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Die heute 95jährige Rosemarie Reichwein beschreibt in ihren Tagebuchaufzeichnungen vor allem ihr Leben mit Adolf Reichwein, dem Pädagogen und 1944 ermordeten Widerstandskämpfer. Ein Porträt ihres Lebens in der Zeit danach, als beruflich selbständige und erfolgreiche Krankengymnastin schließt sich an. Sabine Reichwein beschreibt schließlich den wechselvollen Verdrängungs- und Bewußtwerdungsprozeß ihrer Mutter und zeigt, welche Positionen sie heute als Zeitzeugin in der Öffentlichkeit einnimmt. Dieses Buch stellt das Leben von Rosemarie Reichwein, der Frau des Pädagogen und Widerstandskämpfers…mehr

Produktbeschreibung
Die heute 95jährige Rosemarie Reichwein beschreibt in ihren Tagebuchaufzeichnungen vor allem ihr Leben mit Adolf Reichwein, dem Pädagogen und 1944 ermordeten Widerstandskämpfer. Ein Porträt ihres Lebens in der Zeit danach, als beruflich selbständige und erfolgreiche Krankengymnastin schließt sich an. Sabine Reichwein beschreibt schließlich den wechselvollen Verdrängungs- und Bewußtwerdungsprozeß ihrer Mutter und zeigt, welche Positionen sie heute als Zeitzeugin in der Öffentlichkeit einnimmt. Dieses Buch stellt das Leben von Rosemarie Reichwein, der Frau des Pädagogen und Widerstandskämpfers Adolf Reichwein, vor. Rosemarie Reichwein beschreibt in ihren Tagebuchaufzeichnungen zunächst die Jahre ihrer Kindheit und Jugend im Kaiserreich und in der Weimarer Republik und erzählt von der preußischliberalen Beamtenfamilie, in der sie aufwuchs. Im Mittelpunkt der Aufzeichnungen steht jedoch ihr Leben mit Adolf Reichwein von 1930 bis 1944, die Zeit mit ihm an der Pädagogischen Akademie inHalle (1930-1933), während seiner Lehrertätigkeit in der Dorfschule im brandenburgischen Tiefensee (1933-1939) und schließlich in Berlin, wo er am Volkskundemuseum arbeitete und die günstigeren Bedingungen für seine Widerstandsarbeit nutzen konnte. Er wurde 1944 von den Nationalsozialisten ermordet. In einem zweiten Abschnitt zeigt Lothar Kunz anhand der Tagebücher, Gespräche und Interviews den Weg Rosemarie Reichweins in die berufliche Selbständigkeit. Rosemarie Reichweins Tochter Sabine schließlich beschreibt im dritten Teil ihre Mutter, wie sie heute Anteil nimmt an der politischen Entwicklung und welche Position sie als Zeitzeugin in der Öffentlichkeit bezieht.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.04.2000

Den Zumutungen getrotzt
Aufschlüsse über Adolf Reichwein

Gabriele C. Pallat, Roland Reichwein, Lothar Kunz (Herausgeber): Adolf Reichwein. Pädagoge und Widerstandskämpfer. Ein Lebensbild in Briefen und Dokumenten (1914-1944). Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 1999. 454 Seiten, 24 Abbildungen, 68,- Mark.

Roland Reichwein (Herausgeber): "Wir sind die lebendige Brücke von gestern zu morgen". Pädagogik und Politik im Leben und Werk Adolf Reichweins. Dokumente und Analysen zur Zeitgeschichte, Band 4. Juventa Verlag. Weinheim und München 2000. 206 Seiten, 38,- Mark.

Adolf Reichwein fasziniert seine Zeitgenossen wie seine heutigen Leser. Dies nicht allein deshalb, weil der charismatische Pädagoge als Mitglied des Kreisauer Kreises schon früh, vermutlich schon bald nach Ausbruch des Krieges, zum aktiven und konspirativen Widerstand gegen den Nationalsozialismus entschlossen war, wofür er 1944 mit dem Leben bezahlen musste. Seine Briefe geben erwartungsgemäß für diese Entwicklung keine Hinweise. Vielmehr eröffnen sie den direkten Zugang zu einer fesselnden Persönlichkeit. Reichwein lebte, was er lehrte. Seine Leistung war sein Wesen, wie Susanne Suhr, die Frau des Berliner Bürgermeisters Otto Suhr, in der Einleitung zu der 1974 zuerst erschienenen Briefausgabe schrieb. Reichwein verschmolz die Anregungen, die die Ereignisse seines kurzen Lebens bereithielten, mit seinen eigenen reichen Gaben zu einem harmonischen, doch spannungsreichen Charakter, der Gedanken und Tat zur Deckung zu bringen verstand.

Seine Briefe legen davon Zeugnis ab. Und sie spiegeln einen unruhigen Lebenslauf, wie er der um die Jahrhundertwende geborenen Generation häufig beschieden war. Der Sohn eines hessischen Landschullehrers wurde im Ersten Weltkrieg noch Soldat und an der Westfront schwer verwundet. Jugendbewegung und Frontkameradschaft weckten politische Interessen. Nach dem Krieg schloss er ein Studium der Philosophie, Geschichte und Volkswirtschaftslehre mit einer Promotion ab. Schon bei Kriegsende war er überzeugt von der Notwendigkeit, in der neuen Republik den Klassenkampf mit Hilfe von Bildung und Kultur zu überwinden. "Alle Kulturarbeit ist jetzt politisches Handeln", schrieb der Vierundzwanzigjährige seinem Vater. An dieser "Vermittlung von überlieferten Werten und neuem Formwillen" wollte er sich beteiligen.

Deshalb übernahm Reichwein nach dem Studium führende Positionen in der neuen Volkshochschule in Thüringen. Deren Konzept von Gemeinschaftsbildung zur Überwindung von Klassenschranken wurde von ihm im Austausch mit Hermann Nohl, Wilhelm Flitner, Max Scheler, Romano Guardini und anderen entwickelt und direkt in die Praxis umgesetzt. Große, mehrwöchige Wanderfahrten von Studenten und jungen Arbeitern nach Großbritannien, Skandinavien und auf den Balkan erprobten den Gleichklang von Lehrern und Schülern, von Lehren und Leben.

Reichweins Briefe geben weiter Aufschluss über die zahllosen kleineren Tagungen und Seminare, die er organisierte und leitete. Auch seine private Sphäre kommt nicht zu kurz, die frühe Eheschließung und die spätere Trennung von seiner Frau, die Geburt eines Sohnes, der als Kind ertrank, eine einjährige Reise durch Nordamerika mit einem Abstecher nach China, Japan und zu den Philippinen. Fast pausenlos war er auch innerhalb Deutschlands unterwegs. Dazu reiste er oft ins europäische Ausland, seit 1928 mit einem kleinen Flugzeug, das er sich in England gekauft hatte. In einigen Schreiben ist von abenteuerlichen Flügen über die Alpen und glücklich verlaufenen Notlandungen die Rede.

Von der Hast und Last jener Jahre lassen auch die Briefe etwas spüren. Sie zeigen, wie intensiv und fruchtbar Reichwein die Eindrücke - auch mit Hilfe von Briefpartnern wie Ernst Robert Curtius - verarbeitete und wie seine persönlichen Erfahrungen sein berufliches Engagement bestimmten.

Die einjährige Tätigkeit Reichweins als Referent beim preußischen Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung findet dagegen kaum Niederschlag. Auch die drei folgenden Jahre als Professor an der neugegründeten Akademie für Lehrerbildung in Halle bleiben brieflich blass. Die Schreiben aus jener Zeit 1930 bis 1933 geben für den Pädagogen und Widerstandskämpfer Reichwein, wie es der Titel des Buches angekündigt hatte, wenig her.

Deshalb waren die Herausgeber gut beraten, dieser zweiten Auflage der Briefe Reichweins weitere Dokumente hinzuzufügen, die deutlichere Hinweise auf seine politischen und pädagogischen Vorstellungen enthalten. Verschiedene Hörer-Mitschriften von Vorträgen, die Reichwein im August 1932 während eines Kurses im Volkshochschulheim Prerow auf dem Darss an der Ostsee hielt, zeigen eine luzide Analyse der Präsidialdiktatur Hindenburgs. Die "Gedanken über Erziehung" lagen der ersten Kreisauer Tagung im Oktober 1941 vor. Beide Dokumente ebenso wie Schriftstücke aus seinem Prozess vor dem Volksgerichtshof sind vorzüglich kommentiert, die Kommentare zu den Briefen lassen dagegen manchmal Lücken.

Nach dem März 1933 veränderten sich die Briefe. Reichwein bat, "nicht mehr Politisches" zu schreiben. Auch er, im April 1933 neu verheiratet und von der Akademie Halle entlassen, seit Oktober 1933 Lehrer an der Dorfschule in Tiefensee östlich von Berlin, bemühte sich darum - nicht immer mit Erfolg, denn das Politische hatte für ihn "leidenschaftliche Züge".

Dann machte sich der Krieg mit Bombennächten und dem Tod von Freunden in den Briefen breit. Reichwein lebte inzwischen mit seiner Familie in Berlin, arbeitete am Museum für Volkskunde und hielt vor Offizieren Vorträge. In einem Brief vom 1. Mai 1943 - da hatte er die Grenze zwischen Widerspruch und Widerstand schon lange überschritten - formulierte er Sätze, die auch sein eigenes Selbstverständnis beschreiben könnten: den "Zumutungen des Lebensschicksals" getrotzt zu haben und allein dem Gewissen verpflichtet gewesen zu sein, selbst bei "schwachem Vermögen".

Den 100jährigen Geburtstag Reichweins 1998 nahm der Verein, der seinen Namen trägt, zum Anlass, im hessischen Rossbach, wo Reichwein seine Jugend verbrachte, eine wissenschaftliche Tagung zu veranstalten. Deren Ausbeute liegt jetzt im Druck vor. In den insgesamt acht Beiträgen geht es zuerst um eine historische Würdigung der Leistungen Reichweins für die Theorie und Praxis der Volkshochschule, der politischen Bildung und der "Medienund Museumspädagogik". Aber auch für das inzwischen überholte Modell der einklassigen Dorfschule fällt etwas ab, und schließlich wird Reichweins Rolle im Kreisauer Kreis ausführlich dargestellt.

Daneben kommen die Probleme einer heutigen Rezeption Reichweins ausführlich zur Sprache. Sie sind naturgemäß erheblich. Und wenn auch in den meisten Beiträgen herausgearbeitet wird, "was man heute von ihm lernen kann", so beeindruckt Reichwein doch vor allem durch die ausgeprägte ethische und politische Verantwortung, mit der er seine erzieherische Arbeit betrieb, die er intensiv und fortwährend reflektierte.

VOLKMAR WITTMÜTZ

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Das wesentliche steht gleich am Anfang der Kritik: Doris Schmidt lobt die Erinnerungen Roswitha Reichweins, weil sie bar jeder "Selbstdarstellung" sind und die Sprache "zurückhaltend" und "nüchtern" ist. Bevor sie routiniert die Lebensgeschichte Reichweins nacherzählt, weist die Rezensentin noch darauf hin, dass nicht nur Freiheitskämpfer, sondern auch ihre Familien mit einem "schweren" Alltag zu kämpfen haben. Zu einem Gedanken inspiriert sie die Geschichte der Autorin, deren Mann Adolf Reichwein 1944 in Plötzensee erhängt wurde, und die sich in der Nachkriegszeit als berufstätige, alleinerziehende Mutter von vier Kindern durchgeschlagen hat, leider nicht.

© Perlentaucher Medien GmbH