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Über kurz oder lang wird es auch in Europa zu einer Revolte kommen. Denn immer weniger Menschen in Europa fühlen sich noch der Mehrheitsgesellschaft verpflichtet. Sie leben auf Dauer in Gegenkulturen. Mit einer solchen Entwicklung kann der Gesellschaftsvertrag zwischen den Generationen, den verschiedenen Schichten und Milieus keinen Bestand mehr haben. Solidarität wird zu einem Fremdwort. Die Folgen sind leicht vorhersehbar: steigende Kriminalität, urbaner Zerfall durch Entstehung von Slums, ethnisch-religiöse Auseinandersetzungen und Bandenkriege, politische Radikalisierung und damit das Ende…mehr

Produktbeschreibung
Über kurz oder lang wird es auch in Europa zu einer Revolte kommen. Denn immer weniger Menschen in Europa fühlen sich noch der Mehrheitsgesellschaft verpflichtet. Sie leben auf Dauer in Gegenkulturen.
Mit einer solchen Entwicklung kann der Gesellschaftsvertrag zwischen den Generationen, den verschiedenen Schichten und Milieus keinen Bestand mehr haben. Solidarität wird zu einem Fremdwort.
Die Folgen sind leicht vorhersehbar: steigende Kriminalität, urbaner Zerfall durch Entstehung von Slums, ethnisch-religiöse Auseinandersetzungen und Bandenkriege, politische Radikalisierung und damit das Ende des politischen und gesellschaftlichen Konsenses. Europa wird dem Verfall preisgegeben.
Die kommende Revolte wird letztlich zu einer asymmetrischen Revolution ausarten. Ohne eine politische Führung, die über ein klares Konzept verfügt, ist der Umsturz nicht mehr abzuwenden. Es werden künftig unzählige gesellschaftliche Konflikte ausgetragen, die gerade nicht zu einem neuen Gesellschaftsvertrag führen, sondern uns ins Chaos stürzen.
Damit ist das "Projekt der Moderne" unweigerlich zum Scheitern verurteilt.
Autorenporträt
Michael Ley, geboren 1955 in Konstanz, lebt als freischaffender Wissenschaftler und Universitätsdozent in Wien.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.10.2012

So schafft man es auf alle Fälle zu Maybrit Illner
Voegelin und Sarrazin - wie passt das zusammen? Der Politikwissenschaftler Michael Ley schreibt mit seiner "Kommenden Revolte" ein Manifest für Umbruchszeiten

Michael Leys Manifest "Die kommende Revolte" gehorcht den Gattungsgesetzlichkeiten seines Genres durch Kürze - es umfasst nur hundertvierzig Seiten. Trotzdem enthält es auf den zweiten Blick zwei ganz selbständige und voneinander unabhängige Bücher. Der erste Teil besteht aus einem konzisen und gut geschriebenen Abriss der Modernitätstheorie Eric Voegelins, eines hierzulande nur erratisch und klandestin rezipierten konservativen Geschichtsphilosophen. Den zweiten Teil dagegen bildet ein schmissiges Referat der Thesen Thilo Sarrazins über die bundesdeutsche Integrationspolitik seit den sechziger Jahren.

Zum gattungsspezifischen Alarmismus gelangt Leys Manifest auf dem Umweg über das Referat. Es will den Forderungen konservativer Tagespolitik eine geschichtsphilosophische Tiefendimension verschaffen. Dazu passt, dass sogar der Titel dieses Buchs ein Zitat ist eines anonymen französischen Manifests, das vor ein paar Jahren die Kunst- und alternative Jugendszene folgenlos erregte. Nachdem über Sarrazins Bestseller genug veröffentlicht worden ist, liegt es nahe, sich der zweiten und interessanteren Quelle der Leyschen Flammenrede kritisch zuzuwenden: Eric Voegelin, ein Kind des deutschjüdischen Bildungsbürgertums der Zwischenkriegszeit, war Jahrgang 1901 und lehrte in Wien. Die Invasion Nazideutschlands vertrieb ihn in die Vereinigten Staaten, von wo aus er, wie Adorno und Horkheimer, nach dem Krieg zurückkehrte. Im Gegensatz zu seinen linken Antipoden jedoch ins konservative München, wo er von 1958 an das Geschwister-Scholl-Institut für Politische Wissenschaften aufbaute. 1969 wurde er emeritiert und floh wieder über den Atlantik - diesmal vor der Studentenbewegung, die sich im Kielwasser einer missverstandenen Kritischen Theorie auf eine Karnevalsversion des orthodoxen Marxismus-Leninismus zubewegte.

Voegelin ist, so erfolgreich er als Wissenschaftsadministrator wirkte, wissenschaftlich zeitlebens ein ausgesprochener maverick gewesen. Sein umfangreiches Werk strahlt eine Faszination aus, die sich mit derjenigen Aby Warburgs vergleichen lässt oder mit der Walter Benjamins. Es ist die Faszination des mit Konsequenz, innerem Engagement, geistvoll und stilistisch brillant durchgezogenen wissenschaftlich Falschen. Das Unhaltbare bei Voegelin ist der Versuch, mit modernen wissenschaftlichen und literarischen Mitteln eine Epoche des objektiven Geistes festzuhalten, in der das Wahre zugleich das Gute und das Schöne gewesen ist. Als Geschichtsphilosoph hat Voegelin, der in seinem Leben so schlimm unter politischen Unordnungen gelitten hat, die Entwicklung der gesellschaftlichen und geistigen Taxonomien in seinem Hauptwerk "Ordnung und Geschichte" verfolgt und beschrieben - von den kosmologischen Reichen des Vorderen Orients bis zu den "politischen Religionen" des zwanzigsten Jahrhunderts.

Die politischen Religionen, Nazismus und Kommunismus vor allem, sind Voegelin zufolge durch den Einfluss der spätantiken Gnosis auf das moderne politische Denken entstanden. Vermittelt durch die untergründige Tradition häretischer mittelalterlicher Sekten, verleitet dieser Einfluss die Moderne, das "Eschaton zu immanentisieren", also die Erlösung des innerweltlich Unvollkommenen schon im Diesseits zu erwarten oder terroristisch herbeizuführen. Das germanische Weltreich oder die klassenlose Gesellschaft sind - wie das Täuferreich von Münster oder das Reinheitsreich der Katharer - in Voegelins Sicht unzulässige Säkularisierungen einer nur dem Glauben zugänglichen jenseitigen Erlösung vom Irdischen, eine Form überindividuellen Wahnsinns, dem ganze Länder und Kontinente verfallen können.

In dieser Sicht auf die Moderne berührt sich Voegelin mit der neuthomistischen Kritik an der Moderne, die den amtierenden Papst theologisch und gesellschaftspolitisch umzutreiben scheint. "Der Neuthomismus", so Jürgen Habermas, "steht stellvertretend für alle Versuche, in Anknüpfung an Plato oder Aristoteles den ontologischen Anspruch der Philosophie, die Welt im Ganzen zu begreifen (...) zu erneuern und die in der modernen Geistesentwicklung auseinandergetretenen Momente der Vernunft, die Geltungsaspekte des Wahren, Guten und Schönen, metaphysisch wieder zusammenzufügen."

Voegelin zu lesen bereitet in derselben Weise einen lehrreichen Genuss wie die Lektüre Warburgs und Benjamins. Die Radikalität, die darin liegt, den "Diskurs der Moderne" in seiner Gesamtheit als objektive Geistesstörung zu analysieren, deckt wirkliche Pathologien des modernen Denkens auf. Und es führt in die Philosophiegeschichtsschreibung einen Ernst ein, den intellektuelle Tätigkeit vielleicht nur im Schatten der Theologie gewinnt. Voegelin behandelt die Geschichte der Ideen als einen Vorgang der Offenbarung. "Die Ordnung der Geschichte enthüllt sich in der Geschichte der Ordnung", lautet der erste Satz seines mäandernd-unvollendeten Hauptwerks. Voegelin behandelt die modernen Denker als Ketzer. Er begreift das Hochmittelalter als lebendige intellektuelle Macht. Als ob es jenseits der modernen Auflösung des klassischen abendländischen Geistes wirklich noch eine gültige Orthodoxie gäbe.

Das Projekt, die Moderne von scholastischen Ordnungsvorstellungen her zu kritisieren, erweist sich damit paradoxerweise als ein genuin modernes Vorhaben. Wobei Voegelin jedoch für die romantisch-heroischen Aspekte der modernen "Befreiungstheologie" so gut wie kein Organ hat. Und in dieser Unzuständigkeit liegt auch der tiefere Grund für die seltsam unorganische Unverbundenheit der beiden Teile von Leys Manifest. Dass man die Integrationspolitik der Bundesrepublik defizitär finden kann oder dass deutsche Politiker sich aus falsch verstandener Political Correctness vor einer sachgerechten Reflexion und Bearbeitung demographischer Fehlentwicklungen drücken mögen, hat nichts mit der "Immanentisierung des Eschaton" zu tun. In solchen geistesgeschichtlichen Kurzschlüssen ist etwas am Werk, was man vor Jahrzehnten als "falsche Konkretion" zu bezeichnen liebte. Es ist darüber hinaus zu fragen, ob die literarische Gattung des Manifests eigentlich in die politische Landschaft offener Gesellschaften passt. Denn sie hat ja immer etwas von heimlich angeschlagenen Thesen, deren Verfasser sich dann schnell vor irgendwelchen Häschern in Sicherheit bringen muss.

Unter Verhältnissen, in denen jede politische Provokation unweigerlich in Maybrit Illners nächster Talkshow landet, beinhaltet dieser Gestus eine wenig glaubhafte Prätention. Max Weber wusste und hat klassisch formuliert, was moderne Politik ist. Verfasser von Manifesten seit Marx und Engels aber halten nichts vom Bohren harter Bretter mit Leidenschaft und Augenmaß. Ihnen geht es um die Unterscheidung von Freund und Feind. Wie alle politische Selbsterregungsliteratur ist das Buch von Michael Ley deshalb letztlich apolitisch.

STEPHAN WACKWITZ

Michael Ley: "Die kommende Revolte". Wilhelm Fink Verlag, München 2012. 138 S., br., 16,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Als apolitische Selbsterregungsliteratur bezeichnet Stephan Wackwitz Michael Leys unter dem Genre des Manifests firmierendes Buch. Dass die beiden Teile des Bandes nicht zusammenpassen wollen, wie der Rezensent befindet, deutet er als geistesgeschichtliche Kurzschlussarbeit und leitet daraus die Frage ab, ob die Gattung überhaupt zeit- und gesellschaftsgemäß sei. Für Wackwitz heißt das, sich dem interessanteren Teil des Buches zuzuwenden und den mit Sarrazin'schen Integrationsthesen befassten zweiten Teil einstweilen links beziehungsweise rechts liegenzulassen. Beim Geschichtsphilosophen Eric Voeglein und dessen von Ley referierter Modernitätstheorie, die den Diskurs der Moderne als objektive Geistesstörung analysiert, fühlt Wackwitz sich hingegen wie bei Warburg oder Benjamin lehrreich unterhalten.

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