne der nationalen Idee". Diese Anweisung eines Großgrundbesitzers ist im Gestus einer Proklamation abgefasst, als spräche er zum ganzen Volk. Im Habitus einer fürstlichen Persönlichkeit war es dasselbe, eine Haltung auszudrücken und Gefolgschaft zu erwarten. "Ich wünsche, daß diese meine Auffassung zur allgemeinen Kenntnis gebracht wird, wobei zu bemerken ist, daß ich abweichendes Verhalten nicht dulden kann und werde." Ganz der Papa, wird man sagen, wenn man in der großen Biographie Wilhelms II. von John Röhl gelesen hat, wie der Kaiser und Ex-Kaiser aller Welt, auch Standesgenossen ("Na warte, Wittelsbach") und den eigenen Kindern, allerhöchste Intoleranz androhte.
Dieses Schriftstück, möchte man glauben, braucht dem Verwaltungsgericht Potsdam nur vorgelegt zu werden, um die Frage zu erledigen, ob Wilhelm dem nationalsozialistischen System erheblichen Vorschub leistete und seine Erben deshalb von Zahlungen nach dem Ausgleichsleistungsgesetz auszuschließen sind. Leider ist der Brief im Original verschollen. Malinowski zitiert ihn nach zwei Veröffentlichungen von Willibald Gutsche, einem 1992 verstorbenen Professor am Zentralinstitut für Geschichte der Akademie der Wissenschaften der DDR, dessen Forschungen auch im Westen Anerkennung fanden. In der von Gutsche genannten Akte der Generalverwaltung des vormals regierenden preußischen Königshauses im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz fehlt der Brief; er soll das erste Blatt der Akte gewesen sein. Malinowski vermerkt: "Der Verbleib des Schreibens ließ sich nicht klären."
An dieser Stelle hätte man sich eine quellenkritische Überlegung mit Angaben zum Zustand der Akte vorstellen können. Wollte man in einem Gedankenspiel die Möglichkeit einer Fälschung zulasten der Familie von Preußen in Erwägung ziehen, könnte man es für auffällig halten, dass Wilhelm im zeithistorischen Rückblick die Konvergenz von persönlichem Handeln und nationaler Entwicklung betont, als hätte er seine Sätze fürs Geschichtsbuch diktiert: Er empfinde es "persönlich als eine besondere Genugtuung, daß das Ziel, wofür ich mich seit Jahr und Tag mit ganzem Herzen eingesetzt habe, endlich erreicht ist". Aber solche Selbsthistorisierung mit Unterstellung teleologischer Stringenz ist typisch für die Denkungsart im Adel, ganz besonders bei den sprunghaften Hohenzollern. Und zum Anspruch Wilhelms, sich einen Anteil an der Wende des 30. Januars zuzurechnen, findet man bei Malinowski eine Parallelüberlieferung aus dem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang des Ereignisses. Am Tag der Berufung des Kabinetts Hitler bekundete Wilhelm gegenüber Sigurd von Ilsemann, dem Adjutanten seines Vaters in Doorn, "wie glücklich er sei, daß in Deutschland jetzt eine nationale Regierung gebildet sei, für die er seit einem Jahr gearbeitet habe".
Doch selbst wenn - um in der Manier der apologetischen Haushistoriografie jede noch so fernliegende Denkmöglichkeit durchzuspielen - unser hypothetischer Erfinder des Briefs vom 17. März 1933 diese Stelle aus Ilsemanns 1968 veröffentlichtem Tagebuch paraphrasiert hätte: Die Argumentation Malinowskis, dessen Forschungen aus einem im Auftrag des Landes Brandenburg erstatteten Gutachten hervorgegangen sind, ist auf das Vorzeigen einer schmauchenden Tatwaffe weder angelegt noch angewiesen. Zu dicht belegt sind die Unterstützungshandlungen des Thronanwärters bei der Beseitigung der Republik und der Errichtung der Diktatur, als dass es auf eine einzelne Quelle ankommen könnte.
Umfassend unterrichtet Malinowski über die viel diskutierten Stationen der Verschmelzung von schwarz-weiß-roter, also kaiserlicher, und nationalsozialistischer, unter der Hakenkreuzflagge in denselben Farben marschierender Front, von Wilhelms Projekt einer Kandidatur bei der Reichspräsidentenwahl 1932 über seine Eingaben gegen das Verbot von SA und SS bis zu den Massenaufmärschen mit dekorativer Prinzenpräsenz im ersten Jahr des neuen Staates. Geduldig zerlegt Malinowski die entlastenden Konstruktionen, mit denen sich ein bedeutender Historiker wie Wolfram Pyta, Biograph Hindenburgs und Hitlers mit besonderem Interesse an einem operablen Begriff des Charismas, den Blick auf einfache Sachverhalte verbaut hat. Aber das eigentlich Neue und Weiterführende in Malinowskis Buch sind seine Überlegungen darüber, wie man sich die Wirkung der Unterstützungshandlungen vorzustellen und zu erklären hat.
Bündig schreibt er im Schlusskapitel: Die Unterstützung war "nicht 'nur' symbolisch, sondern sie leistete eben darin, dass sie vor allem symbolisch war, präzise das, was der Beitrag des Hochadels nach 1918 noch sein konnte: die Darstellung von Machtkonstellationen". Reichsaußenminister Gustav Stresemann hatte die Kaisersöhne wegen ihrer eifrigen Mitwirkung an Kundgebungen des "Stahlhelms", des republikfeindlichen "Bundes der Frontsoldaten", als "Reklameprinzen" verspottet. Kurioserweise sind es heute die letzten Fans der Hohenzollern in der deutschen Historikerzunft, die als wissenschaftliche Advokaten von Georg Friedrich Prinz von Preußen, dem aktuellen "Chef" des "Hauses", die Devise ausgeben, dass es mit der Reklamewirkung der Preußenprinzen nicht mehr so weit her gewesen sei.
Malinowski kann demgegenüber nicht nur auf die gewaltigen Menschenmengen verweisen, die 1921 der Kaiserin Auguste Victoria und 1940 dem in Frankreich gefallenen Prinzen Wilhelm, dem ältesten Sohn des Kronprinzen, die letzte Ehre erwiesen; diese Demonstrationen volkstümlicher Loyalität wurden politisch verstanden. Denn auf Sichtbarkeit kam es an in den feudalen Treuebeziehungen, die da unter den Bedingungen der Massenkommunikation noch einmal reproduziert wurden. Durch bloße Akte der Präsenz beschäftigten die Prinzen die politische Fantasie, wie Malinowski an der Weltpresse zeigt, besonders gerne mit Provinzzeitungen aus den Vereinigten Staaten. Den Söhnen des Weltkriegstreibers im Exil wurden die abenteuerlichsten Restaurationspläne zugeschrieben. Nach 1933 galten sie mancherorts als geborene Widerständler, sodass sich nach dem Attentat Georg Elsers das Gerücht verbreitete, der Kronprinz sei verhaftet und enthauptet worden. Wer das Image der Hohenzollern untersucht, spaziert durch einen Spiegelsaal der Projektionen. Aber dass ein Mann wie Wilhelm, berühmt dafür, berühmt zu sein, etwas bewirkte, wenn er vor der Potsdamer Garnisonkirche oder auf der Diplomatentribüne des Reichstags erschien, ist keine Einbildung.
Nun bleibt Charisma per definitionem etwas Ungreifbares. Es ist der Clou von Malinowskis Argumentation, dass er die von den Apologeten der Hohenzollern beschworene Krise des dynastischen Charismas zu einem Beweisstück der Anklage umfunktioniert: Sie lieferte ein starkes Motiv für Anpassung und Kollaboration.
Ratlos und verbittert standen die Entthronten in der neuen, republikanischen Welt herum, wo sie sich nicht nur mit ihren alten Feinden konfrontiert sahen, den Demokraten und Sozialisten, sondern auch mit unbehaglich modernen Varianten der Werte der eigenen Lebensform. In ihren antidemokratischen und antisozialistischen Kreisen kamen Ideen einer meritokratischen Aristokratie in Mode, wie sie Alexandra Gerstners Monographie "Neuer Adel" dargestellt hat. Und noch gefährlicher für ihre Stellung war das Konzept, Alleinherrschaft nicht mehr auf Erbfolge, sondern auf Führertum zu gründen.
Malinowski betont sehr stark, dass Kaiser und Kronprinz durch die Flucht im November 1918 ihrem Ansehen in den Augen der Adligen und Adelssympathisanten geschadet hatten, für die ritterliche Tugenden noch kein leerer Wahn waren. In dieser Lage konnten die Hohenzollern versuchen, sich selbst zu Vertretern des zeitgemäßen Leistungsethos zu stilisieren oder ein Bündnis mit den neuen Führungskräften einzugehen. Beides probierten sie aus. In der Bundesrepublik zogen Vertreter der Familie später bis vor das Bundesverfassungsgericht, um sich das Recht bestätigen zu lassen, ihren "Chef" gemäß dem "Hausgesetz" auszuwählen, das hieß auf die Befolgung der Regeln für "ebenbürtige" Heiraten zu verpflichten. Die Söhne Wilhelms II. hatten dieses Prinzip der Magie des Blutes im Zweiten Weltkrieg zur Disposition gestellt: Künftige Prinzen sollten Frauen freien dürfen, mit denen sie "tüchtige, im Leben ihren Mann stehende, zu Führern sich eignende Nachkommen" zeugen würden. Der Ex-Kronprinz gab zu Protokoll, dass auch die "Tochter eines westfälischen Bauern" in Betracht komme, sofern sie "arisch" sei.
Anfang 1933 hatte er seiner Schwester Viktoria Luise berichtet, er habe 1923 mit Oswald Spengler über den kommenden Mann gesprochen, der weder Fürst noch General sein werde. In Gestalt Hitlers sei er nun erschienen. Nach dem Krieg redete Wilhelm sogleich wieder mit ausländischen Journalisten, um zur allgemeinen Kenntnis zu bringen, dass er in Hitler von Anfang an den Schwätzer erkannt habe.
Der von Spengler zur Nachahmung empfohlene italienische Faschismus bot das Modell eines Bundes von Thron und Führerbalkon, das hinter den Planspielen von 1932/33 unschwer zu erkennen ist. Dass im Adel der Weimarer Republik "sozialer Niedergang und politische Radikalisierung" Hand in Hand gingen, wies Malinowskis preisgekrönte Doktorarbeit nach. So gesehen sind die Hohenzollern eine ganz normale Adelsfamilie. Egalisierung der Schicksale ist die demokratische Pointe der Sozialgeschichte. Die Kaisersöhne, die Stammtafeln gegen Ariernachweise tauschen, um den welthistorischen Anschluss nicht zu verpassen, benehmen sich wie Parvenus. Malinowskis Verfallsstudie belehrt und amüsiert als Gesellschaftsroman einer durch und durch verkehrten Welt. PATRICK BAHNERS
Stephan Malinowski: "Die Hohenzollern und die Nazis". Geschichte einer Kollaboration.
Propyläen Verlag, Berlin 2021. 752 S., Abb., geb., 35,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Frontbegradigung 1933: Stephan Malinowski erklärt mit der Krise des Charismas, dass die Hohenzollern sich mit den Nationalsozialisten gemeinmachten.
Wie stand Wilhelm von Preußen, der ehemalige deutsche Kronprinz, zum Regierungs- und Systemwechsel des Jahres 1933? Über diese Frage wird in Gerichtsgutachten und Zeitungsartikeln heftig gestritten. Dabei hatte sich der hohe Herr gnädigerweise zeitig herabgelassen, durch schriftliche Mitteilung "etwaige Zweifel in der Frage meiner Einstellung zur jetzigen innenpolitischen Lage zu beseitigen". In einem auf den 17. März 1933 datierten Schreiben an die Verwalter seiner schlesischen Güter, dessen Abdruck in Stephan Malinowskis Buch über die Hohenzollern und die Nationalsozialisten fast eine ganze Seite füllt, heißt es, Wilhelm begrüße "den Zusammenschluß aller nationalen Kräfte, die sich in der schwarz-weiß-roten Front und der nationalsozialistischen Bewegung als Einheitsfront verkörpern".
Von "allen in meinem Dienst stehenden Beamten, Angestellten und Arbeitern" verlangte der Verfasser totalen Einsatz "im Sinne der nationalen Idee". Diese Anweisung eines Großgrundbesitzers ist im Gestus einer Proklamation abgefasst, als spräche er zum ganzen Volk. Im Habitus einer fürstlichen Persönlichkeit war es dasselbe, eine Haltung auszudrücken und Gefolgschaft zu erwarten. "Ich wünsche, daß diese meine Auffassung zur allgemeinen Kenntnis gebracht wird, wobei zu bemerken ist, daß ich abweichendes Verhalten nicht dulden kann und werde." Ganz der Papa, wird man sagen, wenn man in der großen Biographie Wilhelms II. von John Röhl gelesen hat, wie der Kaiser und Ex-Kaiser aller Welt, auch Standesgenossen ("Na warte, Wittelsbach") und den eigenen Kindern, allerhöchste Intoleranz androhte.
Dieses Schriftstück, möchte man glauben, braucht dem Verwaltungsgericht Potsdam nur vorgelegt zu werden, um die Frage zu erledigen, ob Wilhelm dem nationalsozialistischen System erheblichen Vorschub leistete und seine Erben deshalb von Zahlungen nach dem Ausgleichsleistungsgesetz auszuschließen sind. Leider ist der Brief im Original verschollen. Malinowski zitiert ihn nach zwei Veröffentlichungen von Willibald Gutsche, einem 1992 verstorbenen Professor am Zentralinstitut für Geschichte der Akademie der Wissenschaften der DDR, dessen Forschungen auch im Westen Anerkennung fanden. In der von Gutsche genannten Akte der Generalverwaltung des vormals regierenden preußischen Königshauses im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz fehlt der Brief; er soll das erste Blatt der Akte gewesen sein. Malinowski vermerkt: "Der Verbleib des Schreibens ließ sich nicht klären."
An dieser Stelle hätte man sich eine quellenkritische Überlegung mit Angaben zum Zustand der Akte vorstellen können. Wollte man in einem Gedankenspiel die Möglichkeit einer Fälschung zulasten der Familie von Preußen in Erwägung ziehen, könnte man es für auffällig halten, dass Wilhelm im zeithistorischen Rückblick die Konvergenz von persönlichem Handeln und nationaler Entwicklung betont, als hätte er seine Sätze fürs Geschichtsbuch diktiert: Er empfinde es "persönlich als eine besondere Genugtuung, daß das Ziel, wofür ich mich seit Jahr und Tag mit ganzem Herzen eingesetzt habe, endlich erreicht ist". Aber solche Selbsthistorisierung mit Unterstellung teleologischer Stringenz ist typisch für die Denkungsart im Adel, ganz besonders bei den sprunghaften Hohenzollern. Und zum Anspruch Wilhelms, sich einen Anteil an der Wende des 30. Januars zuzurechnen, findet man bei Malinowski eine Parallelüberlieferung aus dem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang des Ereignisses. Am Tag der Berufung des Kabinetts Hitler bekundete Wilhelm gegenüber Sigurd von Ilsemann, dem Adjutanten seines Vaters in Doorn, "wie glücklich er sei, daß in Deutschland jetzt eine nationale Regierung gebildet sei, für die er seit einem Jahr gearbeitet habe".
Doch selbst wenn - um in der Manier der apologetischen Haushistoriografie jede noch so fernliegende Denkmöglichkeit durchzuspielen - unser hypothetischer Erfinder des Briefs vom 17. März 1933 diese Stelle aus Ilsemanns 1968 veröffentlichtem Tagebuch paraphrasiert hätte: Die Argumentation Malinowskis, dessen Forschungen aus einem im Auftrag des Landes Brandenburg erstatteten Gutachten hervorgegangen sind, ist auf das Vorzeigen einer schmauchenden Tatwaffe weder angelegt noch angewiesen. Zu dicht belegt sind die Unterstützungshandlungen des Thronanwärters bei der Beseitigung der Republik und der Errichtung der Diktatur, als dass es auf eine einzelne Quelle ankommen könnte.
Umfassend unterrichtet Malinowski über die viel diskutierten Stationen der Verschmelzung von schwarz-weiß-roter, also kaiserlicher, und nationalsozialistischer, unter der Hakenkreuzflagge in denselben Farben marschierender Front, von Wilhelms Projekt einer Kandidatur bei der Reichspräsidentenwahl 1932 über seine Eingaben gegen das Verbot von SA und SS bis zu den Massenaufmärschen mit dekorativer Prinzenpräsenz im ersten Jahr des neuen Staates. Geduldig zerlegt Malinowski die entlastenden Konstruktionen, mit denen sich ein bedeutender Historiker wie Wolfram Pyta, Biograph Hindenburgs und Hitlers mit besonderem Interesse an einem operablen Begriff des Charismas, den Blick auf einfache Sachverhalte verbaut hat. Aber das eigentlich Neue und Weiterführende in Malinowskis Buch sind seine Überlegungen darüber, wie man sich die Wirkung der Unterstützungshandlungen vorzustellen und zu erklären hat.
Bündig schreibt er im Schlusskapitel: Die Unterstützung war "nicht 'nur' symbolisch, sondern sie leistete eben darin, dass sie vor allem symbolisch war, präzise das, was der Beitrag des Hochadels nach 1918 noch sein konnte: die Darstellung von Machtkonstellationen". Reichsaußenminister Gustav Stresemann hatte die Kaisersöhne wegen ihrer eifrigen Mitwirkung an Kundgebungen des "Stahlhelms", des republikfeindlichen "Bundes der Frontsoldaten", als "Reklameprinzen" verspottet. Kurioserweise sind es heute die letzten Fans der Hohenzollern in der deutschen Historikerzunft, die als wissenschaftliche Advokaten von Georg Friedrich Prinz von Preußen, dem aktuellen "Chef" des "Hauses", die Devise ausgeben, dass es mit der Reklamewirkung der Preußenprinzen nicht mehr so weit her gewesen sei.
Malinowski kann demgegenüber nicht nur auf die gewaltigen Menschenmengen verweisen, die 1921 der Kaiserin Auguste Victoria und 1940 dem in Frankreich gefallenen Prinzen Wilhelm, dem ältesten Sohn des Kronprinzen, die letzte Ehre erwiesen; diese Demonstrationen volkstümlicher Loyalität wurden politisch verstanden. Denn auf Sichtbarkeit kam es an in den feudalen Treuebeziehungen, die da unter den Bedingungen der Massenkommunikation noch einmal reproduziert wurden. Durch bloße Akte der Präsenz beschäftigten die Prinzen die politische Fantasie, wie Malinowski an der Weltpresse zeigt, besonders gerne mit Provinzzeitungen aus den Vereinigten Staaten. Den Söhnen des Weltkriegstreibers im Exil wurden die abenteuerlichsten Restaurationspläne zugeschrieben. Nach 1933 galten sie mancherorts als geborene Widerständler, sodass sich nach dem Attentat Georg Elsers das Gerücht verbreitete, der Kronprinz sei verhaftet und enthauptet worden. Wer das Image der Hohenzollern untersucht, spaziert durch einen Spiegelsaal der Projektionen. Aber dass ein Mann wie Wilhelm, berühmt dafür, berühmt zu sein, etwas bewirkte, wenn er vor der Potsdamer Garnisonkirche oder auf der Diplomatentribüne des Reichstags erschien, ist keine Einbildung.
Nun bleibt Charisma per definitionem etwas Ungreifbares. Es ist der Clou von Malinowskis Argumentation, dass er die von den Apologeten der Hohenzollern beschworene Krise des dynastischen Charismas zu einem Beweisstück der Anklage umfunktioniert: Sie lieferte ein starkes Motiv für Anpassung und Kollaboration.
Ratlos und verbittert standen die Entthronten in der neuen, republikanischen Welt herum, wo sie sich nicht nur mit ihren alten Feinden konfrontiert sahen, den Demokraten und Sozialisten, sondern auch mit unbehaglich modernen Varianten der Werte der eigenen Lebensform. In ihren antidemokratischen und antisozialistischen Kreisen kamen Ideen einer meritokratischen Aristokratie in Mode, wie sie Alexandra Gerstners Monographie "Neuer Adel" dargestellt hat. Und noch gefährlicher für ihre Stellung war das Konzept, Alleinherrschaft nicht mehr auf Erbfolge, sondern auf Führertum zu gründen.
Malinowski betont sehr stark, dass Kaiser und Kronprinz durch die Flucht im November 1918 ihrem Ansehen in den Augen der Adligen und Adelssympathisanten geschadet hatten, für die ritterliche Tugenden noch kein leerer Wahn waren. In dieser Lage konnten die Hohenzollern versuchen, sich selbst zu Vertretern des zeitgemäßen Leistungsethos zu stilisieren oder ein Bündnis mit den neuen Führungskräften einzugehen. Beides probierten sie aus. In der Bundesrepublik zogen Vertreter der Familie später bis vor das Bundesverfassungsgericht, um sich das Recht bestätigen zu lassen, ihren "Chef" gemäß dem "Hausgesetz" auszuwählen, das hieß auf die Befolgung der Regeln für "ebenbürtige" Heiraten zu verpflichten. Die Söhne Wilhelms II. hatten dieses Prinzip der Magie des Blutes im Zweiten Weltkrieg zur Disposition gestellt: Künftige Prinzen sollten Frauen freien dürfen, mit denen sie "tüchtige, im Leben ihren Mann stehende, zu Führern sich eignende Nachkommen" zeugen würden. Der Ex-Kronprinz gab zu Protokoll, dass auch die "Tochter eines westfälischen Bauern" in Betracht komme, sofern sie "arisch" sei.
Anfang 1933 hatte er seiner Schwester Viktoria Luise berichtet, er habe 1923 mit Oswald Spengler über den kommenden Mann gesprochen, der weder Fürst noch General sein werde. In Gestalt Hitlers sei er nun erschienen. Nach dem Krieg redete Wilhelm sogleich wieder mit ausländischen Journalisten, um zur allgemeinen Kenntnis zu bringen, dass er in Hitler von Anfang an den Schwätzer erkannt habe.
Der von Spengler zur Nachahmung empfohlene italienische Faschismus bot das Modell eines Bundes von Thron und Führerbalkon, das hinter den Planspielen von 1932/33 unschwer zu erkennen ist. Dass im Adel der Weimarer Republik "sozialer Niedergang und politische Radikalisierung" Hand in Hand gingen, wies Malinowskis preisgekrönte Doktorarbeit nach. So gesehen sind die Hohenzollern eine ganz normale Adelsfamilie. Egalisierung der Schicksale ist die demokratische Pointe der Sozialgeschichte. Die Kaisersöhne, die Stammtafeln gegen Ariernachweise tauschen, um den welthistorischen Anschluss nicht zu verpassen, benehmen sich wie Parvenus. Malinowskis Verfallsstudie belehrt und amüsiert als Gesellschaftsroman einer durch und durch verkehrten Welt. PATRICK BAHNERS
Stephan Malinowski: "Die Hohenzollern und die Nazis". Geschichte einer Kollaboration.
Propyläen Verlag, Berlin 2021. 752 S., Abb., geb., 35,- Euro.
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