Brodelnde Gerüchteküche und Intrige erwartet die Komödianten in der kleinen italienischen Stadt. Diese mischen die Stadtbewohner auf, es kommt zu einem dramatischen Finale in diesem Roman von 1909. Raffiniert spielt der Autor mit Andeutungen und der Figurenschar, um die Spannung bis zum Schluss zu bewahren.Heinrich ist der ältere Bruder von Thomas Mann. Bekannt wurde er durch seine Romane "Der Untertan" sowie "Professor Unrat" (verfilmt als "Der blaue Engel" mit Marlene Dietrich).Eine Wanderoper gastiert in einer kleinen italienischen Stadt und sorgt für Turbulenzen bei den Bewohnern. Don Taddeo, ein Priester, entdeckt die sinnliche Begierde für sich. Der Advokat Belotti und der intrigante Savezzo verstricken sich in einen Machtkampf. "Die kleine Stadt" brummt vor Gefühlen, Intrigen und Gerüchten. Nach seiner Niederlage gegen den in seiner Macht erstarkten Advokaten wird Savezzo zum Handlanger degradiert. Er verlässt - wie die Komödianten - die kleine Stadt. Und es kommt zum dramatischen Finale zwischen Alba, der Enkelin eines Gutsbesitzers, und ihrem geliebten Tenor Nello.
Heinrich Mann "Die kleine Stadt"
"Wer die Sentimentalität fürchtet, den holt der Frost", schreibt Pablo Neruda einmal, und es ist genau diese vor keiner Berührung sich ängstigende, lustvolle Unbedenklichkeit, die aus Heinrich Mann, wo er gut ist, einen so hinreißenden Erzähler macht und - wo er eben deshalb seine Schwächen hat - immer noch einen Romancier, dessen Figuren in uns allzu gern kunstvergessenen Romanliebhabern für ein Weilchen auch einmal ohne seine Hilfe leben können. (Schön ist auch, nebenbei jetzt, wie ihn dieselbe Unbedenklichkeit durch tausend Experimente treibt, bis er sich dann endgültig nirgends mehr festlegen kann.) Hier, in diesem sehr geglückten Roman - seinem neunten nach fünfzehn Jahren, und es sind abenteuerliche Dinger darunter, das ist wahr -, hier kommt in die kleine Stadt Palestrina, wo Bruder Thomas ein paar Jahre vorher große Teile der "Buddenbrooks" geschrieben hatte, eine Operntruppe und bringt, indem sie Spannungen freilegt, die sonst keine Bahnen gefunden oder sich andere hätten suchen müssen, so etwas wie Freiheit ins alte stehngebliebene Leben - Freiheit, oder doch ihren schönen Glanz, ihren süßen Atem. Jeder kann fühlen, daß er lebt, und darf glauben, daß er's in der Hand hat, dem Leben nicht bloß zusehn zu müssen wie einem Stück, das für die anderen geschrieben ist. Auch in die Liebe kommt das Leben, selbst als die Liebende ihren Geliebten (und dann, als sie merkt, daß das alles andere als bloß eine Oper ist, sich selber) umbringt, mit einem Dolch: Noch den verrückten Tod streift aber eine Ahnung vom Glück, das hätte sein können, und wir mitgenommenen Leser, wie so gern bei den Autoren dieser großen Schule von Charles Dickens bis Heinrich Mann, weinen jene wohltuenden Tränen, die den drohenden Frost vertreiben. (Heinrich Mann: "Die kleine Stadt". Mit einem Nachwort von Helmut Koopmann und einem Materialienanhang, zusammengestellt von Peter-Paul Schneider. Heinrich Mann, Studienausgabe in Einzelbänden, herausgegeben von Peter-Paul Schneider. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1986. 494 Seiten, br., 14,80 DM.) R.V.
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