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Mit einem Nachwort von Gunnar Och. Das Vorspiel erzählt, wie Fürther Juden sich im 17. Jahrhundert auf den Weg machen, um einem Messias ins Gelobte Land zu folgen, und bitter enttäuscht werden. Der Hauptteil spielt im Deutschland des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Es gibt Hoffnung auf einen neuen Heilsbringer: Agathon Geyer ist die positive Gegenfigur zum falschen Propheten. Er will nun Juden und Christen zur Umkehr bewegen.

Produktbeschreibung
Mit einem Nachwort von Gunnar Och. Das Vorspiel erzählt, wie Fürther Juden sich im 17. Jahrhundert auf den Weg machen, um einem Messias ins Gelobte Land zu folgen, und bitter enttäuscht werden. Der Hauptteil spielt im Deutschland des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Es gibt Hoffnung auf einen neuen Heilsbringer: Agathon Geyer ist die positive Gegenfigur zum falschen Propheten. Er will nun Juden und Christen zur Umkehr bewegen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.01.2000

Einst ein deutscher Lieblingsautor
Jakob Wassermanns früher Roman „Die Juden von Zirndorf”
Der Roman Die Juden von Zirndorf ist von Jakob Wassermann ein ganz frühes Buch. Sein Autor war vierundzwanzig. Er wurde 1873 geboren. Zu seiner Lebzeit war er (gestorben am 1. Januar 1934) deutscher Lieblingsschriftsteller. Fürchterlich populär. Heute ist er so gut wie vergessen. Mit Fug? – Nein!
Im Gegensatz nämlich zu seinem vor Hitlers Machtergreifung im ganzen deutschen Sprachgebiet aufgelegten Kriminal- und Unterhaltungsromanen (Kaspar Hauser oder die Trägheit des Herzens, Das Gänsemännchen und Der Fall Mauritius) sind Die Juden von Zirndorf ein Werk, dessen dichterische Essenz alles ansonst von diesem jüdischen Deutschen Produzierte weit überragt.
Die epische Handlung wurde zusammengefügt aus zwei einander entgegengesetzten Teilen, deren gemeinsamer Schauplatz bei Nürnberg und Fürth zu suchen ist und zwischen denen ein zeitlicher Abstand von zwei Jahrhunderten bedacht werden muss. Das Vorspiel (Teil 1) würde demnach in der Mitte des 17. , der Hauptteil im auslaufenden 19. Jahrhundert stattfinden.
Beide Partien setzen den von der Judenheit ersonnenen und von den Christen übernommenen Messianismus voraus. Dieser meint die sogenannte Erlösung, die aber in beiden Fällen nicht stattfinden kann, weil die Erlösung von etwas ja ein ursprünglich Anwesendes voraussetzt. Würde dieses gleichsam a priori Vorhandene fehlen, hätte auch dessen Abschaffung keine Basis. Und eben dies wird von den Juden und Christen als „Gott” bezeichnet. Ohne die Abschaffung Gottes nähme das Foltern und Morden kein Ende. Weil ja immer dessen „Geist” für die Rechtfertigung des Folterns und Mordens herhalten muss. Ergo: Gott müsste sofort abgeschafft werden: Aber wie soll etwas abgeschafft werden, an dessen Vorhandensein alle Welt glaubt? Summa summarum: keine Hoffnung, keine . . .
K. H. KRAMBERG
JAKOB WASSERMANN: Die Juden von Zirndorf. Roman. Vorwort von Hilde Domin. Langen-Müller Verlag, München 1999. 346 Seiten, 29,90 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.12.1995

Unter zittrigem Mond
Ein früher Roman Jakob Wassermanns Von Rolf Vollmann

Jakob Wassermann, aus Fürth wie Kellermann (der mit dem "Tunnel"), debütierte im Jahre 1896 mit "Melusine", einem Roman, den er dann gern verschwiegen hat - beinah wie Heinrich Mann sein "In einer Familie" (1894); aber vielleicht drückt sich etwas wie ein Gewissen über den Verrat der ersten Liebe darin aus, daß ein schönes Mädchen im zweiten Roman, dem unseren, den er dann immer für seinen ersten ausgegeben hat, sich, obgleich sie Jeanette heißt, Luisina nennt - Melusine, als "Mere Lusine", ist die legendäre Ahnfrau des Hauses Lusignan, lateinisch Lusinia. Kellermann, der andere große Sohn Fürths, hatte 1904 und 1906 ebenfalls mit Liebesromanen angefangen, "Yester und Li" und "Ingeborg"; man würde ihn verstehen, hätte er sie verleugnet wie Wassermann seine "Melusine", aber er hat es nicht getan.

Wassermanns legitimierter Erstling aus dem Jahre 1897, den wir hier vor uns haben, spielt in Fürth oder dicht bei Fürth; von Höhen, auf die seine Leute nachts manchmal gehen, sehen sie die Lichter Nürnbergs. Cadolzburg wird genannt als ganz in der Nähe liegend - in Cadolzburg sitzt aber nun der kleine Verlag ars vivendi, der eben mit Wassermanns Buch den zwölften Band einer kleinen klassischen Romanbibliothek vorlegt. Das ist irgendwie liebenswürdig und schön, dies mit Wassermann und Cadolzburg; bei ars vivendi (Lebenskunst) machen sie sonst Kaffeehausführer oder Kalender etwa mit Friedhofsnymphen. Vielleicht bringen sie nach weiteren zwölf Bänden irgend etwas lang nicht Gedrucktes von Kellermann - dann wird alles noch viel schöner zusammenhängen, als es jetzt schon hängt.

,Gemächlich schwebt die Zeit hin über die Länder und über die Geschlechter, und wenn sie auch Städte zertritt und Wälder zerstampft . . ." - so beginnt der erste Teil des Buchs, der kurz nach Wallenstein dort im Fränkischen spielt und eine messianische, überall in Europa auftretende Bewegung unter den Juden zum Gegenstand hat. Der Stil ist ein ganz kleines bißchen holzschnittartig nach der Art fiktiver Chroniken, mit sehr einprägsamen jüdischen Charakterfiguren, deren Namen Wassermann meistens aus tatsächlichen Chroniken genommen hat. Man liest diesen Teil ganz gern, aber man freut sich dann doch, wenn nach sechzig Seiten endlich der eigentliche Roman losgeht. Romane, wenn sie in allzulang verblichener Zeit spielen, sind oft ein bißchen ermüdend. Der eben anzitierte erste Absatz des ersten Teils endet damit, daß die in allem Schweben der Zeit ewig sich erhaltende Heimat es ist, die immer noch ihre Söhne zu dem macht, was sie dann werden: so daß der Sinn dieses ersten Teils insgesamt zu sein scheint, die Kontinuität aufzuzeigen zum Heute hin.

Im Heute, dem des jungen Wassermann, bewegen sich denn auch zu unserem Glück die Leute im Hauptteil des Buchs; der Roman beginnt im Sommer 1885 - hier sein erster Satz: "Im Jahre 1885 fing es in den Ebenen der Rednitz und Pegnitz einige Tage nach Mariä Himmelfahrt an zu regnen, und es regnete unaufhörlich bis über die Mitte des August hinaus" - und endet, auch im Wasser, mit dem bekannten Tode Ludwigs; zwischendurch, zu Beginn des zentralen zehnten Kapitels, ist Mittag, und es heißt: "Die strahlende Mittagssonne leuchtete, als Agathon von der Höhe herabstieg ins Dorf" - jedermann denkt hier, jedermann damals, 1897, dachte hier jedenfalls an Nietzsches Zarathustra, und wenn man das verzweifelt Sintflutartige des anfänglichen Regens dazunimmt und am Ende den für uns Heutige absolut verblüffend ins Messianische hinaufstilisierten Tod des Kinis, dann sieht man ein bißchen, was der junge Wassermann sich da vorgenommen hatte.

Agathon, der zarathustrisch Herabsteigende, ist auch ein bißchen wie Jesus; heilend, begütigend, unwiderstehlich in seiner Zartheit wandelt er durchs Ganze, aber nicht so ganz Mensch, als daß er eine tragende Hauptfigur abgeben könnte. Die spielen, nach sprachlich bewundernswerten Anfängen in einem jüdisch-fränkischen Idiom, junge Leute, deren Wege sich immer wieder kreuzen in und um Fürth: ein jüdischer Lehrer, der entlassen wird, weil er reformerische Ideen hat, und dann noch als Jude, und der dann im "Siebenten Himmel" Jeanette trifft; Jeanette, aus einem reichen jüdischen Haus, bricht aus und wird Tänzerin (aus Paris gerade wieder ins Fränkische zurückgekommen, tanzt sie kurz vor seinem Tode dem Kini vor), als sie einen so richtig blöden Kerl heiraten soll; ihre Freundin kriegt ein Kind von einem ekligen Schriftsteller, den auch das schöne Mädchen liebt, das gewissermaßen die Maria Magdalena Agathons ist; der Schriftsteller wieder führt den Lehrer in ein Bordell.

Sowohl die Schulszene, als der Lehrer entlassen wird, als auch diese Bordellszene erinnern gewaltig an etwas, jene an Heinrich Manns "Blauen Engel", der hier eben der "Siebente Himmel" ist, diese an Leverkühns entsprechende Lehrstunde; und man sieht erstens, welch großartiges erzählerisches Material hier ausgebreitet wurde, und zweitens, wieviel Grund sie dann alle hatten, Wassermann eine Achtung zu zollen, die uns nicht immer ganz unbefremdet läßt.

All diese tragenden Figuren diskutieren miteinander; sie diskutieren darüber, um nur die Hauptthemen zu nennen, was ein wahrer Dichter ist und was die Kunst, über den alten christlichen Himmel und wie man ihn abschaffen muß, damit die Erde wieder wahre Erde wird (ein Nietzsche-Thema), über die Sinnlichkeit, nämlich daß doch eine Lust sein soll zwischen den Leibern von Mann und Frau (Weib, wie das bei Wassermann heißt), und über das Judentum, immerzu und in jeder Hinsicht: der Jude als Künstler (Heine, gegen den Wassermann eine schlimme Aversion hat), der Jude und der christliche Himmel (sind nicht alle Christen Juden? natürlich), der Jude und die Sinnlichkeit (der junge Autor kann wundervoll über die orientalische Schönheit und Sinnlichkeit junger Jüdinnen schwärmen), der Jude und die Intellektualität (kein großer Spaß, dem Autor hier zuzuhören), der Jude und der Zionismus, der Jude und Deutschland oder eben Franken oder eben Fürth und Zirndorf.

Es ist, auch wegen des Grauens dazwischen, sehr schwer, das gedankliche und sentimentale Niveau dieser speziellen Diskussionen einzuschätzen, auch wegen der großartigen Sachen, die dazu zwanzig Jahre vorher George Eliot in ihrem so erstaunlichen letzten Roman "Daniel Deronda" von 1876 gesagt hatte - der Roman war im selben Jahre auch auf deutsch erschienen. Bei den unverfänglicheren Themen, unverfänglicher für unsereinen, ist das leichter: Die Diskussionen über Sinnlichkeit und den alten Himmel und die neue Erde gehen intellektuell keinen einzigen Schritt über das hinaus, was Paul Heyse (der berühmte Mann hatte dem jungen Autor vom Dichten abgeraten) etwa in seinem dicken Roman "Kinder der Welt" von 1873 ziemlich eindrucksvoll und dabei lässig-überlegen vorgetragen hatte.

Heyse hatte auch die Klugheit besessen, in die Dicke seines Romans sehr viel mehr Figuren einzuarbeiten als Wassermann jetzt. Bei Wassermann muß zum Beispiel der arme entlassene Lehrer, einfach aus Mangel an anderen Figuren, sehr viel mehr reden und sehr viel unterschiedlichere Sachen sagen, als wir von einer einzigen Figur, wenn wir ihr noch Glauben schenken wollen, hören mögen; die schmerzliche Folge also des vielen Diskutierens bei Wassermann ist, daß die Charaktere sich sehr verwischen.

Anders als bei Heyse aber, und da liegen nun die wahren Qualitäten des Wassermannschen Buchs, sind fast alle seine Figuren halbe Ekstatiker. Auch Wassermanns Sprache in diesem Buch (sie wird dann mit der Zeit und den immer vieleren Büchern, wenn ich so sagen darf, leider immer dünner und sozusagen instrumenteller, teils rühren, teils überzeugen wollend) ist eine ganz erstaunliche Mischung aus einer Gefühligkeit (wie vom Mond herab geblickt ins Dunkel der Welt) und dann einer immer wieder außerordentlich knappen, einem frühen Expressionismus sich nähernden Diktion.

Wunderbar eignet diese Sprache sich, gleich am Beginn, zur Schilderung der großen Überschwemmung; überhaupt sind elementare Natur, wenn sie ausbricht, und etwa wilde Wolken vor einem zitternden Mond ganz ideale Gegenstände für Wassermanns Sprache. Und so kommt es, daß wir seinen Figuren immer am nächsten dann sind (etwa in den Kapiteln dreizehn und vierzehn), wenn sie nachts im fahl-wilden Fränkischen unterwegs sind, in Frühlingsstürmen mit Wolken, als ginge die Welt unter, und einem Mond, als könne sie sich doch noch einmal halten, und da gehen diese jungen Leute nun, die Seele voll mit dem, was Worte (jedenfalls Wassermanns, wenn er diskutiert) nur unzulänglich sagen, etwa von Zirndorf nach Cadolzburg wie aus einem großen Schicksal, das sie fast geschafft hätte, ins nächste, das auf sie und keinen andern wartet. Da ist Wassermann wahrhaft groß, da entschädigt er uns wirklich generös für alles, was wir zuweilen eher erdulden, weil wir eben nicht mehr seine Zeitgenossen sind.

Gut verstehen läßt sich aber an diesem Buch, daß nicht bloß die Gleichaltrigen, die auch gern Bücher schreiben und eine direkter mitreißende Romankunst haben wollten, als sie an Heyse hatten, aber auch an Raabe und Fontane bloß zu haben glaubten, daß diese Kollegen und frühen Leser mit großem Schwung an Wassermann glauben konnten als einen, der den Roman wieder verjüngen würde. Wir verstehen das gut, wenn auch mit einem kleinen Ziehen im Magen unserer lesenden Seele - Henry James begann eine neue wunderbare Epoche seiner Romane, Maugham schrieb die hinreißende "Liza von Lambeth", Hamsun fing an, Svevo fing an und Pirandello, Proust saß am "Jean Santeuil", mit einem Wort: Was wir gewollt haben würden, fing überall anderswo an.

Thomas Mann, in einer Tischrede auf Wassermann, München 1929, spricht denn auch nur "von der ungeheuren Schwierigkeit, ein deutscher Erzähler zu sein". Ja, da liegen sie wohl beisammen: Wassermanns Größe und was wir noch davon haben können.

Jakob Wassermann: "Die Juden von Zirndorf". Roman. Verlag ars vivendi, Cadolzburg 1995. 282 S., geb., 38,- DM.

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