Phantastische Geschichten vom Meister der literarischen HochkomikHerbert Rosendorfer hinterlässt uns neue Geschichten, die mit viel Charme und mit hintersinnigem Humor erzählt sind. Den Leser locken sie in eine wundersame Welt, in der das scheinbar Normale, das scheinbar Reale ins Phantastische übergeht.Herbert Rosendorfers neue Erzählungen, die nun posthum erscheinen, stecken voller Metamorphosen, Wanderungen und Träume, sie sind oft märchenhaft und bevölkert von grotesken Gestalten: Da wäre die kongeniale Gogol-Parodie vom braven Leibburschen Fedja und dem vermeintlich zum Frosch verwandelten Generalmajor Turkin, da ist der Kaktus eines unfreiwilligen Steuersünders, der allmählich zum reizenden Pygmalion wuchert. Es gibt einen Ulmer Hundehochzeitsunternehmer und seine Frau, die als Onassis- und Jackie-Kennedy-Darsteller auftreten, es gibt Drachen und Zwerge, Zentauren, die als Forstmeister arbeiten, und ein diplomatisches Maultier in den Anden. Ganz nebenbei wird der verloren gegangene Schluss von Kafkas Roman »Das Schloss« offenbart, ein gläsernes Buch kündet vom Goldenen Wind, der die Welt zur Wüste hobelt, das Vexierspiel um eine opulent-barocke Geheimgesellschaft in Venedig mündet in ein literarisches Rätsel und die Intrige um eine Chopin-Mazurka endet tödlich.Mit diesen surreal-skurrilen Geschichten erweist sich Herbert Rosendorfer als Meister einer ins Komische gebrochenen literarischen Phantastik, die der modernen rationalen Welt und ihren »Gewissheiten« auf höchst unterhaltsame Weise den Zerrspiegel vorhält. Nur eines ist nach großem Lesevergnügen gewiss: Ihren Kaktus sehen Sie fortan mit anderen Augen - und Wetterfrösche im Glas erst recht! »Ein bayerischer Autor mit internationalem Renommee« Jurybegründung zur Verleihung des Corine-Ehrenpreises 2010»Rosendorfer stammt aus der Familie eines E.T.A. Hoffmann oder Jean Paul, und damit sind wir mitten in einer Welt geistvoller Ungereimtheiten.« Martin Gregor-Dellin, Die Zeit»Seine posthum erschienenen Erzählungen zeigen Herbert Rosendorfer noch einmal als Meister des doppelbödigen Fabulierens.« Südeutsche Zeitung
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Wenn der "unermüdliche Fabulierer" Herbert Rosendorfer seiner Phantasie freien Lauf lässt, dann darf sich der Leser auf einiges gefasst machen, meint Sabine Doering und referiert ein paar der unerhörten Gestalten, die einem im Erzählungsband "Die Kaktusfrau" begegnen. Allerdings war die Lektüre für die Rezensentin kein ungetrübtes Vergnügen, weil sich zwischen allerlei Köstlichem und Kuriosem leider auch "schale Witze" sowie "zotige Witze und Kalauer" finden. Doerings Verstimmung wird an anderer Stelle durch gelungene Passagen wieder aufgehoben, doch wiegt die Unausgewogenheit im Niveau dieses Bandes schwer, weil er sich durch den seiner Veröffentlichung vorhergegangenen Tod Rosendorfers als dessen literarisches Vermächtnis herausstellt und diesen Anspruch nicht vollends gerecht wird, so die Rezensentin.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.01.2013Mein stummer Kaktus
Von alpinen Einradfahrern und gefährlichen Drachen: "Die Kaktusfrau" versammelt letzte Erzählungen des im September 2012 verstorbenen Herbert Rosendorfer.
Dem gesunden Menschenverstand ist nicht zu trauen, das lehren die fünfzehn Erzählungen, in denen Herbert Rosendorfer seine Leser mal in verschattete Hochgebirgstäler mit unaussprechlichen und nahezu ungenießbaren Speisen, mal in geheimnisvolle venezianische Gassen entführt und die allesamt von skurrilen Gestalten bevölkert werden. Alpinen Einradfahrern begegnet man hier und gefährlichen Drachen, die es jährlich nach unversehrten Jungfrauen verlangt; es treten mürrische Fuhrleute, verstorbene Heilige mit Hühneraugen und liebestolle alte Damen auf. Der unermüdliche Fabulierer Rosendorfer hat seiner Phantasie in diesen Geschichten ungezügelt Lauf gelassen. Sie sind nun, nach seinem Tod vor wenigen Wochen, unversehens zum literarischen Vermächtnis geworden.
Das freilich ist ein Gewicht, das die Lektüre dieser kleinen Etüden beträchtlich belasten kann. Denn zwar liest sich vieles in dieser Sammlung amüsant - die Gogol-Parodie von dem einfältigen Burschen, der seinen Offizier in einen grünen Wetterfrosch verwandelt glaubt, ist ein humoristisches Glanzstück -, doch oft genug vermögen die witzigen Einfälle nur für kurze Zeit zu fesseln. So beruht die Geschichte eines modernen Pygmalion zunächst auf einer originellen Idee. Ein einsamer Junggeselle verfolgt gebannt, wie ein ihm geschenkter Kaktus rasant seine Gestalt verwandelt, bis dem Blumentopf eine zwar grüne und stumme, aber doch sinnliche und willige Geliebte entsteigt. Doch trüben unnötige Übertreibungen - nicht weniger als 65 Millionen Mark Steuerschulden lastet das Finanzamt dem flüchtigen Erstbesitzer der Kaktusdame an - und etliche schale Witze das Lesevergnügen erheblich. Abgestandene Klischees wie das über unentwegt prügelnde Muslime, deren Frauen sich unter Schleiern verstecken müssen, weil der Koran ihre Züchtigung vorschreibt, wirken nicht nur seltsam verstaubt, sie sind noch nicht einmal witzig.
Vielleicht lag es in Rosendorfers Absicht, den begrenzten Horizont seiner durchweg männlichen Helden darzustellen, wenn er sie als nicht ganz ernstzunehmende Sextrottel immer wieder über die weibliche Anatomie schwärmen lässt, ihnen Lobesworte über "gloriose Hinterteile", sorgsam frisierte "dionysische Dreiecke" und wohlgeformte "Ärschgens" in den Mund legt oder sie verächtlich auf hexenhaft gezeichnete Frauen blicken lässt, deren "viel zu tiefes" Dekolleté "wurstartig Schlaffes" erblicken lässt. Das sind abgestandene Herren- und Pennälerwitze, die durch keine Erzählerstimme relativiert werden und deren Reiz beim Lesen schnell verfliegt.
Auch der Reisende, der sich bei seinen einsamen Exkursion ins Hochgebirge zu fragen beginnt, ob bei der angekündigten Wahl zur "Euterkönigin" wohl die Kühe oder die jungen Damen des entlegenen Weilers kandidieren, fände sein angemessenes Publikum vermutlich unter den amüsierwilligen Besuchern eines krachledernen Komödienstadels vergangener oder eines derben Junggesellenabschieds unserer Tage.
Unter all den zotigen Witzen und Kalauern gibt es indes auch einige schöne Ideen, in denen Herbert Rosendorfers Einfallsreichtum durchschimmert, für den er mit allem Recht so oft bewundert wurde. In wenigen Sätzen skizziert er beiläufig ein Ende von Kafkas unvollendetem Roman "Das Schloß", dessen Leichtigkeit und Eleganz mit manchen derben Ausrutschern dieser Sammlung versöhnen können. Die Geschichte von dem gutmütigen Waisenknaben, dessen Körper unter Gewalteinwirkungen regelmäßig versteinert und allen Angreifern schwere Verletzungen zufügt, ist eine leichthändige Replik auf das alte Märchenmotiv vom steinernen Herzen.
Im Gedächtnis seiner Leser aber wird Herbert Rosendorfer vor allem als der Verfasser der satirischen "Briefe in die chinesische Vergangenheit" bleiben, die vor fast dreißig Jahren erschienen und deren Witz noch heute zu fesseln vermag. Und das ist, um es nun selbst mit einem zum Klischee geronnenen Wort zu sagen, gut so.
SABINE DOERING
Herbert Rosendorfer: "Die Kaktusfrau". Erzählungen.
Verlag Kiepenheuer und Witsch, Köln 2012. 230 S., geb., 18,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Von alpinen Einradfahrern und gefährlichen Drachen: "Die Kaktusfrau" versammelt letzte Erzählungen des im September 2012 verstorbenen Herbert Rosendorfer.
Dem gesunden Menschenverstand ist nicht zu trauen, das lehren die fünfzehn Erzählungen, in denen Herbert Rosendorfer seine Leser mal in verschattete Hochgebirgstäler mit unaussprechlichen und nahezu ungenießbaren Speisen, mal in geheimnisvolle venezianische Gassen entführt und die allesamt von skurrilen Gestalten bevölkert werden. Alpinen Einradfahrern begegnet man hier und gefährlichen Drachen, die es jährlich nach unversehrten Jungfrauen verlangt; es treten mürrische Fuhrleute, verstorbene Heilige mit Hühneraugen und liebestolle alte Damen auf. Der unermüdliche Fabulierer Rosendorfer hat seiner Phantasie in diesen Geschichten ungezügelt Lauf gelassen. Sie sind nun, nach seinem Tod vor wenigen Wochen, unversehens zum literarischen Vermächtnis geworden.
Das freilich ist ein Gewicht, das die Lektüre dieser kleinen Etüden beträchtlich belasten kann. Denn zwar liest sich vieles in dieser Sammlung amüsant - die Gogol-Parodie von dem einfältigen Burschen, der seinen Offizier in einen grünen Wetterfrosch verwandelt glaubt, ist ein humoristisches Glanzstück -, doch oft genug vermögen die witzigen Einfälle nur für kurze Zeit zu fesseln. So beruht die Geschichte eines modernen Pygmalion zunächst auf einer originellen Idee. Ein einsamer Junggeselle verfolgt gebannt, wie ein ihm geschenkter Kaktus rasant seine Gestalt verwandelt, bis dem Blumentopf eine zwar grüne und stumme, aber doch sinnliche und willige Geliebte entsteigt. Doch trüben unnötige Übertreibungen - nicht weniger als 65 Millionen Mark Steuerschulden lastet das Finanzamt dem flüchtigen Erstbesitzer der Kaktusdame an - und etliche schale Witze das Lesevergnügen erheblich. Abgestandene Klischees wie das über unentwegt prügelnde Muslime, deren Frauen sich unter Schleiern verstecken müssen, weil der Koran ihre Züchtigung vorschreibt, wirken nicht nur seltsam verstaubt, sie sind noch nicht einmal witzig.
Vielleicht lag es in Rosendorfers Absicht, den begrenzten Horizont seiner durchweg männlichen Helden darzustellen, wenn er sie als nicht ganz ernstzunehmende Sextrottel immer wieder über die weibliche Anatomie schwärmen lässt, ihnen Lobesworte über "gloriose Hinterteile", sorgsam frisierte "dionysische Dreiecke" und wohlgeformte "Ärschgens" in den Mund legt oder sie verächtlich auf hexenhaft gezeichnete Frauen blicken lässt, deren "viel zu tiefes" Dekolleté "wurstartig Schlaffes" erblicken lässt. Das sind abgestandene Herren- und Pennälerwitze, die durch keine Erzählerstimme relativiert werden und deren Reiz beim Lesen schnell verfliegt.
Auch der Reisende, der sich bei seinen einsamen Exkursion ins Hochgebirge zu fragen beginnt, ob bei der angekündigten Wahl zur "Euterkönigin" wohl die Kühe oder die jungen Damen des entlegenen Weilers kandidieren, fände sein angemessenes Publikum vermutlich unter den amüsierwilligen Besuchern eines krachledernen Komödienstadels vergangener oder eines derben Junggesellenabschieds unserer Tage.
Unter all den zotigen Witzen und Kalauern gibt es indes auch einige schöne Ideen, in denen Herbert Rosendorfers Einfallsreichtum durchschimmert, für den er mit allem Recht so oft bewundert wurde. In wenigen Sätzen skizziert er beiläufig ein Ende von Kafkas unvollendetem Roman "Das Schloß", dessen Leichtigkeit und Eleganz mit manchen derben Ausrutschern dieser Sammlung versöhnen können. Die Geschichte von dem gutmütigen Waisenknaben, dessen Körper unter Gewalteinwirkungen regelmäßig versteinert und allen Angreifern schwere Verletzungen zufügt, ist eine leichthändige Replik auf das alte Märchenmotiv vom steinernen Herzen.
Im Gedächtnis seiner Leser aber wird Herbert Rosendorfer vor allem als der Verfasser der satirischen "Briefe in die chinesische Vergangenheit" bleiben, die vor fast dreißig Jahren erschienen und deren Witz noch heute zu fesseln vermag. Und das ist, um es nun selbst mit einem zum Klischee geronnenen Wort zu sagen, gut so.
SABINE DOERING
Herbert Rosendorfer: "Die Kaktusfrau". Erzählungen.
Verlag Kiepenheuer und Witsch, Köln 2012. 230 S., geb., 18,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
»Mit feiner Ironie widmet sich Rosendorfer hier einem seiner Lieblingsthemen, der Bürokratie und ihren Verschlingungen, und liefert nebenbei eine Hommage an die gogolsche Prosa.« [über die erste Erzählung "Der Frosch"] Der Spiegel 20121126