Mit unveröffentlichtem Material aus dem Nachlass des großen Essayisten.Arno Schmidt (1914-1979) hat zu Lebzeiten nur einen Autor als Schüler angenommen und als Nachfolger akzeptiert: Hans Wollschläger. Dieser hatte in Gestus und Anspruch eine Stellung im Literaturbetrieb, die der seines bewunderten Vorbildes durchaus ähnelte, schließlich betätigte sich auch Wollschläger als unabhängiger Grenzgänger auf den verschiedensten Gebieten. Ihre Verwandtschaft lag aber weniger im literarischen Stil als in ihrer Weigerung, die Ansprüche des Marktes nach konformer Ware zu befriedigen. Dieser Band enthält neben bekannten Texten auch unveröffentlichtes Material aus dem Nachlass, in dem Wollschläger Schmidts historisch gewordene Gestalt in Form eines Dialog-Essays nachzeichnet und dabei das biographische Erinnern selbst zum Thema macht. Im Zentrum steht die große Nachruf-Rede von 1982, die, so Gustav Seibt, »an höchste Beispiele erinnert, an Nietzsches Betrachtung über Richard Wagner in Bayreuth oder an Rudolf Borchardts Hofmannsthal-Rede«. Hier wird nicht nur der Kontext von Wollschlägers literarischem Ursprung noch einmal eindeutig markiert, seine Texte zeigen überdies, dass er hinter seinem bewunderten Vorbild als Essayist nicht zurückstand.»Die geschmeidige Formulierungskunst seiner Essays unterscheidet sich mustergültig von dem beklagten Übel, wonach die Germanistik vor ihren Gegenständen oft durch sprachliche Unangemessenheit versage.«Werner Morlang
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.02.2009Distanz hat nur der Spießer
Hans Wollschlägers Texte über Arno Schmidt
So groß die Leistung der "Ulysses"-Übersetzung und so beeindruckend zum Teil seine Essayistik ist - in Sachen Arno-Schmidt-Verehrung gehen der Stilwille sowie die Thesen des 2007 verstorbenen Hans Wollschläger mitunter zu weit. Eine Sammlung von Preisreden, Essays und Gesprächen über Arno Schmidt, die im Laufe der langjährigen Beschäftigung Wollschlägers mit dem Freund und Lehrer entstanden, zeigt ihn als geradezu manischen Schmidtianer, der, so wie ein Großteil der Schmidt-Philologie, oft die kritische Distanz zum Gegenstand vermissen lässt.
Was Wollschläger ein ums andre Mal mit gewaltigem rhetorischen Aufwand vorbringt, erinnert an den berühmt-berüchtigten Rundumschlag Peter Handkes gegen die Literaten der Gruppe 47 in Princeton 1966: Die gesamte Nachkriegsliteratur wird zum faden Einheitsbrei degradiert; dagegen stellt Wollschläger dann den unverstandenen Solitär Schmidt, dem keiner das Wasser reichen oder auch nur sein Erbe antreten könne. Ohne die Meriten Schmidts und auch die sonstigen Wollschlägers schmälern zu wollen, wird man anmerken dürfen, dass dieses Bild der Literaturgeschichte kaum gerecht wird. Wörtlich spricht Wollschläger mehrmals von einer "ideellen Restauration", der Schmidt in der neuen Bundesrepublik gegenübergestanden habe - aber auch die Restaurationsthese, die politische wie die literarische, ist inzwischen vielfältig relativiert worden. Metaphorisch, wie es der Titel ja verspricht, formuliert er vielfach nahe der Unverständlichkeit, die zwar unter Umständen ein literarisches, nicht aber ein essayistisches Ziel sein sollte.
Eine zwiespältige Angelegenheit ist die Replik Wollschlägers auf den ideologischen Kritiker Dieter Kuhn, der Schmidt in einer Publikation als reaktionären Kleinbürger und Wollschläger als dessen "literarischen Trittbrettfahrer" hingestellt hatte. Lesenswert ist diese Replik schon aufgrund ihrer glänzenden Einleitung, die zwischen "Gegnern" und "Feinden" im Literaturbetrieb unterscheidet: Gegner brauche man, um die Stabilität der eigenen Meinung zu testen, Feinde dagegen seien zu nichts nütze: "Nimmt man sie sich vor, so greift man, statt in fassenswerte Argumente, bloß in eine quallige, oft sogar schmuddelige Motivation." So scharfsinnig Wollschläger den Angreifer anhand dessen eigener Formulierungen widerlegt und vorführt, so verstörend feindlich ist dann doch der Ausdruck des Gekränkten, es wäre "menschenfreundlich", Kuhns "Lehrtätigkeit einzuschränken und ihn für eine Weile an einen Ort zu bringen, der Gelegenheit zur Besinnung gibt".
Erstaunlich ist schließlich noch das aus seinem Nachlass veröffentlichte Fragment eines Rundfunkgesprächs über Leben und Werk Arno Schmidts, welches der Schüler wohl gezielt nach den Schmidtschen Rundfunkessays modellieren wollte, wie man sie kennt und liebt: mit zwei fiktiven Sprechern, die sich anhand von Zitaten und Lebensstationen des thematisierten Autors geschickt die Bälle zuspielen. Dass dieses Stück, an dem Wollschläger noch 2004 gearbeitet hat, nie fertig wurde, ist wirklich schade - auch wenn es das Risiko einging, dass jeder Versuch, Schmidt zu imitieren, schnell in Parodie umschlagen kann. Im Falle Wollschlägers wäre es keine Parodie geworden, sondern eine offene Hommage, so wie sie ja auch aus allen anderen Texten des Bandes spricht.
JAN WIELE
Hans Wollschläger: "Die Insel und einige andere Metaphern für Arno Schmidt". Wallstein Verlag 2008, 367 S,. geb., 34,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Hans Wollschlägers Texte über Arno Schmidt
So groß die Leistung der "Ulysses"-Übersetzung und so beeindruckend zum Teil seine Essayistik ist - in Sachen Arno-Schmidt-Verehrung gehen der Stilwille sowie die Thesen des 2007 verstorbenen Hans Wollschläger mitunter zu weit. Eine Sammlung von Preisreden, Essays und Gesprächen über Arno Schmidt, die im Laufe der langjährigen Beschäftigung Wollschlägers mit dem Freund und Lehrer entstanden, zeigt ihn als geradezu manischen Schmidtianer, der, so wie ein Großteil der Schmidt-Philologie, oft die kritische Distanz zum Gegenstand vermissen lässt.
Was Wollschläger ein ums andre Mal mit gewaltigem rhetorischen Aufwand vorbringt, erinnert an den berühmt-berüchtigten Rundumschlag Peter Handkes gegen die Literaten der Gruppe 47 in Princeton 1966: Die gesamte Nachkriegsliteratur wird zum faden Einheitsbrei degradiert; dagegen stellt Wollschläger dann den unverstandenen Solitär Schmidt, dem keiner das Wasser reichen oder auch nur sein Erbe antreten könne. Ohne die Meriten Schmidts und auch die sonstigen Wollschlägers schmälern zu wollen, wird man anmerken dürfen, dass dieses Bild der Literaturgeschichte kaum gerecht wird. Wörtlich spricht Wollschläger mehrmals von einer "ideellen Restauration", der Schmidt in der neuen Bundesrepublik gegenübergestanden habe - aber auch die Restaurationsthese, die politische wie die literarische, ist inzwischen vielfältig relativiert worden. Metaphorisch, wie es der Titel ja verspricht, formuliert er vielfach nahe der Unverständlichkeit, die zwar unter Umständen ein literarisches, nicht aber ein essayistisches Ziel sein sollte.
Eine zwiespältige Angelegenheit ist die Replik Wollschlägers auf den ideologischen Kritiker Dieter Kuhn, der Schmidt in einer Publikation als reaktionären Kleinbürger und Wollschläger als dessen "literarischen Trittbrettfahrer" hingestellt hatte. Lesenswert ist diese Replik schon aufgrund ihrer glänzenden Einleitung, die zwischen "Gegnern" und "Feinden" im Literaturbetrieb unterscheidet: Gegner brauche man, um die Stabilität der eigenen Meinung zu testen, Feinde dagegen seien zu nichts nütze: "Nimmt man sie sich vor, so greift man, statt in fassenswerte Argumente, bloß in eine quallige, oft sogar schmuddelige Motivation." So scharfsinnig Wollschläger den Angreifer anhand dessen eigener Formulierungen widerlegt und vorführt, so verstörend feindlich ist dann doch der Ausdruck des Gekränkten, es wäre "menschenfreundlich", Kuhns "Lehrtätigkeit einzuschränken und ihn für eine Weile an einen Ort zu bringen, der Gelegenheit zur Besinnung gibt".
Erstaunlich ist schließlich noch das aus seinem Nachlass veröffentlichte Fragment eines Rundfunkgesprächs über Leben und Werk Arno Schmidts, welches der Schüler wohl gezielt nach den Schmidtschen Rundfunkessays modellieren wollte, wie man sie kennt und liebt: mit zwei fiktiven Sprechern, die sich anhand von Zitaten und Lebensstationen des thematisierten Autors geschickt die Bälle zuspielen. Dass dieses Stück, an dem Wollschläger noch 2004 gearbeitet hat, nie fertig wurde, ist wirklich schade - auch wenn es das Risiko einging, dass jeder Versuch, Schmidt zu imitieren, schnell in Parodie umschlagen kann. Im Falle Wollschlägers wäre es keine Parodie geworden, sondern eine offene Hommage, so wie sie ja auch aus allen anderen Texten des Bandes spricht.
JAN WIELE
Hans Wollschläger: "Die Insel und einige andere Metaphern für Arno Schmidt". Wallstein Verlag 2008, 367 S,. geb., 34,- [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Nichts gegen Arno Schmidt und auch nichts gegen dessen Schüler und Bewunderer Hans Wollschläger, meint Jan Wiele. Doch was Wollschlägers Band an Essays, Reden und Gesprächen über Schmidt vereint, ist dem Rezensenten dann doch etwas zu sehr aus der Perspektive der Verneigung verfasst und lässt die kritische Distanz vermissen. Die Schmidt-zentristische Literaturgeschichtsschreibung kauft Wiele dem Autor nicht ab, ebenso dessen krause Rhetorik, die er alles andere als verständnisfördernd findet. So dunkel und mitunter verstörend feindlich (in der Replik auf Dieter Kuhn) dem Rezensenten Wollschlägers Kompendium auch erscheinen mag, es birgt für ihn auch Erstaunliches, wie das Fragment eines Rundfunkgesprächs über Leben und Werk Arno Schmidts - im vom Autor hoch verehrten Stil des Schmidt'schen Rundfunkessays selbstredend.
© Perlentaucher Medien GmbH
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