Produktdetails
- Verlag: Verlag RoseNoire
- Überarb. u. erw. Neuausg.
- Seitenzahl: 224
- Deutsch
- Abmessung: 215mm
- Gewicht: 526g
- ISBN-13: 9783933653079
- ISBN-10: 393365307X
- Artikelnr.: 12266324
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.05.2001 BÜCHER FÜR DIE REISE
Geschichte oder Geschichten aus Al-Andalus?
Es wurden schon viele Geschichten über das maurische Spanien geschrieben – alle sind parteiisch, denn auf der Iberischen Halbinsel kreuzten Jahrhunderte lang die beiden Religionen die Klingen, die sich auch heute noch oft feindselig gegenüber stehen. Es ist daher zweifellos angebracht, für ein neues Verständnis der einzigen islamischen Hochkultur auf europäischem Boden zu werben. Diesem ehrgeizigen Unterfangen hat sich Isabel Blanco del Piñal, Autorin der Reihe „Geschichten aus Al-Andalus”, verpflichtet, allerdings ohne ihm bislang gerecht werden zu können.
Trotzdem sorgt der kürzlich erschienene dritte Band für eine kleine Überraschung, denn er hebt sich in wohltuender Weise von seinen beiden Vorgängern ab. In diesen jeweils 1998 und 1999 veröffentlichten Bändchen sind historiographische Informationen und Legenden noch größtenteils übergangslos miteinander verbrämt, so dass man stellenweise eher an die Imitation einer mittelalterlichen Chronik erinnert wird als an eine moderne Aufbereitung vergangener Wirklichkeit. Es scheint, als habe sich Blanco del Piñal nicht entscheiden können, was sie denn eigentlich vermitteln will: Geschichte oder Geschichten. Hinzu kommen einige historische Ungenauigkeiten, was die Lektüre nicht schöner macht.
Dieses von der Autorin „Mosaik” genannte Gemisch ist überdies in ein dezidiert romantisierendes Licht getaucht. Das ist schade, denn es verschließt ein wenig die Aussicht auf das Eigenartige und Fremde der in die Texte eingestreuten Lyrik aus der Zeit des Kalifats von Córdoba. Außerdem führt es an manchen Stellen zu einer gewissen Einseitigkeit des historischen Urteils, denn während das Gedenken an die muslimische Hochkultur gefeiert wird, erscheinen die christlichen Herrscher durchweg als habgierige und barbarische Grobklötze, deren Sinn einzig auf Aneignung und Vernichtung der maurischen Pracht gerichtet ist. In dieser vereinfachten Sicht, die keineswegs neu ist, wirkt die Zeit von 711 nach Christus, dem Jahr der Eroberung Hispaniens durch die Mauren, bis zum Beginn des 12. Jahrhunderts nach Christus so kurz, dass man sich in der Tat des Gefühls der poetischen Unwirklichkeit nicht erwehren kann.
Erst im neuen dritten Band, der die Zeit von der Herrschaft der Almoraviden im 12.Jahrhundert bis zur Wiedereroberung Granadas durch die Katholischen Könige im Jahr 1492 beschreibt, dehnt sich die Vergangenheit aus und kann historisch nachempfunden werden. Die Autorin verzichtet hier vollkommen auf launige – und größtenteils legendäre – Einsprengsel aus dem Liebesleben des Hochadels und beschränkt sich stattdessen auf historische Dokumente und gesicherte Informationen. Das führt zu einem vorwiegend prosaischen und manchmal etwas langatmigen Lesegenuss, der dem Dargestellten jedoch insgesamt angemessen ist: Die fundamentalistisch und eher kunstfeindlich eingestellten Almoraviden und nach ihnen die Almohaden verwehrten den Dichtern die privilegierte Stellung vergangener Zeiten. Das veränderte Klima setzte der Prunksucht der Könige Grenzen. Hier wird außerdem eine Zeit beleuchtet, die in Europa bislang fast nur aus der Perspektive der sich allmählich ihrem Höhepunkt nähernden christlichen Reconquista gesehen wird. Auch aus diesem Grund erweist sich der dritte Band der „Geschichten aus Al-Andalus” als durchaus lohnende Lektüre.
Man erwarte indes keinen aktuellen Zuschnitt der Darstellung selbst – wie in den beiden ersten Bänden geht es auch im dritten Band vornehmlich um Haupt- und Staatshandlungen. Vom Leben des einfachen Volkes oder vom Alltag der Menschen erfährt man nichts. Vielleicht taucht man deshalb nie wirklich in die „Geschichten aus Al-Andalus” ein.
Steven Uhly
Alle drei Bände der „Geschichten aus Al-Andalus” von Isabel Blanco del Piñal sind im Verlag Rose Noire Gisela Fischer, München, erschienen. Band I: 28,50 Mark, ISBN 3-933653-00-2 (1998); BandII: 29Mark, ISBN 3-933653- 01-0 (1999); Band III: 30Mark, ISBN 3-933653-03-7 (2000)
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Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
Geschichte oder Geschichten aus Al-Andalus?
Es wurden schon viele Geschichten über das maurische Spanien geschrieben – alle sind parteiisch, denn auf der Iberischen Halbinsel kreuzten Jahrhunderte lang die beiden Religionen die Klingen, die sich auch heute noch oft feindselig gegenüber stehen. Es ist daher zweifellos angebracht, für ein neues Verständnis der einzigen islamischen Hochkultur auf europäischem Boden zu werben. Diesem ehrgeizigen Unterfangen hat sich Isabel Blanco del Piñal, Autorin der Reihe „Geschichten aus Al-Andalus”, verpflichtet, allerdings ohne ihm bislang gerecht werden zu können.
Trotzdem sorgt der kürzlich erschienene dritte Band für eine kleine Überraschung, denn er hebt sich in wohltuender Weise von seinen beiden Vorgängern ab. In diesen jeweils 1998 und 1999 veröffentlichten Bändchen sind historiographische Informationen und Legenden noch größtenteils übergangslos miteinander verbrämt, so dass man stellenweise eher an die Imitation einer mittelalterlichen Chronik erinnert wird als an eine moderne Aufbereitung vergangener Wirklichkeit. Es scheint, als habe sich Blanco del Piñal nicht entscheiden können, was sie denn eigentlich vermitteln will: Geschichte oder Geschichten. Hinzu kommen einige historische Ungenauigkeiten, was die Lektüre nicht schöner macht.
Dieses von der Autorin „Mosaik” genannte Gemisch ist überdies in ein dezidiert romantisierendes Licht getaucht. Das ist schade, denn es verschließt ein wenig die Aussicht auf das Eigenartige und Fremde der in die Texte eingestreuten Lyrik aus der Zeit des Kalifats von Córdoba. Außerdem führt es an manchen Stellen zu einer gewissen Einseitigkeit des historischen Urteils, denn während das Gedenken an die muslimische Hochkultur gefeiert wird, erscheinen die christlichen Herrscher durchweg als habgierige und barbarische Grobklötze, deren Sinn einzig auf Aneignung und Vernichtung der maurischen Pracht gerichtet ist. In dieser vereinfachten Sicht, die keineswegs neu ist, wirkt die Zeit von 711 nach Christus, dem Jahr der Eroberung Hispaniens durch die Mauren, bis zum Beginn des 12. Jahrhunderts nach Christus so kurz, dass man sich in der Tat des Gefühls der poetischen Unwirklichkeit nicht erwehren kann.
Erst im neuen dritten Band, der die Zeit von der Herrschaft der Almoraviden im 12.Jahrhundert bis zur Wiedereroberung Granadas durch die Katholischen Könige im Jahr 1492 beschreibt, dehnt sich die Vergangenheit aus und kann historisch nachempfunden werden. Die Autorin verzichtet hier vollkommen auf launige – und größtenteils legendäre – Einsprengsel aus dem Liebesleben des Hochadels und beschränkt sich stattdessen auf historische Dokumente und gesicherte Informationen. Das führt zu einem vorwiegend prosaischen und manchmal etwas langatmigen Lesegenuss, der dem Dargestellten jedoch insgesamt angemessen ist: Die fundamentalistisch und eher kunstfeindlich eingestellten Almoraviden und nach ihnen die Almohaden verwehrten den Dichtern die privilegierte Stellung vergangener Zeiten. Das veränderte Klima setzte der Prunksucht der Könige Grenzen. Hier wird außerdem eine Zeit beleuchtet, die in Europa bislang fast nur aus der Perspektive der sich allmählich ihrem Höhepunkt nähernden christlichen Reconquista gesehen wird. Auch aus diesem Grund erweist sich der dritte Band der „Geschichten aus Al-Andalus” als durchaus lohnende Lektüre.
Man erwarte indes keinen aktuellen Zuschnitt der Darstellung selbst – wie in den beiden ersten Bänden geht es auch im dritten Band vornehmlich um Haupt- und Staatshandlungen. Vom Leben des einfachen Volkes oder vom Alltag der Menschen erfährt man nichts. Vielleicht taucht man deshalb nie wirklich in die „Geschichten aus Al-Andalus” ein.
Steven Uhly
Alle drei Bände der „Geschichten aus Al-Andalus” von Isabel Blanco del Piñal sind im Verlag Rose Noire Gisela Fischer, München, erschienen. Band I: 28,50 Mark, ISBN 3-933653-00-2 (1998); BandII: 29Mark, ISBN 3-933653- 01-0 (1999); Band III: 30Mark, ISBN 3-933653-03-7 (2000)
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