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Christoph Schulte bietet einen umfassenden Überblick über alle zentralen Aspekte und Personen der jüdischen Aufklärung. Er beschreibt anschaulich, wie sich erstmals die Aufklärungsbewegung einer Minderheit gegen zahlreiche innere und äußere Widerstände einen Weg in die bürgerliche Gesellschaft Deutschlands gebahnt hat. Die jüdische Aufklärung - hebräisch Haskala - entstand im Kreis um Moses Mendelssohn in Berlin. Von dort verbreitete sie sich rasch in Preußen und der Donaumonarchie, in Frankreich und Rußland. Die Bewegung war vielstimmig und vielsprachig. Ihre Protagonisten sprachen und…mehr

Produktbeschreibung
Christoph Schulte bietet einen umfassenden Überblick über alle zentralen Aspekte und Personen der jüdischen Aufklärung. Er beschreibt anschaulich, wie sich erstmals die Aufklärungsbewegung einer Minderheit gegen zahlreiche innere und äußere Widerstände einen Weg in die bürgerliche Gesellschaft Deutschlands gebahnt hat. Die jüdische Aufklärung - hebräisch Haskala - entstand im Kreis um Moses Mendelssohn in Berlin. Von dort verbreitete sie sich rasch in Preußen und der Donaumonarchie, in Frankreich und Rußland. Die Bewegung war vielstimmig und vielsprachig. Ihre Protagonisten sprachen und schrieben Jiddisch, Hebräisch und Deutsch, sie erlernten aber auch Englisch, Französisch oder Latein, um sich mit Wissenschaften, Literatur und Künsten der nichtjüdischen Welt seit der Antike vertraut zu machen. Nach dem Verlassen des sozialen und intellektuellen Ghettos wollten die jüdischen Aufklärer so auf den Stand der europäischen Aufklärung gelangen und namentlich an den Debatten und dem gesellschaftlichen Leben der deutschen Spätaufklärung gleichberechtigt teilhaben. Dabei hatten sie als Vertreter einer beinahe rechtlosen und sozial ausgegrenzten Minderheit allein im Namen der Vernunft sowohl gegen die judenfeindlichen Vorurteile christlicher Theologen, Gelehrter und Beamter als auch gegen die Widerstände traditionalistischer Rabbiner zu kämpfen.
Autorenporträt
Christoph Schulte, geb. 1958, ist Professor für Philosophie und Jüdische Studien an der Universität Potsdam und forscht dort am Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien. Er war Fellow und Gastprofessor in Jerusalem, Montreal, Paris, Chicago und Aix en Provence.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.05.2002

Wer wird nicht einen Mendelssohn loben?
Doch wird ihn jeder lesen? Wer die jüdische Aufklärung verstehen will, lasse sich erst einmal von Christoph Schulte belehren

Die Erforschung der Haskala - wie der hebräische Begriff für Aufklärung lautet - hat in den vergangenen Jahren, besonders durch die Arbeiten von Shmuel Feiner, Moshe Pelli und David Sorkin, so zahlreiche und vielfältige neue Impulse erhalten, daß das traditionelle, von einem idealisierten Mendelssohn dominierte Bild von der jüdischen Aufklärung nicht nur zahlreiche Differenzierungen erfahren, sondern neue Konturen gewonnen hat. Eine auch dem breiteren Publikum zugängliche Überblicksdarstellung, gerade in deutscher Sprache, war ein Desiderat. Christoph Schulte schließt nun diese Lücke. Er beschränkt sich keineswegs darauf, den Forschungsstand zusammenzufassen, sondern setzt eigene Akzente. Der Band ist übersichtlich strukturiert, die beiden ersten Drittel ansprechend, beinahe elegant komponiert.

Eingerahmt wird die Studie von einer Problematisierung des Mendelssohn-Mythos anhand des zur Ikone des jüdischen Bürgertums gewordenen Bildes "Mendelssohn, Lessing und Lavater über Religion disputierend" von Moritz Oppenheim und einem kontrastierend zugespitzten Doppelporträt des "Vaters" der jüdischen Aufklärung und des marginalisierten Salomon Maimon.

Bevor er das Panorama der Akteure, Themen und Problemlagen der jüdischen Aufklärung entfaltet, arbeitet Schulte in einer Standortbestimmung der Haskala strukturelle Charakteristika heraus. Im Vergleich zur deutschen, englischen und französischen Aufklärung sieht er die Haskala als eine nachgeholte, späte Aufklärung. Damit eng verbunden war sie eine beschleunigte, kurze und darum radikale Aufklärung. Sie war vielstimmig aufgrund ihrer nichtjüdischen und jüdischen Vorbilder, ihres uneinheitlichen Verhältnisses zur rabbinischen Tradition des Judentums und ihrer Dualität als Bewegung, die sowohl auf universale Aufklärung als auch speziell auf die Aufklärung der Juden abzielte.

Die Haskala war somit Minoritätenaufklärung. Sie war Aufklärung der Juden als Menschen und Aufklärung der Juden als Juden. Auf nichtjüdischer Seite war die Überzeugung weit verbreitet, daß das Judentum überholt und mit Aufklärung letztlich inkompatibel sei. Der daraus resultierenden, unter christlichen oder säkularen Vorzeichen geäußerten Erwartung, auf das Judesein zu verzichten, setzte die Haskala ihre Forderung nach Aufklärung der Juden als Juden entgegen. Da diese Forderung nicht nur gegenüber der nichtjüdischen Öffentlichkeit, sondern auch in innerjüdischen Debatten gegen traditionalistische Gegner vertreten wurde, war die Haskala Aufklärung mit doppeltem Publikum, mit einem jüdischen Binnen- und einem nichtjüdischen Außendiskurs. Schulte sieht in der Haskala eine mehrsprachige und multikulturelle Aufklärung, deren Anhängerschaft nach sozialer und geographischer Herkunft heterogen war und sich in einer beeindruckenden Akkulturationsleistung Kenntnisse einer fremden Kultur aneignen mußte.

Die Aufklärung der Juden wird als Voraussetzung, aber auch als Ziel ihrer bürgerlichen Verbesserung interpretiert und so ein innerer, nicht von außen aufgezwungener Zusammenhang betont. Ihre soziale Bezugsgruppe auf nichtjüdischer Seite machte die Haskala zu einer bildungsbürgerlichen Aufklärung. Im Unterschied zu den stärker vom Adel geprägten Aufklärungsbewegungen in anderen Ländern war die deutsche Variante bildungsbürgerlich und protestantisch bestimmt. In der Kritik an religiösen Institutionen und Offenbarungslehren bei gleichzeitiger Ablehnung materialistischer oder atheistischer Positionen sieht Schulte eine Affinität zwischen deutscher Aufklärung und Haskala, die ihren kleinsten gemeinsamen Nenner im Theismus hatte. Da die Haskala nicht auf die Aufklärung von der Religion, sondern auf die Aufklärung der Religion abzielt, wird sie als eine religionsnahe und religionsfreundliche Aufklärung interpretiert.

Zentrale Referenzgrößen, Reibungsflächen und Einflüsse der Haskala, wie die Gestalt des Mose, die Tora, der Talmud, die Kabbala, der Chassidismus, die Kantische Philosophie, die Emanzipationsdebatte, Orthodoxie und Bürgerlichkeit, denen jeweils ein eigenes Kapitel gewidmet ist, werden in Unterkapiteln aus der Sicht verschiedener Maskilim (Anhänger der Aufklärung) ausgeleuchtet. Es gibt Wiederholungen, doch lernt der Leser die Protagonisten der Berliner Haskala von Moses Mendelssohn, Naftali Hartwig Wessely, Markus Herz, Saul Ascher, Lazarus Bendavid, Isaak Euchel, David Friedländer, Moses Hirschel, Ephraim Joseph Hirschfeld, Isaak Satanow bis hin zu Salomon Maimon nicht in einer ermüdenden Abfolge von Einzelporträts kennen, sondern in unterschiedlichen Konstellationen. Schulte vermittelt nicht nur einen instruktiven Einblick in die Bandbreite der Positionen, Lebensentwürfe und Entwicklungen innerhalb der Haskala, sondern er betont mit der nachdrücklichen Einbeziehung Salomon Maimons, eines nicht nur in der populären Vorstellung marginalisierten Maskil, die Notwendigkeit einer qualitativen Erweiterung des gängigen Bildes von der jüdischen Aufklärung.

Im Schlußkapitel schließt sich der Bogen mit der Gegenüberstellung Mendelssohns und Maimons. Was bei Mendelssohn kompatibel ist, steht bei Maimon unversöhnt nebeneinander. Verkörpert der erfolgreiche Philosoph und Unternehmer Mendelssohn Bildung und Bürgerlichkeit, befördert sich Maimon mit seinem anarchischen Lebenswandel ins gesellschaftliche Abseits. Gelingt es Mendelssohn, Aufklärung und Observanz der Tora zu verbinden, läßt Maimon, der wie die Angehörigen der zweiten Generation der Haskala die Kantische Wende mitvollzieht, die Offenbarungsreligion hinter sich. Obwohl von Kant hoch geschätzt, erkennt er den Kategorischen Imperativ genausowenig als handlungsleitend an wie die Halacha. Ein Trend der Forschung, der in der Haskala den Aspekt der Transformation mehr als die mit ihr verbundenen Brüche betont, tut sich schwer mit Maimons Position.

In einer Hinsicht wäre eine Modifizierung der Streckenführung zu begrüßen. Die Einordnung der Haskala in die europäische Aufklärungsbewegung bleibt weitgehend auf die - in Hinblick auf Kant meisterhafte - Untersuchung der Einflüsse, die sie von außen erfahren hat, beschränkt. Diese Unausgewogenheit provoziert die Frage nach der Bedeutung und Wirkung der jüdischen Aufklärung. Amos Funkenstein hatte seine These von der Überlegenheit der Haskala gegenüber der sich als allgemeinen verstehenden Aufklärung damit begründet, daß sie sich nicht selbst verabsolutierte, sondern sich ihrer eigenen Ambivalenzen und Relativität bewußt blieb. Gerade der von Schulte in seiner Komplexität herausgestellte Salomon Maimon, der trotz seiner intellektuellen Radikalität, trotz seiner ironisierenden Distanzierung vom traditionellen, toratreuen osteuropäischen Judentum die gefühlsmäßige Tuchfühlung mit dieser Lebenswelt nicht verlor, könnte zum Ausgangspunkt weiterführender Überlegungen werden.

Stärkere Beachtung hätten die Fragen nach der europäischen Perspektive und den Strukturbedingungen der jüdischen Aufklärung finden können. Schulte spricht von der Berliner oder der preußischen Haskala. Damit stellt sich die Frage nach dem spezifisch Deutschen, nach Entstehungskonstellation und Bedingungsfaktoren. Auch wenn Hinweise auf die nur zwei Generationen umfassende Dauer der Haskala in Deutschland und ihre das gesamte neunzehnte Jahrhundert hindurch anhaltende Aktualität in Osteuropa die Bedeutung der sozialen und rechtlichen Rahmenbedingungen deutlich machen, liegt der Schwerpunkt der Studie auf der philosophiehistorischen Einordnung der Haskala. Bei einem vergleichenden Exkurs zu England, Frankreich oder Italien - alles Länder, in denen es keine der Haskala entsprechende jüdische Aufklärungsbewegung gab - wäre eine tiefer gehende Auseinandersetzung mit den Strukturbedingungen unausweichlich gewesen.

STEPHAN WENDEHORST

Christoph Schulte: "Die jüdische Aufklärung". Philosophie, Religion, Geschichte. Verlag C. H. Beck, München 2002. 279 S., 8 Abb., br., 24,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.07.2002

Aufklärungsgewitter
Christoph Schultes emanzipierte Studie über die Haskala
Die Epoche der europäischen Aufklärung dauerte etwa von 1680 bis 1800; die jüdische Aufklärung, die Haskala, konzentrierte sich auf die Jahre zwischen 1767, dem Erscheinungsdatum von Mendelssohns „Phaidon” und 1792, dem Erscheinen von Salomon Maimons auto-biographischer Lebensgeschichte. Sie fand vornehmlich in Berlin statt, betraf aber die gesamte europäische Judenheit.
Die Umbrüche, die in der europäischen Geistesgeschichte 120 Jahre dauerten, wurden auf 25 Jahre zusammengepresst, es war ein beispielloser und schmerzlicher Prozess. Mendelssohn definierte in „Jerusalem oder religiöse Macht und Judentum” (1783) die jüdische Religion als universalistisch und als Repräsentant des allgemein Menschlichen. Das stimmte mit der Definition der Natürlichen Religion bei Kant überein: In dieser Perspektive erschien dann das Judentum als die Religion der reinen Vernunft. Der ehemalige Rabbiner Salomon Maimon verwarf folglich im Licht der kantischen Philosophie konsequent alle Zeremonialgesetze und den Talmud.
Die Haskala brach mit ungeahnter Gewalt über das deutsche Judentum herein. Das Ergebnis dieses gewalttätigen und unwiderstehlichen Prozesses war durchaus doppeldeutig: Auf der einen Seite wurde das Judentum modernisiert; auf der anderen Seite musste der Preis der Aufklärung auch hier bezahlt werden: Es zerbrach der alte Traditionszusammenhang des Judentums, in diesen 25 Jahren wurde die intellektuelle Welt des Talmud diskreditiert, die Ausbildung säkularisiert; die jungen jüdischen Intellektuellen in Deutschland (und in Osteuropa) verloren ihren alten Halt, sie konvertierten oder wurden zu Agnostikern; und die alten Traditionalisten, für die in dieser Zeit das Feindbild der „jüdischen Orthodoxie” geprägt wurde, verschlossen sich der Modernisierung. Als im Jahr 1819 der Verein für die Wissenschaft des Judentums gegründet wurde, hatte die modern-romantische Philologie das Judentum erreicht.
Diesen Prozess beschreibt Christoph Schulte in seinem knappen und konzisen Buch über die jüdische Aufklärung. Er ist ein Befürworter dieses Modernisierungsprozesses. „Eigentlich”, betont Schulte immer wieder, sei die Haskala eine religionsfreundliche Bewegung gewesen. Das stimmt gewiss für ihren ersten und wichtigsten Repräsentanten, für Moses Mendelssohn. Aber die Darstellung der inneren Dynamik der Aufklärung, die zusehends religionskritischer wur-de, straft diese Ansicht Lügen.
Die wichtigsten Topoi der jüdischen Religion wurden in der Haskala diskreditiert: Moses verlor seinen Anspruch als Sprecher Gottes, der durch ihn das Gesetz gegeben hatte. Die Thora wurde vielmehr, sofern sie überhaupt noch anerkannt wurde, mit der Natürlichen Religion identifiziert. Der Talmud, der den jüdischen Unterricht monopolisiert hatte, verlor zunächst diesen Anspruch; im Verlauf der Debatte wurde das rabbinische Judentum, das mit dem Unterricht des Talmud untrennbar verbunden ist, selbst zum Objekt der Kritik.
Am Ende wurde der Talmud von demselben Schicksal ereilt, das Bibel und Dogmatik im Christentum heimgesucht hat: In der Wissenschaft vom Judentum wurde auch der Talmud Objekt des philologischen Historisierungs- und damit Depotenzierungsprozesses. Eine ähnliche Entwicklung vollzog sich in der Bewertung der Kabbala und bei der Entdeckung und Diskreditierung des Chassidismus: Das Ergebnis ist am Ende stets ein garstig breiter Graben zwischen Frommen und Aufgeklärten.
Schultes Buch wird beim Lesen immer interessanter: Erst allmählich stellen sich die bestimmenden Hintergrundkonturen seiner Geschichtserzählung deutlicher heraus: Der Beginn der Haskala hat bei Moses Mendelssohn nachgerade mythischen Charakter. Nach dem doppeldeutigen Erfolg der jüdischen Aufklärung, eben an ihrem Ende, erschien deren erste kurze Phase als idyllisch-harmonische Verbindung von rationalistischer Philosophie und Judentum: Mendelssohns jüdische Frömmigkeit wurde deshalb im Nachhinein fast noch wichtiger als seine aufgeklärte Philosophie. Diese harmonische Phase ist auch durch die Kampagne um die „bürgerliche Verbesserung der Juden” bestimmt, die Dohm und Mendelssohn gemeinsam führten.
Wie Sokrates, wie Diogenes
Der idyllische Anfang der jüdischen Aufklärung hatte eben noch nicht jene fatale Doppeldeutigkeit für die jüdische Religion, wie sie den religionskritischen Disputen innewohnte. Diese Debatte um die Legitimität der jüdischen Religion führte zur Krise und zum Bruch zwischen traditionellem Judentum und den Aufklärern. Lazarus Bendavid, Markus Herz, Saul Ascher und vor allem Salomon Maimon sahen sich als überzeugte Kantianer außerstande, die religiöse Praxis des Judentums zu verteidigen: Am Ende waren – wie in der christlichen Aufklärung – mit Orthodoxie contra Aufklärung Freund und Feind definiert.
Gewiss hat Moses Mendelssohn die Gewalt des religiösen Aufklärungsprozesses, den er initiierte, unterschätzt; aber er hätte ihn auch nicht steuern können. Wie radikalisierend selbstläufig diese Aufklärung war, zeigt das letzte Kapitel des Buchs, das die Typologien konfrontiert, die schon Anfang des 19. Jahrhunderts zum Klischee wurden: Mendelssohn ist der neue Sokrates und Maimon der neue Diogenes: Auf den sokratisch-praktischen, affirmativen Mendelssohn reagiert der zynische Maimon mit bitterem, bodenlosem Spott, er lebt ein selbstzerstörerisches verzweifeltes und sinnloses Leben. Er ist ein Antibourgeois, ehe die Bourgeoisie erfunden war, er verkörpert den radikalen Aufklärer, den Diderot in seinem letzten Roman beschrieben hat: Salomon Maimon ist so nihilistisch aufgeklärt wie Jacques le Fatalist.
Christoph Schulte hat ein hochinteressantes Buch geschrieben; nicht nur fasst er zum ersten Mal umfassend die Bewegung der jüdischen Aufklärung gelehrt, mit vielen biographischen Daten, mit ausführlicher Bibliographie und Begriffsverzeichnis zusammen. Viel interessanter ist, dass der Stoff, den der Autor eigentlich brav und aufklärungsapologetisch darlegen wollte, sich ihm unter der Hand radikalisiert. Am Ende flackert das Doppelgesicht der Aufklärung auf: Trostreich und destruktiv zugleich. Weil diese Dimension deutlich wird, ist Christoph Schulte ein lesenswertes, ein gutes Buch gelungen.
WILHELM SCHMIDT-BIGGEMANN
CHRISTOPH SCHULTE: Die jüdische Aufklärung. C. H. Beck, München 2002. 279 Seiten, 24,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Eine einem breiteren Publikum verständliche Darstellung der jüdischen Aufklärung war bisher ein Desiderat. Umso erfreuter zeigt sich Rezensent Stephan Wendehorst über Christoph Schultes Studie über die jüdischen Aufklärung, die diese Lücke nun schließt. Wendehorst hebt hervor, dass Schulte sich nicht mit einer Zusammenfassung des Forschungsstandes begnügt, sondern eigene Akzente setzt. Zunächst arbeitet Schulte nach Auskunft des Rezensenten die Besonderheiten der jüdischen Aufklärung im Unterschied zur deutschen, englischen und französischen heraus. Wie Wendehorst darlegt, sieht Schulte in der jüdischen Aufklärung eine mehrsprachige und multikulturelle Aufklärung, deren Anhängerschaft hinsichtlich ihrer sozialen und geographischen Herkunft heterogen war und sich Kenntnisse einer fremden Kultur aneignen musste. In weiteren Kapiteln widmet sich Schulte laut Rezensent "zentralen Referenzgrößen" jüdischer Aufklärung, etwa der Tora, dem Talmud, der Kabbala, der Kantischen Philosophie, der Emanzipationsdebatte. Auch wenn Wiederholungen nicht ausbleiben, lernt der Leser die Protagonisten der jüdischen Aufklärung zur Freude des Rezensenten nicht in ermüdenden Einzelporträts, sondern in unterschiedlichen Konstellationen kennen, bis Schulte im Schlusskapitel den Bogen mit der Gegenüberstellung von Moses Mendelssohn und Salomons Maimon schließt. Einziger Kritikpunkt des Rezensenten ist, dass Fragen nach der europäischen Perspektive und den Strukturbedingungen der jüdischen Aufklärung sowie nach der weiteren Wirkung der jüdischen Aufklärung etwas zu kurz kommen.

© Perlentaucher Medien GmbH
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