Jetzt im Kino - verfilmt von Dany Levy.
Mit dieser Ausgabe feiern wir elf Jahre nach der Erstveröffentlichung das zehnjährige Jubiläum der Känguru-Chroniken, indem wir einfach das Poster der Verfilmung aufs Cover klatschen und sonst absolut nichts an dem Buch ändern (»Warum auch?« O-Ton Känguru). Es gibt also keinen Grund, dieses Buch zu kaufen, außer natürlich, wenn Ihr es aus irgendeinem absurden Grund noch nicht gelesen habt. Dann wird es Zeit. Das Buch ist übrigens mindestens so witzig wie der Film! Findet jedenfalls Marc-Uwes Lektor, der gerade diesen Text schreiben muss.
Mit dieser Ausgabe feiern wir elf Jahre nach der Erstveröffentlichung das zehnjährige Jubiläum der Känguru-Chroniken, indem wir einfach das Poster der Verfilmung aufs Cover klatschen und sonst absolut nichts an dem Buch ändern (»Warum auch?« O-Ton Känguru). Es gibt also keinen Grund, dieses Buch zu kaufen, außer natürlich, wenn Ihr es aus irgendeinem absurden Grund noch nicht gelesen habt. Dann wird es Zeit. Das Buch ist übrigens mindestens so witzig wie der Film! Findet jedenfalls Marc-Uwes Lektor, der gerade diesen Text schreiben muss.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.03.2020Schluss mit der Ausbeutelung!
Millionen haben sie gelesen und gehört, jetzt kommen sie ins Kino: "Die Känguru-Chroniken"
Bei der Wahl des Haustieres sind die meisten Menschen konventionell. Ein Hund oder eine Katze, ab und zu mal ein Sittich oder ein Meerschweinchen, und bei vielen natürlich: Nicht die Bohne kommt mir ein Vieh in Haus. Was die Natur sonst noch so an Gehoppel und Gepoppel anzubieten hat, ist dann schon etwas für Eigenbrötler oder Exzentriker. Und dann gibt es auch Menschen, die sich ihr signifikantes anderes aus dem Tierreich nicht aussuchen. Sie geraten an eines. So ein Fall ist Marc-Uwe Kling. Bei ihm klingelt eines Tages ein Känguru, das nach zwei Eiern fragt, zum Zweck der Herstellung eines Eierkuchens, für den es dem Känguru dann auch noch an Salz, einem Schneebesen und recht besehen auch einem Herd mangelt. So schnell läuft es selbst unter Wesen, die füreinander bestimmt sind, selten auf eine Wohngemeinschaft und auf Lebensmittelkommunismus hinaus.
Der Kleinkünstler Marc-Uwe Kling, der alles sein möchte, nur kein Kleinkünstler, und das Känguru, bei dem die Gattungsbezeichung als Name reichen mag, denn so viele linksradikale, eierkuchenbackende Beuteltiere gibt es in Kreuzberg ja nicht, sie sind jetzt schon eine Weile ein Paar und ein Phänomen. Kling spielt dabei bewusst oder notgedrungen die zweite Geige, es ist das Känguru, das sich mit seiner schrillen Stimme nach vorne drängt, das bürgerliche Zurückhaltung nicht kennt, sondern im Gegenteil jede Zensur radikal ablehnt, in erster Linie die Selbstzensur. In einer Redensart im Englischen steht der Elefant im Zimmer für all das, was niemand aussprechen möchte, was aber unübersehbar ist. Das Känguru ist ein Verwandter aller dieser Elefanten, nur deutlich beweglicher. Es legt sich ungern fest, außer auf das Gegenteil dessen, was Marc-Uwe Kling gerade gesagt hat.
In den siebziger Jahren trat in der Rudi Carrell Show einmal der Bauchredner Rod Hull mit seinem Emu auf, ein Mann im Tropenanzug, aus dessen rechtem Arm ein Vogel hervorging, der überall zuschnappte, wo er nicht durfte. Hull war einer der bekanntesten Vertreter einer Zunft, die im Grunde noch zum Varieté gehörte, die dann aber in der Fernsehunterhaltung ein neues Betätigungsfeld fand. Marc-Uwe Kling ist so etwas wie der Rod Hull der beschleunigten Mediengegenwart. Mit seinem Känguru hat er sich eine Stimme verschafft, mit der er auf allen möglichen Plattformen inzwischen schon mehr als zehn Jahre höchst präsent ist: mit Podcasts, auf Lesebühnen, in Buchform, also alles im Grunde Kleinkunst, wenngleich kommerziell in den höchsten Umlaufbahnen.
Das Känguru wird man nicht mehr so leicht los, wenn man es einmal gehört hat. Es ist die schiere Zudringlichkeit, und dabei auch viel mehr als ein Haustier, denn Haustiere sind domestiziert, während das Känguru die freie Wildbahn seines ungezähmten Sprechens in die Küche von Marc-Uwe Kling verlegt hat. Da Kling aber nun einmal der Autor ist und das Känguru an seinen Stimmbändern hängt, kann man ihn nicht nur als Bauchredner verstehen, sondern auch als Entfesselungskünstler. Das Känguru gönnt sich alles das, wozu ein Kleinkünstler nicht den Mut hat. Es ist das Unbewusste mit Fell und Beutel, und es macht deutlich: der Trieb ist links.
Dani Levy hat nun den logischen nächsten Schritt gemacht und "Die Känguru-Chroniken", das Buch, in dem die WG gegründet wurde, für das Kino verfilmt. Dabei war vor allem eine Frage zu klären: Wie soll es aussehen? Zwar fand sich auf dem Cover des Buches eine Aufnahme von einem Känguru neben drei Passbildern des Autors, aber das war eher eine ironische Konzession. Bisher war das Känguru vor allem auch ein Akt der Evokation, eine Kreatur, die im Grunde aus nichts anderem bestand als einem ligamentalen Umschwung im Inneren von Marc-Uwe Kling.
Im Kino boten sich für die visuelle Konkretion verschiedene Möglichkeiten, eine Zeichentrickfigur wie damals Roger Rabbit oder, wie es heute geläufiger ist, eine Animation, also eine digitale Belebung. Die andere Frage wurde ebenfalls pragmatisch gelöst: Marc-Uwe Kling spielt sich nicht selbst, seine Rolle übernimmt der Schauspieler Dimitrij Schaad. Bisher war Kling ja immer der Performer gewesen, beim Film ist er nun nur akustisch zugeschaltet. Auch bei sympathischen Schluffis aus Kreuzberg gibt es Unterschiede in der Ausstrahlung, und gerade ein Terroropfer, wie es der Kling aus dem Film nun einmal ist, will professionell gespielt werden. Wir reden klarerweise von therapeutischem Terror. Oder kathartischem?
Das muss die Geschichte klären. Die Geschichte des Films, ohne eine solche geht es nicht, es braucht einen Plot. Das Buch besteht ja vor allem aus Szenen, in denen Kling und das Känguru sich über so Dinge wie "bürgerliche Kategorien" oder den Doppelsinn von Schwalben unterhalten. Ein nicht geringer Teil des Erfolgs der Bücher dürfte ja darin bestehen, dass sich hier die Verächter von Richard David Precht (und von Primärtexten) ihre Philosophie holen, und dies auf intellektuell durchaus anspruchsvolle Weise.
Unweigerlich fällt der Film "Die Känguru-Chroniken" hinter die szenische Reflexivität des Buches doch deutlich zurück, weil er halt vieles auserzählen muss. Das heiße Thema in Kreuzberg hat sich ziemlich genau in dem historischen Zeitraum abgezeichnet, in dem Marc-Uwe Kling erfolgreich wurde: davor waren hier Typen ganz normal, zu deren geistigem Haushalt auch ein sprechendes australisches Beuteltier gehören mochte. Heute lassen sich hier Leute abends ihren SUV vor die Wohnungstür hochfahren, in neureichen Gebäuden, die unter keinen Mietpreisdeckel passen.
Henry Hübchen spielt einen Immobilienhai namens Jörg Dwigs, gegen den eine Allianz geschmiedet werden muss. Dass Dwigs ein Quartett lächerlicher Rechtsnationaler, angeführt von einem fetten Tattoo-Nazi, als Handlanger hält, hilft ihm nichts, denn die Guten (und das Känguru) haben eine schöne Hackerin und andere Rechtschaffene auf ihrer Seite. Man mag, wenn man möchte, entfernt an einen Geist der Obstination denken, auf den in Berlin derzeit jedes Projekt mit Investorenhintergrund stößt. Aber Henry Hübchen ist kein Jeff Bezos, der in Friedrichshain einen Turm bauen will, und außerdem kann man Hübchen gar nicht so richtig böse sein, schließlich bringt er dem Regisseur des Kängurufilms, Dani Levy, ja Glück. Er spielte nämlich auch die Hauptrolle in "Alles auf Zucker" (2005), und das war Levys bisher größter Erfolg.
"Die Känguru-Chroniken" stolpern eher so dahin, auch die Liebesgeschichte wird nicht richtig lebendig, Kostüme und Dekor und Locations wirken merkwürdig künstlich. Der Österreicher Paulus Manker hat ein paar denkwürdige Minuten als Therapeut, und gerade in diesen Szenen wird deutlich, dass das Metier von Marc-Uwe Kling und seinem Känguru nun einmal der Küchentischdialog ist, das Dialogische in freier, durch äußere Handlung uneinholbarer Assoziation. Mit der einen oder anderen Schnapspraline kommt man aber auch durch diese Ausprägung des Känguru-Kosmos ganz gut hindurch.
BERT REBHANDL
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Millionen haben sie gelesen und gehört, jetzt kommen sie ins Kino: "Die Känguru-Chroniken"
Bei der Wahl des Haustieres sind die meisten Menschen konventionell. Ein Hund oder eine Katze, ab und zu mal ein Sittich oder ein Meerschweinchen, und bei vielen natürlich: Nicht die Bohne kommt mir ein Vieh in Haus. Was die Natur sonst noch so an Gehoppel und Gepoppel anzubieten hat, ist dann schon etwas für Eigenbrötler oder Exzentriker. Und dann gibt es auch Menschen, die sich ihr signifikantes anderes aus dem Tierreich nicht aussuchen. Sie geraten an eines. So ein Fall ist Marc-Uwe Kling. Bei ihm klingelt eines Tages ein Känguru, das nach zwei Eiern fragt, zum Zweck der Herstellung eines Eierkuchens, für den es dem Känguru dann auch noch an Salz, einem Schneebesen und recht besehen auch einem Herd mangelt. So schnell läuft es selbst unter Wesen, die füreinander bestimmt sind, selten auf eine Wohngemeinschaft und auf Lebensmittelkommunismus hinaus.
Der Kleinkünstler Marc-Uwe Kling, der alles sein möchte, nur kein Kleinkünstler, und das Känguru, bei dem die Gattungsbezeichung als Name reichen mag, denn so viele linksradikale, eierkuchenbackende Beuteltiere gibt es in Kreuzberg ja nicht, sie sind jetzt schon eine Weile ein Paar und ein Phänomen. Kling spielt dabei bewusst oder notgedrungen die zweite Geige, es ist das Känguru, das sich mit seiner schrillen Stimme nach vorne drängt, das bürgerliche Zurückhaltung nicht kennt, sondern im Gegenteil jede Zensur radikal ablehnt, in erster Linie die Selbstzensur. In einer Redensart im Englischen steht der Elefant im Zimmer für all das, was niemand aussprechen möchte, was aber unübersehbar ist. Das Känguru ist ein Verwandter aller dieser Elefanten, nur deutlich beweglicher. Es legt sich ungern fest, außer auf das Gegenteil dessen, was Marc-Uwe Kling gerade gesagt hat.
In den siebziger Jahren trat in der Rudi Carrell Show einmal der Bauchredner Rod Hull mit seinem Emu auf, ein Mann im Tropenanzug, aus dessen rechtem Arm ein Vogel hervorging, der überall zuschnappte, wo er nicht durfte. Hull war einer der bekanntesten Vertreter einer Zunft, die im Grunde noch zum Varieté gehörte, die dann aber in der Fernsehunterhaltung ein neues Betätigungsfeld fand. Marc-Uwe Kling ist so etwas wie der Rod Hull der beschleunigten Mediengegenwart. Mit seinem Känguru hat er sich eine Stimme verschafft, mit der er auf allen möglichen Plattformen inzwischen schon mehr als zehn Jahre höchst präsent ist: mit Podcasts, auf Lesebühnen, in Buchform, also alles im Grunde Kleinkunst, wenngleich kommerziell in den höchsten Umlaufbahnen.
Das Känguru wird man nicht mehr so leicht los, wenn man es einmal gehört hat. Es ist die schiere Zudringlichkeit, und dabei auch viel mehr als ein Haustier, denn Haustiere sind domestiziert, während das Känguru die freie Wildbahn seines ungezähmten Sprechens in die Küche von Marc-Uwe Kling verlegt hat. Da Kling aber nun einmal der Autor ist und das Känguru an seinen Stimmbändern hängt, kann man ihn nicht nur als Bauchredner verstehen, sondern auch als Entfesselungskünstler. Das Känguru gönnt sich alles das, wozu ein Kleinkünstler nicht den Mut hat. Es ist das Unbewusste mit Fell und Beutel, und es macht deutlich: der Trieb ist links.
Dani Levy hat nun den logischen nächsten Schritt gemacht und "Die Känguru-Chroniken", das Buch, in dem die WG gegründet wurde, für das Kino verfilmt. Dabei war vor allem eine Frage zu klären: Wie soll es aussehen? Zwar fand sich auf dem Cover des Buches eine Aufnahme von einem Känguru neben drei Passbildern des Autors, aber das war eher eine ironische Konzession. Bisher war das Känguru vor allem auch ein Akt der Evokation, eine Kreatur, die im Grunde aus nichts anderem bestand als einem ligamentalen Umschwung im Inneren von Marc-Uwe Kling.
Im Kino boten sich für die visuelle Konkretion verschiedene Möglichkeiten, eine Zeichentrickfigur wie damals Roger Rabbit oder, wie es heute geläufiger ist, eine Animation, also eine digitale Belebung. Die andere Frage wurde ebenfalls pragmatisch gelöst: Marc-Uwe Kling spielt sich nicht selbst, seine Rolle übernimmt der Schauspieler Dimitrij Schaad. Bisher war Kling ja immer der Performer gewesen, beim Film ist er nun nur akustisch zugeschaltet. Auch bei sympathischen Schluffis aus Kreuzberg gibt es Unterschiede in der Ausstrahlung, und gerade ein Terroropfer, wie es der Kling aus dem Film nun einmal ist, will professionell gespielt werden. Wir reden klarerweise von therapeutischem Terror. Oder kathartischem?
Das muss die Geschichte klären. Die Geschichte des Films, ohne eine solche geht es nicht, es braucht einen Plot. Das Buch besteht ja vor allem aus Szenen, in denen Kling und das Känguru sich über so Dinge wie "bürgerliche Kategorien" oder den Doppelsinn von Schwalben unterhalten. Ein nicht geringer Teil des Erfolgs der Bücher dürfte ja darin bestehen, dass sich hier die Verächter von Richard David Precht (und von Primärtexten) ihre Philosophie holen, und dies auf intellektuell durchaus anspruchsvolle Weise.
Unweigerlich fällt der Film "Die Känguru-Chroniken" hinter die szenische Reflexivität des Buches doch deutlich zurück, weil er halt vieles auserzählen muss. Das heiße Thema in Kreuzberg hat sich ziemlich genau in dem historischen Zeitraum abgezeichnet, in dem Marc-Uwe Kling erfolgreich wurde: davor waren hier Typen ganz normal, zu deren geistigem Haushalt auch ein sprechendes australisches Beuteltier gehören mochte. Heute lassen sich hier Leute abends ihren SUV vor die Wohnungstür hochfahren, in neureichen Gebäuden, die unter keinen Mietpreisdeckel passen.
Henry Hübchen spielt einen Immobilienhai namens Jörg Dwigs, gegen den eine Allianz geschmiedet werden muss. Dass Dwigs ein Quartett lächerlicher Rechtsnationaler, angeführt von einem fetten Tattoo-Nazi, als Handlanger hält, hilft ihm nichts, denn die Guten (und das Känguru) haben eine schöne Hackerin und andere Rechtschaffene auf ihrer Seite. Man mag, wenn man möchte, entfernt an einen Geist der Obstination denken, auf den in Berlin derzeit jedes Projekt mit Investorenhintergrund stößt. Aber Henry Hübchen ist kein Jeff Bezos, der in Friedrichshain einen Turm bauen will, und außerdem kann man Hübchen gar nicht so richtig böse sein, schließlich bringt er dem Regisseur des Kängurufilms, Dani Levy, ja Glück. Er spielte nämlich auch die Hauptrolle in "Alles auf Zucker" (2005), und das war Levys bisher größter Erfolg.
"Die Känguru-Chroniken" stolpern eher so dahin, auch die Liebesgeschichte wird nicht richtig lebendig, Kostüme und Dekor und Locations wirken merkwürdig künstlich. Der Österreicher Paulus Manker hat ein paar denkwürdige Minuten als Therapeut, und gerade in diesen Szenen wird deutlich, dass das Metier von Marc-Uwe Kling und seinem Känguru nun einmal der Küchentischdialog ist, das Dialogische in freier, durch äußere Handlung uneinholbarer Assoziation. Mit der einen oder anderen Schnapspraline kommt man aber auch durch diese Ausprägung des Känguru-Kosmos ganz gut hindurch.
BERT REBHANDL
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main