Eine ganz normale Jugend im ländlichen Amerika der 60er Jahre. Die junge Jo Ann wächst in einer verschlafenen Kleinstadt im mittleren Westen auf. Endlich erwachsen werden, aus der Enge ausbrechen, ist ihr großer Traum. Die Begegnung mit dem anderen Geschlecht und der eigenen Sexualität führt sie auf unbekanntes Terrain. Ein Junge aus ihrer Clique wird ihr fester Freund, ihr Ehe- und Ex-Ehemann. Die Jahre vergehen in Eintönigkeit - bis es eines Tages zu einer Zäsur kommt. Es beginnt damit, daß an ihrem Arbeitsplatz, einem Institut für Astrophysik, ein Student Amok läuft, und sie nur knapp dem Tod entgeht.
Jo Ann Beard über Jungs
Eine Kindheit in Illinois, irgendwo auf dem Land: Jo Ann wächst in den sechziger Jahren mit zwei Geschwistern und vielen Vettern und Cousinen auf, erlebt den bäuerlichen Alltag, die jährlichen Höhepunkte und Attraktionen des Kleinstadtlebens. Jo Ann erzählt die Geschichte ihrer Jugend, notiert Kindheitsbeobachtungen in konsequent durchgehaltener Perspektive. So gelingt es ihr etwa, dem Leser die Bedeutung klar zu machen, die der Puppenjunge Hal für die zweijährige Jo Ann besitzt. Andere Passagen widmen sich Jugendfreundinnen und Barbesuchen, schildern das Familienleben mit dem alkoholkranken Vater oder den Krankenhaustod der Mutter.
Die Kapitel sind in sich so geschlossen, daß der Band in Kurzgeschichten zu zerfallen scheint, die nur durch die Person der Erzählerin zusammengehalten werden. "Die Jungs meiner Jugend" präsentiert sich als eine Sammlung von Impressionen, die sich hinsichtlich der Chronologie nicht ablösen, sondern überschneiden. Die Textstruktur ist gekonnt am filmischen Erzählen orientiert. Beard arbeitet mit harten Schnitten, Zeitsprüngen, Überblendungen und mit Standbildern, eingefrorenen Momenten intensiven Erlebens: "Der Augenblick dehnt sich wie die Linie am Horizont", heißt es in der Beschreibung eines Sommerabends, den die Familie vor dem Haus, Jo Ann aber einer Allergie wegen auf der Veranda hinter einem Fliegengitter verbringt.
Die Position der Beobachtenden, die sie hier gezwungenermaßen einnimmt, ist typisch für Jo Anns Haltung ihrer Umwelt gegenüber. Sie registriert, reagiert auf die Impulse anderer, erscheint erschreckend passiv. Ihre Ehe mit einem Astrophysiker, ihrem Jugendfreund, ist gezeichnet von sanften Demütigungen, die sie meist klaglos erträgt. Schließlich verläßt sie ihr Mann, und er gibt ihr beim Abschied zu verstehen, daß sie sich ändern müsse, er jedenfalls könne mit ihr nicht leben - um sich anschließend am Telefon permanent von ihr diese Entscheidung bestätigen zu lassen.
Es zeugt von Beards erzählerischem Geschick, daß die nüchterne Darstellung dieser Ehegeschichte wie auch das gesamte Buch stilistisch ohne Larmoyanz und inhaltlich ohne Schuldzuweisungen auskommt. Statt dessen entwickelt sie in den Beschreibungen eine verhaltene Komik, die keinen der Protagonisten verschont, am wenigsten Jo Ann. Störend sind lediglich unbeholfene Passagen der Übersetzung: Formulierungen wie "Sie hatte es längst aufgegeben, mit mir herumzuargumentieren" schmälern etwas den Genuß des Buches. TILMAN SPRECKELSEN
Jo Ann Beard: "Die Jungs meiner Jugend". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Sabine Lohmann. btb, München 1998, 281 S., geb., 36,90 DM.
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