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Beat Schneider hat etwas Unverzeihliches getan, was ihn seine Ehe mit LouAnne kostet. Sie ist eine außergewöhnliche Zeichnerin, die nicht nur auf seine Liebe, sondern auch auf seine Fürsorge angewiesen ist. Umso kostbarer ist ihm die japanische Tasche, die ihm LouAnne geschenkt hat und die er nicht aus den Augen lässt. Bis er auch sie verliert. Das Leben Schneiders, eines originellen Historikers, der an Karriere nicht interessiert ist, steht unter dem besonderen Schutz seiner einstigen Kinderfrau, die er Alcina nennt und die ihm nach ihrem Verschwinden ein beträchtliches Erbe hinterlassen hat.…mehr

Produktbeschreibung
Beat Schneider hat etwas Unverzeihliches getan, was ihn seine Ehe mit LouAnne kostet. Sie ist eine außergewöhnliche Zeichnerin, die nicht nur auf seine Liebe, sondern auch auf seine Fürsorge angewiesen ist. Umso kostbarer ist ihm die japanische Tasche, die ihm LouAnne geschenkt hat und die er nicht aus den Augen lässt. Bis er auch sie verliert.
Das Leben Schneiders, eines originellen Historikers, der an Karriere nicht interessiert ist, steht unter dem besonderen Schutz seiner einstigen Kinderfrau, die er Alcina nennt und die ihm nach ihrem Verschwinden ein beträchtliches Erbe hinterlassen hat. Sie hat ihm Märchen erzählt und die Traumlogik der Märchen scheint auch in Schneiders Leben zu walten. Nicht nur dieses Motiv verbindet Adolf Muschgs neuen Roman "Die Japanische Tasche" mit "Sutters Glück" (2001). Denn auch dessen Hauptfigur, der ehemalige Gerichtsreporter Emil Gygax, den seine Frau Ruth Sutter nannte, taucht hier wieder auf, aus gutem Grund. Freundschaft und Liebe, Abschied und Verluste, die rätselhaften Verbindungen im Leben der Menschen, familiäre Bande und solche jenseits der Familie, die vielleicht noch stärker sind, spielen eine zentrale Rolle in diesem schönen, schwebend-geheimnisvollen Roman, der von einer großen Liebe und ihrem tragischen Verlauf erzählt.

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Autorenporträt
Adolf Muschg, geboren 1934 in Zürich, war von 1970 -1999 Professor für deutsche Sprache und Literatur an der ETH in Zürich und von 2003-2006 Präsident der Akademie der Künste Berlin. Sein umfangreiches Werk, darunter die Romane Im Sommer des Hasen (1965), Der Rote Ritter (1993) und Sutters Glück (2001), wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u. a. mit dem Hermann-Hesse-Preis, dem Georg- Büchner-Preis, dem Grimmelshausen-Preis und zuletzt mit dem zum ersten Mal vergebenen Grand Prix de Littérature der Schweiz.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur WELT-Rezension

Paul Jandl hat sich prächtig amüsiert mit diesem Roman von Adolf Muschg. Eine nacherzählbare Handlung gibt es eigentlich nicht. Nur so viel kann man der Kritik entnehmen: es geht um "Findelkinder auf Selbstsuche", viele von ihnen Historiker, mit denen Muschg ein anregend-kompliziertes Spiel treibt, so der hingerissene Kritiker. Da gehts um den akademischen Betrieb ebenso wie um ungeklärte Verwandtschaftsverhältnisse, ein Selbstmörder aus einem älteren Roman Muschgs taucht auf und selbst der Tod ist nicht was er scheint. Für Jandl war die Lektüre ein Fest.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.11.2015

Was ist bloß los in dieser Lotterschweiz?
Märchenhaftes aus einem Land namens Warteinweil: Adolf Muschgs Roman "Die japanische Tasche"

Die Schweiz, heißt es in Adolf Muschgs neuem Roman "Die japanische Tasche", droht zu verwalden. Doch man kommt hier gar nicht erst in Versuchung, diese Verwaldung oder so schöne Begriffe wie "Lotterschweiz" politisch zu lesen. "Wald" meint hier vielmehr eine dunkelsilberne Übergangszone, eine uralte Gegend, wie man sie aus Märchen kennt. Abgesägte Buchen verbreiten frischen Holzgeruch. Hier lauert Gefahr. Oder Erkenntnis. Oder Erkenntnis durch Gefahr. Denn genau hier, in diesem zeit- und ortlosen Wald, trifft der Romanheld Beat Schneider, bevor er auf rätselhafte Weise verschwinden wird, auf einen gesprächigen, älteren Herrn, der den Fuß leicht hinter sich herzieht. Muschg-Leser kennen ihn schon: Es ist Emil Gygax alias Sutter, der im Roman "Sutters Glück" (2001) nach dem Selbstmord seiner Frau im Silser See verschwand.

Totgeglaubte Romanfiguren erstehen wieder auf. Äußerst präsente Figuren hingegen lösen sich plötzlich in Luft auf wie im postmodernen Roman. Sogar eine ganze Schulklasse kommt vom Botanisieren nicht mehr zurück. Man sucht sie mit Spezialeinheiten. Aber die Kinder bleiben spurlos verschwunden. Wie man es auch dreht und wendet - es irrlichtert gewaltig in diesem Roman, der ständig mit neuen Geschichten überrascht. Phantastisches und Reales gehen bei Muschg Hand in Hand. Altmodisches mischt sich mit einer Hypermoderne, wo man Pixel unterm Elektronenmikroskop zu Phantomgesichtern zusammensetzt und abenteuerliche Theorien über den Zusammenhang von Materie, Kunst und Leben entwirft. Im Kopf immerzu die Frage: Wo ist Beat Schneider? Tot? Irre geworden? Neu verheiratet auf der Osterinsel oder im Land "Warteinweil"?

Dabei ist der Historiker mit Schwerpunkt Liebe im 18. Jahrhundert mindestens ein Drittel des Romans sehr gegenwärtig. Er sitzt zu Anfang in einem Zug, der wegen eines "Personenschadens" stillsteht. Ein Mann hat sich auf die Gleise gelegt. Der "beinharte Schlag gegen den Unterbau des Triebwagens" ist der düstere Paukenschlag aus dem Totenreich, der den ganzen Roman wie ein Basso continuo begleiten wird. Wildfremde Menschen kommen miteinander ins Gespräch, "wie in der Kutschenzeit", kommentiert Beat Schneider, der selbst irgendwie aus der Zeit gefallen scheint und geduldig Goethe zitiert. Man wartet auf den Abspritzwagen wie auf den Boten aus der Hölle. Nach diesem Erlebnis scheint auch das Leben Beat Schneiders aus dem Gleis gesprungen. Fast so, als hätte der namenlose Tote auf dem Gleis eine Wunde aufgerissen und gezeigt, was Beat Schneiders eigenem Leben mangelt. "Uns fehlt etwas, aber wir haben keinen Namen dafür", gibt Muschg, der im vergangenen Jahr achtzig wurde, als Motto von Georg Büchner mit auf diesen abenteuerlichen Lektüreweg.

Was sich nach dieser Eröffnungsszene entspinnt, vermitteln allein schon die Orte. Da ist eine Münsterburger Stadtrandvilla, Begegnungsort unterschiedlichster Paare, zugleich aber seltsam entrückt, mit ihrem dunklen Mobiliar, dem lodernden Kamin und der Nähe zum Wald. Die Villa ist benannt nach dem sagenträchtigen "Auerhahn", jenem Vogel, der bekanntlich die Liebe bringt. Beat Schneider ist hier - mit acht Jahren Unterbrechung - Mieter des Dachateliers; im Übrigen, erfährt man, in seinem Fach ein ausgewiesener Spezialist für Schäferspiele: Da finden Paare zusammen, trennen sich und vereinen sich wieder in einem überhöhten Idyll. Mit diesem Motiv wird viel gespielt.

Doch wo Liebe ist, droht immer auch deren Ende. Beat Schneiders achtjährige Ehe mit Lou Anne, in Rückblenden mit viel Zartheit nacherzählt, beginnt zwar vielversprechend. Die üppige Analphabetin mit zeichnerischer Hochbegabung, die sie für Architekten wertvoll macht, war pflichtbewusste Hörerin seiner einzigen Vorlesung mit dem Titel "Die Schweiz der Hirten". Danach ging es umstandslos ins Programmkino. Man macht Liebe unter anderem zu Peter Greenaways Film "Z", ohne freilich etwas davon aufzunehmen. Wieder so ein gespiegelter Vorgang: hier Erotik, dort das Vergängliche ("Z" zeigt viele verwesende Tiere). Die im Film thematisierte Entzifferung geheimer Codes verweist schon auf spätere Passagen im Roman. Aber die Ehe endet jäh durch Beat Schneiders ausgelebten Eifersuchtsanfall. Dass Lou Anne sogleich in die Psychiatrie abwandert, ist mehr als tragisch. Damit ist der zweite, dickwandige Ort benannt: das "Burgfried", wo fast in der Manier Robert Walsers die Zeichenkunst Lou Annes geschützt wird, während die Frau mehr und mehr verfällt - vielleicht aber noch Geniales vollbracht hat? Im Dürrenmattschen "Physiker"-Thema, das hier entfernt anklingt, hallt das große Romanthema an, die Idee einer Kulturtheorie, bei der nicht Perfektion, sondern Abweichung für Fortschritt sorgt. Muschgs Figuren sind Schatten solcher archaischer Weiser, die Blindheit oder das Jenseits (Gygax) erst sehend macht.

Von Münsterburg geht es nach Berlin; von Konstanz nach Japan, von wo Lou Anne, die dort bei einem Wettbewerb zum vielsagenden Thema "Mögliche Welten" mitmacht, Beat Schneider schließlich die Tasche mitbringt. Feinstes Segeltuch. Schlicht und schön. Von Schneider sorgsam gehütet. Auf Zugfahrten bettet er darauf seinen Kopf - bis sie eines Tages doch gestohlen wird. Wiederum stößt hier das Verschwinden einen Wirbel an Ereignissen an. Es gibt Fachgespräche über Molekularbiologie oder Schweizer Geschichte; und Fränk, einen durchgeknallten Jugendlichen, der am Vermehrungsverhalten des Fadenwurms wichtige Erkenntnisse für die Krebsforschung gewinnt.

Ja, der Roman ist anstrengend. Auch, weil er Positionen meidet und unter dem Deckmantel hochgedrechselter Dialoge mitunter krude Bezüge herstellt. Männer lassen sich allzu gerne versorgen, Frauen stellen sich bereit. Der weibliche Schoß spielt als Lebensspender eine nicht unwichtige Rolle. Streckenweise ist diese Mischung aus manieriertem Gespräch und anverwandeltem Bildungsstoff trotz satirischer Züge schwer auszuhalten. Dann wieder beglückt "Die japanische Tasche" als Prosa, die sprachlich und konstruktionstechnisch mit seinen vielen Zeitschienen und unerwarteten Verstrebungen aus der Reihe fällt. Die Unfassbarkeit des Todes wird eben auch zur Quelle einer sehr diesseitigen, prallen Literatur. Sie handelt von "letzten Dingen" und einfachen Schönheiten: "Vom Zürisee-Wein beflügelt, war auch im Hinterzimmer seiner Gefühle ein ganz eigener Betrieb ausgebrochen. Immer weniger wollte er die Lotterschweiz nur lesen, immer dringender verlangte ihn, selbst zu lottern." In solchen Momenten nimmt man die Raffinesse des Bauplans mit all seinem aufgeladenen Beiwerk als eine Art moderner Burleske gerne in Kauf.

ANJA HIRSCH

Adolf Muschg: "Die japanische Tasche". Roman.

Verlag C. H. Beck, München 2015. 484 S., geb., 24,95 [Euro].

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"Ein Roman [...], den man als vital-erzählfreudige Momentaufnahme, aber auch als Teil einer hoffentlich noch lange nicht beendeten Comédie humaine lesen kann."
Charles Linsmayer, Neue Zürcher Zeitung, 29. November 2015


"Muschg zeigt einmal mehr, mit welcher Raffinesse sich Erzählungen konstruieren lassen."
Caspar Shaller, Die Zeit, 26. November 2015


"Der Roman ist eine kunstvoll komponierte Geschichte von Liebe und Verlust, Heilssuche und Scheitern."
Wolf Scheller, Die Rheinpfalz, 4. November 2015

"So klug verspielt, so gelassen widerborstig wie kaum je verführt uns Muschg in den Irrgarten seines Textes."
Berner Zeitung, 18. September 2015

"Adolf Muschg hat einen brillanten Roman geschrieben über die unstillbare Sehnsucht nach dem Ganzen."
Roman Bucheli, Neue Zürcher Zeitung, 15. September 2015