Die Kinder-Akademie: das Fitnesscenter für Sinne und Geist
Wissen als Abenteuer - das ist das Motto der Kinder-Akademie. Warum klopft das Herz? Ist wahr, was geschrieben steht? Machen Kleider Leute? Ist Recht gerecht? Können Kühe blau sein? Wie findet man, was man nicht verloren hat?
An der Seite anerkannter Experten und Professoren können Kinder hier die großartigen Welten von Kunst, Kultur und Naturwissenschaft erforschen. Ein geistreiches Erlebnisbuch für kleine und große Entdecker.
Wissen als Abenteuer - das ist das Motto der Kinder-Akademie. Warum klopft das Herz? Ist wahr, was geschrieben steht? Machen Kleider Leute? Ist Recht gerecht? Können Kühe blau sein? Wie findet man, was man nicht verloren hat?
An der Seite anerkannter Experten und Professoren können Kinder hier die großartigen Welten von Kunst, Kultur und Naturwissenschaft erforschen. Ein geistreiches Erlebnisbuch für kleine und große Entdecker.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.09.2005Wie entstehen Geistesblitze?
Zwischen Universität und Akademie: Bücher für wahre Erstsemester
Allerorten sind an Universitäten Vorlesungen für Kinder eingerichtet worden. Im kommenden Wintersemester wird es in 28 deutschen Städten solche Veranstaltungen geben. Forscher beantworten dort Fragen wie "Machen Pommes dick?", "Wie finden Vögel den Weg nach Afrika?", "Warum kann Plastik leuchten, ohne zu brennen?" oder "Können Tiere Farben sehen?"
Schon diese Beispiele zeigen zweierlei. Die Vorlesungen für Kinder beantworten Fragen, auf die auch die allermeisten Erwachsenen keine Antwort wissen. Oder könnten Sie ohne nachzulesen sagen, wie Plastik das macht, oder ob es farbensehende Insekten gibt? Insofern lohnt sich der Besuch der Kinder-Universität auch für ältere Semester. Für die beiden Bücher, die hier zu besprechen sind, gilt dasselbe. Außerdem sieht man an den Titeln der Vorlesungen, daß es zwei Arten wissenschaftlicher Fragen gibt: Solche, die sich die Kinder bestimmt auch schon einmal gestellt haben, und solche, auf die Kinder kaum von selbst gekommen wären.
In der "Kinder-Uni" von Ulrich Janßen und Ulla Steuernagel finden sich beide Sorten von Rätseln. Warum es Blitz und Donner gibt, fragt sich so gut wie jeder, der das erste Mal Blitz und Donner erlebt. Der ebenso kluge wie anschauliche Beitrag, den die Autoren aus der betreffenden Tübinger Physikvorlesung gemacht haben, zeigt den weiten Weg, den die Wissenschaft bis zur Antwort gehen mußte. Konzepte wie Ladung, Feld, Spannung, Widerstand waren nötig. Hier werden sie gut erklärt. Außerdem mußte Benjamin Franklin bei schlechtem Wetter einen Drachen steigen lassen und dieses Experiment auch noch überleben, was unwahrscheinlich genug war.
Auch andere Fragen - warum Ritter Burgen bauten, warum Jungs sich oft anders verhalten als Mädchen, zum Beispiel burgenbauend, und wie es kommt, daß Fledermäuse im Dunkeln nicht gegen Bäume knallen - muß man nicht lange begründen. Sie stellen sich fast von selbst. Schwerer tun sich die Autoren hingegen, wenn sie so allgemeine Fragen behandeln wie die nach dem Sinn von Mathematik, den Grundlagen der Medizin oder des Geschichtenerzählens. Es scheint keine so gute Idee, Kinder in ganze Gebiete einführen zu wollen. Und sollte der Germanist zu den Kindern tatsächlich gesagt haben: "Die Geschichten, die man aus eigenen Erfahrungen und eigenem Erleben schöpft, heißen übrigens Identitätsbildungsgeschichten" - dann darf man den Herrn Professor schon fragen, was Kinder eigentlich mit so einer Auskunft anfangen sollen.
Alles in allem aber ist auch dieser dritte Band der "Kinder-Uni", geschrieben von den Erfindern der ersten Kinder-Universität, die 2002 in Tübingen stattfand, sehr lehrreich und sticht durch seine schöne Aufmachung hervor. Weniger aufwendig illustriert als "gelayoutet" ist hingegen das Buch der "Kinder-Akademie", ein Wissenschaftsmuseum für Kinder, das es seit bald fünfzehn Jahren in Fulda gibt und das jedes Jahr Zigtausende von Besuchern hat. Der Band versteht sich auch als Werbung für eine Fahrt dorthin.
Hier stehen am Anfang der Wissenschaft nicht Fragen, sondern Sachverhalte wie das Herz, die Kommunikation, die Kunst, das Recht oder die Zahlen. Der Nachteil dieser sachkundlichen Herangehensweise: Es fällt den Autoren dies und jenes zu ihren Themen ein, aber einen klaren Gedankengang, Kennzeichen aller Forschung, gibt es nicht. Statt dessen wird auf eine Stell-dir-mal-vor- und Ist-das-nicht-interessant-Didaktik gesetzt. Es wimmelt nur so von "Kommt uns das nicht bekannt vor?" und "Du fragst dich vielleicht" und "So einfach wollen wir uns das nicht machen". So soll zum Verständnis des Herzens das Kind sich zunächst vorstellen, ein rotes Blutkörperchen zu sein, das durch den Körper wandert, ohne daß genau zu sehen ist, was dadurch anschaulicher wird. Zwischendurch geht es dann auch kurz um den Kannibalismus und die Praktiken der Azteken, ihren Feinden das Herz herauszureißen. Dann wieder um die Vorstellung, im Herz sitze die Seele. Und schließlich erfolgt die Rückkehr zur Herzmedizin samt Gesundheitsratschlägen.
Ist das nicht ein bißchen viel auf einmal? Das assoziative Verfahren gibt dem Buch etwas Pressiertes. Würde es zur Frage, was Kunst ist, nicht viel mehr beitragen, wenn in aller Ruhe ein paar einzelne Bildwerke exemplarisch erläutert würden? Hier hat man sich für einen Epochendurchlauf - "Die Kinder-Akademie: das Fitnesscenter für Sinne und Geist" steht auf dem Buchrücken - entschieden, von dem wirklich nicht zu sehen ist, was Kinder dann davon haben, wenn man ihnen drei Sätze über Caspar David Friedrich hinwirft oder über van Gogh sagt. "Nein, so etwas Aufgewühltes hatte die Welt noch nicht gesehen!" Im Vergleich ziehen wir also, wie im wirklichen Leben, die Universität der Akademie vor, was nichts gegen das Wissenschaftsmuseum selber heißen soll. Die Lösung von Rätseln stärkt den Geist mehr als die Häufung von Sachkenntnis.
JÜRGEN KAUBE
Ulrich Janßen, Ulla Steuernagel: "Die Kinder-Uni". Forscher erklären die Rätsel der Welt. Drittes Semester. Mit Illustrationen von Klaus Ensikat, Deutsche Verlags-Anstalt, München 2005, 223 S., geb., 19,90 [Euro].
Helen Bonzel (Hrsg.): "Die Kinder-Akademie". Für kleine Forscher und große Entdecker, Ullstein Verlag, Berlin 2005, 240 S., geb., 14,95 [Euro]. Beide ab 10 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Zwischen Universität und Akademie: Bücher für wahre Erstsemester
Allerorten sind an Universitäten Vorlesungen für Kinder eingerichtet worden. Im kommenden Wintersemester wird es in 28 deutschen Städten solche Veranstaltungen geben. Forscher beantworten dort Fragen wie "Machen Pommes dick?", "Wie finden Vögel den Weg nach Afrika?", "Warum kann Plastik leuchten, ohne zu brennen?" oder "Können Tiere Farben sehen?"
Schon diese Beispiele zeigen zweierlei. Die Vorlesungen für Kinder beantworten Fragen, auf die auch die allermeisten Erwachsenen keine Antwort wissen. Oder könnten Sie ohne nachzulesen sagen, wie Plastik das macht, oder ob es farbensehende Insekten gibt? Insofern lohnt sich der Besuch der Kinder-Universität auch für ältere Semester. Für die beiden Bücher, die hier zu besprechen sind, gilt dasselbe. Außerdem sieht man an den Titeln der Vorlesungen, daß es zwei Arten wissenschaftlicher Fragen gibt: Solche, die sich die Kinder bestimmt auch schon einmal gestellt haben, und solche, auf die Kinder kaum von selbst gekommen wären.
In der "Kinder-Uni" von Ulrich Janßen und Ulla Steuernagel finden sich beide Sorten von Rätseln. Warum es Blitz und Donner gibt, fragt sich so gut wie jeder, der das erste Mal Blitz und Donner erlebt. Der ebenso kluge wie anschauliche Beitrag, den die Autoren aus der betreffenden Tübinger Physikvorlesung gemacht haben, zeigt den weiten Weg, den die Wissenschaft bis zur Antwort gehen mußte. Konzepte wie Ladung, Feld, Spannung, Widerstand waren nötig. Hier werden sie gut erklärt. Außerdem mußte Benjamin Franklin bei schlechtem Wetter einen Drachen steigen lassen und dieses Experiment auch noch überleben, was unwahrscheinlich genug war.
Auch andere Fragen - warum Ritter Burgen bauten, warum Jungs sich oft anders verhalten als Mädchen, zum Beispiel burgenbauend, und wie es kommt, daß Fledermäuse im Dunkeln nicht gegen Bäume knallen - muß man nicht lange begründen. Sie stellen sich fast von selbst. Schwerer tun sich die Autoren hingegen, wenn sie so allgemeine Fragen behandeln wie die nach dem Sinn von Mathematik, den Grundlagen der Medizin oder des Geschichtenerzählens. Es scheint keine so gute Idee, Kinder in ganze Gebiete einführen zu wollen. Und sollte der Germanist zu den Kindern tatsächlich gesagt haben: "Die Geschichten, die man aus eigenen Erfahrungen und eigenem Erleben schöpft, heißen übrigens Identitätsbildungsgeschichten" - dann darf man den Herrn Professor schon fragen, was Kinder eigentlich mit so einer Auskunft anfangen sollen.
Alles in allem aber ist auch dieser dritte Band der "Kinder-Uni", geschrieben von den Erfindern der ersten Kinder-Universität, die 2002 in Tübingen stattfand, sehr lehrreich und sticht durch seine schöne Aufmachung hervor. Weniger aufwendig illustriert als "gelayoutet" ist hingegen das Buch der "Kinder-Akademie", ein Wissenschaftsmuseum für Kinder, das es seit bald fünfzehn Jahren in Fulda gibt und das jedes Jahr Zigtausende von Besuchern hat. Der Band versteht sich auch als Werbung für eine Fahrt dorthin.
Hier stehen am Anfang der Wissenschaft nicht Fragen, sondern Sachverhalte wie das Herz, die Kommunikation, die Kunst, das Recht oder die Zahlen. Der Nachteil dieser sachkundlichen Herangehensweise: Es fällt den Autoren dies und jenes zu ihren Themen ein, aber einen klaren Gedankengang, Kennzeichen aller Forschung, gibt es nicht. Statt dessen wird auf eine Stell-dir-mal-vor- und Ist-das-nicht-interessant-Didaktik gesetzt. Es wimmelt nur so von "Kommt uns das nicht bekannt vor?" und "Du fragst dich vielleicht" und "So einfach wollen wir uns das nicht machen". So soll zum Verständnis des Herzens das Kind sich zunächst vorstellen, ein rotes Blutkörperchen zu sein, das durch den Körper wandert, ohne daß genau zu sehen ist, was dadurch anschaulicher wird. Zwischendurch geht es dann auch kurz um den Kannibalismus und die Praktiken der Azteken, ihren Feinden das Herz herauszureißen. Dann wieder um die Vorstellung, im Herz sitze die Seele. Und schließlich erfolgt die Rückkehr zur Herzmedizin samt Gesundheitsratschlägen.
Ist das nicht ein bißchen viel auf einmal? Das assoziative Verfahren gibt dem Buch etwas Pressiertes. Würde es zur Frage, was Kunst ist, nicht viel mehr beitragen, wenn in aller Ruhe ein paar einzelne Bildwerke exemplarisch erläutert würden? Hier hat man sich für einen Epochendurchlauf - "Die Kinder-Akademie: das Fitnesscenter für Sinne und Geist" steht auf dem Buchrücken - entschieden, von dem wirklich nicht zu sehen ist, was Kinder dann davon haben, wenn man ihnen drei Sätze über Caspar David Friedrich hinwirft oder über van Gogh sagt. "Nein, so etwas Aufgewühltes hatte die Welt noch nicht gesehen!" Im Vergleich ziehen wir also, wie im wirklichen Leben, die Universität der Akademie vor, was nichts gegen das Wissenschaftsmuseum selber heißen soll. Die Lösung von Rätseln stärkt den Geist mehr als die Häufung von Sachkenntnis.
JÜRGEN KAUBE
Ulrich Janßen, Ulla Steuernagel: "Die Kinder-Uni". Forscher erklären die Rätsel der Welt. Drittes Semester. Mit Illustrationen von Klaus Ensikat, Deutsche Verlags-Anstalt, München 2005, 223 S., geb., 19,90 [Euro].
Helen Bonzel (Hrsg.): "Die Kinder-Akademie". Für kleine Forscher und große Entdecker, Ullstein Verlag, Berlin 2005, 240 S., geb., 14,95 [Euro]. Beide ab 10 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Eine sachkundige Herangehensweise bescheinigt Rezensent Jürgen Kaube den Autoren dieser Kinder-Akademie. Trotzdem konnte in das Buch ihn letztlich nicht überzeugen. Kaube moniert vor allem eine fehlende Linie bei der Darstellung der Themen und Sachgebiete. Das assoziative Verfahren, mit dem das Buch seine Erkenntnisse präsentiert, geben ihm aus seiner Sicht "etwas Pressiertes". Den Autoren falle "dies und jenes" zu ihren Themen ein, aber "einen klaren Gedanken, Kennzeichen aller Forschung" gebe es nicht. Statt dessen sieht der Rezensent eine "Stell-Dir-mal vor- und Ist-das-nicht-interessant-Didaktik" walten. Auch die Erklärungsmodelle findet Kaube nicht immer ganz überzeugend.
© Perlentaucher Medien GmbH
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