USA, nahe Zukunft: Eine ehrgeizige junge Europäerin sucht den gesellschaftlichen Aufstieg und findet ihn in der Heirat mit dem älteren und steinreichen Medientycoon Basil Duncan. Sie nennt sich Lilly, wird Mutter, lebt in einem noblen Haus und berauscht sich am scheinbar grenzenlosen Einfluss ihres Ehemannes. Für Duncan wird das Idyll allerdings bald schal. Er beschließt, Lilly zu ersetzen - und sie gesittet und geregelt an Alexander, seinen Stellvertreter, weiterzugeben. Doch Lilly und Alexander schmieden einen folgenschweren Plan ... Eine düstere Tragödie und bissig-komische Liebesgeschichte, die den Fragen nach Schuld und Verantwortung auf den Grund geht.
Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Rezensentin Maja Beckers hat gut Schmunzeln bei dieser in der Chefetage eines großen Fernsehsenders angesiedelten "Macbeth"-Variante, die sich Shakespeares Vorlage "bis in kleine Details" verpflichtet zeigt. Dabei sind es nicht nur die Zitate und Allusionen, die die Rezensentin entzücken, sondern auch die literarische Form, die erst fragmentarisch (dabei aber erstaunlich effektiv und nachvollziehbar, entwarnt die Rezensentin), später dann geschlossener konzipiert ist. Auch Flors Sprache - "technisch" klipp und klar zwar, was der Schilderung von Emotionen indessen gute Dienste leistet, staunt die Rezensentin - stößt auf positive Resonanz, sowie schlussendlich der sozialkritische Gestus der Geschichte.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.12.2012Lady Macbeth von Amerika
Olga Flors Rache-Roman "Die Königin ist tot"
Die Königin ist nicht tot. Sie wurde gestürzt, durch eine neue ersetzt, und von da an hat sie nur noch ein Ziel: Rache an dem Mann, der sie gestürzt hat. An ihrem Mann. An Duncan, dem König.
Bereits mit diesem Namen tauchen erste Parallelen zu "Macbeth" auf. Sie ziehen sich durch den gesamten Roman der Österreicherin Olga Flor, der aber mehr ist als eine moderne Adaption des Motivs. Eine hypermoderne, wenn überhaupt: "Die Königin ist tot" spielt im Amerika einer nahen Zukunft. Entsprechend ist Duncan ein König der Neuzeit und herrscht über ein Medienimperium, mit dem er die Massen nach Gutdünken manipuliert.
Duncan heiratet Lilly, was für sie einen gesellschaftlichen Aufstieg bedeutet, für ihn aber nur eine von mehreren Ehen ist. Gemeinsam ist beiden, dass sie sich von ihrer Ratio leiten lassen. "Tatsache ist, dass ich mich gar nicht so schlecht eingerichtet hatte in meinem Leben, ebenso, dass ich zielgerichtet an Mr Duncan herangegangen bin", fasst Lilly das nüchtern zusammen. Überhaupt scheint an Gefühlskälte grenzende Nüchternheit ihr Hauptcharakterzug zu sein. Besonders frappierend zeigt sich das, als Duncan sich gegenüber Lilly "zu so etwas wie einem Eheversprechen hinreißen" lässt: Sie steckt die Hände in die Taschen und schaltet das Diktiergerät an, um sich notfalls auf ihren rechtlichen Status berufen zu können.
Das Paar bekommt Kinder, die Lilly so unwichtig sind, dass nur die Rede von den Gründen ihrer Abwesenheit ist. Etwas mehr empfindet sie für das Haus in den Dünen, das die Familie bezieht, und für die Gärtnerin, die als einzige Figur des Romans menschliche Züge trägt. Lilly sucht deren Nähe, aber nur punktuell. Zu genau weiß sie, dass es ihr schadete, ihre Kälte abzulegen. Denn Duncan verstößt seine Frau und schustert sie seinem Adlatus Alexander zu, der ihn auch beruflich liebend gern beerben würde. Lilly und Alexander schmieden daraufhin gemeinsam einen Plan, der tatsächlich eng an den Tod des Königs in Macbeth angelehnt ist: Ein Besuch bei den beiden wird Duncan zum Verhängnis. An Lilly geht das erwartungsgemäß nicht spurlos vorüber - immer wirrer wird ihre Erzählweise zum Ende hin.
Der Weg, Lillys fortschreitenden Wahnsinn zu beobachten, gehört zu den stärksten Seiten des Romans. Er ist ein Ausflug in ein kaltes Innenleben. Es gibt keine sprachlichen Schnörkel, keine Äußerungen positiver Gefühle und kaum ein Hinterfragen der eigenen Motive. Duncan muss weg, also bleibt nur noch die Frage, wie das am besten zu bewerkstelligen wäre. Lillys Verhältnis zu Alexander, das zwischen einer überraschend guten arrangierten Liebschaft und riskanter Komplizenschaft changiert, bleibt ungeklärt. Nicht zuletzt, weil sie es so will. Es ist ein drastisches Psychogramm, das Olga Flor da gezeichnet hat, in dem auch anfangs übertrieben wirkende Wendungen der Geschichte mit der Zeit ihren Platz einnehmen. Ein Buch über die Rache, die am besten kalt serviert wird.
JULIA BÄHR
Olga Flor: "Die Königin ist tot". Roman.
Paul Zsolnay Verlag, Wien 2012. 222 S., geb., 18,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Olga Flors Rache-Roman "Die Königin ist tot"
Die Königin ist nicht tot. Sie wurde gestürzt, durch eine neue ersetzt, und von da an hat sie nur noch ein Ziel: Rache an dem Mann, der sie gestürzt hat. An ihrem Mann. An Duncan, dem König.
Bereits mit diesem Namen tauchen erste Parallelen zu "Macbeth" auf. Sie ziehen sich durch den gesamten Roman der Österreicherin Olga Flor, der aber mehr ist als eine moderne Adaption des Motivs. Eine hypermoderne, wenn überhaupt: "Die Königin ist tot" spielt im Amerika einer nahen Zukunft. Entsprechend ist Duncan ein König der Neuzeit und herrscht über ein Medienimperium, mit dem er die Massen nach Gutdünken manipuliert.
Duncan heiratet Lilly, was für sie einen gesellschaftlichen Aufstieg bedeutet, für ihn aber nur eine von mehreren Ehen ist. Gemeinsam ist beiden, dass sie sich von ihrer Ratio leiten lassen. "Tatsache ist, dass ich mich gar nicht so schlecht eingerichtet hatte in meinem Leben, ebenso, dass ich zielgerichtet an Mr Duncan herangegangen bin", fasst Lilly das nüchtern zusammen. Überhaupt scheint an Gefühlskälte grenzende Nüchternheit ihr Hauptcharakterzug zu sein. Besonders frappierend zeigt sich das, als Duncan sich gegenüber Lilly "zu so etwas wie einem Eheversprechen hinreißen" lässt: Sie steckt die Hände in die Taschen und schaltet das Diktiergerät an, um sich notfalls auf ihren rechtlichen Status berufen zu können.
Das Paar bekommt Kinder, die Lilly so unwichtig sind, dass nur die Rede von den Gründen ihrer Abwesenheit ist. Etwas mehr empfindet sie für das Haus in den Dünen, das die Familie bezieht, und für die Gärtnerin, die als einzige Figur des Romans menschliche Züge trägt. Lilly sucht deren Nähe, aber nur punktuell. Zu genau weiß sie, dass es ihr schadete, ihre Kälte abzulegen. Denn Duncan verstößt seine Frau und schustert sie seinem Adlatus Alexander zu, der ihn auch beruflich liebend gern beerben würde. Lilly und Alexander schmieden daraufhin gemeinsam einen Plan, der tatsächlich eng an den Tod des Königs in Macbeth angelehnt ist: Ein Besuch bei den beiden wird Duncan zum Verhängnis. An Lilly geht das erwartungsgemäß nicht spurlos vorüber - immer wirrer wird ihre Erzählweise zum Ende hin.
Der Weg, Lillys fortschreitenden Wahnsinn zu beobachten, gehört zu den stärksten Seiten des Romans. Er ist ein Ausflug in ein kaltes Innenleben. Es gibt keine sprachlichen Schnörkel, keine Äußerungen positiver Gefühle und kaum ein Hinterfragen der eigenen Motive. Duncan muss weg, also bleibt nur noch die Frage, wie das am besten zu bewerkstelligen wäre. Lillys Verhältnis zu Alexander, das zwischen einer überraschend guten arrangierten Liebschaft und riskanter Komplizenschaft changiert, bleibt ungeklärt. Nicht zuletzt, weil sie es so will. Es ist ein drastisches Psychogramm, das Olga Flor da gezeichnet hat, in dem auch anfangs übertrieben wirkende Wendungen der Geschichte mit der Zeit ihren Platz einnehmen. Ein Buch über die Rache, die am besten kalt serviert wird.
JULIA BÄHR
Olga Flor: "Die Königin ist tot". Roman.
Paul Zsolnay Verlag, Wien 2012. 222 S., geb., 18,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Intelligent und vor allem sehr unterhaltsam. Wärmste Empfehlung." Barbara Köppel, FM4, 16.08.12
"Ein eisiger Wind weht durch die Prosa dieser Autorin, ihre Macbeth-Studie ist eine spannende Endzeitgeschichte voller apokalyptischer Anspielungen." Karin Cerny, profil, 20.08.12
"Es ist eine bedrückende Welt, die Flor entwirft, in der Macht und Sex, Medien und Politik eng miteinander verwoben sind. (...) Mit der Lakonie und Trockenheit ihrer Ich-Erzählerin kommt Olga Flor Elfriede Jelinek genauso nahe wie William Shakespeare." Wolfgang Huber-Lang, Austria Presse Agentur, 27.08.12
"Flors kraftvolle, sehr technisch anmutende Sprache versetzt den Leser mitten hinein in eine Gesellschaft, in der kleinste Ereignisse ausufernde, untergründig panische Interpretationen nach sich ziehen. (...) Mit diesem düsteren Roman über eine Gesellschaft im Ausnahmezustand kann Olga Flor selbstbewusst neben Kathrin Röggla und Marlene Streeruwitz treten." Jörg Plath, Deutschlandradio, 17.10.12
"Es ist ein drastisches Psychogramm, das Olga Flor da gezeichnet hat, in dem auch anfangs übertrieben wirkende Wendungen der Geschichte mit der Zeit ihren Platz einnehmen. Ein Buch über die Rache, die am besten kalt serviert wird." Julia Bär, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.12.12
"Eines der beachtlichsten Bücher des Jahres - nicht nur, was das Mann-Frau-Thema betrifft." Stefan Gmünder, Der Standard. 02.01.13
"Blühender Sarkasmus, herrlich kühne, ins Technische tendierende Sprachbilder." Katrin Hillgruber, Deutschlandfunk Büchermarkt, 17.04.13
"Ein eisiger Wind weht durch die Prosa dieser Autorin, ihre Macbeth-Studie ist eine spannende Endzeitgeschichte voller apokalyptischer Anspielungen." Karin Cerny, profil, 20.08.12
"Es ist eine bedrückende Welt, die Flor entwirft, in der Macht und Sex, Medien und Politik eng miteinander verwoben sind. (...) Mit der Lakonie und Trockenheit ihrer Ich-Erzählerin kommt Olga Flor Elfriede Jelinek genauso nahe wie William Shakespeare." Wolfgang Huber-Lang, Austria Presse Agentur, 27.08.12
"Flors kraftvolle, sehr technisch anmutende Sprache versetzt den Leser mitten hinein in eine Gesellschaft, in der kleinste Ereignisse ausufernde, untergründig panische Interpretationen nach sich ziehen. (...) Mit diesem düsteren Roman über eine Gesellschaft im Ausnahmezustand kann Olga Flor selbstbewusst neben Kathrin Röggla und Marlene Streeruwitz treten." Jörg Plath, Deutschlandradio, 17.10.12
"Es ist ein drastisches Psychogramm, das Olga Flor da gezeichnet hat, in dem auch anfangs übertrieben wirkende Wendungen der Geschichte mit der Zeit ihren Platz einnehmen. Ein Buch über die Rache, die am besten kalt serviert wird." Julia Bär, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.12.12
"Eines der beachtlichsten Bücher des Jahres - nicht nur, was das Mann-Frau-Thema betrifft." Stefan Gmünder, Der Standard. 02.01.13
"Blühender Sarkasmus, herrlich kühne, ins Technische tendierende Sprachbilder." Katrin Hillgruber, Deutschlandfunk Büchermarkt, 17.04.13