Ein großartiges Panorama antiker Geschichte, so fulminant erzählt wie ein historischer Roman.Auf den Spuren des antikenbegeisterten römischen Kaisers Hadrian, der um 120 n. Chr. begann, sein gesamtes Imperium von Schottland bis Ägypten zu bereisen, lässt Robin Lane Fox die Antike lebendig werden,von den homerischen Epen über die Erfindung der Demokratie und den stürmischen Aufstieg des Alexanderreichs bis zur römischen Kaiserzeit und den Anfängen des Christentums.
Die Fülle der historischen Ereignisse von 1000 Jahren ordnet der Autor entlang dreier Leitthemen: Freiheit, Gerechtigkeit und Luxus - Themen, die schon in der Antike und bis zum heutigen Tag die Auseinandersetzung mit der Gesellschaft bestimmen.
Anschaulich und lebensvoll schildert Lane Fox,wie sich zunächst die griechische und auf ihren Schultern die römische Klassik entwickelt hat und wie antike Geschmacks- und Wertmaßstäbe uns bis heute prägen.
Die Fülle der historischen Ereignisse von 1000 Jahren ordnet der Autor entlang dreier Leitthemen: Freiheit, Gerechtigkeit und Luxus - Themen, die schon in der Antike und bis zum heutigen Tag die Auseinandersetzung mit der Gesellschaft bestimmen.
Anschaulich und lebensvoll schildert Lane Fox,wie sich zunächst die griechische und auf ihren Schultern die römische Klassik entwickelt hat und wie antike Geschmacks- und Wertmaßstäbe uns bis heute prägen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.03.2010Aus der Perspektive des reisenden Monarchen
Mit dem Feuer einer durch Geschmack und Humor gezügelten Passion für die Antike: Robin Lane Fox erzählt eine hinreißende Geschichte der Klassischen Welt von Homer bis Hadrian.
Wer die griechisch-römische Antike in ihrer Gesamtheit zu schildern unternimmt, bedarf einer leitenden Idee. Eine gute Wahl war und bleibt das Begriffspaar Herrschaft und Freiheit. Gelehrte wie Michael Rostovtzeff, Alfred Heuß und Werner Dahlheim sahen die Einheit der klassischen Welt in dieser Polarität, die auf die aristokratische Grundstruktur der Gesellschaft verwies und Gestalt gewann in der autonomen Stadt. "Die Symbiose von Römer- und Griechentum", so Heuß vor gut sechzig Jahren, "konnte sich so auf der Basis eines gleichgearteten Sozialtypus und eines gemeinsamen Bildungssubstrates vollziehen. Nur so war eine römisch-griechische Gesellschaft als Einheit möglich. Sie existierte so lange, als die politischen und wirtschaftlichen Bedingungen für das autonome Stadtbürgertum vorhanden waren." Neuere Entwürfe betonen dagegen eher die vielgestaltigen Kommunikationen und Hybridisierungen in der Mittelmeerwelt und den angrenzenden Regionen. Stand zuvor mit der Autonomie ein knappes und prekäres politisches Gut im Mittelpunkt, so dominiert nunmehr das Modell des Netzwerkes und richtet sich der Blick stärker auf Ökonomien, Kulturen und Religionen.
Robin Lane Fox würde gewiss die Vermutung weit von sich weisen, er habe eine Synthese zwischen beiden Entwürfen gesucht. Gleichwohl kann man sein Buch als eine solche lesen. Die Vernetzung stiftet er mit einem kompositorischen Kunstgriff, der genial genannt zu werden verdient, weil er gleichzeitig die politisch-kulturelle Agenda der Netzwerkhistorie unterminiert. Als Anfang des zweiten Jahrhunderts nach Christus das Römische Reich seine größte Ausdehnung erreicht hatte, bekam es mit Hadrian einen Kaiser, der sich die Oikumene durch mehrere ausgedehnte Reisen gleichsam erschloss. Indem Hadrian in Griechenland, Ägypten, Kleinasien und Britannien, auf Sizilien und im Vorderen Orient auch historische Stätten und Gedächtnisorte besuchte, lässt sich sein Itinerar zugleich als eine Kette von Begegnungen mit der Geschichte der Griechen und Römer ansprechen.
In dieser Zeit war ein letztes Mal friedlich und unbedroht vereint, was die klassische Welt ausmachte, und der aus Spanien stammende Herrscher war der "lebende Beweis für die gemeinsame Kultur im Geist des Hellenismus, in dem die Schicht der Gebildeten des Kaiserreichs sich jetzt zusammenfand". In dieser Epoche hatte das Imperium zugleich die grundlegende Umwälzung auch seiner leitenden Wertideale durch das Christentum noch vor sich - die Welt von Heiden und Christen in der Spätantike hat Lane Fox vor knapp fünfundzwanzig Jahren in einem eigenen, noch immer sehr lesenswerten Buch dargestellt. Ferner kein Zufall: Mit dem nach Hadrian übernächsten Kaiser, Mark Aurel, ließ Gibbon einst den Verfall des Römischen Reiches beginnen.
Indem Lane Fox die Perspektive des reisenden Monarchen einnimmt, gewinnt seine Rekonstruktion der antiken Geschichte eine geradezu zwingende Evidenz: Klassik gab es bereits in der Antike, das Konzept ist keine Erfindung von Winckelmann und Humboldt, und mit dem philisterhaften Epigonentum der auf diese folgenden Generationen hat sie schon gar nichts zu schaffen. Lane Fox lädt seine Auswahl auf: Der große universalhistorische Zusammenhang der griechischen und römischen Geschichte ist zugunsten einer klaren Fokussierung weggelassen. Wohl ließen sich, so heißt es programmatisch, "Griechen und Römer immer wieder von zahlreichen Nachbarkulturen befruchten - so von der persischen, phönikischen, ägyptischen und jüdischen -, und ihre Geschichte war zeitweise mit der Geschichte dieser Völker verknüpft. Aber als erstklassig galten in ihrer Welt wie der unseren zu Recht die Kunst, Literatur und Philosophie, die Denkweise und die Politik, die ihnen selbst eigen war."
Dieses Bekenntnis dürfte Anstoß erregen, weil es politisch wunderbar unkorrekt ist und ins Gedächtnis ruft, dass jeder deutenden Auswahl eine Wertentscheidung zugrunde liegt, die gerade im Fall der klassischen Antike auch eine ästhetische sein muss. Merkwürdigerweise hat der Verlag diese Pointe durch den Untertitel verdeckt: Eine "Weltgeschichte" bietet Lane Fox eben gerade nicht. Der Originaltitel kennzeichnet das Buch richtig - eine "epic history", erzählend zugleich und rühmend. Die Übersetzerin übrigens hat den durchaus anspruchsvollen Duktus des Autors insgesamt gut bewältigt, doch mangelt es hier und da an Prägnanz.
Was die Politik angeht, so stellt sich Lane Fox selbstverständlich in die englische Tradition; seine Griechen sind durch Freiheit geadelt. Dann aber wieder die charakteristische Lust am Unkonventionellen: Ikone der demokratischen Freiheit ist für Lane Fox - Aristophanes: Da eine Gestalt wie der Komödiendichter im kriegführenden Athen politisch und kulturell möglich war, kann er als der eigentliche Indikator eines klassischen Zeitalters gelten. Für den humanistischen Tenor des Werkes mag auch die Wertschätzung Ciceros angeführt werden. Die Blindstellen der politischen und kulturellen Homogenisierung im Kaiserreich sind jedoch mitnichten ausgespart - in Hadrians Weltbild war kein Platz für die Juden. Tertullians Frage, was Athen mit Jerusalem zu tun habe, beantwortete der Kaiser eindeutig: Athen wurde erhöht, das Zentrum der Juden dagegen für diese zur verbotenen Stadt.
Neben Hadrian und dem Klassischen geben drei plakative Schlagworte den - mit durchschnittlich zehn Seiten sehr leserfreundlichen - Kapiteln eine durchgehende Textur: Freiheit, Gerechtigkeit und Luxus. Sie werden immer wieder als Momente historischer Dynamik angeführt, dienen daneben als Hilfsmittel beim historischen Vergleich, wenn es darum geht, Unterschiede zwischen den einzelnen Epochen herauszuarbeiten. Die Auswahl erscheint sehr bewusst getroffen: Freiheit ist ein appellativer Wert, der die Bedeutung der Antike für die Gegenwart - jede Gegenwart - unterstreicht; Gerechtigkeit erlaubt es, konstruktive Leistungen zu würdigen und zu messen, ohne zum Korsett der Systematisierung greifen zu müssen, wie es etwa der Begriff Staat erfordern würde, und Luxus war nicht nur eine treibende Kraft antiken Begehrens und der Ökonomie, er bietet auch Gelegenheit für farbige Beschreibungen zum Vergnügen des Lesers. Allerdings fehlt dem deutschen Wort, was in "luxury" mitschwingt: die Fülle, die Kultur und Geschmack erst möglich macht. Immer wieder kann sich der Leser aufgefordert fühlen zu fragen, wie in einer bestimmten historischen Konstellation alle drei zusammenzuspannen waren.
Weil seine Leitbegriffe einfach und zugleich appellativ sind, kann Lane Fox auf die hierzulande beliebte Verbindung von Systematik und Didaktisierung verzichten. Im Hintergrund lauern weder Staatsrecht noch Sozialgeschichte; vielmehr durchwirkt Common sense die Darstellung und stehen Personen im Mittelpunkt, von denen lebendige Skizzen entworfen werden. Man fühlt sich an Ronald Syme erinnert, wenn es über Tacitus heißt, seine Werke seien bessere Führer, das Römische Reich zu verstehen, als pseudobürokratische Untersuchungen von dessen Strukturen - ein pointiertes, sehr englisches, hier einmal sicher ungerechtes Urteil.
Die räsonierende, auch durch Aperçus persönlich gehaltene Schilderung der Ereignisse und Lebenswelten folgt der Chronologie. Namen tauchen nur auf, wenn es unbedingt erforderlich ist - auch diese Ökonomie gehört für Lane Fox zum klassischen Stilideal. Dennoch ist dies kein abgehobenes Werk eines Gentleman-Historikers. Zahlreiche Bemerkungen im Text sowie die kommentierten, kapitelweise angeordneten Literaturangaben (deren Bearbeitung für die deutsche Ausgabe leider einige Mängel aufweist) bezeugen, wie immer wieder auch neueste Erkenntnisse der Detailforschung verarbeitet sind. Mit Verve wird hier und da gegen vermeintlich gesichertes Wissen angegangen; so hätte die römische Republik Caesars Ermordung durchaus überleben können, ja müssen. Dezent pflegt der Verfasser auch einer glänzenden Alexander-Biographie (F.A.Z. vom 20. Dezember 2004) sein Hobby, die Reitkunst, indem er die Bedeutung von Reitereien im Krieg höher ansetzt, als das meist geschieht, oder sich an einer Stelle über die Nahrhaftigkeit bestimmter Grassorten vernehmen lässt. Ausgesprochene Glanzstücke stellen das Kapitel über Philipp II. von Makedonien, über Athen im 4. Jahrhundert v. Chr. und über das Leben in den hellenistischen Metropolen dar, ferner der Vergleich zwischen Pyrrhos und Hannibal.
"Klassisch" ist das auch äußerlich sehr ansprechend gestaltete Buch nicht wegen seiner - durchaus bestreitbaren - Prämissen oder der ausgewogenen Darstellung. Indem Lane Fox weder Kanon noch Handbuch bietet, hat er vielmehr einen Kern des Klassischen begriffen: das Feuer einer durch Geschmack und Humor gezügelten Passion für die Antike in sich brennen zu lassen, um es dann auch in einem empfangswilligen Gegenüber zu entfachen. Und was am Ende der Leitfigur zugebilligt wird, eignet Autor und Buch in reichem Maße: Stil.
UWE WALTER
Robin Lane Fox: "Die klassische Welt". Eine Weltgeschichte von Homer bis Hadrian. Aus dem Englischen von Ute Spengler. Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2010. 730 S., Abb., 11 Karten, geb., 34,90 [Euro].
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Mit dem Feuer einer durch Geschmack und Humor gezügelten Passion für die Antike: Robin Lane Fox erzählt eine hinreißende Geschichte der Klassischen Welt von Homer bis Hadrian.
Wer die griechisch-römische Antike in ihrer Gesamtheit zu schildern unternimmt, bedarf einer leitenden Idee. Eine gute Wahl war und bleibt das Begriffspaar Herrschaft und Freiheit. Gelehrte wie Michael Rostovtzeff, Alfred Heuß und Werner Dahlheim sahen die Einheit der klassischen Welt in dieser Polarität, die auf die aristokratische Grundstruktur der Gesellschaft verwies und Gestalt gewann in der autonomen Stadt. "Die Symbiose von Römer- und Griechentum", so Heuß vor gut sechzig Jahren, "konnte sich so auf der Basis eines gleichgearteten Sozialtypus und eines gemeinsamen Bildungssubstrates vollziehen. Nur so war eine römisch-griechische Gesellschaft als Einheit möglich. Sie existierte so lange, als die politischen und wirtschaftlichen Bedingungen für das autonome Stadtbürgertum vorhanden waren." Neuere Entwürfe betonen dagegen eher die vielgestaltigen Kommunikationen und Hybridisierungen in der Mittelmeerwelt und den angrenzenden Regionen. Stand zuvor mit der Autonomie ein knappes und prekäres politisches Gut im Mittelpunkt, so dominiert nunmehr das Modell des Netzwerkes und richtet sich der Blick stärker auf Ökonomien, Kulturen und Religionen.
Robin Lane Fox würde gewiss die Vermutung weit von sich weisen, er habe eine Synthese zwischen beiden Entwürfen gesucht. Gleichwohl kann man sein Buch als eine solche lesen. Die Vernetzung stiftet er mit einem kompositorischen Kunstgriff, der genial genannt zu werden verdient, weil er gleichzeitig die politisch-kulturelle Agenda der Netzwerkhistorie unterminiert. Als Anfang des zweiten Jahrhunderts nach Christus das Römische Reich seine größte Ausdehnung erreicht hatte, bekam es mit Hadrian einen Kaiser, der sich die Oikumene durch mehrere ausgedehnte Reisen gleichsam erschloss. Indem Hadrian in Griechenland, Ägypten, Kleinasien und Britannien, auf Sizilien und im Vorderen Orient auch historische Stätten und Gedächtnisorte besuchte, lässt sich sein Itinerar zugleich als eine Kette von Begegnungen mit der Geschichte der Griechen und Römer ansprechen.
In dieser Zeit war ein letztes Mal friedlich und unbedroht vereint, was die klassische Welt ausmachte, und der aus Spanien stammende Herrscher war der "lebende Beweis für die gemeinsame Kultur im Geist des Hellenismus, in dem die Schicht der Gebildeten des Kaiserreichs sich jetzt zusammenfand". In dieser Epoche hatte das Imperium zugleich die grundlegende Umwälzung auch seiner leitenden Wertideale durch das Christentum noch vor sich - die Welt von Heiden und Christen in der Spätantike hat Lane Fox vor knapp fünfundzwanzig Jahren in einem eigenen, noch immer sehr lesenswerten Buch dargestellt. Ferner kein Zufall: Mit dem nach Hadrian übernächsten Kaiser, Mark Aurel, ließ Gibbon einst den Verfall des Römischen Reiches beginnen.
Indem Lane Fox die Perspektive des reisenden Monarchen einnimmt, gewinnt seine Rekonstruktion der antiken Geschichte eine geradezu zwingende Evidenz: Klassik gab es bereits in der Antike, das Konzept ist keine Erfindung von Winckelmann und Humboldt, und mit dem philisterhaften Epigonentum der auf diese folgenden Generationen hat sie schon gar nichts zu schaffen. Lane Fox lädt seine Auswahl auf: Der große universalhistorische Zusammenhang der griechischen und römischen Geschichte ist zugunsten einer klaren Fokussierung weggelassen. Wohl ließen sich, so heißt es programmatisch, "Griechen und Römer immer wieder von zahlreichen Nachbarkulturen befruchten - so von der persischen, phönikischen, ägyptischen und jüdischen -, und ihre Geschichte war zeitweise mit der Geschichte dieser Völker verknüpft. Aber als erstklassig galten in ihrer Welt wie der unseren zu Recht die Kunst, Literatur und Philosophie, die Denkweise und die Politik, die ihnen selbst eigen war."
Dieses Bekenntnis dürfte Anstoß erregen, weil es politisch wunderbar unkorrekt ist und ins Gedächtnis ruft, dass jeder deutenden Auswahl eine Wertentscheidung zugrunde liegt, die gerade im Fall der klassischen Antike auch eine ästhetische sein muss. Merkwürdigerweise hat der Verlag diese Pointe durch den Untertitel verdeckt: Eine "Weltgeschichte" bietet Lane Fox eben gerade nicht. Der Originaltitel kennzeichnet das Buch richtig - eine "epic history", erzählend zugleich und rühmend. Die Übersetzerin übrigens hat den durchaus anspruchsvollen Duktus des Autors insgesamt gut bewältigt, doch mangelt es hier und da an Prägnanz.
Was die Politik angeht, so stellt sich Lane Fox selbstverständlich in die englische Tradition; seine Griechen sind durch Freiheit geadelt. Dann aber wieder die charakteristische Lust am Unkonventionellen: Ikone der demokratischen Freiheit ist für Lane Fox - Aristophanes: Da eine Gestalt wie der Komödiendichter im kriegführenden Athen politisch und kulturell möglich war, kann er als der eigentliche Indikator eines klassischen Zeitalters gelten. Für den humanistischen Tenor des Werkes mag auch die Wertschätzung Ciceros angeführt werden. Die Blindstellen der politischen und kulturellen Homogenisierung im Kaiserreich sind jedoch mitnichten ausgespart - in Hadrians Weltbild war kein Platz für die Juden. Tertullians Frage, was Athen mit Jerusalem zu tun habe, beantwortete der Kaiser eindeutig: Athen wurde erhöht, das Zentrum der Juden dagegen für diese zur verbotenen Stadt.
Neben Hadrian und dem Klassischen geben drei plakative Schlagworte den - mit durchschnittlich zehn Seiten sehr leserfreundlichen - Kapiteln eine durchgehende Textur: Freiheit, Gerechtigkeit und Luxus. Sie werden immer wieder als Momente historischer Dynamik angeführt, dienen daneben als Hilfsmittel beim historischen Vergleich, wenn es darum geht, Unterschiede zwischen den einzelnen Epochen herauszuarbeiten. Die Auswahl erscheint sehr bewusst getroffen: Freiheit ist ein appellativer Wert, der die Bedeutung der Antike für die Gegenwart - jede Gegenwart - unterstreicht; Gerechtigkeit erlaubt es, konstruktive Leistungen zu würdigen und zu messen, ohne zum Korsett der Systematisierung greifen zu müssen, wie es etwa der Begriff Staat erfordern würde, und Luxus war nicht nur eine treibende Kraft antiken Begehrens und der Ökonomie, er bietet auch Gelegenheit für farbige Beschreibungen zum Vergnügen des Lesers. Allerdings fehlt dem deutschen Wort, was in "luxury" mitschwingt: die Fülle, die Kultur und Geschmack erst möglich macht. Immer wieder kann sich der Leser aufgefordert fühlen zu fragen, wie in einer bestimmten historischen Konstellation alle drei zusammenzuspannen waren.
Weil seine Leitbegriffe einfach und zugleich appellativ sind, kann Lane Fox auf die hierzulande beliebte Verbindung von Systematik und Didaktisierung verzichten. Im Hintergrund lauern weder Staatsrecht noch Sozialgeschichte; vielmehr durchwirkt Common sense die Darstellung und stehen Personen im Mittelpunkt, von denen lebendige Skizzen entworfen werden. Man fühlt sich an Ronald Syme erinnert, wenn es über Tacitus heißt, seine Werke seien bessere Führer, das Römische Reich zu verstehen, als pseudobürokratische Untersuchungen von dessen Strukturen - ein pointiertes, sehr englisches, hier einmal sicher ungerechtes Urteil.
Die räsonierende, auch durch Aperçus persönlich gehaltene Schilderung der Ereignisse und Lebenswelten folgt der Chronologie. Namen tauchen nur auf, wenn es unbedingt erforderlich ist - auch diese Ökonomie gehört für Lane Fox zum klassischen Stilideal. Dennoch ist dies kein abgehobenes Werk eines Gentleman-Historikers. Zahlreiche Bemerkungen im Text sowie die kommentierten, kapitelweise angeordneten Literaturangaben (deren Bearbeitung für die deutsche Ausgabe leider einige Mängel aufweist) bezeugen, wie immer wieder auch neueste Erkenntnisse der Detailforschung verarbeitet sind. Mit Verve wird hier und da gegen vermeintlich gesichertes Wissen angegangen; so hätte die römische Republik Caesars Ermordung durchaus überleben können, ja müssen. Dezent pflegt der Verfasser auch einer glänzenden Alexander-Biographie (F.A.Z. vom 20. Dezember 2004) sein Hobby, die Reitkunst, indem er die Bedeutung von Reitereien im Krieg höher ansetzt, als das meist geschieht, oder sich an einer Stelle über die Nahrhaftigkeit bestimmter Grassorten vernehmen lässt. Ausgesprochene Glanzstücke stellen das Kapitel über Philipp II. von Makedonien, über Athen im 4. Jahrhundert v. Chr. und über das Leben in den hellenistischen Metropolen dar, ferner der Vergleich zwischen Pyrrhos und Hannibal.
"Klassisch" ist das auch äußerlich sehr ansprechend gestaltete Buch nicht wegen seiner - durchaus bestreitbaren - Prämissen oder der ausgewogenen Darstellung. Indem Lane Fox weder Kanon noch Handbuch bietet, hat er vielmehr einen Kern des Klassischen begriffen: das Feuer einer durch Geschmack und Humor gezügelten Passion für die Antike in sich brennen zu lassen, um es dann auch in einem empfangswilligen Gegenüber zu entfachen. Und was am Ende der Leitfigur zugebilligt wird, eignet Autor und Buch in reichem Maße: Stil.
UWE WALTER
Robin Lane Fox: "Die klassische Welt". Eine Weltgeschichte von Homer bis Hadrian. Aus dem Englischen von Ute Spengler. Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2010. 730 S., Abb., 11 Karten, geb., 34,90 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Leichtes Bedauern schwingt bei Althistoriker Stefan Rebenich mit, wenn er feststellt, dass solch umfangreiche populärwissenschaftliche Schmöker wie von Robin Lane Fox nicht auch hierzulande geschrieben werden. Dann übt er keine Zurückhaltung beim Lob des über 700 Seiten dicken Bandes, den er als üppiges Lesevergnügen in "herrlich altmodischer" Machart lobt. Der in Oxford lehrende Historiker weiß glänzend zu schreiben, hält sich eng an die Quellen, wechselt kurzweilig zwischen Porträts historischer Persönlichkeiten und dem soziokulturellen, religiösen, wirtschaftlichen und politischen Kontext und hält sich nicht bei kleinteiligen fachwissenschaftlichen Debatten auf, frohlockt der Rezensent. Dass Lane Fox dabei Themen manchmal nur anreißt, nimmt Rebenich nicht weiter übel, er weiß "geistreiche Synthese und pointierte Wertung" höher zu schätzen als lückenlose Darstellung, wie er betont. Fox' drei zentrale Begriffe - "Freiheit, Gerechtigkeit und Luxus" -, an denen er seine Klassische Geschichte strukturiert, hätte der Rezensent allerdings doch gern begriffsgeschichtlich beleuchtet gesehen und die konsequente Ignorierung der deutschen Forschungsliteratur hätte er zumindest in der Bibliografie der deutschen Übersetzung überarbeiten lassen. Alles in allem aber zeigt er sich begeistert und vor allem gut unterhalten von diesem Buch.
© Perlentaucher Medien GmbH
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