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"Die Jungfrau im Garten" bildet den Auftakt zu einer Romanfolge, die am Beispiel der unterschiedlichen Lebenswege zweier Schwestern ein Spiegelbild der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts entwirft. Literatur und Historie werden kunstvoll miteinander verwoben, Moden, Zeitströmungen und gesellschaftliche Normen ebenso kritisch beleuchtet wie die Zwänge der fünfziger und die scheinbare Befreiung in den sechziger Jahren.

Produktbeschreibung
"Die Jungfrau im Garten" bildet den Auftakt zu einer Romanfolge, die am Beispiel der unterschiedlichen Lebenswege zweier Schwestern ein Spiegelbild der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts entwirft. Literatur und Historie werden kunstvoll miteinander verwoben, Moden, Zeitströmungen und gesellschaftliche Normen ebenso kritisch beleuchtet wie die Zwänge der fünfziger und die scheinbare Befreiung in den sechziger Jahren.
Autorenporträt
A. S. Byatt gelangte mit ihrem Roman "Besessen", der 1990 mit dem Booker-Preis ausgezeichnet wurde, zu Weltruhm. Ihr Werk umfasst neun Romane, zahlreiche Erzählungen und literaturkritische Texte; für ihr Schaffen wurde sie vielfach ausgezeichnet und 1999 von der Queen zur Dame Commander of the British Empire ernannt. A. S. Byatt kam 1936 in Yorkshire zur Welt, hat drei Töchter und lebt in London.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.01.1999

Der Vikar ahnt seinen Schmerz
Erschöpfend: Antonia S. Byatt bevölkert eine Liebhaberbühne

Viel gelesen, übersetzt und verfilmt sind die Romane der englischen Autorin Antonia S. Byatt. Das läßt, allen Unkenrufen über den Untergang der Lesekultur zum Trotz, auf eine weite Verbreitung anspruchsvoller Lektüretechniken schließen. Denn zwar würde ein strenger Richter diese üppigen Wortkunstwerke aus privater Hoffnung und Enttäuschung, aus Geschichtsgemälde und Zeitkolorit der Trivialliteratur zuzählen. Doch müßte er eingestehen, daß dies Dickicht aus Personen, Orten und Ereignissen aus viel Fleiß und einiger Phantasie hervorgegangen und nicht leicht zu durchqueren ist.

Der im Original schon 1978 erschienene Roman "Die Jungfrau im Garten" besitzt einen schier unendlichen Reichtum an Figuren, Figurenkonstellationen und Lokalitäten. Wie viele immer neue Beziehungen gestalten sich nicht zwischen den Eltern und Kindern, den Geschwistern untereinander, den Lehrerkollegen, Verlegern, Autoren, heranwachsenden Knaben, Ärzten und dem übergewichtigen Vikar? Und an wie vielen Orten treffen sie nicht aufeinander - im kleinbürgerlichen Wohnzimmer, auf dem Schulhof, auf Schutthalden, die zu Nistplätzen der Liebe werden, in Pastorenzimmern, auf der Liebhaberbühne -, um im langsamen Tempo dieser siebenhundert Seiten, aber im rasanten Wechsel der Empfindungen zur Selbsterkenntnis zu gelangen!

Diesen Zustand der Wahrheit hebt die Autorin freilich für fast alle Figuren bis zu guter Letzt auf. Dann endlich weiß die begabte Frederica, daß sie nicht auf die erträumte Bühne gehört, dann erschüttert den Vater, einen wahren Haustyrannen, was er aus seiner Familie gemacht hat, dann erkennt der Stückeschreiber, der zugleich Lehrer und impotenter Liebhaber ist, daß er keine Frauen braucht, dann ist die Frustrationstoleranz selbst des leidensfähigen Vikars überschritten, und er ahnt den Umfang seines Schmerzes.

Es geht bei all dem Wirbel nicht um das, womit der Klappentext den (meist weiblichen) Leser lockt: das Schicksal zweier Schwestern, die angeblich ihr wahres Selbst befreien, indem sich ihr Leben in umgekehrter Richtung entwickelt, als sie es sich gewünscht haben. Vielmehr ist es der Ehrgeiz der Autorin, ein Pantheon von Typen vorzuführen, die, wie die Götter des Olymp, alle gleichwertig sind.

Dabei orientiert sich Antonia S. Byatt am Figurentableau der großen Romane des neunzehnten und frühen zwanzigsten Jahrhunderts, vor allem der russischen, um mit ihren vielen kleinen Menschen das Bild einer großen Epoche zu skizzieren. Die Aufführung eines historischen Dramas über die Zeit Elisabeths I. bringt die Figuren zusammen, sie erleben aber die Zeit Elisabeths II. Die Beschreibung eines der Kostüme aus der Tudorzeit, die bei der Aufführung getragen werden, stellt diesen Zusammenhang von Vergangenheit und Gegenwart her: "Jedenfalls saß sie nun, zum letzten Mal, in ihrem weißgefälteten Nachthemd unter der jetzt wirklich himmelhohen roten Perücke auf ihrem riesengroßen, cremeseidenen Kissen. Die sich Meter um Meter fächerförmig um sie bauschenden Linnengewänder, in denen Elizabeth II. auf dem schlichten, sakramentalen Höhepunkt der Krönungsfeierlichkeiten zu sehen gewesen war, hatten bei dem endgültigen Entwurf dieses Kostüms Pate gestanden."

Die Schwierigkeit der Lektüre dieses Romans liegt nicht darin, das Geflecht der verschiedenen, ineinander gewobenen Schicksale zu durchschauen, sondern in der Atemlosigkeit, mit der ein Ereignis das andere jagt. Nicht, daß gerade viel geschähe; aber mit jeder Figur tritt ein Schicksal auf, in jeder Figur bebt es, sobald sie zu erscheinen nur aufgerufen ist. Ohne auf dem Höhepunkt eines inneren Dramas und eines äußeren Konflikts zu sein, besitzt eine Figur in diesem Roman kein Recht zum Auftritt. Erholungszeiten, wie sie gerade lange Romane ihren Lesern gönnen, indem sie das Geschehen durch die ausführliche Beschreibung von Landschaften, Häusern, Dingen und auch der Physiognomie der Menschen unterbrechen, gewährt Antonia S. Byatt kaum einmal.

Der Verzicht auf die traditionellen Ruheplätze des Lesers mag vom Einfluß der Fernsehfilme herrühren. Der kleine Bildschirm erfordert eine Fixierung auf nennenswerte Ereignisse, räumliche Szenerien hingegen können sich auf ihm nicht recht entfalten. Auch die Figuren der Antonia S. Byatt erscheinen alle wie im Brustbild gegeben, aus ihren Mündern kommen nur Sätze, die die Handlung oder vielmehr das Charakterdrama ein Stück vorantreiben. Immerhin aber muß, anders als beim Film, die Anschauung zum Text vom Leser erst in seinem Innern erzeugt werden. Das aber bedeutet für ihn bei der Dürftigkeit der optischen Repräsentation eine Überforderung. Der Erfolg dieser Autorin macht daher den Lesern mehr Ehre als ihr selbst. HANNELORE SCHLAFFER

Antonia S. Byatt: "Die Jungfrau im Garten". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Christa E. Seibicke. Insel Verlag, Frankfurt am Main 1998. 686 S., geb., 49,80 DM.

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