Schon bald nach dem Untergang des "Dritten Reichs" hatten es die Kirchen in der DDR erneut mit einem Regime zu tun, das sie gleichschalten und marginalisieren wollte. Andreas Stegmann beschreibt anschaulich und quellennah, wie die Kirchen die ersten Jahre der Konfrontation überstanden, sich seit dem Mauerbau als "Kirche im Sozialismus" mit dem Staat arrangierten und im letzten Jahrzehnt mit der Devise "Schwerter zu Pflugscharen" zur Avantgarde der DDR-Friedens- und Umweltbewegung und zum Schutzraum der Opposition wurden.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.08.2021Räume
der Freiheit
Andreas Stegmanns gelungene
Analyse über Christen in der DDR
Am Ende ging es nicht ohne die Kirchen. In den letzten Wochen vor dem Mauerfall 1989 waren es oft evangelische Geistliche, die zwischen der DDR-Staatsmacht und der Opposition vermittelten. Wenige Monate später suchten der gestürzte, kranke Ex-SED-Chef Erich Honecker und seine Frau Margot in einem Pfarrhaus bei Berlin Schutz. Über diese letzte Demütigung für das einst allmächtige Paar zu triumphieren, verbot sich aus christlicher Sicht. Aber all jene, die unter dem Umgang der SED mit den evangelischen Landeskirchen, aber auch der katholischen Kirche gelitten hatten, konnten doch das Gefühl haben, dass die Gerechtigkeit gesiegt hatte.
Der Berliner Kirchenhistoriker Andreas Stegmann schildert das kaum jemals gedeihliche, stattdessen oft konfrontative Verhältnis des SED-Staats mit seinem Totalitätsanspruch auch gegenüber den Kirchen auf nicht viel mehr als hundert Seiten prägnant, verständlich und gut lesbar. Den Grundkonflikt, nämlich dass der Staat „die einzige und totale Ordnung menschlichen Lebens werden und also auch die Bestimmung der Kirche erfüllen“ solle, wie es schon 1934 die Barmer Theologische Erklärung der Bekennenden Kirche abgelehnt hatte, sieht Stegmann in der DDR niemals überwunden. Wohl aber habe sich die Art und Weise der Konfrontation geändert. Folglich erzählt er die Geschichte der Kirchen in der DDR „auch als Geschichte der Abmilderung und Einhegung dieses Konflikts“. Es gab ihn, weil die Kirchen die einzigen institutionell selbständigen Akteure waren, die der Staat wegen der Vielzahl ihrer Mitglieder glaubte zulassen zu müssen – Aufbau des Sozialismus hin oder her.
„Kirche im Sozialismus“ hieß die Formel, mit der die im Bund Evangelischer Kirchen (BEK) zusammengeschlossenen Landeskirchen seit 1971 ihre Stellung als Volkskirche in der DDR zu erneuern suchten und damit auch das Verhältnis zum Staat. Aber die Beziehung der Protestanten zur sozialistischen weltlichen Obrigkeit blieb bis zu deren Ende fragil und überwiegend angespannt. Was nicht erstaunlich ist angesichts der Behinderung kirchlicher Veranstaltungen, der Einführung des Wehrkundeunterrichts 1978 trotz kirchlichen Protests und der Schikanen an Kindern aus christlichen Elternhäusern.
Die katholische Kirche in ihrer ostdeutschen Diaspora hingegen beschränkte sich, so Stegmann, „auf ihr religiöses Kerngeschäft“; sie setzte auf Rückzug, nicht auf gesellschaftliche Wirkung. Da die SED das Reichskonkordat von 1933 nicht anerkannte, blieb die Rechtsgrundlage der Beziehungen zwischen Kirche und Staat lange unklar. Öffentlich war die katholische Kirche viel weniger präsent als die evangelische. Aber auch sie bot bis 1989, wie Stegmann zutreffend schreibt, „einen Raum der Freiheit“.
CORD ASCHENBRENNER
Andreas Stegmann:
Die Kirchen in der DDR. Von der sowjetischen Besatzung bis zur Friedlichen Revolution. Verlag C.H. Beck, München 2021. 129 Seiten, 9,95 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
der Freiheit
Andreas Stegmanns gelungene
Analyse über Christen in der DDR
Am Ende ging es nicht ohne die Kirchen. In den letzten Wochen vor dem Mauerfall 1989 waren es oft evangelische Geistliche, die zwischen der DDR-Staatsmacht und der Opposition vermittelten. Wenige Monate später suchten der gestürzte, kranke Ex-SED-Chef Erich Honecker und seine Frau Margot in einem Pfarrhaus bei Berlin Schutz. Über diese letzte Demütigung für das einst allmächtige Paar zu triumphieren, verbot sich aus christlicher Sicht. Aber all jene, die unter dem Umgang der SED mit den evangelischen Landeskirchen, aber auch der katholischen Kirche gelitten hatten, konnten doch das Gefühl haben, dass die Gerechtigkeit gesiegt hatte.
Der Berliner Kirchenhistoriker Andreas Stegmann schildert das kaum jemals gedeihliche, stattdessen oft konfrontative Verhältnis des SED-Staats mit seinem Totalitätsanspruch auch gegenüber den Kirchen auf nicht viel mehr als hundert Seiten prägnant, verständlich und gut lesbar. Den Grundkonflikt, nämlich dass der Staat „die einzige und totale Ordnung menschlichen Lebens werden und also auch die Bestimmung der Kirche erfüllen“ solle, wie es schon 1934 die Barmer Theologische Erklärung der Bekennenden Kirche abgelehnt hatte, sieht Stegmann in der DDR niemals überwunden. Wohl aber habe sich die Art und Weise der Konfrontation geändert. Folglich erzählt er die Geschichte der Kirchen in der DDR „auch als Geschichte der Abmilderung und Einhegung dieses Konflikts“. Es gab ihn, weil die Kirchen die einzigen institutionell selbständigen Akteure waren, die der Staat wegen der Vielzahl ihrer Mitglieder glaubte zulassen zu müssen – Aufbau des Sozialismus hin oder her.
„Kirche im Sozialismus“ hieß die Formel, mit der die im Bund Evangelischer Kirchen (BEK) zusammengeschlossenen Landeskirchen seit 1971 ihre Stellung als Volkskirche in der DDR zu erneuern suchten und damit auch das Verhältnis zum Staat. Aber die Beziehung der Protestanten zur sozialistischen weltlichen Obrigkeit blieb bis zu deren Ende fragil und überwiegend angespannt. Was nicht erstaunlich ist angesichts der Behinderung kirchlicher Veranstaltungen, der Einführung des Wehrkundeunterrichts 1978 trotz kirchlichen Protests und der Schikanen an Kindern aus christlichen Elternhäusern.
Die katholische Kirche in ihrer ostdeutschen Diaspora hingegen beschränkte sich, so Stegmann, „auf ihr religiöses Kerngeschäft“; sie setzte auf Rückzug, nicht auf gesellschaftliche Wirkung. Da die SED das Reichskonkordat von 1933 nicht anerkannte, blieb die Rechtsgrundlage der Beziehungen zwischen Kirche und Staat lange unklar. Öffentlich war die katholische Kirche viel weniger präsent als die evangelische. Aber auch sie bot bis 1989, wie Stegmann zutreffend schreibt, „einen Raum der Freiheit“.
CORD ASCHENBRENNER
Andreas Stegmann:
Die Kirchen in der DDR. Von der sowjetischen Besatzung bis zur Friedlichen Revolution. Verlag C.H. Beck, München 2021. 129 Seiten, 9,95 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Rezensent Cord Aschenbrenner liest das Buch des Kirchenhistorikers Andreas Stegmann mit Interesse. Dass es sich bei der Beziehung zwischen SED und Landeskirchen bis zuletzt um ein konfrontatives Verhältnis handelte, weil die SED keine Macht neben sich duldete, erläutert ihm der Autor eindrücklich und eingängig. Die Entwicklung der Beziehung zwischen Staat und Kirche in der DDR erscheint laut Aschenbrenner im Buch allerdings durchaus als Geschichte eines Konflikts und seiner "Einhegung", wobei die katholische Kirche viel weniger öffentlich präsent war als die evangelische, wie der Rezensent erfährt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"Gelungene Analyse über Christen in der DDR (...) Andreas Stegmann schildert das kaum jemals gedeihliche, stattdessen oft konfrontative Verhältnis des SED-Staats mit seinem Totalitätsanspruch auch gegenüber den Kirchen auf nicht viel mehr als hundert Seiten prägnant, verständlich und gut lesbar." Süddeutsche Zeitung, Cord Aschenbrenner
"Eine sehr empfehlenswerte, differenzierte und gut lesbare Geschichte der Kirche in der DDR."
Damals, Rainer Hering
"kompakt, fundiert und vor allem sprachlich sehr gelungen"
Zeitzeichen
"Eine sehr empfehlenswerte, differenzierte und gut lesbare Geschichte der Kirche in der DDR."
Damals, Rainer Hering
"kompakt, fundiert und vor allem sprachlich sehr gelungen"
Zeitzeichen