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Auf herrschaftlichen Anwesen wie Mansfield Park ließen sich Gefühl und Verstand nicht so leicht vereinbaren. Erst Hatty Ward, die Joan Aiken hinzuerfunden hat, durchbricht die Konventionen. Sie verfügt zwar über keine große Mitgift, doch dank ihrer Einfühlungsgabe meistert sie die schwierigsten Situationen. Vermag sie selbst das Herz von Lord Camber zu gewinnen?

Produktbeschreibung
Auf herrschaftlichen Anwesen wie Mansfield Park ließen sich Gefühl und Verstand nicht so leicht vereinbaren. Erst Hatty Ward, die Joan Aiken hinzuerfunden hat, durchbricht die Konventionen. Sie verfügt zwar über keine große Mitgift, doch dank ihrer Einfühlungsgabe meistert sie die schwierigsten Situationen. Vermag sie selbst das Herz von Lord Camber zu gewinnen?
Autorenporträt
Die Tochter des amerikanischen Lyrikers Conrad Aiken kam am 4. September 1924 in England zur Welt. Nach ihrem Studium in Oxford arbeitete sie bei der BBC, dann als Bibliothekarin, Redakteurin und Werbetexterin. Seit 1953 sind rund 60 Bücher von ihr erschienen, darunter neben Kriminalromanen auch Liebes- und Familienromane sowie Geschichten für Kinder. Joan Aiken lebte bis zu ihrem Tod am 4. Jan. 2004 abwechslungsweise in der englischen Grafschaft Sussex und in New York. 1999 ist sie zum MBE (Member of British Empire) ernannt worden für ihre Verdienste um die Kinderbuchliteratur.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.08.2000

Stilmöbel, unfein verrückt
Joan Aiken sonnt sich neben Jane Austens übergroßem Schatten

Jane Austen (1775 bis 1817) erfreut sich in den englischsprachigen Ländern einer Nachwirkung und Popularität, wie sie kein deutscher Romancier je besessen hat oder besitzt. In ihren sechs vollendeten Romanen entwirft die Schriftstellerin zwar nur einen schmalen Gesellschaftsausschnitt, doch diesen gibt sie mit solcher Meisterschaft kluger Beobachtung und psychologischen Gespürs, mit einer solchen Eleganz des Stils und feiner Ironie wieder, daß der Leser davon immer wieder neu gefesselt wird. Der Schriftsteller John Cowper Powys schrieb nicht ohne Grund: "Als schöpferische Realistin, die ihren Gestalten die Substanz und die Last des wirklichen Lebens verleiht, ist Jane Austen von keinem lebenden oder toten Autor je überboten worden."

Ein Werk, das so zum Seelenschatz der Nation gehört, hat immer wieder Schriftsteller gereizt, es spielerisch zu umkreisen. Auch dafür gibt es hierzulande keine Entsprechungen. Anonyme Verfasser oder vermutlich eher Verfasserinnen befaßten sich mit den Texten aus dem Nachlaß, arbeiteten vor allem die Fragmente zu vollständigen Büchern aus; andere widmeten sich Neben- und Randfiguren und gaben ihnen eine eigene Geschichte. Joan Aiken, geboren 1924 und Verfasserin zahlreicher Romane und Kinderbücher, im Besitz derselben Namensinitialen wie die Vorgängerin, hat in den letzten Jahren drei solcher Bücher vorgelegt. Die deutsche Kritik hat sie fast durchweg mißmutig aufgenommen. Brav, fad, dürftig lauteten die noch ziemlich gnädigen Urteile. Die herberen Kritiker warfen ihr vor, auf den Pfaden der Courths-Mahler zu wandeln oder Stilmöbel statt Antiquitäten zu liefern oder schlicht Schamlosigkeit. Die Rezensenten übersahen dabei, daß den Jane-Austen-Fortschreiberinnen vor allem zwei Dinge am Herzen liegen: vor der großen Fan-Gemeinde des Originals, in England "Janeites" genannt, zu zeigen, wie wunderbar man sich im Werk des Vorbilds auskennt, wie geschickt man seinen Ton zu treffen vermag, sowie - und das beflügelt die Nachdichterinnen vor allem anderen - mit ihrem Abbild das Urbild zum Leuchten zu bringen. Nicht Anmaßung sei die Triebfeder ihres Schreibens gewesen, äußerte Joan Aiken, sondern Liebe und Bewunderung.

Dieses sehr englische Literaturspiel hat sie nun zum vierten Mal gespielt. Im Mittelpunkt steht eine Nebenperson aus dem Roman "Mansfield Park": Henriette Ward, die jüngste von mehreren schwer verheiratbaren, weil ziemlich mittellosen Töchtern eines verarmten Gutsbesitzers. Joan Aikens Spezialität, auch in ihren anderen Büchern, sind solche jungen Frauen, die durch Klugheit und Tüchtigkeit die Handicaps der Herkunft oder die Vermögensdefizite wettzumachen imstande sind. Diese Henriette, genannt Hatty, als halbes Kind in die Familie von Verwandten gegeben, wegen einer Lappalie aus dem Haus gejagt, Gouvernante in einem verkommenen Adelshaushalt, erweist sich durch Takt, Bildung und praktische Lebensweisheit allen Wechseln des Daseins gewachsen. Geprägt ist sie von jenem christlich stoischen Tugendideal, das Jane Austens positive Heldinnen auszeichnet. Aiken geniert sich nicht, die Farben dick aufzutragen. Das gilt auch für die schwungvoll skizzierte Gegenwelt: die gräßlichen Väter, die dümmlichen Mütter, die arroganten Ladies und noch entsetzlicheren Adelstöchter.

Wer hier die Feinheit des Vorbilds vermißt, hat nicht ganz unrecht. Doch der Vergleich ist abwegig, zumal gerade die "Janeites" über die Abweichungen trefflich zu streiten lieben. Die Autorin, bewandert in der Schauerromantik des achtzehnten Jahrhunderts und ihren Requisiten, hält mit nicht ausgehändigten Urkunden und Briefen, mit einem geheimen Testament die Handlung in Schwung. Eingestreute Episteln dienen als Zeitraffer. Ein edler Lord, der zwischenzeitlich reformerische Siedlungsprojekte in Amerika befördert, hält Hattys Herz dezent entsagungsvoll gefangen. Ihm gibt sie die Gedichte zu lesen, mit denen der frühreife Blaustrumpf Erfolge hat. Als sie endlich heiratet, übrigens nicht den Lord, sondern einen braven Biedermann, ist sie kaum zwanzig Jahre alt. Der Nachsatz eines Ururgroßneffen besagt, daß Hatty - darin übrigens Jane Austen vergleichbar - unter einem männlichen Pseudonym zu einem gefeierten Dichter wurde und früh verstorben sei. Das ist melodramatisches Lesefutter, "a good read", wie der Brite sagt. Den "Janeites" gibt der Roman Diskussionsstoff. Andere Leser werden durch solche opera vielleicht zum Urbild hingeführt. Allemal aber darf man sich hier gut unterhalten lassen.

RENATE SCHOSTACK.

Joan Aiken: "Die jüngste Miss Ward". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Renate Orth-Guttmann. Diogenes Verlag, Zürich 2000. 346 S., geb., 44,90 DM.

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