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Der neue Sennett: Noch präziser, noch provokanter als Der flexible Mensch. In Fortführung seines Bestsellers Der flexible Mensch zieht Richard Sennett eine ebenso bestechende wie provokante Bilanz seiner langjährigen Beschäftigung mit den individuellen und gesellschaftlichen Folgeerscheinungen des Kapitalismus. Welche menschlichen Folgen hat die politische Ökonomie, in der wir leben? Manche nennen das System „neoliberal“ und erwecken so den Anschein, als handle es sich dabei um nichts Neues, sondern lediglich um die Ausweitung der Marktwirtschaft auf einen globalen Maßstab. Andere meinen, neue…mehr

Produktbeschreibung
Der neue Sennett: Noch präziser, noch provokanter als Der flexible Mensch.
In Fortführung seines Bestsellers Der flexible Mensch zieht Richard Sennett eine ebenso bestechende wie provokante Bilanz seiner langjährigen Beschäftigung mit den individuellen und gesellschaftlichen Folgeerscheinungen des Kapitalismus.
Welche menschlichen Folgen hat die politische Ökonomie, in der wir leben? Manche nennen das System „neoliberal“ und erwecken so den Anschein, als handle es sich dabei um nichts Neues, sondern lediglich um die Ausweitung der Marktwirtschaft auf einen globalen Maßstab. Andere meinen, neue Informations-, Transport- und Produktionstechnologien hätten die Welt in einem Ausmaß umgestaltet, das für unsere Großeltern unvorstellbar gewesen wäre. Für Richard Sennett geht die ganze Diskussion jedoch am eigentlichen Kern der Sache vorbei. Die tatsächlichen psychologischen und gesellschaftlichen Auswirkungen des Kapitalismus zeigen sich laut Sennett vielmehr daran, wie Institutionen organisiert sind und wie die Menschen in ihnen leben. Der „neue Kapitalismus“ betrifft also ein soziologisches Ganzes und nicht bloß Wirtschaft oder Technologie. Die Institutionen, in denen wir uns bewegen, haben nach Sennetts Überzeugung unsere Zeitwahrnehmung verändert: Arbeitsplatz, Sozialstaat und Gemeinschaftsleben sind als Bezugsrahmen einem immer rascheren Wandel unterworfen; Ursachen lassen sich kaum noch Wirkungen zuordnen; Absichten und Vorhaben verlieren sich in einem Netz von Unwägbarkeiten und Zufälligkeiten, über die Einzelne und Gruppen immer weniger Kontrolle haben. Kurzum: Institutionelles Leben vermag nicht mehr als Erzählrahmen zu dienen, als eine Geschichte, in der Menschen eine signifikante — aktive — Rolle spielen. Nach dem Bestseller Der flexible Mensch und dem auch autobiographisch geprägten Buch Respekt im Zeitalter der Ungleichheit zieht Richard Sennett eine ebenso bestechende wie provokante Bilanz seiner langjährigen Beschäftigung mit der Kultur des Kapitalismus.
Autorenporträt
Richard Sennett, geboren 1943, wuchs in Cabrini Green, einem Armenviertel von Chicago, auf. Er versuchte den sozialen Aufstieg aus dieser von ihm später als eng und bedrohlich beschriebenen Welt zunächst über die Musik und lernte in jungen Jahren Cello, komponierte und hatte Erfolge bei öffentlichen Auftritten. Das Studium der Musikwissenschaften und des Violoncello in New York musste er aufgrund einer fehlgeschlagenen Operation an seiner linken Hand aufgeben. Daraufhin studierte er zunächst bei David Riesman in Chicago, dann bei Talcott Parsons in Harvard Soziologie und später Geschichte. Nach der Promotion 1964 forschte und lehrte er unter anderem in Harvard, Yale, Rom und Washington. 1998 erhielt Sennett den Premio Amalfi, 2006 wurde er mit dem Stuttgarter Hegel-Preis ausgezeichnet.
Sennetts Hauptthemen sind die Vereinzelung, Orientierungslosigkeit und Ohnmacht moderner Individuen, die Oberflächlichkeit und Instabilität zwischenmenschlicher Beziehungen sowie die Ausübung von Herrschaft. Vor allem in seinen Frühwerken bleibt er der Stadt seiner Kindheit und den in ihr gemachten Erfahrungen stark verhaftet. Die hohe Aktualität seiner Themen und sein eingängiger, essayistischer Stil ließen seine Bücher zu Bestsellern avancieren.
Richard Sennett lebt in London
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.06.2005

Richard Sennett vs. John K. Galbraith

Lust auf ein kleines Duell? Gerade sind zwei Bücher aus jeweils prominenter Feder erschienen, die sich demselben Phänomen widmen. "Die Kultur des neuen Kapitalismus" heißt das eine (Aus dem Amerikanischen von Michael Bischoff. Berlin Verlag, Berlin 2005. 160 S., geb., 18,- [Euro]). Geschrieben hat es der zweiundsechzigjährige Soziologe Richard Sennett. "Die Ökonomie des unschuldigen Betrugs" heißt das andere (Aus dem Amerikanischen von Thorsten Schmidt. Siedler Verlag, Berlin 2005. 111 S., geb., 14,- [Euro]). Verfasser ist der fast hundertjährige Wirtschaftswissenschaftler John Kenneth Galbraith. Und schon im Titel liegt der erste Dissens. Denn Galbraith hält die Rede vom Kapitalismus für erledigt, weil die Kapitaleigner längst entmachtet seien und angestellte Manager das Zepter der Betriebsführung übernommen hätten. Siehe Josef Ackermann, nickt der Leser. Deshalb sei der Begriff "Kapitalismus" längst durch die nichtssagende Bezeichnung "Marktwirtschaft" ersetzt worden.

Falsch, würde Sennett sagen. Das Prinzip des shareholder value habe triumphiert, und die Manager seien arme (wenn auch gutbezahlte) Würstchen, die verzweifelt den Erwartungen nach kurzfristigen Kurssteigerungen zu entsprechen suchen und deshalb die besten Traditionslinien ihrer Unternehmen kappen. Siehe Josef Ackermann, nickt der Leser. Der Verlust des früher vorherrschenden Verlangens nach regelmäßiger Dividende zugunsten der Aktienspekulation habe den Faktor Zeit als bestimmendes Merkmal des "militärisch-sozialen Kapitalismus", wie Sennett das Wirtschaftsmodell der Industrialisierung nennt, neu besetzt. Wo früher gerade in der Zuverlässigkeit der ökonomischen Institution der Reiz für die Beschäftigten lag (Arbeitsplatzsicherheit, Rente), da wird heute dieser Segen einer bürokratischen Organisation abgebaut, die das Überdauern ihrer selbst garantieren sollte.

Falsch, würde Galbraith sagen. Die Bürokratie nehme immer weiter zu. Um die exorbitanten Gehälter der Vorstände zu rechtfertigen, vergrößerten diese die Zahl ihrer Zuarbeiter immer weiter. So entstehe in der Verwaltung ein Personalüberhang, während überall sonst rationalisiert werde.

Falsch, würde Sennett sagen. Gerade der Abbau von Arbeitsplätzen in der Produktion habe die Verwaltung in ihrem bisherigen Ausmaß überflüssig gemacht, und die Rationalisierung zeitige im Büro eher noch einschneidendere Folgen als in der Werkhalle. Dazu zähle vor allem eine neue Erwartungshaltung an die Beschäftigten: Die Wertschätzung für ältere Arbeitnehmer reduziere sich, weil man ihnen keine Flexibilität zutraue, während junge gar keine Bindung mehr an ihre Unternehmen entwickelten, weil die Erwerbsbiographie ohnehin auf vielfachen Stellenwechsel ausgelegt sei. Sennett sieht hier einen sich wechselseitig verschärfenden Generationenkonflikt, weil ohne die auf Dauerhaftigkeit basierenden Werte des Kapitalismus klassischen Typs keine Bereitschaft mehr da sein wird, zugunsten langfristiger Sicherheit in der Gegenwart Verzicht zu leisten. Der Generationenvertrag des Sozialstaats ist nicht nur demographisch zum Scheitern verurteilt, sondern auch psychologisch.

Falsch, würde Galbraith gewiß sagen - wenn er dazu etwas zu sagen hätte. Aber das Kapitel "Die elegante Flucht vor der Wirklichkeit" beschäftigt sich allein mit der Steuerung konjunktureller Schwankungen, ein Bemühen, das Galbraith für illusorisch hält. Da wären sich beide Theoretiker vermutlich einig. Doch just an diesem Punkt, wo die Bestandsaufnahme endet und die Prognose anfängt, bricht Galbraith das Duell ab, denn sein schmales Buch ist zu Ende. Gut, es enthält noch eine knappe skeptische Ausführung zur Außen- und Militärpolitik, aber die erklärt sich aus der klassisch-kontinuierlichen Erwerbsbiographie des Autors, der zu den engsten Beratern diverser amerikanischer Regierungen zählte. In der Unterwanderung des staatlichen Sektors erkennt Galbraith das große Risiko unserer Tage, weil ökonomische Ziele die politischen ersetzten. Es seien allein die Interessen der Firmen, mit denen sich manche Politiker identifizierten. Einzelheiten tun nichts zur Sache. Wichtig ist, daß sie als Exportkaufleute die Welt bereisen.

Falsch, würde Sennett sagen. Politiker verhalten sich nicht wie Verkäufer, sondern wie Konsumenten. Das Problem sei, daß die Politik freiwillig die Strukturen des neuen Typs von Kapitalismus übernommen habe: Wichtig ist allein Flexibilität, auch beim Kauf.

Falsch, würde Galbraith sagen. Der Mythos vom Einfluß des Käufers auf den Markt ist passé. Hier bestimmen allein die Anbieter, und ihre Waffe ist die Werbung. Richtig, würde Sennett sagen. Und die Politik läßt für sich werben, als sei sie eine Ware. Aber gerade darin liege ihr Fehler, denn dann würden Politiker vom Wähler auch eingekauft wie Waren, und wie bei diesen erlahmte das Interesse sofort nach Inbesitznahme.

Und so sind die beiden Duellanten gar nicht weit voneinander entfernt, was ihre pessimistische Deutung betrifft. Ob sie das gegenwärtige Wirtschaftssystem nun "Marktwirtschaft" oder "neuen Kapitalismus" nennen, ändert nichts daran, daß in beider Augen alles anders geworden ist. Nur ist Sennett nostalgischer gestimmt als der weitaus ältere Galbraith, während diesem in seinem Furor die methodische Konsequenz des Jüngeren fehlt. Worauf sich beide schnell verständigen könnten, ist Sennetts Fazit: Die Menschen brauchen in erster Linie einen mentalen und emotionalen Anker. "Kurz gesagt, sie brauchen eine Kultur." Das trifft sich mit Galbraiths Klage, daß die Konzerne "das gesellschaftliche Wertesystem entsprechend ihren Bedürfnissen und Interessen umformen". Erstaunlich, daß man mit vollkommen entgegengesetzten Diagnosen zur selben These kommen kann. Auch erschreckend. Aber wohl nicht falsch.

ANDREAS PLATTHAUS

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.09.2005

Wirtschaftsbuch
Zum Thema
Orientierung geht verloren
Richard Sennett: Die Kultur des Neuen Kapitalismus, Berlin Verlag, Berlin 2005, 160 Seiten, 18 Euro.
Der flexible Kapitalismus macht den Einzelnen überflüssig. Überall steigt die Angst, die Arbeit zu verlieren und nutzlos zu werden. Im Veränderungstempo verliert der Mensch Orientierung und Übersicht über das Leben.
Macht der Konzerne
John Kenneth Galbraith: Die Ökonomie des unschuldigen Betrugs. Siedler Verlag, München 2005, 112 Seiten, 14 Euro.
Die Macht der Konzerne ist grenzenlos - und nahezu ohne Korrektiv. Sie lenken nicht nur den Markt gemäß ihren Interessen, sondern auch die gesellschaftlichen Verhältnisse.
Unbegrenzte Möglichkeiten
In Stockholm arbeiten zwei ungewöhnliche Managementdenker. Sie lehren an der renommierten Stockholm School of Economics und beraten gleichzeitig internationale Konzerne. Ihre Bestandsaufnahmen, Analysen und Prognosen gehören in Europa zum derzeit Originellsten. Warum? Nun, Jonas Ridderstråle und Kjell Nordström sind weder jammernde Untergangspropheten noch Himmelhochjauchzer. Sie wissen, wo der neue Individualkapitalismus seine Zerstörungsspuren hinterlässt. Sie kennen auch die überbordenden Möglichkeiten für jeden Einzelnen. Denn „der Grundbaustein moderner Unternehmen und des modernen Lebens besteht darin, Erfahrungen und Individualität auszudrücken - anders zu sein”. Jeder wählt selbst, wie er aussehen möchte, was er tun will und wie er sein möchte. Man wechselt Identitäten wie Hemden. „Wir leben in einem kosmopolitischen Karaoke-Club mit nie da gewesenen Wahlmöglichkeiten - 1958 Songtitel und 1966 verschiedene Lebensstile. Wir können unsere neue gewonnene Macht ausüben und uns selbst wie nie zuvor ausdrücken. Wir können sein, wer wir sein möchten. Pop-up-Persönlichkeiten. Reality-TV in der Wirklichkeit.” Oftmals übersähen die Menschen aber, dass mit der Freiheit auch die Pflicht einhergehe.
Das wichtigste Problem jedoch ist, und die beiden Autoren nehmen sofort darauf Kurs: „Der Karaoke-Club ist nicht für alle geöffnet. Nur hell scheinende Sterne erhalten garantiert freien Eintritt.” In einen Club, in dem ausschließlich Geld das Sagen hat. Wer keines hat, muss im Besitz der richtigen Fähigkeiten sein. Kompetenz ist folglich die zweite Eintrittskarte - oder das zweite Ausschlusskriterium. Die neuen Eliten besitzen demnach entweder Geld, Kompetenz oder beides. Der Rest sitzt vor dem Fernseher, in der Jobagentur oder weltweit noch tiefer im Morast. „Das Endergebnis ist, dass es etwa 3,5 Milliarden in Armut verstrickte Menschen gibt, die außerhalb des Karaoke-Clubs Schlange stehen.”
Das nächste, nicht minder gewichtige Problem: Es reicht nicht mehr aus, im Karaoke-Stil andere zu kopieren. Man muss einzigartig sein. Was besonders für die Unternehmen zutrifft. „Unsere Welt ist voll von Karaoke-Firmen. In der Geschäftswelt gibt es sogar Bezeichnungen für diesen Imitationswahn: Benchmarking und Best Practice.” Erfolgreich seien Plagiatoren und Sicherheitsdenker selten. Auf Originalität komme es an.
Der moderne Kapitalismus sei letztlich von einer seltsamen Rückwärtsgewandtheit geprägt: zurück zur Natur. Die globale Wirtschaft, so Ridderstråle und Nordström, ist dabei, diesen Schritt radikal zu vollziehen. Die öden Wissens- und Informationswüsten haben sich längst in fruchtbare, aber undurchdringliche Informationsdschungel verwandelt. Dort regieren die Märkte. „Vorbei die Zeit, in der es Sicherheitsnetze gab, welche die Unproduktiven aufgefangen haben. Die Natur schlägt zurück.”
Die Konsumenten werden, so konstatieren die Autoren, nicht mehr mit dem rational besseren Argument angesprochen, sondern verführt oder ruhig gestellt. Unternehmer verwandeln sich so zu listigen Märchenerzählern, die sündige Neuheiten an den Käufer bringen wollen. „Sie wissen, dass unsere Gehirne von Emotionen gesteuert werden.” Deshalb ist die Fokussierung auf stimulierende Marken von so großer Wichtigkeit. Im Fadenkreuz stehen natürlich die immerwährenden Träume der Menschheit: auf ewiges Leben, Glück, ewige Jugend, Männlichkeit und ewigen Reichtum. „Traum kämpft gegen Traum, und überall auf der Welt eifern die Unternehmen um das Geld und die Seelen der Kunden.” Der Kunde muss süchtig gemacht werden. Die unzulängliche menschliche Natur ist der eigentliche Motor des modernen Kapitalismus.
Peter Felixberger
Jonas Ridderstråle,
Kjell A. Nordström:
Karaoke-Kapitalismus. Redline Wirtschaft, Heidelberg 2005.
326 Seiten. 24,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Richard Sennett habe es in seinem jüngsten Buch geschafft, seine notorische "Neigung zum Impressionistisch-Anekdotischen" unter Kontrolle zu halten, vermerkt der Rezensent Bruno Preisendörfer, der von der wissenschaftlichen Standards entsprechenden Systematik sehr angetan ist. Der Rezensent sieht mit den behandelten Fragen einen Diskurs fortgeführt, den Sennett in seinem letzten Buch "Der flexible Mensch" begonnen habe. Obwohl der Autor seit 1997 in Großbritannien lebe und von der Situation der Mensch dort spricht, seien seine Gedanken hilfreich auch im Hinblick auf die "Lage in Deutschland", bemerkt Preisendörfer. Besonders interessant findet er Sennetts Gedanken einer "Klassentrennung innerhalb der Mittelschicht", die sich in den Besitzstandsinteressen der Verlierer und den Zukunftsinteressen der Gewinner ausdrückt.

© Perlentaucher Medien GmbH