»Für vorzügliche Dienstleistung vor dem Feinde. Viktoria Savs stand seit dem 1. Dez. 1916 als Ordonnanz des KA. Kommandos „Zinnen“ in Verwendung und hat ihren Dienst stets mit grösstem Eifer und Arbeitsfreude versehen. Sie meldete sich immer wieder freiwillig ... und wollte auch an der Erstürmung
des Sextensteins aktiv teilnehmen. Obgleich ihren Bitten ... nicht entsprochen wurde, hatte sie bei…mehr»Für vorzügliche Dienstleistung vor dem Feinde. Viktoria Savs stand seit dem 1. Dez. 1916 als Ordonnanz des KA. Kommandos „Zinnen“ in Verwendung und hat ihren Dienst stets mit grösstem Eifer und Arbeitsfreude versehen. Sie meldete sich immer wieder freiwillig ... und wollte auch an der Erstürmung des Sextensteins aktiv teilnehmen. Obgleich ihren Bitten ... nicht entsprochen wurde, hatte sie bei Artilleriebeschießungen des Zinnenplateaus und bei Frontbegehungen im Infanterie-Feuer oft Gelegenheit, ihren für ein Weib ganz ungewöhnlichen Mut zu beweisen. Bei der Sextenstein-Aktion am 21./22. April 1917 hat sie ohne Befehl die italienischen Gefangenen im schweren Artilleriefeuer eskortiert. Ihr frisches Wesen, ihr ideal-patriotischer Geist, ihr steter Diensteifer und ihre bewundernswerte Unerschrockenheit bot für die Mannschaft immer ein gutes und sichtlich eindrucksvolles Beispiel. Als ihr am 27. Mai 1917 durch einen Felssturz der rechte Fuss abgerissen wurde, gab sie durch ihr stummes Ertragen der heftigen Schmerzen und durch ihre naive Klage „nun kann ich nicht mehr an die Bergfront gehen“ einen Beweis ihrer Seelenstärke, der auf die ganze Mannschaft erschütternd und erhebend wirkte.«
Das einleitende Zitat stammt aus dem Belohnungsantrag zur Verleihung der Silbernen Tapferkeitsmedaille an Viktoria Savs. Im Laufe ihres Lebens kamen noch diverse weitere Auszeichnungen hinzu, mit denen sie sich stolz und gerne zeigte.
Wer war diese Frau, die im 1. Weltkrieg unbedingt für ihr Land kämpfen wollte? Zu einer Zeit, in der der Aufgabenbereich einer Frau sich gemeinhin auf typisch „weibliche“ Tätigkeiten zu beschränken hatte? Wer war diese Frau, die im Jahr 1938 dann nicht nur der NSDAP beitrat, sondern auch in den Dienst der Wehrmacht trat?
Der Autor Frank Gerbert hat mit der Sammlung von Fakten, Berichten, Fotos und Zeugenaussagen rund um das Leben der Viktoria Savs eine regelrechte Detektivarbeit betrieben. Das Ergebnis lässt sich sehen! Chronologisch arbeitet er sich vor, präsentiert für beinahe jeden Zeitraum in Viktorias Leben belegbare Fakten, die er mit Berichten aus unterschiedlichen Quellen ergänzt. Recht häufig ergeben sich dabei widersprüchliche Angaben, die verdeutlichen, dass die Frage nach der Wahrheit hier keine einfache ist. Die Akribie, mit der der Autor sich um Vollständigkeit bemüht, hat mich wirklich beeindruckt!
Die Ergebnisse sind nicht nur hochinteressant zu lesen, sondern reizen zum Nachdenken über Viktorias Antrieb, ihre Einstellung, ihre Motivation. Manche Fragen lassen sich auch nach Auswertung aller Indizien nicht abschließend beantworten, man kann sich nur, genau wie der Autor es auch tut, eine Meinung bilden. War sie ein Transgender? Gefangen im „falschen“ Körper? Versuchte sie vielleicht nur, ihrem eigenen Gefühl entsprechend zu leben – und später, in der Nazizeit zu überleben? Wollte sie womöglich für die Gleichberechtigung der Frau eintreten? Oder war sie eine überzeugte Anhängerin des NS-Regimes? War sie nicht nur eine Mitläuferin sondern eine aktive Nationalsozialistin?
Eine Erkenntnis drängt sich auf: Viktoria wurde – ganz nach Bedarf – für politische Zwecke eingesetzt. War sie sich dessen bewusst? Fühlte sie sich vielleicht ausgenutzt oder störte es sie nicht? Genoss sie es, immer wieder in Zeitungsberichten aufzutauchen?
Rund um Viktorias Schicksal herum gibt der Autor jeweils einen Abriss der geschichtlichen und politischen Situation. Ich habe dabei das ein oder andere erfahren, von dem ich zuvor noch nicht gehört hatte. Mein Punktabzug resultiert daraus, dass ich es passender empfunden hätte, wenn der Autor seine persönliche Wertung auf das Schlusskapitel beschränkt hätte. Ein Satz wie beispielsweise »Genug jetzt des braunen Schleims!« ist zwar für mein Empfinden eine absolut zutreffende Beschreibung eines – in dem Fall – zitierten Artikels aus einem Naziblatt, unterbricht aber unangenehm den ansonsten gründlichen Bericht.