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Lehner erzählt die vergessene Geschichte der reformfreudigen Katholiken des 18. Jahrhunderts in Nord- und Südamerika, Europa und Asien, die gegen Aberglaube kämpften und für die Ideale von Demokratie, Gleichheit der Geschlechter und den Wert der Naturwissenschaften einstanden.In seiner Globalgeschichte zeigt der Autor auf, dass die Reformen des Konzils von Trient im 18. Jahrhundert eine Erneuerungsbewegung inspirierten, die in einen produktiven Austausch mit der Aufklärung trat. Nicht nur theologische Fragen wie das Verhältnis zu den Kirchen der Reformation wurden behandelt, sondern auch…mehr

Produktbeschreibung
Lehner erzählt die vergessene Geschichte der reformfreudigen Katholiken des 18. Jahrhunderts in Nord- und Südamerika, Europa und Asien, die gegen Aberglaube kämpften und für die Ideale von Demokratie, Gleichheit der Geschlechter und den Wert der Naturwissenschaften einstanden.In seiner Globalgeschichte zeigt der Autor auf, dass die Reformen des Konzils von Trient im 18. Jahrhundert eine Erneuerungsbewegung inspirierten, die in einen produktiven Austausch mit der Aufklärung trat. Nicht nur theologische Fragen wie das Verhältnis zu den Kirchen der Reformation wurden behandelt, sondern auch gesellschaftliche wie die Rechte der Frau, die Abschaffung der Sklaverei oder die Demokratisierung der Kirche. Erst die Französische Revolution von 1789 bereitete diesem Experiment katholischen Fortschritts ein Ende. Desillusioniert durch den Terror von Paris erblickte man nun in allem Aufklärerischen eine Gefahr - eine Haltung, die sich bis zum 2. Vatikanischen Konzil von 1962 hielt.
Autorenporträt
Ulrich L. Lehner ist William K. Warren Professor an der University of Notre Dame, USA. Er ist Mitglied der European Academy of Sciences andArts und hat verschiedene Auszeichnungen und Forschungsstipendien erhalten(Princeton Institute for Advanced Study, Earhart Foundation, Humboldt Stiftung,Notre Dame Institute for Advanced Study).LehnerUlrich L. LehnerDIE
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.01.2018

Weniger Heiligenfeste wären entschieden von Vorteil
Auf der Suche nach Vorläufern einer innerkirchlichen Kirchenkritik: Ulrich Lehner erzählt von katholischen Reformgeistern im Zeitalter der Aufklärung

In seinem pädagogischen Roman "Emile" lässt Jean-Jacques Rousseau 1762 einen katholischen Priester niederen Ranges auftreten. In einer langen Rede - dem "Glaubensbekenntnis eines Savoyischen Vikars" - erteilt der anonym bleibende Priester seinem achtzehnjährigen Schüler Religionsunterricht. Der Priester hält alle Religionen für gottgefällig. In seiner Predigt, so betont er, halte er sich mehr an den offenen Geist des Evangeliums als an den engen Geist der Kirche, weil das Evangelium nur wenige Dogmen, dafür aber umso ausführlichere Morallehren enthalte. Gewiss: Rousseau legt dem Priester seine eigenen Gedanken in den Mund. Doch wer Rousseaus Erzählung liest, kann kaum der Frage ausweichen: Hat es im achtzehnten Jahrhundert Priester dieser Art gegeben? Waren solche Ansichten im Klerus überhaupt möglich?

Die Antwort muss lauten: Ja, es gab solche Priester. Und auch Frauen, die ähnliche Gedanken über die Religion äußerten. Es gab sie in Frankreich, Deutschland, Österreich, Italien, Spanien, Portugal, Polen, sogar in Nord- und Südamerika und in Missionsländern wie Indien und China. Die Anfänge der Erforschung der "katholischen Aufklärung" liegen mehr als hundert Jahre zurück. Angestoßen durch einen Vortrag des Würzburger Kirchenhistorikers Sebastian Merkle auf dem Internationalen Historikerkongress in Berlin 1908, hat sich eine ganze Forschungsrichtung mit dem Thema beschäftigt. Vor einer Generation gab besonders der französische Historiker Bernard Plongeron der Erforschung des Themas neue Impulse, indem er auf die weltweite Verbreitung dessen verwies, was er als "la Aufklärung catholique" bezeichnete. Das deutsche Wort "Aufklärung" diente ihm als Fachwort, das die katholische Reformbewegung von jener geistigen Bewegung unterscheiden sollte, die im Französischen "les Lumières" heißt und sich mit Namen wie Voltaire und Diderot verbindet.

Unter den neueren Autoren, die sich dem Thema widmen, ragt Ulrich Lehner hervor, ein deutscher, an der katholischen Marquette University in Milwaukee lehrender Historiker. Neben eigenen greift er besonders auf neuere amerikanische Forschungen zurück, um als erster "Die katholische Aufklärung" einem breiten Publikum vorzustellen.

Die Frage, ob es überhaupt eine katholische Aufklärung gab, beantwortet eine von Lehner herangezogene Quelle, Benedikt Werkmeisters Buch "An die unbescheidenen Verehrer der Heiligen" (1801): "Zum Glücke können wir gute Katholiken sein, ohne an die Reliquienschätze auf dem Berge Andechs zu glauben", heißt es dort. Werkmeister fügt hinzu: "Aufgeklärte Katholiken sehen diese Dinge für weiter nichts an als für Spielwerk des Pöbels, und es wäre Zeit, auch dem Pöbel die Augen hierüber zu öffnen." Als Werkmeister sich gegen die Verehrung der Reliquien katholischer Heiliger ausspricht, ist er Pfarrer in Steinbach am Neckar. Seine Kritik am Reliquienkult ist noch die zahmste seiner Forderungen, die er an den Katholizismus stellt, denn er tritt auch für die Ehescheidung und die Abschaffung priesterlicher Ehelosigkeit ein. Werkmeister spricht ausdrücklich von "aufgeklärten Katholiken".

Lehners Interesse gilt der weiten geographischen Verbreitung der katholischen Aufklärung sowie deren Themen: Forderung nach Toleranz anderer Konfessionen, Verbesserung der Stellung der Frau, Kritik am Teufels- und Dämonenglauben, Bedenken gegenüber übermäßigem Heiligen- und Wunderglauben, Abschaffung der Sklaverei, Reduktion der arbeitsfreien und das Wirtschaftsleben beeinträchtigenden Heiligenfeste. Die Forderung nach Verbesserung der Bildung findet sich regelmäßig in den Schriften katholischer Aufklärer.

In Lehners Buch dominiert die erzählende Darstellung, während Analysen und begriffliche Überlegungen zurücktreten. In jedem Kapitel finden sich Anekdotisches und sehr viele Namen. Etwa fünfzig bis sechzig Männer und Frauen scheinen die Kerntruppe der kirchlichen Aufklärung des achtzehnten und frühen neunzehnten Jahrhunderts auszumachen. Leicht hat es der Autor mit diesen Kirchenmännern und Autorinnen nicht, denn anders als im Falle der protestantischen Aufklärung gibt es auf katholischer Seite niemanden, den das kulturelle Gedächtnis aufbewahrt hat. Es begegnen keine bekannten Personen wie John Locke und Lessing - Vertreter der protestantischen Aufklärung; man muss praktisch alle Namen neu lernen und, da der Autor nur wenige Jahreszahlen nennt, gelegentlich auch auf Nachschlagewerke zurückgreifen. Was Lehner über Leben und Werk dieser Männer und Frauen zusammenträgt, wird die Forschung zweifellos beflügeln.

Die Erforschung der katholischen Aufklärung war bereits bei Sebastian Merkle mit einem apologetischen Motiv verbunden: mit dem Willen, dem (damaligen) modernistischen Katholizismus eine respektable Vorgeschichte zu verschaffen und ihn dadurch zu legitimieren. Auch in einschlägigen Arbeiten, die bald nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil erschienen, ist das apologetische Anliegen spürbar, etwa bei Plongeron und Autoren wie dem Amerikaner Leonard Swidler. Sie vertieften sich in die Geschichte eines alternativen, von moderner Gedankenwelt bestimmten Katholizismus.

Auch Lehner scheut sich nicht, auf Parallelen zwischen heutigen kritischen Theologen und solchen des achtzehnten Jahrhunderts hinzuweisen und seine Sympathie für die von ihm angeführten Denkerinnen und Denker auszudrücken. Das in Reaktion auf die Französische Revolution eintretende Abklingen der katholischen Aufklärung vermerkt er mit Bedauern. Lehner hält nicht mit Wertungen zurück. Ohne den historiographischen Wert seines Buches zu gefährden, zeigt er sich auf Schritt und Tritt von seinem Thema fasziniert. Man legt sein reichhaltiges und gut recherchiertes Buch dankbar aus der Hand - und hofft auf Biographien und weitere Studien auf diesem Forschungsfeld.

BERNHARD LANG

Ulrich L. Lehner:

"Die katholische

Aufklärung".

Weltgeschichte einer Reformbewegung.

Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2017. 271 S., br., 39,90 [Euro].

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