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Am Ende der 1990er Jahre zieht Heinz Bude eine soziologische Bilanz des Einigungs- und Wendejahrzehnts und fragt: Was haben wir an der alten Bundesrepublik verloren?
Die kollektive Lerngeschichte der Nachkriegszeit hat im Westen eine ironische Nation hervorgebracht, der ein tragisches Volk aus dem Osten beigetreten ist.
Im Moment des Abschieds tritt schmerzlich ins Bewusstsein, was man verloren hat. Die alte Bundesrepublik ist heute Gegenstand vielfältiger Liebeserklärungen. Der kleine praktische Staat der Bonner Republik wird als zivile Mischung aus Effizienz und Bescheidenheit
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Produktbeschreibung
Am Ende der 1990er Jahre zieht Heinz Bude eine soziologische Bilanz des Einigungs- und Wendejahrzehnts und fragt: Was haben wir an der alten Bundesrepublik verloren?

Die kollektive Lerngeschichte der Nachkriegszeit hat im Westen eine ironische Nation hervorgebracht, der ein tragisches Volk aus dem Osten beigetreten ist.

Im Moment des Abschieds tritt schmerzlich ins Bewusstsein, was man verloren hat. Die alte Bundesrepublik ist heute Gegenstand vielfältiger Liebeserklärungen. Der kleine praktische Staat der Bonner Republik wird als zivile Mischung aus Effizienz und Bescheidenheit gefeiert.

Im Vergleich zur DDR wird deutlich, wie sich Ironie und Tragik der Deutschen in der Nachkriegszeit verteilt haben. Dort wurde mit antifaschistischer Emphase ein Gegenstaat gegründet, hier mit postfaschistischem Integrationsbewusstsein weitergemacht. Aber zuletzt erwies sich das historische Abbruchunternehmen im Westen als zukunftsträchtiger als das volkseigene Aufbruchprojekt im Osten.

Nachträgliche Abstandsnahmen, wilde Empörung und eine Jugendbewegung von rechts bestimmen das Bild der vergrößerten Bundesrepublik.
Autorenporträt
Bude, Heinz
Heinz Bude, Prof. Dr. phil., Professor für Makrosoziologie an der Universität Kassel.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.04.1999

Bärendienst an der Maschine

Die Inspiration ist eine Gabe, von der die Wissenschaft nur gezügelten Gebrauch machen darf - auch dann, wenn sie den Positivismus nicht für das letzte Wort hält. Bei den Soziologen indes führte dieser Grundsatz nur allzuoft in die Langeweile. Hier hat die Askese der Inspiration eine Daten- und Sinnhuberei hervorgetrieben, die zu durchbrechen Heinz Bude sich vorgenommen hat. Seine in "Die ironische Nation" (Soziologie als Zeitdiagnose. Hamburger Edition, Hamburg 1999. 185 S., geb., 38,- DM) versammelten Aufsätze haben durchweg das, was Schwaben Frische, Franzosen Eleganz des Denkens und Hesiod den Kuß der Muse zu nennen pflegen. Bude hat Hesiods Erkenntnisprinzip einfühlsam in die Moderne übersetzt. Daß der Musen-Ansatz aufgeht, verdankt der Mitarbeiter des Hamburger Instituts für Sozialforschung seinem flottierenden, ganz der Kontingenz verschriebenen Kulturbegriff. Der Essay "Kultur als Problem" darf deshalb wie eine verschlüsselte Bauanleitung zu Budes soziologischem Design gelesen werden. Hier spricht er aus, wie er als Beobachter von Kultur zu analytischen Schlüssen gelangt, die ihre Kraft aus der Eingebung des Augenblicks gewinnen. Demnach hat Bude seinen Aussichtsturm "auf einer Art Metaebene" plaziert, "wo das Eigene mit dem Fremden genußvoll konfrontiert werden kann". Dort fühlt er sich als "Wilder" in einer geschlossenen Welt, "wo an jeder Ecke bezaubernde oder beängstigende Überraschungen zu erleben sind". Da es an jeder dieser Ecken auch ganz anders zugehen könnte (Kontingenz), kommt alles darauf an, sich der Inspiration zu überlassen. Mehr an methodischer Absicherung hält Bude im Augenblick für nicht geboten. Denn die Kultur, die er im Auge hat, spricht aus der Tiefe einer "Kreativität, die sich auf ein bestimmtes Wissen nicht festlegen läßt". Insofern ist es müßig, dem "Bild einer klaren und distinkten Ordnung" nachzulaufen: "Kultur beginnt sich aufzulösen, sobald man anfängt, über ihre methodische Herstellung nachzudenken." Weil das Gegebene ohnehin nur eine "Auswahl aus dem Möglichen darstellt", reicht es aus, "eine vage Idee des Zusammenhangs" zu entwickeln. Bude gewinnt seinen intellektuellen Spielraum aus der Vision einer unmittelbaren Kulturerfahrung: So zufällig die Kultur selbst ist, so zufällig darf, ja muß auch ihre soziologische Analyse ausfallen. Solch wildes Denken begreift sich als Antipode zum brav-linearen Kulturbegriff, wie ihn Petra Roth mit uninspirierter Wenn-dann-Logik im Goethejahr vertritt. "Goethes Erkenntnisse sind auch heute noch aktuell und passen in unser modernes Zeitalter", findet die Frankfurter Oberbürgermeisterin. "Deshalb bin ich der Überzeugung, daß Goethe auch wieder verstärkt an deutschen Schulen gelesen werden und seinen festen Platz im literarischen Unterrichtskanon beanspruchen sollte." Frau Roths gradliniger Zugriff auf Kultur ist Budes Sache gerade nicht. Er bastelt aus den verschiedenen kulturellen Angeboten gleichermaßen "Wohnzimmereinrichtungen, Weltanschauungen und Lebensgemeinschaften zusammen. Das Ganze ist von Gelegenheiten und Details abhängig." Was er als Volkskultur der Vorstädte herausbricht, setzt Bude auf der Metaebene genußvoll wieder zusammen "und gibt sie in Gestalt von trickreichen Kombinationen und witzigen Einfällen an die riesige Maschine unserer gemeinsamen populären Kultur zurück". So geht einer als Pop-art betriebenen Soziologie zwar nie die Puste aus. Dafür passiert es ihr freilich um so leichter, daß sie "in diesem Moment etwas Neues an den Tag bringt, was sich im nächsten als Variation eines bekannten Musters entpuppt". Aber jede Inspiration hat nun einmal ihren Preis.

CHRISTIAN GEYER

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"Wie auch immer, Bude ist kein Tagträumer, der wärmenden Illusionen den Vortritt vor seinen kühl-einfühlsamen Deutungen einräumen würde...Wenn Ratlosigkeit stets so substanzreich und intelligent daher käme, bräuchte einem nicht bange zu sein." (Süddeutsche Zeitung, Andreas Zielcke)