Berlin im Jahr 2006: Ein Mann hat in den achtziger Jahren im Gebäude des Neuen Deutschland als Handwerker gearbeitet und später die DDR verlassen. Eines Tages bekommt er einen Anruf von seiner früheren Frau. Sie wartet in einem Krankenhaus auf die exakte Diagnose ihrer Krebskrankheit. Um ihr zu helfen, reist er zurück in die Stadt und versucht, die Ereignisse einiger Tage Anfang Mai 1986 zu rekonstruieren. War ein aus der Ukraine kommender Lastwagen, mit dem sie in Berührung kam, verstrahlt? Und warum erscheint der Tod eines Kollegen, an dem er sich die Schuld gab, zweifelhafter denn je? Sind die Geschehnisse von damals der Grund dafür, dass er in dem Leben, das er bis vor Kurzem geführt hat, nie wirklich Fuß fassen konnte? Schnell beginnen die Tage in Berlin ihm zu entgleiten, werden zu einer verzweifelten Suche nach Orientierung angesichts eines nie verkrafteten Bruchs in seinem Leben.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.11.2012Beeckdörp hat das letzte Wort
Frank Schulz erhält den Kranichsteiner Literaturpreis
Die DDR ist noch lange nicht Vergangenheit. Die Erinnerungen an sie reichen bis in die Gegenwart, in den Alltag hinein, beeinflussen Denken und Handeln ihrer ehemaligen Bürger. Aufgewachsen in einem Land, das es heute nicht mehr gibt, verarbeiten viele deutsche Nachwuchsschriftsteller ihre Kindheitserinnerungen in Büchern, in denen die ostdeutsche Diktatur als schwierige Heimat mit mehr oder weniger kritischem Unterton, aber nie ohne eine gewisse Nostalgie wiederauflebt.
Der Blick auf die DDR verbindet auch die diesjährigen Stipendiaten des Deutschen Literaturfonds, deren Namen bei der Überreichung des Kranichsteiner Literaturpreises an Frank Schulz in Darmstadt bekanntgegeben wurden. Inka Parei, ausgezeichnet mit dem New-York-Stipendium, erzählt in ihrem Roman "Die Kältezentrale" vom Versuch eines geschiedenen Ehepaars, eine schicksalhafte Entscheidung zu rechtfertigen. Gregor Sander, der das London-Stipendium erhält, betrachtet in seinem Erzählband "Winterfisch" das Leben im ehemals zur DDR gehörenden Norden Deutschlands.
Auch Schulz' Werke sind mal düstere, mal heitere Heimat-Retrospektive. In seiner "Hagener Trilogie", die zwischen 1991 und 2006 erschien, geht es um den Versuch des Helden Bodo Morten, vor der eigenen Vergangenheit im für Schulz' Heimat Hagen stehenden Dörfchen Beeckdörp zu fliehen - im geographischen wie im Freudschen Sinne. Für sein Gesamtwerk und den jüngst erschienenen Roman "Onno Viets und der Irre vom Kiez" erhielt Schulz nun den mit 20 000 Euro dotierten Kranichsteiner Literaturpreis, den der Literaturfonds seit 1983 vergibt. Edo Reents, Redakteur im Feuilleton dieser Zeitung, beschrieb in seiner Laudatio den "Grundkonflikt zwischen Intellektuellem und Proletarier", den Morten auszutragen habe. Doch eigentlich sei von vornherein klar: Beeckdörp habe das letzte Wort.
Der mit 5000 Euro dotierte Literaturförderpreis ging an Benjamin Maack, der sich am Vormittag beim Wettlesen auch bei der Schüler-Jury des Darmstädter Ludwig-Georgs-Gymnasiums hatte durchsetzen können.
JULIA KERN
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Frank Schulz erhält den Kranichsteiner Literaturpreis
Die DDR ist noch lange nicht Vergangenheit. Die Erinnerungen an sie reichen bis in die Gegenwart, in den Alltag hinein, beeinflussen Denken und Handeln ihrer ehemaligen Bürger. Aufgewachsen in einem Land, das es heute nicht mehr gibt, verarbeiten viele deutsche Nachwuchsschriftsteller ihre Kindheitserinnerungen in Büchern, in denen die ostdeutsche Diktatur als schwierige Heimat mit mehr oder weniger kritischem Unterton, aber nie ohne eine gewisse Nostalgie wiederauflebt.
Der Blick auf die DDR verbindet auch die diesjährigen Stipendiaten des Deutschen Literaturfonds, deren Namen bei der Überreichung des Kranichsteiner Literaturpreises an Frank Schulz in Darmstadt bekanntgegeben wurden. Inka Parei, ausgezeichnet mit dem New-York-Stipendium, erzählt in ihrem Roman "Die Kältezentrale" vom Versuch eines geschiedenen Ehepaars, eine schicksalhafte Entscheidung zu rechtfertigen. Gregor Sander, der das London-Stipendium erhält, betrachtet in seinem Erzählband "Winterfisch" das Leben im ehemals zur DDR gehörenden Norden Deutschlands.
Auch Schulz' Werke sind mal düstere, mal heitere Heimat-Retrospektive. In seiner "Hagener Trilogie", die zwischen 1991 und 2006 erschien, geht es um den Versuch des Helden Bodo Morten, vor der eigenen Vergangenheit im für Schulz' Heimat Hagen stehenden Dörfchen Beeckdörp zu fliehen - im geographischen wie im Freudschen Sinne. Für sein Gesamtwerk und den jüngst erschienenen Roman "Onno Viets und der Irre vom Kiez" erhielt Schulz nun den mit 20 000 Euro dotierten Kranichsteiner Literaturpreis, den der Literaturfonds seit 1983 vergibt. Edo Reents, Redakteur im Feuilleton dieser Zeitung, beschrieb in seiner Laudatio den "Grundkonflikt zwischen Intellektuellem und Proletarier", den Morten auszutragen habe. Doch eigentlich sei von vornherein klar: Beeckdörp habe das letzte Wort.
Der mit 5000 Euro dotierte Literaturförderpreis ging an Benjamin Maack, der sich am Vormittag beim Wettlesen auch bei der Schüler-Jury des Darmstädter Ludwig-Georgs-Gymnasiums hatte durchsetzen können.
JULIA KERN
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Dieser Erzähler, der aus der Kältezentrale kam, hat Judith Sternburg fasziniert. Genau genommen ist es allerdings die Autorin, die Sternburg fasziniert hat. Noch genauer Inka Pareis Konsequenz im Beackern eines Themas (die Unzuverlässigkeit der Erinnerung) und ihre Fähigkeit, das Private im Historischen zu sehen und umgekehrt. So kompliziert sich hier einer erinnert, so gefesselt ist Sternburg bald und folgt dem Kältetechniker des "Neuen Deutschland" in seine Vergangenheit und alle damit aufgerufenen Fragen. "Was war eigentlich los?" ist so eine Frage. "Ist dem Erzähler zu trauen?", eine andere. Meisterhaft in Einfühlung und Komposition findet Sternburg den Roman gebaut.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Das 'neue deutschland' als ein Ort der permanenten Improvisation und Neuregulierung; das ist ein starkes Bild.« Christoph Schröder / Süddeutsche Zeitung»Durch die Raffinesse der Konstruktion und ihr sprachliches Vermögen hält Parei die schneidende Kälte der DDR auf konstantem Niveau [...]; ihrem Bann entkommt man nicht.« Katrin Hillgruber / Die Rheinpfalz»Das Beeindruckende an diesem Buch ist [...] die präzise und klare Sprache der Autorin. Parei schreibt Sätze, die man immer wieder lesen mag, schnörkellos und schön.« Claudia Hönck / Financial Times Deutschland»Lässt man sich mit Inka Parei auf die fieberhafte Suche nach der einen, der gültigen Wahrheit ein, wird es spannend wie im Thriller.« Sandra Kegel / Frankfurter Allgemeine Zeitung»Eine spannende, fast kriminalistisch organisierte historische Recherche; eine lakonische, sachlich-nüchterne Sprache ... Die Kältezentrale ist ein raffiniertes Verwirr- und Puzzlespiel.« Sigrid Löffler / rbb-Kulturradio»Die Kältezentrale ist eines jener Bücher, die man am besten gleich nach dem Zuschlagen noch einmal von vorne beginnt.« Anja Kümmerl / Weser-Kurier»Wenn man sich auf diesen leicht surrealen Trip in die Vergangenheit einlässt, entstehen sehr reale Einsichten über Deutschland einst und jetzt.«Ulrike Sárkány / NDR Kultur»Inka Parei - eine Meisterin der Zwischentöne. [...] Das Buch handelt von den Schwierigkeiten, Vergangenes zu deuten, wenn sich die Realität von einst gespenstisch verzerrt.« Irmtraud Gutschke / Neues Deutschland