Der Glaube an den Menschen hat im 20. Jahrhundert empfindliche Schläge erlitten. Wer heute in alten Texten Hymnen auf den Menschen liest, als schönen, starken und zärtlichen Sieger, als selbstlos Liebenden, als Mitleidenden, der allen Menschen der Welt ein Bruder und Helfer sein möchte, den werden, je nach Neigung, entweder nostalgische Gefühle überkommen oder zynische Bitterkeiten überfallen. Mindestens werden sich ihm jedoch Zweifel auftun. Das obsessive öffentliche Gerede von der menschlichen Würde, dem bezeichnenderweise kaum ein angemessenes Bild vom Menschen gelingen will, steht dabei meist unverbunden und abstrakt neben der Sehnsucht, den Sinn der menschlichen Existenz zu verstehen und ihr etwas Erhabenes abzugewinnen. Und so drohen zuletzt selbst die zarten Erfahrungen mit menschlicher Hinwendung vernutzt zu werden. Vielleicht lässt sich jedoch die wie verschleiert scheinende "imago dei" lüften, wenn der Blick auf die tragische und strebsame Größe des Menschen fällt: Der Mensch ist ein Sünder, aber er kann sich, auch wenn er sich ihr nicht endgültig zu entwinden vermag, aus der Verstrickung heraus zu höheren Früchten strecken.
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