Das in fünf Auflagen erschienene bio-bibliographische Handbuch Armin Mohlers ist längst ein Klassiker und unverzichtbares Hilfsmittel für jeden, der sich mit der Geschichte der rechten und konservativen geistesgeschichtlichen Strömungen während der Weimarer Republik beschäftigt.Wie wichtig dieses Buch für die Wissenschaft geworden ist, mag sich auch aus der Tatsache ergeben, daß der Begriff "Konservative Revolution" selbst, den Mohler für diese Strömungen geprägt hat, inzwischen zum sprachlichen Allgemeingut geworden ist. Der Hamburger Soziologe Stefan Breuer hat diese Begriffsbildung Mohlers "eine der erfolgreichsten Schöpfungen der neueren Ideengeschichtsschreibung" genannt.Für die sechste Auflage wurde das Standardwerk von einem der profundesten Kennern der Materie, Karlheinz Weißmann, überarbeitet, in dessen Hände Mohler die Fortführung seines Werkes vor seinem Tod legte. Ohne den bisherigen Duktus des Buches zu ändern, hat Weißmann eine Fülle von neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen in diese Neuauflage einfließen lassen.Über 350 Personen werden in Kurzbiographie mit ausführlicher Bibliographie vorgestellt, darunter Carl Schmitt, Ernst Jünger, Oswald Spengler, Thomas Mann, Edgar Julius Jung, Ludwig Klages, Hans Zehrer und der Tat-Kreis, Othmar Spann, Hans Freier, Stefan George, Hermann Löns, Hugo von Hofmannsthal, Gottfried Benn, Martin Niemöller, Ernst Niekisch u. a. Erstmals mit umfassendem Bildteil!
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.08.2006Weißmann als Fortsetzer Mohlers
Armin Mohlers bibliographisches Handbuch "Die Konservative Revolution in Deutschland 1918-1932" glich am Ende einer Zwiebel, die mehr aus Häuten als aus einem Kern besteht. Bei der letzten Fassung von 1989 waren um den Hauptinhalt zwei Vorworte, zwei Nachworte, eine Einführung und eine Schlußbemerkung gewachsen. Dazu kam ein Ergänzungsband, dem seinerseits Erläuterungen vorangestellt waren. Ursprünglich handelte es sich um eine Dissertation, die der 1920 in der Schweiz geborene Autor 1949 an der Universität Basel bei Herman Schmalenberg und Karl Jaspers einreichte. Ihre Veröffentlichung in Deutschland ein Jahr später etablierte die "Konservative Revolution" als Forschungsgegenstand. 1971 erschien der Band mit einer um das Zehnfache erweiterten Bibliographie. Das modifizierte Ungetüm von 1989 war eine Notlösung. Zu einer grundsätzlichen Revision seines Werkes fehlte Mohler die Kraft. Im Sommer 2003 starb er.
Nun hat der Historiker Karlheinz Weißmann eine überarbeitete und erweiterte Auflage vorgelegt (Armin Mohler und Karlheinz Weißmann: "Die Konservative Revolution in Deutschland 1918-1932". Ein Handbuch. Sechste, völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Ares Verlag 2005. 643 S., geb., 49,90 [Euro]). Die Publikation erfolgte nach seinen Angaben noch in Abstimmung mit dem ursprünglichen Verfasser - eine Stabsübergabe mit politischem Kalkül. Schon die Erstausgabe war als "Hilfestellung für die rechte Intelligenz" gedacht. Armin Mohler wollte das Wiederanknüpfen an eine seiner Meinung nach spezifisch deutsche Geistestradition ermöglichen. Um Autoren wie Ernst Jünger, Edgar Julius Jung oder Arthur Moeller van den Bruck zu rehabilitieren, versuchte er, "die sich überschneidenden Stränge" des massenwirksamen Nationalsozialismus und der elitären Konservativen Revolution zu trennen.
Der Schweizer kam jedoch über eine Sondierung des Terrains nicht hinaus, was auch an seinem essayhaften Zugriff lag. Ausgehend von Nietzsches Formel der "ewigen Wiederkehr des Gleichen", attestierte Mohler den konservativen Revolutionären ein "kyklisches" Weltbild und sprach damit dem Christentum wegen dessen Orientierung an der "linearen" Heilsgeschichte das Etikett "konservativ" ab. Mohlers Handbuch sei "selbst historisch geworden", urteilt Karlheinz Weißmann. Daher hat er den Band behutsam, quasi unter Beachtung von Denkmalschutzauflagen, renoviert. Die konservativ-revolutionären Ansätze vor 1933 sollen für Deutschlands "neue Rechte" fruchtbar werden - jetzt auch für Christen. Deswegen wählt Weißmann statt der "ewigen Wiederkehr" einen vereinfachten Ansatz: Das Konservative sei mit Albrecht Erich Günther nicht zu verstehen als ein "Hängen an dem, was gestern war, sondern als ein Leben aus dem, was immer gilt".
Bei der Schilderung des ideologischen Vorlaufs im neunzehnten Jahrhundert hält sich der neue Handbuchautor an Mohlers hypothetische Verbindungslinie von der Romantik über die "Deutsche Bewegung" und Nietzsches Vitalismus zu den Idealen der Frontkämpfergeneration des Ersten Weltkriegs, die nach 1918 das meiste Personal der Konservativen Revolution stellte. Weißmanns Überblick ist allerdings arg gedrängt. Personen, Parteien, Philosophien, politische wie geistige Entwicklungen purzeln eher schlagwortartig durcheinander. Seine Stärke entfaltet der Text dagegen bei der Vorstellung der fünf konservativ-revolutionären Denkschulen nach Mohler: Völkische, Jungkonservative, Nationalrevolutionäre, bündische Jugendbewegung und Landvolk. Die Entwicklung der Gruppen und ihrer Zeitschriften wird weitaus anschaulicher und detaillierter geschildert als im alten Handbuch. Während Mohler Nationalrevolutionäre wie Jünger und Niekisch in den Vordergrund stellte, bezeichnet Weißmann die Jungkonservativen um Moeller van den Bruck und Jung als einflußreichste Strömung. Mit dieser Akzentverschiebung verteidigt er den Ansatz seines Vorgängers gegen die Kritik Stefan Breuers am Begriff "Konservative Revolution". Dieser hatte das Wort vom "neuen Nationalismus" präferiert.
Nicht überzeugen kann Weißmanns Abgrenzung der Konservativen Revolution vom Nationalsozialismus. Mohler hatte eine enge Verwandtschaft nahegelegt, indem er die konservativen Revolutionäre als "nationalsozialistische Trotzkisten" bezeichnete. Sein Nachfolger tut so, als ließen sich beide Ideologien klar trennen. Es ist jedoch fraglich, ob die Distanz der zwei Bewegungen größer war als die Entfernung der sektiererischen konservativ-revolutionären Gruppen untereinander. Einiges spricht dafür, den Nationalsozialismus unter die Konservative Revolution zu sortieren - als deren Billigversion: "die Münchner Schule", wie Ernst Jünger formuliert hat.
Bei der überarbeiteten Bibliographie handelt es sich nach wie vor um eine kommentierte Auswahl, über die sich im einzelnen streiten läßt. Der Inhalt ist um gut ein Zehntel auf 330 Seiten gewachsen, wobei Mohlers Ausführungen oft wörtlich stehengeblieben sind. Leider hat Weißmann seine Beiträge nicht kenntlich gemacht. Der Leser fühlt daher den Drang, zum Vergleich auch in der Bibliographie von 1989 nachzuschlagen, was die Neuauflage zur Ergänzung der alten degradiert. Die Zwiebel hat einen Ring zugelegt.
FELIX JOHANNES KRÖMER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Armin Mohlers bibliographisches Handbuch "Die Konservative Revolution in Deutschland 1918-1932" glich am Ende einer Zwiebel, die mehr aus Häuten als aus einem Kern besteht. Bei der letzten Fassung von 1989 waren um den Hauptinhalt zwei Vorworte, zwei Nachworte, eine Einführung und eine Schlußbemerkung gewachsen. Dazu kam ein Ergänzungsband, dem seinerseits Erläuterungen vorangestellt waren. Ursprünglich handelte es sich um eine Dissertation, die der 1920 in der Schweiz geborene Autor 1949 an der Universität Basel bei Herman Schmalenberg und Karl Jaspers einreichte. Ihre Veröffentlichung in Deutschland ein Jahr später etablierte die "Konservative Revolution" als Forschungsgegenstand. 1971 erschien der Band mit einer um das Zehnfache erweiterten Bibliographie. Das modifizierte Ungetüm von 1989 war eine Notlösung. Zu einer grundsätzlichen Revision seines Werkes fehlte Mohler die Kraft. Im Sommer 2003 starb er.
Nun hat der Historiker Karlheinz Weißmann eine überarbeitete und erweiterte Auflage vorgelegt (Armin Mohler und Karlheinz Weißmann: "Die Konservative Revolution in Deutschland 1918-1932". Ein Handbuch. Sechste, völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Ares Verlag 2005. 643 S., geb., 49,90 [Euro]). Die Publikation erfolgte nach seinen Angaben noch in Abstimmung mit dem ursprünglichen Verfasser - eine Stabsübergabe mit politischem Kalkül. Schon die Erstausgabe war als "Hilfestellung für die rechte Intelligenz" gedacht. Armin Mohler wollte das Wiederanknüpfen an eine seiner Meinung nach spezifisch deutsche Geistestradition ermöglichen. Um Autoren wie Ernst Jünger, Edgar Julius Jung oder Arthur Moeller van den Bruck zu rehabilitieren, versuchte er, "die sich überschneidenden Stränge" des massenwirksamen Nationalsozialismus und der elitären Konservativen Revolution zu trennen.
Der Schweizer kam jedoch über eine Sondierung des Terrains nicht hinaus, was auch an seinem essayhaften Zugriff lag. Ausgehend von Nietzsches Formel der "ewigen Wiederkehr des Gleichen", attestierte Mohler den konservativen Revolutionären ein "kyklisches" Weltbild und sprach damit dem Christentum wegen dessen Orientierung an der "linearen" Heilsgeschichte das Etikett "konservativ" ab. Mohlers Handbuch sei "selbst historisch geworden", urteilt Karlheinz Weißmann. Daher hat er den Band behutsam, quasi unter Beachtung von Denkmalschutzauflagen, renoviert. Die konservativ-revolutionären Ansätze vor 1933 sollen für Deutschlands "neue Rechte" fruchtbar werden - jetzt auch für Christen. Deswegen wählt Weißmann statt der "ewigen Wiederkehr" einen vereinfachten Ansatz: Das Konservative sei mit Albrecht Erich Günther nicht zu verstehen als ein "Hängen an dem, was gestern war, sondern als ein Leben aus dem, was immer gilt".
Bei der Schilderung des ideologischen Vorlaufs im neunzehnten Jahrhundert hält sich der neue Handbuchautor an Mohlers hypothetische Verbindungslinie von der Romantik über die "Deutsche Bewegung" und Nietzsches Vitalismus zu den Idealen der Frontkämpfergeneration des Ersten Weltkriegs, die nach 1918 das meiste Personal der Konservativen Revolution stellte. Weißmanns Überblick ist allerdings arg gedrängt. Personen, Parteien, Philosophien, politische wie geistige Entwicklungen purzeln eher schlagwortartig durcheinander. Seine Stärke entfaltet der Text dagegen bei der Vorstellung der fünf konservativ-revolutionären Denkschulen nach Mohler: Völkische, Jungkonservative, Nationalrevolutionäre, bündische Jugendbewegung und Landvolk. Die Entwicklung der Gruppen und ihrer Zeitschriften wird weitaus anschaulicher und detaillierter geschildert als im alten Handbuch. Während Mohler Nationalrevolutionäre wie Jünger und Niekisch in den Vordergrund stellte, bezeichnet Weißmann die Jungkonservativen um Moeller van den Bruck und Jung als einflußreichste Strömung. Mit dieser Akzentverschiebung verteidigt er den Ansatz seines Vorgängers gegen die Kritik Stefan Breuers am Begriff "Konservative Revolution". Dieser hatte das Wort vom "neuen Nationalismus" präferiert.
Nicht überzeugen kann Weißmanns Abgrenzung der Konservativen Revolution vom Nationalsozialismus. Mohler hatte eine enge Verwandtschaft nahegelegt, indem er die konservativen Revolutionäre als "nationalsozialistische Trotzkisten" bezeichnete. Sein Nachfolger tut so, als ließen sich beide Ideologien klar trennen. Es ist jedoch fraglich, ob die Distanz der zwei Bewegungen größer war als die Entfernung der sektiererischen konservativ-revolutionären Gruppen untereinander. Einiges spricht dafür, den Nationalsozialismus unter die Konservative Revolution zu sortieren - als deren Billigversion: "die Münchner Schule", wie Ernst Jünger formuliert hat.
Bei der überarbeiteten Bibliographie handelt es sich nach wie vor um eine kommentierte Auswahl, über die sich im einzelnen streiten läßt. Der Inhalt ist um gut ein Zehntel auf 330 Seiten gewachsen, wobei Mohlers Ausführungen oft wörtlich stehengeblieben sind. Leider hat Weißmann seine Beiträge nicht kenntlich gemacht. Der Leser fühlt daher den Drang, zum Vergleich auch in der Bibliographie von 1989 nachzuschlagen, was die Neuauflage zur Ergänzung der alten degradiert. Die Zwiebel hat einen Ring zugelegt.
FELIX JOHANNES KRÖMER
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