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Das Buch des Kölner Judaisten Johann Maier führt anhand von Texten aus den "Licht-Pforten" des Josef Abraham Gikatilla in die "klassische" Kaballah ein. Es behandelt die Hauptthemen der jüdischen Mystik und macht den Leser auch mit dem faszinierenden Bibelverständnis der Kabbalisten vertraut.

Produktbeschreibung
Das Buch des Kölner Judaisten Johann Maier führt anhand von Texten aus den "Licht-Pforten" des Josef Abraham Gikatilla in die "klassische" Kaballah ein. Es behandelt die Hauptthemen der jüdischen Mystik und macht den Leser auch mit dem faszinierenden Bibelverständnis der Kabbalisten vertraut.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.05.1996

Gott wird immer unsichtbarer
Johann Maiers Einführung in die Denkweise der Kabbalah, der jüdischen Mystik

Dem deutschen Leser, der am Judentum interessiert ist, bietet der Verlag C. H. Beck seit langem ein reiches, informatives Programm. Schon 1982 erschien dort Günter Stembergers Einführung in den Talmud und den Midrasch, die inzwischen auch in der englischsprachigen Welt zu einem Standardwerk geworden ist, und jetzt legt der Kölner Judaist Johann Maier seine Einführung in die Kabbalah vor.

Wie Stemberger hat auch Maier sein Buch als Kompendium und zugleich als Sammlung ausgewählter Quellen konzipiert. Dabei ist er weniger an einer zeitlichen Entfaltung seines Themas interessiert, verzichtet auf einen historischen Überblick von den Anfängen der jüdischen Geheimlehre bis zu ihrer lurianischen Spätform. Statt dessen bietet er eine bewußt eingeschränkte Phänomenologie: Achsenzeit seiner Darstellung ist das Jahr 1300, und seine Hauptquellen sind neben dem "Zohar" die Werke des Kabbalisten Josef ben Abraham Gikatilla.

Es sind, wie schon der Untertitel des Buches verspricht, die klassischen Texte der Kabbalah. "Er war anfangs Anhänger der Philosophie des Maimonides", schreibt Maier über Mose ben Schemtob de León, den Autor des "Zohar", "lernte durch die Bekanntschaft mit Abraham Josef Gikatilla dessen ,prophetische Kabbalah' kennen, entwickelte sich aber bald zum einflußreichsten Vertreter der theosophischen Richtung, wobei das Studium neuplatonischer Texte mit eine Rolle gespielt haben dürfte."

Im Spanien des späten 13. Jahrhunderts konsolidiert sich die klassische Kabbalah, und Maier verankert sie in einem theosophischen Rahmen, bettet sie ins geistesgeschichtliche Umfeld des Neuplatonismus ein. Daneben hat es in diesen prägenden Jahren auch eine andere Möglichkeit gegeben, die im Begriff der "prophetischen Kabbalah" und im Namen Abraham Abulafia angedeutet ist: eine Gottessuche, die nicht theosophisch, sondern ekstatisch ausgerichtet war und die ihr letztes Ziel nicht in einem sorgfältig strukturierten Gedankengebäude, sondern in der unio mystica sah.

Doch Mose de León und Josef Gikatilla, Johann Maiers Hauptquellen, wenden sich von der prophetischen Kabbalah und dem Ekstatiker Abulafia ab. Freilich bleibt auch bei Maier die Ambivalenz sichtbar, die diese Theosophen erfüllt: Mose de León hat den von ihm selbst geschriebenen "Zohar" als ein altes, aus Urzeiten überkommenes Werk ausgegeben, und erst die moderne Forschung hat den wahren Sachverhalt aufgeklärt. Er wollte diesem klassischen Werk der Kabbalah die Aura einer ursprünglichen Gottesnähe verleihen, die er den eigenen theosophischen Spekulationen wohl nicht recht zutraute.

Die zehn Finger Gottes

In der philosophischen Schule des Maimoniden, aus der Mose de León kam, hatte sich der alte jüdische Gottesbegriff zu einer geistigen Abstraktion verflüchtigt, die keinen Anthropomorphismus, keine Angleichung von Gott und Mensch mehr zuließ. Der transzendente Gott der Philosophen war unzugänglich geworden, und Maier zeigt, wie die kabbalistische Theologie die hier aufbrechende Kluft zu überbrücken versucht: eine frühe, noch anthropomorphistische Vorstellung der "zehn Finger Gottes bauen die Kabbalisten zur Struktur der Sefirot" um, zu einer komplizierten Hierarchie aus zehn göttlichen Emanationen, die als theurgische Wirkungskraft vermittelnd zwischen dem Oben der Transzendenz und dem Unten der manifesten Schöpfung steht.

Damit gewinnt die Kabbalah nicht nur einen neuen Zugang zur rabbinischen Tradition, zur Exegese der Heiligen Schriften und der aus ihr erwachsenen Gebotsfrömmigkeit; sie gestaltet auch ihre eigene Erlösungsvision für eine gottferne Welt. Hatten die Autoren des Talmud ein auf dem biblischen Kanon basierendes Reglement für die Exilgemeinden geschaffen, so überhöhen die Kabbalisten mit der Theologie der Sefirot jetzt das traditionelle Verständnis des Religionsgesetzes und machen ihre mystische Deutung zum theurgischen Imperativ des gerechten Verhaltens. "Die kabbalistische Deutung der Thora", schreibt Maier, "verstärkte die traditionellen Grundüberzeugungen, und so wurde für den Kabbalisten die Thora zum offenbarten Schlüssel des Verständnisses von allem - bis hin zur Gottheit. Die allgemein-menschlichen Erkenntnisquellen und selbst die besondere Erkenntniskraft der Israeliten stehen für den Kabbalisten im Dienst dieser höheren, weil allumfassenden Erkenntnis, die in allem, was ist, wirkungskräftige Symbole und Chiffren der Sefirot-Vorgänge sieht."

Das zentrale Problem des nachbiblischen Judentums ist immer die Theodizee gewesen, die Frage, wie das am Sinai auserwählte Volk schließlich sein Gelobtes Land, seinen Tempel und damit vielleicht auch seinen Gott verloren hat. Die von Maier ausgewählten und erläuterten Texte machen sichtbar, daß sich mit der Kabbalah und ihrer Radikalisierung rabbinischer Traditionen ein dialektischer Sprung innerhalb der jüdischen Geschichte vollzieht - die forcierte Suche nach einem im endlosen Exil immer unsichtbarer gewordenen Gott.

Diese historische Komponente wird deutlich, obwohl Johann Maier keinen diachronischen Überblick seines Themas gibt und sich nur auf die klassische Phase der Kabbalah konzentriert. Mose de León und Josef Gikatilla schreiben ihre Texte zweihundert Jahre vor der Vertreibung der Juden aus Spanien. Aber schon sie lassen die eschatologische Zuspitzung ahnen, die die jüdische Mystik dann in den Krisenzeiten des 16. und 17. Jahrhunderts erfahren wird: ihren Höhepunkt, und in gewissem Maße auch ihr Ende, in der sabbatianischen Bewegung. JAKOB HESSING

Johann Maier (Hrsg.): "Die Kabbalah". Einführung - Klassische Texte - Erläuterungen. Verlag C. H. Beck, München 1995. 416 S., geb., 78,- DM.

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