Dicht und ergreifend: Wunderschöne Geschichte über das Leben einer Abiturientin in all seinen Farben, ab 13 Jahren.
Abitur in Sicht! Noch nie war Deborahs Leben so voller Chaos wie jetzt. Während ihre beste Freundin Schlag bei den Jungs hat, fühlt sie sich hässlich und ungeliebt. Ihr Herz schlägt für Victor, aber der sieht sie nur als Kumpel. Doch das Schlimmste ist, dass ihre Mutter immer mehr in sich selbst verschwindet und ihr Vater eine andere Frau küsst. Eins steht fest: Es braucht Freunde, Mut und viel Humor, um die Wolken wegzudrücken, die sich da so hartnäckig vor die Sonne schieben.
Abitur in Sicht! Noch nie war Deborahs Leben so voller Chaos wie jetzt. Während ihre beste Freundin Schlag bei den Jungs hat, fühlt sie sich hässlich und ungeliebt. Ihr Herz schlägt für Victor, aber der sieht sie nur als Kumpel. Doch das Schlimmste ist, dass ihre Mutter immer mehr in sich selbst verschwindet und ihr Vater eine andere Frau küsst. Eins steht fest: Es braucht Freunde, Mut und viel Humor, um die Wolken wegzudrücken, die sich da so hartnäckig vor die Sonne schieben.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Rezensentin Antje Weber empfiehlt den Jugendroman von Marie Pavlenko. "Typisch französisch", heißt für Weber mit Händchen für Atmosphäre und sprachliche Klasse, nimmt die Autorin darin den von Katastrophen gesäumten Weg ihrer jungen Heldin ins Erwachsenenalter in den Blick. Dass bei der Protagonistin wirklich so ziemlich alles schiefläuft, was geht (Scheidung der Eltern, unglückliche Liebe, Mobbing, schlechte Noten, schwangere Freundin), nimmt Weber schließlich gelassen. Denn Pavlenko stattet die Heldin auch mit ausreichend selbstreflexivem Talent und Witz aus (und mit der Begabung, die Literatur als helfende Hand zu erkennen). Vor allem aber: Am Ende wendet sich alles zum Guten, verspricht Weber.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.01.2022Das Universum schlägt mit breiter Schaufel zu
Ein Jugendroman aus Frankreich erzählt von einer Serie kleiner und großer Katastrophen.
Eine davon ist ein hässlicher „Hund des Schreckens“
VON ANTJE WEBER
Allein schon der Hund ist eine einzige Katastrophe. Isidor heißt der übergewichtige Labrador mit dem räudig wirkenden Fell, den Deborahs Mutter ohne Halsband, auf dem Pariser Bürgersteig gefunden und gerettet hat. Diesen abgrundtief hässlichen „Hund des Schreckens“ soll Deborah nun jeden Abend ausführen. „Isidor ist meine persönliche Zwangsarbeit“, klagt die Jugendliche. „Lieber würde ich einen Nacktschnecken-Smoothie trinken.“
Das klingt so originell wie übertourig, und in diesem Tonfall sind weite Teile des Jugendromans der französischen Schriftstellerin Marie Pavlenko gehalten. Ihre 17-jährige Ich-Erzählerin Deborah ist davon überzeugt, es gebe ein „Katastrophenprinzip“, das ihr persönlich nichts als Ärger beschert. Was Isidor angeht, ist das nicht von der Hand zu weisen: Er hat sämtliche Schuhe angeknabbert, sodass Deborah nun in apfelgrünen Gummistiefeln mit Froschaugen zur Schule gehen muss. Sie trägt dieses Schicksal mit einigem Humor und wurde von der Autorin zusätzlich mit Temperament, Empathie und übersprudelnder Fantasie ausgestattet.
Das alles braucht die Jugendliche auch, denn leider lassen in dieser Geschichte über ihr Abitur-Schuljahr die echten Katastrophen nicht lange auf sich warten. Das Mobbing durch eine Klassenkameradin ist dabei kaum der Rede wert. Dass die beste Freundin sich entfremdet, bis zur Verblödung vernarrt in ihren neuen Freund, ist für Deborah nicht ganz so leicht zu verschmerzen. Und dass die Mutter immer abwesender und fremder erscheint, ist nur ein weiteres Anzeichen dafür, dass etwas richtig schiefläuft: Der Vater hat eine Geliebte, wie sich bald herausstellt, eine Trennung der Eltern bahnt sich an. Ausgerechnet in der Silvesternacht versucht die Mutter, sich umzubringen. Als sie im Krankenhaus nicht einmal ihre Tochter sehen will, ist das „Die Kirsche auf der Torte aller Katastrophen“, um endlich den Titel des Romans zu nennen. Es fühlt sich für Deborah wie der „Gipfel der Demütigung“ an: „Das Universum hat sich eine breite Schaufel geholt und mir damit voll in die Visage geschlagen.“
Zugegeben: Das sind schon heftige Katastrophen für einen Jugendroman, und es sind längst nicht alle; die vermeintlich aussichtslose Liebe zu einem bereits liierten Klassenkameraden, erschreckend schlechte Schulnoten und vor allem die spätere Schwangerschaft und gar Abtreibung der Freundin sollen hier nur erwähnt werden. Doch diese etwas übertriebene Drastik gleicht die Autorin aus, indem sie ihre zur klugen Selbstreflexion fähige Heldin mit viel Witz und Verve durch diesen Entwicklungsroman führt. Wäre das Label nicht etwas simpel und überstrapaziert, könnte man diesen atmosphärisch und sprachlich flirrenden Roman auch als typisch französisch bezeichnen.
Dazu passt auch, dass die mitunter etwas einsame Schülerin einen Hang zur großen Literatur und eine Lieblingsbuchhändlerin hat, die ihr stilecht Victor Hugos „Die Elenden“ als tröstende Freizeitlektüre empfiehlt. Solche und weitere Anspielungen verweisen sympathischerweise auf die stets rettende Kraft der Literatur. Sie spiegeln aber auch die Bildungsziele einer Pariser Oberschicht, in deren äußerlich oft teuer dekorierte Wohnungen bei innerer Tristesse dieser Roman blicken lässt. Die Schule dagegen wird eher als „Kaninchenstall“ geschildert, in dem sich fast 40 Schüler in eine Klasse zwängen müssen. Doch da dieser Roman für einige Überraschungen gut ist, gibt es an diesem Gymnasium aufmerksame Lehrer, die einer überforderten Jugendlichen helfend zur Seite stehen.
Auch in der Familie wie in der Liebe wenden sich die Dinge langsam, aber unaufhaltsam zum Besseren, ja Besten. Unterstützung kommt – zusammen ist man weniger allein – von hochherzigen neuen Freunden, einer unerwartet großzügigen Großmutter und sogar dem Hund des Schreckens. Denn als nichts mehr zu gehen scheint im Leben von Katastrophen-Deborah, kommt Isidor hechelnd herbeigerannt, drückt seine stinkende Schnauze gegen ihre Wange und lässt sich partout nicht wegschieben. Deborah bleibt nichts anderes übrig, als ihn fest zu umarmen, in dem neu erworbenen Wissen: Es gibt wahrlich größere Katastrophen als einen hässlichen Hund. (ab 14 Jahre)
Auch in der Familie wie
in der Liebe wenden sich
die Dinge langsam zum Besseren
Marie Pavlenko:
Die Kirsche auf der Torte aller Katastrophen.
Aus dem Französischen von Cornelia Panzacchi. Thienemann, 2021,
415 Seiten, 18 Euro
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Ein Jugendroman aus Frankreich erzählt von einer Serie kleiner und großer Katastrophen.
Eine davon ist ein hässlicher „Hund des Schreckens“
VON ANTJE WEBER
Allein schon der Hund ist eine einzige Katastrophe. Isidor heißt der übergewichtige Labrador mit dem räudig wirkenden Fell, den Deborahs Mutter ohne Halsband, auf dem Pariser Bürgersteig gefunden und gerettet hat. Diesen abgrundtief hässlichen „Hund des Schreckens“ soll Deborah nun jeden Abend ausführen. „Isidor ist meine persönliche Zwangsarbeit“, klagt die Jugendliche. „Lieber würde ich einen Nacktschnecken-Smoothie trinken.“
Das klingt so originell wie übertourig, und in diesem Tonfall sind weite Teile des Jugendromans der französischen Schriftstellerin Marie Pavlenko gehalten. Ihre 17-jährige Ich-Erzählerin Deborah ist davon überzeugt, es gebe ein „Katastrophenprinzip“, das ihr persönlich nichts als Ärger beschert. Was Isidor angeht, ist das nicht von der Hand zu weisen: Er hat sämtliche Schuhe angeknabbert, sodass Deborah nun in apfelgrünen Gummistiefeln mit Froschaugen zur Schule gehen muss. Sie trägt dieses Schicksal mit einigem Humor und wurde von der Autorin zusätzlich mit Temperament, Empathie und übersprudelnder Fantasie ausgestattet.
Das alles braucht die Jugendliche auch, denn leider lassen in dieser Geschichte über ihr Abitur-Schuljahr die echten Katastrophen nicht lange auf sich warten. Das Mobbing durch eine Klassenkameradin ist dabei kaum der Rede wert. Dass die beste Freundin sich entfremdet, bis zur Verblödung vernarrt in ihren neuen Freund, ist für Deborah nicht ganz so leicht zu verschmerzen. Und dass die Mutter immer abwesender und fremder erscheint, ist nur ein weiteres Anzeichen dafür, dass etwas richtig schiefläuft: Der Vater hat eine Geliebte, wie sich bald herausstellt, eine Trennung der Eltern bahnt sich an. Ausgerechnet in der Silvesternacht versucht die Mutter, sich umzubringen. Als sie im Krankenhaus nicht einmal ihre Tochter sehen will, ist das „Die Kirsche auf der Torte aller Katastrophen“, um endlich den Titel des Romans zu nennen. Es fühlt sich für Deborah wie der „Gipfel der Demütigung“ an: „Das Universum hat sich eine breite Schaufel geholt und mir damit voll in die Visage geschlagen.“
Zugegeben: Das sind schon heftige Katastrophen für einen Jugendroman, und es sind längst nicht alle; die vermeintlich aussichtslose Liebe zu einem bereits liierten Klassenkameraden, erschreckend schlechte Schulnoten und vor allem die spätere Schwangerschaft und gar Abtreibung der Freundin sollen hier nur erwähnt werden. Doch diese etwas übertriebene Drastik gleicht die Autorin aus, indem sie ihre zur klugen Selbstreflexion fähige Heldin mit viel Witz und Verve durch diesen Entwicklungsroman führt. Wäre das Label nicht etwas simpel und überstrapaziert, könnte man diesen atmosphärisch und sprachlich flirrenden Roman auch als typisch französisch bezeichnen.
Dazu passt auch, dass die mitunter etwas einsame Schülerin einen Hang zur großen Literatur und eine Lieblingsbuchhändlerin hat, die ihr stilecht Victor Hugos „Die Elenden“ als tröstende Freizeitlektüre empfiehlt. Solche und weitere Anspielungen verweisen sympathischerweise auf die stets rettende Kraft der Literatur. Sie spiegeln aber auch die Bildungsziele einer Pariser Oberschicht, in deren äußerlich oft teuer dekorierte Wohnungen bei innerer Tristesse dieser Roman blicken lässt. Die Schule dagegen wird eher als „Kaninchenstall“ geschildert, in dem sich fast 40 Schüler in eine Klasse zwängen müssen. Doch da dieser Roman für einige Überraschungen gut ist, gibt es an diesem Gymnasium aufmerksame Lehrer, die einer überforderten Jugendlichen helfend zur Seite stehen.
Auch in der Familie wie in der Liebe wenden sich die Dinge langsam, aber unaufhaltsam zum Besseren, ja Besten. Unterstützung kommt – zusammen ist man weniger allein – von hochherzigen neuen Freunden, einer unerwartet großzügigen Großmutter und sogar dem Hund des Schreckens. Denn als nichts mehr zu gehen scheint im Leben von Katastrophen-Deborah, kommt Isidor hechelnd herbeigerannt, drückt seine stinkende Schnauze gegen ihre Wange und lässt sich partout nicht wegschieben. Deborah bleibt nichts anderes übrig, als ihn fest zu umarmen, in dem neu erworbenen Wissen: Es gibt wahrlich größere Katastrophen als einen hässlichen Hund. (ab 14 Jahre)
Auch in der Familie wie
in der Liebe wenden sich
die Dinge langsam zum Besseren
Marie Pavlenko:
Die Kirsche auf der Torte aller Katastrophen.
Aus dem Französischen von Cornelia Panzacchi. Thienemann, 2021,
415 Seiten, 18 Euro
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
"Ein widerborstiger und zugleich witziger Coming-of-Age-Roman. [...] Marie Pavlenko [...] ist ganz bei ihrer Heldin, bei deren Träumen, deren Verletzungen. Einfühlsam und scharfsichtig lässt sie Deborah die Freuden und Nöte der Menschen schildern, die ihr wichtig sind. [...] Dass dieser Roman bei allem Pathos und bei allen wirklichen Katastrophen durch seinen Witz besticht und durch Sprachbilder, die nie abgenutzt sind, ist das Verdienst dieser Autorin." Klaus Humann DIE ZEIT, LUCHS des Monats November 2021 20211104