"Crispin Mohr muss weit fort, um seiner Vergangenheit zu entkommen. Er lässt Pappenheim hinter sich, die Mutter, seinen versehrten Vater, eine unglückliche Liebe, und meldet sich als einfacher Reitersoldat zu den sogenannten Schutztruppen in die Kolonie Deutsch-Südwest. Dem, was er sich erträumt, kommt er aber auch in der neuen Heimat in Afrika, Deutschlands fernster Ferne, nicht näher. Als er sich in Hulette verliebt, die Enkelin eines Stammesführers, die als Faustpfand eines trügerischen Scheinfriedens mit der Kolonialmacht zum Opfer politischer Interessen und rassistischer Gewaltfantasien wird, entscheidet er sich für sein Schicksal: für eine Liebe, die keine Zukunft hat.Es ist ein finsteres Kapitel deutscher Geschichte, das Ludwig Fels hier aufschlägt und aus dem er eine Geschichte von biblischer Wucht erzählt. "Die Hottentottenwerft" ist ein Roman über Sehnsucht und Stolz, über den Lebenshunger eines jungen Mannes, der bis zu seinem Untergang an einem Traum festhält, welcherihn zwischen die Fronten von Leben und Tod geraten lässt. Schmerzlich-schön, schonungslos hart und klar, mit dem glühend-visionären Pathos eines Trauer- und Freudengesangs."
Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Zu einem eindeutigen Urteil über Ludwig Fels' ersten Roman "Die Hottentottenwerft" kann sich Rezensent Burkhard Müller nicht durchringen. Zwar entdeckt der Kritiker in dieser Erzählung über die kurze, aber gewalttätige deutsche Kolonialgeschichte einige lebendig und interessant geschilderte Figuren, die den Widerspruch zwischen zivilisatorischer Mission und Barbarei gelungen vor Augen führen. Leider muss der Rezensent aber auch feststellen, dass der österreichische Lyriker sich zum Ende seines Romans mit der Handlung übernimmt: Der Versuch, die grausame Geschichte mit Phantasmen a la Karl May zu verbinden, geht leider schief, schließt Müller.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.01.2016Seismograph wider Willen
Es ist die Geschichte einer tragisch endenden Flucht: Der junge Crispin Mohr, Kind armer Eltern, muss weit fort, um seine gewalttätige Familie zu vergessen. So meldet er sich 1903 freiwillig zur Schutztruppe in Deutsch-Südwestafrika und findet sich unversehens an einem der brutalsten Orte der Zeit wieder. "Die Hottentottenwerft" ist ein leidenschaftlicher Roman, eine Reise ins Herz der Finsternis und in ein dunkles Kapitel deutscher Geschichte.
"Daran erkenne ich meine Pappenheimer", lässt Friedrich Schiller seinen Feldherrn Wallenstein sagen, der damit auf die fast schon schmerzhafte Loyalität und Wahrheitsliebe seiner Kavalleristen anspielt. Auch Crispin Mohr, der aus Pappenheim stammende Held in Ludwig Fels' existentiellem Abenteuerroman, ist im Tiefsten eine schillersche Figur: empfindsam, rebellisch und viel zu impulsiv. Es ist zivilisierter Wesen unwürdig, was Crispin an himmelschreienden Ungerechtigkeiten und überheblicher Grausamkeit jeden Tag sieht, doch weder seine Kameraden noch sein Vorgesetzter verstehen, warum er die meisten Befehle verweigert.
Ludwig Fels ist ein emphatischer Autor, dessen lakonische Dialoge von unterdrückten Emotionen vibrieren und dessen Landschaftsbilder so melancholisch wie expressiv sind. Man versteht angesichts der bedrohlich gleißenden Wüste unter giftgrünem Himmel, wie verloren sich die jungen Burschen in dieser unbarmherzigen Natur fühlen mussten. Als Crispin sich in die Enkelin eines Stammesfürsten verliebt und es wagt, sie menschlich zu behandeln, wird er, ohne es recht zu wollen, zum Feind seiner Truppe und findet sich auf Seiten der aufständischen Nama (holländisch "Hottentotten") wieder - die ihm gleichwohl misstrauen. Der Hottentottenaufstand erreicht im Frühjahr 1904 seinen Höhepunkt, und Crispin, der zwischen die Fronten gerät, wird zum Seismographen wider Willen. Wie ein Klagegesang liest sich der Roman, der aber in jeder Zeile auch Hymnus auf ein rätselhaftes, grausames und ungeheuerliches Leben ist.
nhb.
Ludwig Fels: "Die Hottentottenwerft". Roman. Verlag Jung & Jung, Salzburg 2015. 390 S., 24,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Es ist die Geschichte einer tragisch endenden Flucht: Der junge Crispin Mohr, Kind armer Eltern, muss weit fort, um seine gewalttätige Familie zu vergessen. So meldet er sich 1903 freiwillig zur Schutztruppe in Deutsch-Südwestafrika und findet sich unversehens an einem der brutalsten Orte der Zeit wieder. "Die Hottentottenwerft" ist ein leidenschaftlicher Roman, eine Reise ins Herz der Finsternis und in ein dunkles Kapitel deutscher Geschichte.
"Daran erkenne ich meine Pappenheimer", lässt Friedrich Schiller seinen Feldherrn Wallenstein sagen, der damit auf die fast schon schmerzhafte Loyalität und Wahrheitsliebe seiner Kavalleristen anspielt. Auch Crispin Mohr, der aus Pappenheim stammende Held in Ludwig Fels' existentiellem Abenteuerroman, ist im Tiefsten eine schillersche Figur: empfindsam, rebellisch und viel zu impulsiv. Es ist zivilisierter Wesen unwürdig, was Crispin an himmelschreienden Ungerechtigkeiten und überheblicher Grausamkeit jeden Tag sieht, doch weder seine Kameraden noch sein Vorgesetzter verstehen, warum er die meisten Befehle verweigert.
Ludwig Fels ist ein emphatischer Autor, dessen lakonische Dialoge von unterdrückten Emotionen vibrieren und dessen Landschaftsbilder so melancholisch wie expressiv sind. Man versteht angesichts der bedrohlich gleißenden Wüste unter giftgrünem Himmel, wie verloren sich die jungen Burschen in dieser unbarmherzigen Natur fühlen mussten. Als Crispin sich in die Enkelin eines Stammesfürsten verliebt und es wagt, sie menschlich zu behandeln, wird er, ohne es recht zu wollen, zum Feind seiner Truppe und findet sich auf Seiten der aufständischen Nama (holländisch "Hottentotten") wieder - die ihm gleichwohl misstrauen. Der Hottentottenaufstand erreicht im Frühjahr 1904 seinen Höhepunkt, und Crispin, der zwischen die Fronten gerät, wird zum Seismographen wider Willen. Wie ein Klagegesang liest sich der Roman, der aber in jeder Zeile auch Hymnus auf ein rätselhaftes, grausames und ungeheuerliches Leben ist.
nhb.
Ludwig Fels: "Die Hottentottenwerft". Roman. Verlag Jung & Jung, Salzburg 2015. 390 S., 24,90 [Euro].
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