Es war schon immer so, dass alles immer schlechter wurde. Ganz besonders gilt das aber für den Zustand unserer Sitten. Unzählige Bücher beschwören den Verfall der Manieren und den Untergang des Abendlandes. Sind wir wirklich so auf den Hund gekommen? Und wenn ja, ist unsere Gesellschaft tatsächlich bedroht? Thomas Mießgang untersucht hierarchische Zusammenhänge, in denen die Auflösung von Konventionen Emanzipation bedeutet. Er betrachtet Subkulturen, in denen die Negierung aller Regeln geradezu gefordert wird, wie es in der Rock- und Punkmusik und im Hip-Hop der Fall ist. Er analysiert Rituale des Feierns, in denen Exzess und Überschreitung erwünscht sind. Er beleuchtet die Rolle von digitalen Medien und sozialen Netzwerken. Und er fragt, was wir daraus lernen können. Ob wir nicht lange genug Türen aufgehalten, »bitte«, »danke«, »nach Ihnen«, gesagt haben und ob wir nicht die Chance hätten, aus diesen Ritualen der Unhölfichkeit einen neuen Umgang abzuleiten, der uns in eine bessere, demokratischere, gleichberechtigtere Welt führt, die ohne Heuchelei, leere Formeln und Duckmäusertum auskommt.
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Heulen könnte Rezensent Frank Schäfer, wenn er an die Karrieristen des Pop-Geschäfts denkt, die sich umstandlos den Effizienzprinzipien der Leistungsgesellschaft unterwerfen und auch noch brav "Danke" sagen, wenn sie bei einer Castingshow runtergeputzt werden. Da kann er nur Thomas Mießgangs Essay "Scheiß drauf" empfehlen, der daran erinnert, dass gut platzierte Flegeleien einmal vornehmste Aufgabe der Popmusik waren, oder wie Schäfer in seiner witzigen Kritik schreibt: "da gehörte die Rotz- und Rüpelattitüde zum Kommang". Auch wenn die Hotelzimmerzertrümmerung oft genug inszeniert war und das Rabaukentum der Selbstprofilierung diente, liest Schäfer doch Einschlägiges bei Mießgang über die antiaristokratische Attacken von John Lennon, über die Klassenkampf-Parolen der Sex Pistols oder den Defätismus von The Clash.
© Perlentaucher Medien GmbH
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