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Wenn doch alle Seminare so lebensnah wären wie das von Professor Knospe. Allen Teilnehmern des Intrige-Seminars an der Berliner Humboldt-Universität wird klar, daß dies ihr Leben verändern wird. Mit spielerischer Leichtigkeit und frechem Witz schickt Dorothee Nolte eine Gruppe Berliner Studenten auf eine Reise, bei der Dichtung und Wahrheit in einem völlig neuen Licht erscheinen.

Produktbeschreibung
Wenn doch alle Seminare so lebensnah wären wie das von Professor Knospe. Allen Teilnehmern des Intrige-Seminars an der Berliner Humboldt-Universität wird klar, daß dies ihr Leben verändern wird. Mit spielerischer Leichtigkeit und frechem Witz schickt Dorothee Nolte eine Gruppe Berliner Studenten auf eine Reise, bei der Dichtung und Wahrheit in einem völlig neuen Licht erscheinen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.10.1998

Das süßsaure Schmunzeln der Gremienhirsche
Ein Campus und die Folgen: Warum und zu welchem Ende es den Universitätsroman gibt / Von Burkhard Müller

Wo kommt auf einmal diese Gattung her, der "Campusroman"? Denn daß von allen Leuten, die jemals belletristische Literatur in die Hand nehmen, schätzungsweise vierzig Prozent als Studenten oder Dozenten an der Universität zu finden sind, dürfte nicht ganz neu sein, so wenig wie das Leiden an den Massenuniversitäten, auf denen, in den Siebzigern voller Schwung gegründet, schon zehn Jahre später die Erschöpfung so schwer lastete wie die undichten Flachdächer.

Die Antwort dürfte in einem einzigen Wort zu finden sein: dem "Campus". In ihm schießt, wie es vor dreißig Jahren beim "Streß" der Fall war, ein bislang diffuses Phänomen plötzlich in einen Begriff zusammen. Im "Campus" fand sich ein ganzes Milieu, das sich bisher nur negativ in seiner Isolation von der restlichen Gesellschaft erlebt hatte, auf einen positiven Namen getauft, und dafür war es dankbar: Im Namen, den es endlich erhielt, verzauberte sich das nur allzugut Bekannte unter dem Vorwand der Satire zur Heimat. Hierin hat der "Campus" die einst, in den Fünfzigern, ähnlich gattungsstiftende "Penne" beerbt, und er bezeugt damit, wie weit ins Erwachsenenalter hinein sich inzwischen das erstreckt, was eine Gesellschaft als Jugend gelten läßt.

"Der Campus" hatte der Hamburger Anglist Dietrich Schwanitz mit geriebener Schlichtheit seinen Erstling genannt. Der Roman erschuf den Begriff und der Begriff sofort das gierige Bedürfnis nach dem Roman. Das war eine Pioniertat und doch schon unübertrefflich, es mußte die Nachahmer auf den Plan rufen und ihnen zugleich das Leben sauer machen. Am sauersten sicher für Schwanitz selbst, der an seinen großen Erfolg nun mit einer Fortsetzung anzuknüpfen gedenkt: "Der Zirkel", den der Verlag gewiß, wie es im schamloseren Kino üblich ist, am liebsten als "Campus II" auf den Markt gebracht hätte; so sorgt wenigstens der Umschlag dafür, daß keinem die Ähnlichkeit entgeht.

Um es vorwegzunehmen: Mit dem "Zirkel" gewinnt Schwanitz dem "Campus" nichts hinzu, aber verliert manches, vor allem die Fähigkeit zur Selbstkritik. Der "Campus" hatte überzeugt durch die genaue Kenntnis des Milieus, die Schwanitz, alter Gremienhirsch der akademischen Selbstverwaltung, mitbrachte, und durch die elegante Figur, mit der er seinen Plot durch alle Sektoren dieses unübersichtlichen Gebildes führte, bis, wie in Tom Wolfes "Fegefeuer der Eitelkeiten", aus dem kleinen privaten Ehebruch eine große öffentliche Affäre geworden ist. Das Milieu ist dasselbe geblieben, auch das Personal kam teilweise in den Genuß der Überleitung, so die Frauenbeauftragte Wagner, die den Ton ihrer Kreissägenstimme seit dem Hackmann-Debakel ein wenig gedämpft hat; ein zuvor eher angedeuteter Lispler hat eine Rede bekommen, in der mit quälender Konsequenz jedes "s" durch ein "f" ersetzt ist.

Solche Kleinigkeiten sind typisch. "Der Zirkel" braucht nur ein bißchen fahrlässiger und selbstgefälliger zu werden, um schon unerträglich zu sein. Die präzise Herzlosigkeit, mit der der "Campus" die Sozialcharaktere gezeichnet und die ihn zum Gesellschaftsroman qualifiziert hatte, ist, wie der Untertitel "Eine romantische Komödie" bereits befürchten läßt, zu einem süßsauren Schmunzeln über den Lauf der Welt ermäßigt. Der Leser wird eingeladen, sich mit den beiden Hauptfiguren, dem Wissenschaftssenator Weiß und seinem persönlichen Referenten Daniel Dentzer, 31 Jahre alt und mit genau 57 Haaren auf der Brust, zu identifizieren. Der eine hat nie seinen Vater gekannt, der andere über der Karriere einen Sohn zu zeugen versäumt, und so haben sie sich gefunden.

Daß der Protagonist des "Campus" in der Eingangsszene unter dem Ehebett festgeklemmt worden war, das mag hämisch und, schlimmer, sogar symbolisch gewesen sein, aber es hatte doch für eine wohltuende Kühle gesorgt, die man im "Zirkel", wo sich alles Soziale ins Familiäre auflöst, arg vermißt. Das erfrischende Insidertum ist einer Geste des Tuschelns hinter vorgehaltener Hand gewichen, das Geheimnisse verrät, um die der Hörer sich nie beworben hat: "Die schweinischsten Graffiti aber hatte er auf der Toilette der Theologen gefunden." Von der Bitterkeit über die verfehlte Bildungsreform, die den "Campus" noch spürbar grundiert und ihm Schärfe verliehen hatte, ist nichts übriggeblieben, Sätze wie "Welch trauriger Witz: Als die Massen die Privilegien erobert hatten, waren es keine mehr" sucht man im neuen Schwanitz vergebens.

Statt dessen ist alles in die Soße einer Allerweltsironie getaucht. "Ja, dieses ambivalente Mona-Lisa-Lächeln, das Schuldgefühle ausstreute wie Heuschreckenschwärme, es war ihm so vertraut wie einem pubertierenden Knaben seine Pickel", liest man gleich auf der ersten Seite, und so geht es weiter. Im "Campus" war es noch die Eitelkeit des Protagonisten gewesen, die die Mitglieder akademischer Gremien beiläufig in fünf Kategorien sortiert hatte, um seine Sekretärin zu nötigen, ihn selbst der schmeichelhaftesten zuzurechnen; es war ein Aperçu gewesen, aber es hatte auch die Figur charakterisiert und einen Dialog, eine Situation erzeugt. Im "Zirkel" kehrt dasselbe als weitschweifiger auktorialer Einschub wieder; der Erzähler, sehr von sich eingenommen, hat es sich allzu kommod gemacht. Was er vor allem entbehrt, ist die Grazie, zu wissen, wann man aufhören muß.

Sein Fundus trägt ihn durch Altvertrautes. Wo Schwanitz aber neuern muß, weil er ja doch ein neues Buch schreiben will, ist natürlich der Plot. Und das kann nur auf dem Weg der Überbietung geschehen: er braucht einen Hammer. Dieser Hammer ist der Zirkel, der dem Buch den Titel gibt, und er weist in die alte DDR: Er umfaßt nicht weniger als zwanzigtausend Wissenschaftler ("konservative Schätzung!" fügt der Anglist hinzu), die im Lauf der Jahrzehnte von der Staatssicherheit in der akademischen Landschaft Westdeutschlands angeheuert worden sind; die Stasi aber, so die Grundannahme des Buches, besteht als brandgefährliche Mafia weiter, wenn sie auch statt gelblicher Durchschläge inzwischen neueste Laserdrucker verwendet. Daniel Dentzer muß das heimische Hamburg verlassen und landet im Osten, von dessen Universitäten, "diesem Herzen der Finsternis" Schwanitz ein Bild entwirft, das zwischen fünf und sieben Jahren hinter den realen Verhältnissen herhinkt.

Das Buch hat allerdings auch gelungene und erheiternde Momente - etwa, wenn ein alter Macho-Professor die Berufung einer zweiten feministischen Professorin dadurch verhindert, daß er der Frauenbeauftragten durch hinterhältig überschwengliche Lobeshymnen angst macht, diese könnte womöglich die bessere Feministin sein. Kein einziger Witz vergleichbaren Kalibers hilft der Lektüre von "Die Intrige" von Dorothee Nolte auf. Schon der Untertitel "Ein Campusroman" verrät, daß sich hier jemand an einen Trend anseilt - um so mehr, als es eigentlich ein Etikettenschwindel ist, denn der Großteil der Geschehnisse spielt sich außerhalb des Campus ab. Zwar nehmen sie ihren Ausgang von der Humboldt-Universität, genauer gesagt von dem interdisziplinären Seminar "Die Intrige" bei Professor Kasimir Knospe (der Name sagt eigentlich schon alles Nötige), verzweigen sich dann aber weiter - nach San Francisco ("Wie ein vom Herrgott hingeworfenes Versprechen lagen die Villen mit den viktorianischen Hügeln vor ihnen"), Siena, wo die Heldin, die "kleine Britta aus Salzgitta", "das unbestimmte Gefühl" hat, "daß der Dom ihr etwas mitteilen wollte", und Rom, wo "Ruinen, Hunde, Kirchen, Pizzen, Papst und japanische Touristen" wimmeln, mit einem Wort in die Welt der Urlaubspostkarten mit einem blauen Himmel vorne drauf und einem launigen Gruß auf der Rückseite.

Nolte beweist ihre Weltläufigkeit durch Dialoge in fließender Fremdsprache, die Bedienung im Striptease-Keller stellt sich vor "My name is Maria, I am going to be serving you", und Italiener, die das nicht verstanden haben, fragen ungläubig "Como?" Auch postmoderne Theorie klingt an, aber mit einem Augenzwinkern, das besagt: Wir haben doch Ferien! Die kurzatmigen Kapitel tragen neckische Überschriften wie "Leise rieselt der Staub", "Jenseits der Pickel" und "Molto, molto". Und die Intrige, um die es geht, ist so beschaffen, daß sie in den ersten zwei Dritteln des Buchs keinerlei Lebenszeichen von sich gibt; dann aber plumpst sie in all ihrer Belanglosigkeit so plötzlich hervor, daß sie auch dem letzten Drittel nicht den leisesten Hauch von Spannung beschert. Man legt das Buch aus der Hand und seufzt: Wie schwer es doch ist, einen leichten Sommerspaß zu produzieren!

Dietrich Schwanitz: "Der Zirkel". Eine romantische Komödie. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 1998. 446 S., geb., 44,- DM.

Dorothee Nolte: "Die Intrige". Ein Campusroman. Argon Verlag, Berlin 1998. 205 S., geb., 34,- DM.

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