Gestern erschien der neue historische Roman von Bettina Storks: Die Kinder von Beauvalleon
Das E-Book ist bereits seit Anfang April erhältlich.
22. Oktober 1940, Sulzburg in Südbaden:
„Wir werden es wieder zusammenkleben, das verspreche ich dir, Lily Blum“, rief die neunjährige Agnes Engler
ihrer gleichaltrigen besten Freundin Lily zu, die kurz vorher zusammen mit den sechsundzwanzig…mehrGestern erschien der neue historische Roman von Bettina Storks: Die Kinder von Beauvalleon
Das E-Book ist bereits seit Anfang April erhältlich.
22. Oktober 1940, Sulzburg in Südbaden:
„Wir werden es wieder zusammenkleben, das verspreche ich dir, Lily Blum“, rief die neunjährige Agnes Engler ihrer gleichaltrigen besten Freundin Lily zu, die kurz vorher zusammen mit den sechsundzwanzig verbliebenen Mitgliedern der jüdischen Gemeinde auf die Ladefläche eines Lastwagens steigen musste. In Lilys Gepäck befand sich ein Foto, das die beiden Mädchen Hand in Hand zeigte. Dieses hatte Lily in der Mitte auseinander gerissen und eine Hälfte davon, auf der sie zu sehen war, Agnes bereits im Davonfahren vom Lastwagen aus zugesteckt. Die andere Hälfte mit Agnes‘ Bild darauf behielt sie selbst.
Rund 25 Jahre später ist Agnes Engler Radiojournalistin beim Südwestfunk Freiburg. Sie bearbeitet hauptsächlich Themen wie Kochrezepte oder berichtet von der Jahreshauptversammlung eines Kaninchenzuchtvereins. Damit zufrieden ist sie nicht, und so ist sie sehr interessiert, als ihr Vorgesetzter sie mit einem (halb inoffiziellen) Spezialauftrag betrauen möchte: Dieulefit, ein kleines Dorf in der französischen Drôme, hatte während der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg unzählige Flüchtlinge versteckt, darunter auch jüdische Kinder aus Südbaden, die allesamt überlebt haben sollen. Das war damals, 1965, ein gesellschaftlich relevantes Thema, ein heißes Eisen. Während die jungen Menschen, die den Krieg gar nicht oder nur als Kinder erlebt haben, auf ihre vielen Fragen Antworten fordern, möchte die ältere Generation einfach den Schleier des Vergessens darüber ziehen. Agnes, die nie mehr von ihrer Kinderfreundin Lily gehört hat, nimmt den Auftrag schließlich an und reist nach Dieulefit. Zwar hat ein Nachbar in Sulzburg ihr von Lilys Tod und dem ihrer Eltern erzählt, aber nun schöpft Agnes neue Hoffnung. Ihr ist bewusst, dass dieser Auftrag sich zu einem Drahtseilakt gestalten wird und sie Berufliches und Privates strikt trennen muss. Als sie nach einem Gespräch mit Madame Defour, der stellvertretenden Schulleiterin in Beauvallon, erfährt, dass Lily tatsächlich hier war, eine neue Identität erhalten und überlebt hat, macht sie sich daran, den aktuellen Aufenthaltsort ihrer Kinderfreundin zu finden. Madeleine Defour rät ihr, bei einer Annäherung sehr vorsichtig zu sein. Und als Agnes Lily dann tatsächlich gegenüber steht, ist das Wiedersehen nicht so, wie sie es sich vorgestellt hat. - Beide Frauen müssen erkennen, dass sie erst ihre Vergangenheit bewältigen müssen, bevor sie in die Zukunft gehen können.
Das Bemerkenswerte an diesem Roman ist, dass er auf wahren Begebenheiten basiert. Die Internatsschule in Beauvallon hat es wirklich gegeben und gibt es heute noch. Die Gründerin Marguerite Soubeyran, die die Kinder „Mamie“ nannten, und die Lehrerinnen Madeleine Defour, Catherine Krafft und Simone Monnier sowie die damals noch sehr junge Sekretärin des Bürgermeisters, Jeanne Barnier (deren Chef sehr gut im Wegsehen war), haben wirklich gelebt und zusammen mit dem ganzen Dorf Dieulefit unzählige Menschen vor allem jüdischer Herkunft versteckt und so gerettet. Nächstenliebe und Zivilcourage waren für sie keine leeren Worte, sie lebten sie einfach und nannten es „die Banalität des Guten“. Lily, Agnes und auch die im Widerstand arbeitende Jolie sind fiktiv, haben aber reale Vorbilder.
Ein Roman, der unter die Haut geht, und trotzdem er in großen Teilen in einer sehr dunklen Zeit spielt, wurde mir beim Lesen immer wieder warm ums Herz.
Übrigens: Dieulefit heißt auf Deutsch „Gott hat es gemacht“ und Beauvallon „schönes Tal“. Das ist doch perfekt!