Enthüllt erstmals die Hintergründe der lange vergeblichen Suche nach Osama Bin Laden
Beinahe zehn Jahre nach den Anschlägen vom 11. September 2001 wurde Osama Bin Laden endlich von amerikanischen Spezialeinheiten in seinem Versteck in Pakistan aufgespürt. Peter L. Bergen hat 1997 als erster westlicher Journalist ein Interview mit Osama Bin Laden geführt, das den Terroristen einer breiten Öffentlichkeit bekannt machte. In diesem aktuell recherchierten Buch enthüllt er die Hintergründe der Jagd auf den größten Terroristen unserer Zeit. Warum dauerte es so lange, Bin Laden zu finden, wer deckte ihn und half ihm? Genoss er die Unterstützung Pakistans? Wie organisierte sich al-Qaida unter dem Druck der Verfolgung? Warum versagten wiederholt westliche Geheimdienste und Spezialeinheiten? Und, nicht zuletzt, was geschah wirklich bei der Tötung Bin Ladens in Abbottabad?
Beinahe zehn Jahre nach den Anschlägen vom 11. September 2001 wurde Osama Bin Laden endlich von amerikanischen Spezialeinheiten in seinem Versteck in Pakistan aufgespürt. Peter L. Bergen hat 1997 als erster westlicher Journalist ein Interview mit Osama Bin Laden geführt, das den Terroristen einer breiten Öffentlichkeit bekannt machte. In diesem aktuell recherchierten Buch enthüllt er die Hintergründe der Jagd auf den größten Terroristen unserer Zeit. Warum dauerte es so lange, Bin Laden zu finden, wer deckte ihn und half ihm? Genoss er die Unterstützung Pakistans? Wie organisierte sich al-Qaida unter dem Druck der Verfolgung? Warum versagten wiederholt westliche Geheimdienste und Spezialeinheiten? Und, nicht zuletzt, was geschah wirklich bei der Tötung Bin Ladens in Abbottabad?
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Wilfried von Bredow erzählt die Geschichte von Osama Bin Laden bis zu seinem gewaltsamen Tod nach, so wie offenbar in diesem Buch des Publizisten Peter L. Bergen dargestellt. Laut Rezensent befasst sich der Autor vor allem und unter Verwendung von einer Menge Hintergrundinformationen mit dem letzten Akt des Dramas in Abbottabad im Mai 2011. Eine gewisse Überhöhung der Arbeit der Nachrichtendienste kann Bredow erkennen, aber auch ein Verweilen bei den vielen Fehlern bei dem Versuch, Bin Ladens habhaft zu werden. Besonders spannend erscheint dem Rezensenten der Teil des Buches, in dem der Autor die Entscheidungsprozesse in Washington schildert, die zum Blitzeinsatz in Abbottabad und zum Tod Bin Ladens führten.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.08.2012Operation
Geronimo
Wie ein Krimi: Der Terrorismusexperte Peter L. Bergen
beschreibt die Jagd nach Osama bin Laden
VON OLAF IHLAU
Es war eine Hinrichtung: Als amerikanische Elitesoldaten Osama bin Laden im Mai 2011 endlich aufstöberten, war sein Schicksal besiegelt. Es galt Rache zu nehmen für „9/11“. Auf ein juristisches Tribunal wollte Amerikas politische Führung offenbar lieber verzichten. Der Terrorpate sollte auf Erden keinerlei öffentliche Bühne mehr finden, sein Leichnam schlicht verschwinden.
So apodiktisch formuliert der Journalist und Terrorismusexperte Peter L. Bergen den Tötungsauftrag der Navy Seals zwar nicht, aber das Vorgehen des Spezialkommandos beim Sturm auf Bin Ladens Anwesen im pakistanischen Abbottabad lässt schwerlich eine andere Deutung zu: Von den elf Erwachsenen, die sich in jener Nacht auf dem Gelände aufhielten, wurden sieben innerhalb einer Viertelstunde niedergeschossen. Die meisten waren unbewaffnet. Währenddessen wartete Bin Laden in seinem Schlafzimmer des obersten Stockwerks schweigend im Dunkeln.
Bergen meint, Bin Laden hätte allenfalls dann überleben können, wenn er sofort mit erhobenen Armen aus dem Schlafzimmer gekommen wäre. Das tat der Al-Qaida-Führer nun nicht. Aber er griff auch nicht zu der AK-47 oder der Makarow-Pistole, die im Regalbrett seines Schlafzimmers lagen. Als die fremden Männer dort eindrangen, warf sich seine vierte Ehefrau vor ihren Mann, wurde von einem Schuss in den Unterschenkel getroffen und brach bewusstlos zusammen.
Bergens Schilderung erinnert an einen Krimi von Henning Mankell: „Bin Laden leistete keinen Widerstand, als man ihm eine ,doppelte Ladung‘ in die Brust und ins linke Auge schoss. Es war ein grässlicher Anblick: Das Gehirn spritzte bis an die Decke und sickerte aus der Augenhöhle. Der Fußboden um das Bett war von Bin Ladens Blut verschmiert.“
Dass „Geronimo“, so das Codewort der US-Fahnder für Bin Laden, „im Gefecht getötet“ wurde, meldete das Seal-Kommando dem Weißen Haus. Dort hatte im Lagebesprechungsraum Obama mit seinem Kriegskabinett die Operation 40 Minuten lang live in der Videoübertragung einer Tarnkappendrohne verfolgt. Es habe ein befreites Aufatmen gegeben, aber weder Jubelrufe noch Schulterklopfen, schildert Bergen diese Szene. Der Präsident habe nur vor sich hin gemurmelt: „Wir haben ihn, wir haben ihn.“
Mit sensationellen Neuigkeiten vermag Bergen zwar nicht aufzuwarten. Doch so dicht, detailliert und farbig wurde die Operation „Neptuns Speer“, die wohl kostspieligste Menschenjagd aller Zeiten, noch nirgendwo beschrieben. Dabei kam Bergen zweierlei zugute: Er hatte 1997 als erster westlicher Journalist Bin Laden in einer Lehmhütte in den ostafghanischen Bergen für den Nachrichtensender CNN interviewt. Und er erhielt nach dem Tod des Terrorpaten Zugang zu hochrangigen Mitarbeitern im Weißen Haus, zum US-Militär und zu CIA-Beamten, die die Jagd auf den Al-Qaida-Führer organisiert und geleitet hatten. Dass diese Seite in der Regel nur preisgab, was ihr günstig erschien, darf getrost unterstellt werden, es mindert indes nicht Aussagekraft und Qualität des Buches.
Eigentlich ist es erstaunlich, wie lange der gigantische Apparat der amerikanischen Geheimdienste brauchte, um dem nach der Schlacht um Tora Bora im Winter 2001 untergetauchten Al-Qaida-Chef wieder auf die Spur zu kommen. Sein Versteck wurde irgendwo in den pakistanischen Stammesgebieten vermutet. Von Zeit zu Zeit bejubelte Bin Laden erfolgreiche Anschläge seiner Anhänger in Audio- oder Videobotschaften. Deren Bänder gelangten über Kuriere zu Sendern wie al-Dschasira. Die CIA überprüfte Unmengen aufgefangener Telefongespräche aus dem Unterstützer-Netzwerk al-Qaidas, fast ein Jahrzehnt lang ohne Erfolg. Erst 2010 wurde durch Geotargeting-Techniken das Handy eines früheren Kuriers von Bin Laden geortet. Die Spur führte nach Abbottabad, zu einem Gebäudekomplex ohne Telefon- und Internetanschluss, der mit fast vier Meter hohen Mauern wie eine Festung wirkte.
Kaum zu glauben, dass dieses „Araberhaus“, wie es von Nachbarn genannt wurde, nicht auch das Interesse des allmächtigen pakistanischen Militärgeheimdienstes ISI fand, der unweit davon eine Militärakademie unterhält. CIA-Agenten überwachten die Anlage und fanden heraus, dass dort die beiden Familien des Kuwaiters und seines Bruders lebten sowie eine dritte Großfamilie mit drei Frauen und wenigstens neun Kindern, die nie das Anwesen verließen. Außerdem beobachteten sie über Satelliten eine mysteriöse Person, die jeden Tag im Gemüsegarten herumspazierte und dabei von einer raffiniert aufgespannten Plane abgeschirmt wurde, sodass kein klares Bild zustande kam. Das war Bin Laden beim Hofgang in einer Art selbst gewähltem Gefängnis, in dem er fast sechs Jahre lang unbehelligt hauste.
Bis zuletzt wussten die US-Fahnder nicht, ob sich Bin Laden wirklich in Abbottabad aufhielt. Die Experten schätzten die Wahrscheinlichkeit auf 40 bis 60 Prozent. „Wir haben die besten Beweise seit Tora Bora, und das bedeutet, wir haben die Pflicht zu handeln. Es gibt kein Zurück mehr“, warb CIA-Direktor Leon Panetta bei den Debatten im Washingtoner Kriegskabinett für einen Militärschlag. Vizepräsident Joe Biden und Verteidigungsminister Robert Gates aber waren gegen ein Kommandounternehmen, solange nicht feststand, dass Bin Laden in Abbottabad lebte.
Beide fürchteten, solch eine Verletzung der Souveränität Pakistans werde zum permanenten Bruch der Beziehungen zwischen Washington und Islamabad führen: Pakistan könnte dann die Land- und Luftkorridore für den Nachschub der 100 000 im benachbarten Afghanistan operierenden amerikanischen Soldaten sperren und zudem die zähneknirschende Zustimmung zu den erfolgreichen US-Drohnenangriffen gegen Al-Qaida-Kämpfer auf seinem Territorium künftig verweigern.
Barack Obama entschied sich, das Risiko einzugehen und ordnete den Militärschlag an. Der Erfolg gab ihm recht. Das nicht eingeweihte, nunmehr düpierte pakistanische Militär aber schäumte. Bergen beschreibt minutiös Verlauf und Nachspiel dieser Aktion, garniert mit dem süffisanten Kommentar: „Wenn die Seals in Pakistan eindringen und mitten im Land herumfuhrwerken konnten, ohne dass es dem pakistanischen Militär auffiel oder es etwas dagegen unternahm, was sagte das über die Fähigkeit der Armee aus, die eigenen Kronjuwelen, die Atomwaffen vor indischen Truppen oder auch den Amerikanern zu schützen?“
Bergen gelang es, den Gebäudekomplex in Abbottabad zu besichtigen. Auch die pakistanischen Sicherheitsbeamten, die Bin Ladens Frauen verhörten, konnte er befragen. Ein professioneller Rechercheur mit Reporterglück. Zwei Wochen nach Bergens Besuch wurde der Komplex abgerissen.
Olaf Ihlau berichtet seit 35 Jahren, zunächst für die SZ, dann für den Spiegel , über Afghanistan und die umliegenden Länder.
Peter L. Bergen : Die Jagd auf Osama bin Laden. Eine Enthüllungsgeschichte. DVA, München 2012. 368 Seiten, 19,99 Euro.
Im Schutz einer Plane ging
eine mysteriöse Person täglich
im Gemüsegarten spazieren
Nach den Attentaten vom 11. September 2001 hieß es: Nichts würde mehr bleiben, wie es bis dahin war. Geblieben ist auf jeden Fall der Hang dazu, Gegner lieber zu liquidieren, als sie vor ein ordentliches Gericht zu stellen.
ZEICHNUNG: HADERER
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Geronimo
Wie ein Krimi: Der Terrorismusexperte Peter L. Bergen
beschreibt die Jagd nach Osama bin Laden
VON OLAF IHLAU
Es war eine Hinrichtung: Als amerikanische Elitesoldaten Osama bin Laden im Mai 2011 endlich aufstöberten, war sein Schicksal besiegelt. Es galt Rache zu nehmen für „9/11“. Auf ein juristisches Tribunal wollte Amerikas politische Führung offenbar lieber verzichten. Der Terrorpate sollte auf Erden keinerlei öffentliche Bühne mehr finden, sein Leichnam schlicht verschwinden.
So apodiktisch formuliert der Journalist und Terrorismusexperte Peter L. Bergen den Tötungsauftrag der Navy Seals zwar nicht, aber das Vorgehen des Spezialkommandos beim Sturm auf Bin Ladens Anwesen im pakistanischen Abbottabad lässt schwerlich eine andere Deutung zu: Von den elf Erwachsenen, die sich in jener Nacht auf dem Gelände aufhielten, wurden sieben innerhalb einer Viertelstunde niedergeschossen. Die meisten waren unbewaffnet. Währenddessen wartete Bin Laden in seinem Schlafzimmer des obersten Stockwerks schweigend im Dunkeln.
Bergen meint, Bin Laden hätte allenfalls dann überleben können, wenn er sofort mit erhobenen Armen aus dem Schlafzimmer gekommen wäre. Das tat der Al-Qaida-Führer nun nicht. Aber er griff auch nicht zu der AK-47 oder der Makarow-Pistole, die im Regalbrett seines Schlafzimmers lagen. Als die fremden Männer dort eindrangen, warf sich seine vierte Ehefrau vor ihren Mann, wurde von einem Schuss in den Unterschenkel getroffen und brach bewusstlos zusammen.
Bergens Schilderung erinnert an einen Krimi von Henning Mankell: „Bin Laden leistete keinen Widerstand, als man ihm eine ,doppelte Ladung‘ in die Brust und ins linke Auge schoss. Es war ein grässlicher Anblick: Das Gehirn spritzte bis an die Decke und sickerte aus der Augenhöhle. Der Fußboden um das Bett war von Bin Ladens Blut verschmiert.“
Dass „Geronimo“, so das Codewort der US-Fahnder für Bin Laden, „im Gefecht getötet“ wurde, meldete das Seal-Kommando dem Weißen Haus. Dort hatte im Lagebesprechungsraum Obama mit seinem Kriegskabinett die Operation 40 Minuten lang live in der Videoübertragung einer Tarnkappendrohne verfolgt. Es habe ein befreites Aufatmen gegeben, aber weder Jubelrufe noch Schulterklopfen, schildert Bergen diese Szene. Der Präsident habe nur vor sich hin gemurmelt: „Wir haben ihn, wir haben ihn.“
Mit sensationellen Neuigkeiten vermag Bergen zwar nicht aufzuwarten. Doch so dicht, detailliert und farbig wurde die Operation „Neptuns Speer“, die wohl kostspieligste Menschenjagd aller Zeiten, noch nirgendwo beschrieben. Dabei kam Bergen zweierlei zugute: Er hatte 1997 als erster westlicher Journalist Bin Laden in einer Lehmhütte in den ostafghanischen Bergen für den Nachrichtensender CNN interviewt. Und er erhielt nach dem Tod des Terrorpaten Zugang zu hochrangigen Mitarbeitern im Weißen Haus, zum US-Militär und zu CIA-Beamten, die die Jagd auf den Al-Qaida-Führer organisiert und geleitet hatten. Dass diese Seite in der Regel nur preisgab, was ihr günstig erschien, darf getrost unterstellt werden, es mindert indes nicht Aussagekraft und Qualität des Buches.
Eigentlich ist es erstaunlich, wie lange der gigantische Apparat der amerikanischen Geheimdienste brauchte, um dem nach der Schlacht um Tora Bora im Winter 2001 untergetauchten Al-Qaida-Chef wieder auf die Spur zu kommen. Sein Versteck wurde irgendwo in den pakistanischen Stammesgebieten vermutet. Von Zeit zu Zeit bejubelte Bin Laden erfolgreiche Anschläge seiner Anhänger in Audio- oder Videobotschaften. Deren Bänder gelangten über Kuriere zu Sendern wie al-Dschasira. Die CIA überprüfte Unmengen aufgefangener Telefongespräche aus dem Unterstützer-Netzwerk al-Qaidas, fast ein Jahrzehnt lang ohne Erfolg. Erst 2010 wurde durch Geotargeting-Techniken das Handy eines früheren Kuriers von Bin Laden geortet. Die Spur führte nach Abbottabad, zu einem Gebäudekomplex ohne Telefon- und Internetanschluss, der mit fast vier Meter hohen Mauern wie eine Festung wirkte.
Kaum zu glauben, dass dieses „Araberhaus“, wie es von Nachbarn genannt wurde, nicht auch das Interesse des allmächtigen pakistanischen Militärgeheimdienstes ISI fand, der unweit davon eine Militärakademie unterhält. CIA-Agenten überwachten die Anlage und fanden heraus, dass dort die beiden Familien des Kuwaiters und seines Bruders lebten sowie eine dritte Großfamilie mit drei Frauen und wenigstens neun Kindern, die nie das Anwesen verließen. Außerdem beobachteten sie über Satelliten eine mysteriöse Person, die jeden Tag im Gemüsegarten herumspazierte und dabei von einer raffiniert aufgespannten Plane abgeschirmt wurde, sodass kein klares Bild zustande kam. Das war Bin Laden beim Hofgang in einer Art selbst gewähltem Gefängnis, in dem er fast sechs Jahre lang unbehelligt hauste.
Bis zuletzt wussten die US-Fahnder nicht, ob sich Bin Laden wirklich in Abbottabad aufhielt. Die Experten schätzten die Wahrscheinlichkeit auf 40 bis 60 Prozent. „Wir haben die besten Beweise seit Tora Bora, und das bedeutet, wir haben die Pflicht zu handeln. Es gibt kein Zurück mehr“, warb CIA-Direktor Leon Panetta bei den Debatten im Washingtoner Kriegskabinett für einen Militärschlag. Vizepräsident Joe Biden und Verteidigungsminister Robert Gates aber waren gegen ein Kommandounternehmen, solange nicht feststand, dass Bin Laden in Abbottabad lebte.
Beide fürchteten, solch eine Verletzung der Souveränität Pakistans werde zum permanenten Bruch der Beziehungen zwischen Washington und Islamabad führen: Pakistan könnte dann die Land- und Luftkorridore für den Nachschub der 100 000 im benachbarten Afghanistan operierenden amerikanischen Soldaten sperren und zudem die zähneknirschende Zustimmung zu den erfolgreichen US-Drohnenangriffen gegen Al-Qaida-Kämpfer auf seinem Territorium künftig verweigern.
Barack Obama entschied sich, das Risiko einzugehen und ordnete den Militärschlag an. Der Erfolg gab ihm recht. Das nicht eingeweihte, nunmehr düpierte pakistanische Militär aber schäumte. Bergen beschreibt minutiös Verlauf und Nachspiel dieser Aktion, garniert mit dem süffisanten Kommentar: „Wenn die Seals in Pakistan eindringen und mitten im Land herumfuhrwerken konnten, ohne dass es dem pakistanischen Militär auffiel oder es etwas dagegen unternahm, was sagte das über die Fähigkeit der Armee aus, die eigenen Kronjuwelen, die Atomwaffen vor indischen Truppen oder auch den Amerikanern zu schützen?“
Bergen gelang es, den Gebäudekomplex in Abbottabad zu besichtigen. Auch die pakistanischen Sicherheitsbeamten, die Bin Ladens Frauen verhörten, konnte er befragen. Ein professioneller Rechercheur mit Reporterglück. Zwei Wochen nach Bergens Besuch wurde der Komplex abgerissen.
Olaf Ihlau berichtet seit 35 Jahren, zunächst für die SZ, dann für den Spiegel , über Afghanistan und die umliegenden Länder.
Peter L. Bergen : Die Jagd auf Osama bin Laden. Eine Enthüllungsgeschichte. DVA, München 2012. 368 Seiten, 19,99 Euro.
Im Schutz einer Plane ging
eine mysteriöse Person täglich
im Gemüsegarten spazieren
Nach den Attentaten vom 11. September 2001 hieß es: Nichts würde mehr bleiben, wie es bis dahin war. Geblieben ist auf jeden Fall der Hang dazu, Gegner lieber zu liquidieren, als sie vor ein ordentliches Gericht zu stellen.
ZEICHNUNG: HADERER
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.10.2012Gespenstisches Ende
Letzte Lebensjahre und Tod von Usama Bin Ladin
Usama Bin Ladin wurde am 2. Mai 2011 auf seinem Anwesen im pakistanischen Abbottabad durch ein Spezialkommando der US-Streitkräfte getötet. Er war 54 Jahre alt und lebte schon mehr als fünf Jahre, unerkannt und getarnt, in seinem Versteck, das zwar einerseits ganz komfortabel ausgestattet, aber dennoch eine Art selbst gewähltes Gefängnis war. Kontakte mit der Außenwelt, vor allem mit seinen Unterführern des Terrornetzwerks Al Qaida, gab es nur über Kuriere. Reisen und die Benutzung von mobilen Telefonen galten als zu gefährlich.
Seit den spektakulären Terroranschlägen in New York und Washington am 11. September 2001 machte die amerikanische Regierung Jagd auf Usama Bin Ladin. Im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts war er der meistgesuchte Terrorist auf dem gesamten Globus - im Westen gefürchtet als Galionsfigur des militanten Islamismus, von seinen Anhängern als charismatischer Führer verehrt. Respekt erworben hatte sich der Abkömmling einer sehr reichen saudi-arabischen Familie durch seine Mitwirkung am Kampf afghanischer Stämme und Oppositionsgruppen gegen die sowjetische Invasion Afghanistans in den 1980er Jahren. Nach dem erzwungenen Abzug der sowjetischen Truppen 1989 und während der chaotischen Bürgerkriegsjahre danach kehrte Usama kurzfristig in sein Heimatland zurück. Jetzt richtete sich sein religiös grundierter Hass zunehmend gegen den Westen und vor allem gegen Amerika.
1996 übernahmen die radikalmuslimischen Taliban die Macht in Afghanistan und proklamierten in Kabul den Aufbau einer Art islamischen Gottesstaates. Für Usama Bin Ladin, der auch ein paar Jahre in Sudan residiert hatte, bot sich damit eine neue Operationsbasis an. Denn Al Qaida konnte dank der Gastfreundschaft der Taliban Ausbildungslager für Terroristen aufbauen, die aus aller Welt, vornehmlich vielen arabischen Ländern, nach Afghanistan strömten. Nach dem 11. September 2001 rief die Bush-Administration in Washington den "Krieg gegen den Terrorismus" aus. Ganz oben auf der Liste der von nun an weltweit gejagten Terror-Gruppen standen die Hintermänner des größten Schocks Amerikas seit dem Überfall auf Pearl Harbor.
Der Jagd auf Al Qaida und Usama Bin Ladin blieb der ganz große Erfolg zunächst versagt. Bei den Gefechten um das Versteck Bin Ladins in Tora Bora Anfang Dezember 2001 waren zeitweise mehr Journalisten als amerikanische Soldaten am Ort. Dem Gesuchten gelang es, seine Verfolger auszutricksen. In den nächsten Jahren verloren die amerikanischen Geheimdienste jede Spur von Usama Bin Ladin, obwohl er sich immer mal wieder mittels eines Videos an seine Anhänger und die Öffentlichkeit wandte. Wie und mit welchem Aufwand (500 Millionen Dollar) es schließlich doch gelang, den Al-Qaida-Anführer zu stellen, beschreibt der Publizist Peter L. Bergen anschaulich, detailreich und auf der Grundlage jeder Menge Hintergrund-Informationen in diesem Bericht, dem man die Eile seiner Entstehung übrigens nicht anmerkt. Was man ihm hingegen anmerkt, ist ein durch das beeindruckende Fachwissen des Autors nicht ganz ausbalancierter Hang zur Überhöhung der nachrichtendienstlichen und soldatischen Verfolger Bin Ladins.
Dass die Bush-Administration bis 2007 den Krieg gegen den Terrorismus vor allem auf den Irak konzentrierte (und dort mehr terroristische Feuer entfachte als löschte), kann ja wohl nicht der einzige Grund für das Ausbleiben von verwertbaren Erkenntnissen über den Aufenthalt des Top-Terroristen gewesen sein. Autor Bergen geht im ersten Teil seines Buches auch auf die vielen Fehlversuche ein, Usama Bin Ladin ausfindig zu machen. Es gab schon länger Gerüchte, wonach er sich irgendwo im Grenzgebiet zwischen Afghanistan und Pakistan aufhielt. Aber erst 2010 ergaben sich brauchbare Erkenntnisse über seinen Aufenthaltsort. Selbst als die CIA beinahe sicher war, dass er in einem ganz bestimmten Haus in Abbottabad lebte, war es unmöglich, diese Vermutung zu verifizieren.
Am spannendsten ist Bergens Buch im letzten Teil. Dort schildert er minutiös den Entscheidungsprozess in Washington, an dessen Ende Präsident Obama den Einsatzbefehl erteilte, und im Anschluss daran das lange geplante Kommandounternehmen selbst. Insgesamt dauerte dieses höchst risikoreiche Unternehmen nicht mehr als drei Nachtstunden, nach deren Ablauf Usama Bin Ladin und seine Leibwächter tot waren. Die politischen Folgeprobleme mit Pakistan und der arabischen Welt hielten sich in Grenzen. Auch blieben - bislang jedenfalls - spektakuläre Racheaktionen der Islamisten aus. Ob man daraus, wie Bergen es tut, schließen kann, der islamistische Terrorismus und Al Qaida hätten ihren Höhepunkt überschritten, muss offenbleiben.
WILFRIED VON BREDOW
Peter L. Bergen: Die Jagd auf Osama Bin Laden. Eine Enthüllungsgeschichte. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2012. 368 S., 19,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Letzte Lebensjahre und Tod von Usama Bin Ladin
Usama Bin Ladin wurde am 2. Mai 2011 auf seinem Anwesen im pakistanischen Abbottabad durch ein Spezialkommando der US-Streitkräfte getötet. Er war 54 Jahre alt und lebte schon mehr als fünf Jahre, unerkannt und getarnt, in seinem Versteck, das zwar einerseits ganz komfortabel ausgestattet, aber dennoch eine Art selbst gewähltes Gefängnis war. Kontakte mit der Außenwelt, vor allem mit seinen Unterführern des Terrornetzwerks Al Qaida, gab es nur über Kuriere. Reisen und die Benutzung von mobilen Telefonen galten als zu gefährlich.
Seit den spektakulären Terroranschlägen in New York und Washington am 11. September 2001 machte die amerikanische Regierung Jagd auf Usama Bin Ladin. Im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts war er der meistgesuchte Terrorist auf dem gesamten Globus - im Westen gefürchtet als Galionsfigur des militanten Islamismus, von seinen Anhängern als charismatischer Führer verehrt. Respekt erworben hatte sich der Abkömmling einer sehr reichen saudi-arabischen Familie durch seine Mitwirkung am Kampf afghanischer Stämme und Oppositionsgruppen gegen die sowjetische Invasion Afghanistans in den 1980er Jahren. Nach dem erzwungenen Abzug der sowjetischen Truppen 1989 und während der chaotischen Bürgerkriegsjahre danach kehrte Usama kurzfristig in sein Heimatland zurück. Jetzt richtete sich sein religiös grundierter Hass zunehmend gegen den Westen und vor allem gegen Amerika.
1996 übernahmen die radikalmuslimischen Taliban die Macht in Afghanistan und proklamierten in Kabul den Aufbau einer Art islamischen Gottesstaates. Für Usama Bin Ladin, der auch ein paar Jahre in Sudan residiert hatte, bot sich damit eine neue Operationsbasis an. Denn Al Qaida konnte dank der Gastfreundschaft der Taliban Ausbildungslager für Terroristen aufbauen, die aus aller Welt, vornehmlich vielen arabischen Ländern, nach Afghanistan strömten. Nach dem 11. September 2001 rief die Bush-Administration in Washington den "Krieg gegen den Terrorismus" aus. Ganz oben auf der Liste der von nun an weltweit gejagten Terror-Gruppen standen die Hintermänner des größten Schocks Amerikas seit dem Überfall auf Pearl Harbor.
Der Jagd auf Al Qaida und Usama Bin Ladin blieb der ganz große Erfolg zunächst versagt. Bei den Gefechten um das Versteck Bin Ladins in Tora Bora Anfang Dezember 2001 waren zeitweise mehr Journalisten als amerikanische Soldaten am Ort. Dem Gesuchten gelang es, seine Verfolger auszutricksen. In den nächsten Jahren verloren die amerikanischen Geheimdienste jede Spur von Usama Bin Ladin, obwohl er sich immer mal wieder mittels eines Videos an seine Anhänger und die Öffentlichkeit wandte. Wie und mit welchem Aufwand (500 Millionen Dollar) es schließlich doch gelang, den Al-Qaida-Anführer zu stellen, beschreibt der Publizist Peter L. Bergen anschaulich, detailreich und auf der Grundlage jeder Menge Hintergrund-Informationen in diesem Bericht, dem man die Eile seiner Entstehung übrigens nicht anmerkt. Was man ihm hingegen anmerkt, ist ein durch das beeindruckende Fachwissen des Autors nicht ganz ausbalancierter Hang zur Überhöhung der nachrichtendienstlichen und soldatischen Verfolger Bin Ladins.
Dass die Bush-Administration bis 2007 den Krieg gegen den Terrorismus vor allem auf den Irak konzentrierte (und dort mehr terroristische Feuer entfachte als löschte), kann ja wohl nicht der einzige Grund für das Ausbleiben von verwertbaren Erkenntnissen über den Aufenthalt des Top-Terroristen gewesen sein. Autor Bergen geht im ersten Teil seines Buches auch auf die vielen Fehlversuche ein, Usama Bin Ladin ausfindig zu machen. Es gab schon länger Gerüchte, wonach er sich irgendwo im Grenzgebiet zwischen Afghanistan und Pakistan aufhielt. Aber erst 2010 ergaben sich brauchbare Erkenntnisse über seinen Aufenthaltsort. Selbst als die CIA beinahe sicher war, dass er in einem ganz bestimmten Haus in Abbottabad lebte, war es unmöglich, diese Vermutung zu verifizieren.
Am spannendsten ist Bergens Buch im letzten Teil. Dort schildert er minutiös den Entscheidungsprozess in Washington, an dessen Ende Präsident Obama den Einsatzbefehl erteilte, und im Anschluss daran das lange geplante Kommandounternehmen selbst. Insgesamt dauerte dieses höchst risikoreiche Unternehmen nicht mehr als drei Nachtstunden, nach deren Ablauf Usama Bin Ladin und seine Leibwächter tot waren. Die politischen Folgeprobleme mit Pakistan und der arabischen Welt hielten sich in Grenzen. Auch blieben - bislang jedenfalls - spektakuläre Racheaktionen der Islamisten aus. Ob man daraus, wie Bergen es tut, schließen kann, der islamistische Terrorismus und Al Qaida hätten ihren Höhepunkt überschritten, muss offenbleiben.
WILFRIED VON BREDOW
Peter L. Bergen: Die Jagd auf Osama Bin Laden. Eine Enthüllungsgeschichte. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2012. 368 S., 19,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main