In dieser Einführung findet sich (fast) alles, was man über die Welt der Kelten wissen sollte. Alexander Demandt vermittelt anschaulich und allgemeinverständlich die Grundkenntnisse über Herkunft, Gesellschaft, Staatsform, Kultur, Religion und Mythologie eines der bedeutendsten Völker der europäischen Geschichte. Es ist nicht spurlos verschwunden.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.06.2002Krieger, Zecher und Gelehrte
Europa war ein phönizisches Mädchen, das nicht nur einem Kontinent den Namen gab, sondern auch einem der vielen Monde des Jupiter, des Gottes, der sie einst in Stiergestalt nach Kreta entführt hatte. Als die amerikanischen Raumsonden den Trabanten in den vergangenen Jahrzehnten kartographierten, erlebte man ein spätes Echo der Gesänge Ossians, die einmal Herder und den jungen Goethe verzaubert hatten: Zur Grundlage der Kraternamen auf "Europa" wählte man die keltische, vor allem die irische Sagen- und Mythenwelt. Deutlicher konnte man die endgültige Kanonisierung der Kultur dieser Vielzahl von Völkerschaften, die sich hinter dem antiken Sammelnamen "Kelten" verbarg, nicht aussprechen. Und die Benennung erwies sich als unbestreitbar sinnvoll, denn Kelten waren, zu verschiedenen Zeiten, überall in Europa verbreitet. Ihre Siedlungsgebiete reichten von der heutigen Türkei über Österreich, Deutschland und Frankreich bis nach Spanien, Schottland und Irland. Wer sich mit der keltischen Religion ernsthaft beschäftigen will, wird zu Berhard Maiers exzellenter Studie greifen ("Die Religion der Kelten". Götter, Mythen, Weltbild. Verlag C.H.Beck, München 2002. 252 S., Abb., geb., 34,90 [Euro]). Maier, der im vergangenen Jahr die mittelalterlich-walisische Dichtung des Mabinogion neu übersetzte und herausgab, geht immer wieder auf einzelne Geschichten ein, die er im Kontext der sakralen Herrschaftsformen deutet. Ein König, der sich gegen das Gebot der Gerechtigkeit vergeht, schädigt zugleich die Fruchtbarkeit des Landes - so jedenfalls erzählte man es von König Lugaid mac Con. Die Nähe, die er an jedem Punkt seiner Darstellung zum Erzählerischen sucht, macht die Lektüre von Maiers Studie auch für den Laien zu einem Vergnügen. Nicht im gleichen Maße leserfreundlich ist die Gesamtdarstellung von Janine Fries-Knoblach angelegt ("Die Kelten". 3000 Jahre europäischer Kultur. Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart 2002. 280 S., br., 17,80 [Euro]). Der "Übergang von HaD3 zu LtA" sei "problematisch", heißt es einmal - es sind solche Sätze, durch die man sich zunächst hindurchfressen muß, wenn man von der Lektüre profitieren will. Ein Vorzug dieses Buches ist allerdings, daß es nicht nur die antiken Zeugnisse der Kelten betrachtet, sondern auch die Nachwirkung im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert: die kulturelle Renaissance des Keltischen, die in der Bretagne, in Irland und in Wales besonders erfolgreich war und Konsequenzen bis zur Dezentralisierung des politischen Systems von Großbritannien hatte und den Parlamenten von Wales und Schottland erweiterte Gestaltungsmöglichkeiten gab - die oft belächelte "Identitätspolitik" konnte also durchaus demokratische Folgen haben. Willkommen ist auch der unvoreingenommene Blick, den Janine Fries-Knoblach auf den hervorragenden Anteil der deutschen Keltologen an dieser Bewegung wirft; einen Anteil, den man in den Kriegen des vergangenen Jahrhunderts dann auch politisch ausmünzen wollte, als man von deutscher Seite den irischen wie den bretonischen Nationalismus förderte. Das Gegenstück zu diesem Buch, das ohne Illustrationen auskommt, bildet John Haywoods populäre und opulent bebilderte Darstellung, in der der Freund des keltischen Kunstgewerbes und des eigentümlichen Ornamentstils auf seine Kosten kommt ("Die Zeit der Kelten". Ein Atlas. Verlag Zweitausendeins, Frankfurt am Main 2002. 144 S., Abb., geb., 12,80 [Euro]). Haywood hatte schon vor einigen Jahren einen vorzüglichen welthistorischen Atlas vorgelegt, auch sein Kelten-Buch macht Siedlungen und Wanderungsbewegungen anschaulich. Vielfach scheint es, als ob die gegenwärtige Keltenbegeisterung eine unverfängliche Alternative zum "Germanischen" böte. Der Berliner Althistoriker Alexander Demandt erzählt in seiner kurzen Monographie ("Die Kelten". Verlag C.H.Beck, München 2001. 128 S., Abb., br., 7,50 [Euro]), wie der ehemalige österreichische Bundeskanzler Kreisky 1975 seine Landsleute als Nachkommen der Kelten ansprach und ihnen damit eine entlastete Identität anbot. Die furchtlosen Krieger und Zecher, als die schon die Antike die Kelten sah, mögen im geeinten Europa noch für manche politische Legitimation gut sein.
LORENZ JÄGER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Europa war ein phönizisches Mädchen, das nicht nur einem Kontinent den Namen gab, sondern auch einem der vielen Monde des Jupiter, des Gottes, der sie einst in Stiergestalt nach Kreta entführt hatte. Als die amerikanischen Raumsonden den Trabanten in den vergangenen Jahrzehnten kartographierten, erlebte man ein spätes Echo der Gesänge Ossians, die einmal Herder und den jungen Goethe verzaubert hatten: Zur Grundlage der Kraternamen auf "Europa" wählte man die keltische, vor allem die irische Sagen- und Mythenwelt. Deutlicher konnte man die endgültige Kanonisierung der Kultur dieser Vielzahl von Völkerschaften, die sich hinter dem antiken Sammelnamen "Kelten" verbarg, nicht aussprechen. Und die Benennung erwies sich als unbestreitbar sinnvoll, denn Kelten waren, zu verschiedenen Zeiten, überall in Europa verbreitet. Ihre Siedlungsgebiete reichten von der heutigen Türkei über Österreich, Deutschland und Frankreich bis nach Spanien, Schottland und Irland. Wer sich mit der keltischen Religion ernsthaft beschäftigen will, wird zu Berhard Maiers exzellenter Studie greifen ("Die Religion der Kelten". Götter, Mythen, Weltbild. Verlag C.H.Beck, München 2002. 252 S., Abb., geb., 34,90 [Euro]). Maier, der im vergangenen Jahr die mittelalterlich-walisische Dichtung des Mabinogion neu übersetzte und herausgab, geht immer wieder auf einzelne Geschichten ein, die er im Kontext der sakralen Herrschaftsformen deutet. Ein König, der sich gegen das Gebot der Gerechtigkeit vergeht, schädigt zugleich die Fruchtbarkeit des Landes - so jedenfalls erzählte man es von König Lugaid mac Con. Die Nähe, die er an jedem Punkt seiner Darstellung zum Erzählerischen sucht, macht die Lektüre von Maiers Studie auch für den Laien zu einem Vergnügen. Nicht im gleichen Maße leserfreundlich ist die Gesamtdarstellung von Janine Fries-Knoblach angelegt ("Die Kelten". 3000 Jahre europäischer Kultur. Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart 2002. 280 S., br., 17,80 [Euro]). Der "Übergang von HaD3 zu LtA" sei "problematisch", heißt es einmal - es sind solche Sätze, durch die man sich zunächst hindurchfressen muß, wenn man von der Lektüre profitieren will. Ein Vorzug dieses Buches ist allerdings, daß es nicht nur die antiken Zeugnisse der Kelten betrachtet, sondern auch die Nachwirkung im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert: die kulturelle Renaissance des Keltischen, die in der Bretagne, in Irland und in Wales besonders erfolgreich war und Konsequenzen bis zur Dezentralisierung des politischen Systems von Großbritannien hatte und den Parlamenten von Wales und Schottland erweiterte Gestaltungsmöglichkeiten gab - die oft belächelte "Identitätspolitik" konnte also durchaus demokratische Folgen haben. Willkommen ist auch der unvoreingenommene Blick, den Janine Fries-Knoblach auf den hervorragenden Anteil der deutschen Keltologen an dieser Bewegung wirft; einen Anteil, den man in den Kriegen des vergangenen Jahrhunderts dann auch politisch ausmünzen wollte, als man von deutscher Seite den irischen wie den bretonischen Nationalismus förderte. Das Gegenstück zu diesem Buch, das ohne Illustrationen auskommt, bildet John Haywoods populäre und opulent bebilderte Darstellung, in der der Freund des keltischen Kunstgewerbes und des eigentümlichen Ornamentstils auf seine Kosten kommt ("Die Zeit der Kelten". Ein Atlas. Verlag Zweitausendeins, Frankfurt am Main 2002. 144 S., Abb., geb., 12,80 [Euro]). Haywood hatte schon vor einigen Jahren einen vorzüglichen welthistorischen Atlas vorgelegt, auch sein Kelten-Buch macht Siedlungen und Wanderungsbewegungen anschaulich. Vielfach scheint es, als ob die gegenwärtige Keltenbegeisterung eine unverfängliche Alternative zum "Germanischen" böte. Der Berliner Althistoriker Alexander Demandt erzählt in seiner kurzen Monographie ("Die Kelten". Verlag C.H.Beck, München 2001. 128 S., Abb., br., 7,50 [Euro]), wie der ehemalige österreichische Bundeskanzler Kreisky 1975 seine Landsleute als Nachkommen der Kelten ansprach und ihnen damit eine entlastete Identität anbot. Die furchtlosen Krieger und Zecher, als die schon die Antike die Kelten sah, mögen im geeinten Europa noch für manche politische Legitimation gut sein.
LORENZ JÄGER
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