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Seit Jahrhunderten bildet der Knoblauchanbau die Lebensgrundlage der chinesischen Bauern im nordöstlichen Gaomi. Aber nun, im Jahr 1987, verfaulen die Knollen auf den Feldern, weil die Behörden sich weigern, die Ernte abzunehmen. Die Mißwirtschaft der korrupten kommunistischen Behörden bedroht die Existenz der Menschen und in ihrer Verzweiflung zetteln die Bauern einen blutigen Aufstand gegen die verhaßten Bürokraten an. Aber die Revolte wird brutal niedergeschlagen. Drei der Rebellen von einst erinnern sich an ihr Leben.

Produktbeschreibung
Seit Jahrhunderten bildet der Knoblauchanbau die Lebensgrundlage der chinesischen Bauern im nordöstlichen Gaomi. Aber nun, im Jahr 1987, verfaulen die Knollen auf den Feldern, weil die Behörden sich weigern, die Ernte abzunehmen. Die Mißwirtschaft der korrupten kommunistischen Behörden bedroht die Existenz der Menschen und in ihrer Verzweiflung zetteln die Bauern einen blutigen Aufstand gegen die verhaßten Bürokraten an. Aber die Revolte wird brutal niedergeschlagen. Drei der Rebellen von einst erinnern sich an ihr Leben.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.10.1997

Schläft ein Duft in allen Dingen
Nicht verfilmbar: Mo Yans "Ballade vom Knoblauchsprößling"

Es stinkt häßlich in Mo Yans "Ballade vom Knoblauchsprößling", wie sein Roman im Original heißt, und zwar nach Urin und Erbrochenem, nach Schweiß und Kot und insbesondere natürlich nach Knoblauch. In der verordneten Monokultur von Shandong ist nichts vor der Macht der Knolle sicher; nicht einmal die Liebe. Als Gao Ma und Jinjü, die unglücklichen Liebenden dieses Romans, sich zum ersten Mal und heimlich küssen, kann die junge Frau "ein Aufstoßen nicht unterdrücken". "Gao Ma", so heißt es weiter, "hatte plötzlich den Geschmack von Knoblauch oder frischen Kräutern auf der Zunge" - was ihn aber in seiner Liebe zu Jinjü nicht beirrt. Mo Yan ist ein drastischer, überdeutlicher Erzähler. Die schlechten Gerüche sollen dem Leser vor die Nase führen, wie die Verhältnisse in Shandong sind: Sie stinken zum Himmel. Geruchsbelästigung und Gesellschaftskritik gehören in diesem Roman zusammen.

Das mag erklären, weshalb die "Knoblauchrevolte" bisher niemand verfilmt hat, wo doch Mo Yans frühere, weniger düstere Agrarballade "Das rote Kornfeld" in Zhang Yimous Regie ein Welterfolg wurde. Man wundert sich, daß der Roman 1988 in Peking überhaupt erscheinen konnte, wenn auch "in einer etwas anderen Fassung". So steht es in der deutschen Ausgabe, die von Erläuterungen leider absieht und auch auf ein Nachwort verzichtet, das beispielsweise erklären würde, wieso Mo Yan, ein Kulturoffizier der Volksbefreiungsarmee, einen antisozialistischen Bauernaufstand literarisch verewigen durfte, während wenig später andere Truppenteile den Studentenprotest mit Panzern niederrollten.

Politisch brisanter als der Geruch von frischem ist der Gestank von faulendem Knoblauch. Dabei geht es - hier setzt der Roman ein - Anfang 1987 im Landkreis "Paradies" den Bauern besser denn je. Auf Anordnung der Kreisregierung baut man nur noch Knoblauch an, ein einträgliches Geschäft, denn für ein Pfund Knoblauchsprossen zahlt die Genossenschaft einen Yüan. "Das Dritte Plenum des ZK", so geht ein Spottlied des blinden Sängers Zhang Kou, das er auf einem Hochzeitsbankett in Qingyang volltrunken zum besten gibt, "hat uns den rechten Weg gewiesen: Knoblauch pflanzen, um reich zu werden, das, Brüder, ist die neue Linie." Wenige Monate später bricht der Knoblauchboom auf einmal zusammen, als sich die Behörden mit dem Hinweis auf überfüllte Kühlhäuser weigern, die geernteten Knollen abzunehmen. Aufgebrachte Bauern verwüsten daraufhin das Gebäude der Kreisverwaltung und verprügeln ein paar korrupte Beamte. Die Staatsgewalt schlägt brutal zurück. Anhand der Schicksale dreier Verhafteter und ihrer Familien erzählt Mo Yan, der 1956 in der Knoblauchprovinz geboren wurde, seine Version vom Bauernaufstand in Gaomi. Am Ende sind die meisten seiner Hauptfiguren tot; sie haben sich in ihrer Zelle erhängt, man hat sie auf der Flucht erschossen oder, wie den Sänger Zhang Kou, zu Tode geprügelt.

Mo Yan rollt das Geschehen in einer Szenenfolge auf, die Zeit und Perspektiven bewußt verwirrt. Eine fortlaufende Chronik der Ereignisse liefern allein die Balladen des blinden Sängers, die, versehen mit einem Kommentar, jeweils am Kapitelanfang stehen. Ansonsten springt die Handlung ständig hin und her: von der Niederschlagung der "Knoblauchrevolte" zurück zu ihrer näheren und ferneren - teils bis in die Zeiten der Kulturrevolution zurückreichenden - Vorgeschichte und von da zum Aufstand selbst und weiter zur Verfolgung und Bestrafung der angeblichen Drahtzieher. Früher oder später finden sie sich sämtlich im Gefängnis wieder, zuerst der brave Bauer Gao Yang, dann die mächtige Clanchefin namens "Tante Vier" und zuletzt der furchtlose Gao Ma, der gegen alle Heiratsregeln um Tante Viers Tochter Jinjü wirbt.

Wenn es in diesem Roman einen Helden gibt, dann ihn. Aber Gao Ma ist durchaus kein Agrar-Revolutionär, sondern ein Held in eigener Sache. Er rebelliert nicht nur gegen die korrupten Beamten, diese "feudalistischen Parasiten am Leibe des Sozialismus", die sein ebenso kühner Rechtsbeistand vor Gericht anprangert, sondern vor allem gegen die hergebrachten Vorschriften, die seine Heirat mit Jinjü verbieten. Die übergeordneten Interessen dreier verbündeter Knoblauchbauernfamilien gebieten nämlich, daß Jinjü einen älteren Invaliden heiraten wird; ihr älterer Bruder will das Arrangement notfalls mit Gewalt durchsetzen. Gao Mas und Jinjüs Revolte gegen das - von der Partei offiziell bekämpfte - Familiendiktat wird, wie die Knoblauchrevolte, mit Gewalt niedergeschlagen. Die Bauern von Gaomi zeigt Mo Yan damit einesteils als Opfer bürokratischer Klassenherrschaft und kollektivistischer Mißwirtschaft, andernteils als Gewalttäter, die jeden Verstoß gegen ihre ökonomische Familienmoral selbst gnadenlos bestrafen. Für die Wonnen der Ländlichkeit und ihre poetischen Ressourcen ist bei Mo Yan diesmal wenig Platz. Sein Realismus ist, anders als in früheren Romanen, kaum noch "magisch" zu nennen.

Er gibt ein um so klareres Bild vom Realismus der beschriebenen Verhältnisse und von der Allgegenwart der bürokratischen, familiären, polizeilichen Macht in ihnen. Und wenn Mo Yan seine Figuren einmal über die örtlichen Gegebenheiten hinausträumen läßt, dann handelt es sich bei solchen Visionen vorwiegend um Albträume von Flüchtlingen oder Wunschträume von Gefangenen. Im ländlichen China, wie Mo Yan es schildert, herrschen Bonzen über Bauern, Eltern über Kinder, Männer über Frauen, und, so seine Adresse an die Partei, kein ZK-Plenum wird daran so bald etwas ändern.

Wohl wissend, daß sein Roman bei den Kulturbehörden wenig Freude auslösen würde, hat Mo Yan, der zur Zeit in den Vereinigten Staaten lebt, ihm als Motto ein abgründiges Rätselwort Stalins beigegeben: "Romanautoren versuchen immerzu, sich von der Politik zu distanzieren, aber der Roman selbst kreist um die Politik. Romanautoren beschäftigen sich so sehr mit dem ,Menschenschicksal', daß sie dazu neigen, ihr eigenes Schicksal aus den Augen zu verlieren. Darin liegt ihre Tragödie." CHRISTOPH BARTMANN

Mo Yan: "Die Knoblauchrevolte". Roman. Aus dem Chinesischen übersetzt von Andreas Donath. Rowohlt Verlag, Reinbek 1997. 384 S., geb., 42,- DM.

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