Produktdetails
- Schriften des Bundesinstituts für ostdeutsche Kultur und Geschichte
- Verlag: Oldenbourg
- Seitenzahl: 956
- Abmessung: 245mm
- Gewicht: 1910g
- ISBN-13: 9783486563580
- Artikelnr.: 07516196
- Herstellerkennzeichnung Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.07.1999Jetzt tappt's dahinten in dem dunklen Gang
Bollwerke der Heidenangst: Tomasz Torbus erkundet die Burgen des Deutschen Ordens furchtlos
Wer eine Burg zu begreifen versucht, stößt auf nichts als Metaphern: Türme, Sehnsucht, Adlerflug, die Hinfälligkeit der Macht oder die Gegenwart des Vergangenen . . . Greift man aber nicht eine, sondern achtunddreißig Burgen heraus, in diesem Fall die größten des Deutschen Ordens, von einem Konvent aus mindestens zwölf Ordensbrüdern und sechs Priestern besetzten, ertönt ein Kanon aus mehreren nacheinander einsetzenden Stimmen. Diesen vernehmbar gemacht zu haben ist das große Verdienst der Hamburger Doktorarbeit von Tomasz Torbus.
Man stelle sich vor: Hier schreibt ein aus Warschau stammender Kunsthistoriker auf deutsch über ein preußisches Thema - wenn das kein Schritt nach Europa ist! - und schlägt noch dazu einen festen Steg über die zahllosen Divergenzen, die polnische und deutsche Autoren so lange getrennt haben. Torbus' Versuch, den Konventsburgen so etwas wie einen Rhythmus abzulauschen, gliedert sich in mehrere Strophen und beginnt mit den vor 1270 begonnenen Anlagen, die eilig, ja fast provisorisch auf unregelmäßigen Grundrissen entstanden sind. Auch deren Bau bedurfte jedoch mehrerer Jahrzehnte.
Die zweite Gruppe ist die der erstmals auch aufgrund lokaler Traditionen errichteten Burgen; man verzichtete auf Türme oder ersetzte den üblichen Backstein durch Feldstein. Erst jetzt strömte eine Regelhaftigkeit auch in die Bautätigkeit der Ordensbürder ein. Ab 1300 begann die Zeit der klassischen Kastelle, die zur Verkörperung der Deutschordensburg geworden sind, bei denen womöglich nur eine Hütte am Werk war, die mit Verzierungen keineswegs geizte - dies im Unterschied zu den Burgen der vorangehenden Epoche. In der zweiten Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts ging der Orden vom Muster des Kastells wieder ab, so daß die Burgen im preußischen Osten zu einem sparsamen, in Mitteln und Form reduzierten Stil zurückkehrten.
Wie sensibel Torbus diesem Wechsel des Auf und Ab nachspürt, dies nachzulesen ist ebenso faszinierend, wie die beigefügten Fotografien und Baupläne zu betrachten. Die stärkste Wirkung auf den Betrachter dürfte hier wohl das Haupthaus von Rehden ausüben, ein schlichter und gerade deshalb unvergeßlicher Choral aus züchtigem Backstein, viel eher an eine Kathedrale denn an eine Burg erinnernd. Torbus' Werk ist aber auch deshalb einer größeren Leserschaft zu empfehlen, weil es Gelegenheit bietet, eine alte Kernfrage aller Geisteswissenschaften neu zu überdenken: Ist es möglich, alte Gräben zu überbrücken, ohne neue aufzuwerfen? Einerseits drückt sich in diesem Buch eine postnationale Annäherung aus, die manch einer noch vor wenigen Jahrzehnten als utopisch verlacht hätte; andererseits aber rückt gerade durch diese Annäherung eine neue Grenze um so schärfer ins Blickfeld, und zwar die zwischen wissenschaftlichen Disziplinen.
Alles, was Kunsthistoriker jemals zu den Konventsburgen publiziert haben und was Torbus im zweiten Teil seines Bandes so sorgfältig katalogisiert hat, nähert sich dem Verständnis dieser gemauerten Augenzeugen ja nur an. Von Historikern formulierte Fragen müßten hinzutreten, um den Konventsburgen ihre Geheimnisse zu entlocken, so die Frage nach den Menschen, die hier mit Hand anlegten, nach denen, die hier beteten und wohnten, die nach der Wirkung derartiger Monumente auf die Zeitgenossen, nicht zuletzt auf die Prussen. Spürte, wer zu diesen Mauern emporschaute, nicht vielleicht Angst in sich aufsteigen?
Diesem Buch entflattert damit ein kleiner Wunschzettel: Daß auch die livländischen Ordensburgen eine so umfassende Monographie erfahren, um dem Vergleich auch hier einen weiteren Weg anzubahnen, vor allem aber danach, daß die Barrieren zwischen wissenschaftlichen Fächern eines Tages ebenso fallen mögen wie die zwischen den Nationen. Und damit heftet sich schon die nächste Metapher an die Mauern der preußischen Ordensburgen.
CHRISTOPH SCHMIDT
Tomasz Torbus: "Die Konventsburgen im Deutschordensland Preußen". Schriften des Bundesinstituts für ostdeutsche Kultur und Geschichte, Band 11. Oldenbourg Verlag, München 1998. 956 S., 506 Abb., geb., 98,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Bollwerke der Heidenangst: Tomasz Torbus erkundet die Burgen des Deutschen Ordens furchtlos
Wer eine Burg zu begreifen versucht, stößt auf nichts als Metaphern: Türme, Sehnsucht, Adlerflug, die Hinfälligkeit der Macht oder die Gegenwart des Vergangenen . . . Greift man aber nicht eine, sondern achtunddreißig Burgen heraus, in diesem Fall die größten des Deutschen Ordens, von einem Konvent aus mindestens zwölf Ordensbrüdern und sechs Priestern besetzten, ertönt ein Kanon aus mehreren nacheinander einsetzenden Stimmen. Diesen vernehmbar gemacht zu haben ist das große Verdienst der Hamburger Doktorarbeit von Tomasz Torbus.
Man stelle sich vor: Hier schreibt ein aus Warschau stammender Kunsthistoriker auf deutsch über ein preußisches Thema - wenn das kein Schritt nach Europa ist! - und schlägt noch dazu einen festen Steg über die zahllosen Divergenzen, die polnische und deutsche Autoren so lange getrennt haben. Torbus' Versuch, den Konventsburgen so etwas wie einen Rhythmus abzulauschen, gliedert sich in mehrere Strophen und beginnt mit den vor 1270 begonnenen Anlagen, die eilig, ja fast provisorisch auf unregelmäßigen Grundrissen entstanden sind. Auch deren Bau bedurfte jedoch mehrerer Jahrzehnte.
Die zweite Gruppe ist die der erstmals auch aufgrund lokaler Traditionen errichteten Burgen; man verzichtete auf Türme oder ersetzte den üblichen Backstein durch Feldstein. Erst jetzt strömte eine Regelhaftigkeit auch in die Bautätigkeit der Ordensbürder ein. Ab 1300 begann die Zeit der klassischen Kastelle, die zur Verkörperung der Deutschordensburg geworden sind, bei denen womöglich nur eine Hütte am Werk war, die mit Verzierungen keineswegs geizte - dies im Unterschied zu den Burgen der vorangehenden Epoche. In der zweiten Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts ging der Orden vom Muster des Kastells wieder ab, so daß die Burgen im preußischen Osten zu einem sparsamen, in Mitteln und Form reduzierten Stil zurückkehrten.
Wie sensibel Torbus diesem Wechsel des Auf und Ab nachspürt, dies nachzulesen ist ebenso faszinierend, wie die beigefügten Fotografien und Baupläne zu betrachten. Die stärkste Wirkung auf den Betrachter dürfte hier wohl das Haupthaus von Rehden ausüben, ein schlichter und gerade deshalb unvergeßlicher Choral aus züchtigem Backstein, viel eher an eine Kathedrale denn an eine Burg erinnernd. Torbus' Werk ist aber auch deshalb einer größeren Leserschaft zu empfehlen, weil es Gelegenheit bietet, eine alte Kernfrage aller Geisteswissenschaften neu zu überdenken: Ist es möglich, alte Gräben zu überbrücken, ohne neue aufzuwerfen? Einerseits drückt sich in diesem Buch eine postnationale Annäherung aus, die manch einer noch vor wenigen Jahrzehnten als utopisch verlacht hätte; andererseits aber rückt gerade durch diese Annäherung eine neue Grenze um so schärfer ins Blickfeld, und zwar die zwischen wissenschaftlichen Disziplinen.
Alles, was Kunsthistoriker jemals zu den Konventsburgen publiziert haben und was Torbus im zweiten Teil seines Bandes so sorgfältig katalogisiert hat, nähert sich dem Verständnis dieser gemauerten Augenzeugen ja nur an. Von Historikern formulierte Fragen müßten hinzutreten, um den Konventsburgen ihre Geheimnisse zu entlocken, so die Frage nach den Menschen, die hier mit Hand anlegten, nach denen, die hier beteten und wohnten, die nach der Wirkung derartiger Monumente auf die Zeitgenossen, nicht zuletzt auf die Prussen. Spürte, wer zu diesen Mauern emporschaute, nicht vielleicht Angst in sich aufsteigen?
Diesem Buch entflattert damit ein kleiner Wunschzettel: Daß auch die livländischen Ordensburgen eine so umfassende Monographie erfahren, um dem Vergleich auch hier einen weiteren Weg anzubahnen, vor allem aber danach, daß die Barrieren zwischen wissenschaftlichen Fächern eines Tages ebenso fallen mögen wie die zwischen den Nationen. Und damit heftet sich schon die nächste Metapher an die Mauern der preußischen Ordensburgen.
CHRISTOPH SCHMIDT
Tomasz Torbus: "Die Konventsburgen im Deutschordensland Preußen". Schriften des Bundesinstituts für ostdeutsche Kultur und Geschichte, Band 11. Oldenbourg Verlag, München 1998. 956 S., 506 Abb., geb., 98,- DM.
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