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Schon seit 25 Jahren präsentiert der Tigerpalast im unscheinbaren Frankfurter Gerichtsviertel Varieté-Kunst auf höchstem Niveau. Höchste Zeit also, das Jubiläum dieses weit über die Frankfurter Stadtgrenzen hinaus bekannten Varietés mit einem reich bebilderten Buch zu würdigen. Sabine Börchers erzählt, wie es zur ersten Varieté-Neugründung nach dem Zweiten Weltkrieg kam und wie mit Johnny Klinke ein ehemaliger Straßenkämpfer zum Palast-Direktor wurde. Die Autorin erinnert an wegweisende, international renommierte Artisten und schaut nicht nur hinter die Kulissen des Varieté-Geschäftes, sondern…mehr

Produktbeschreibung
Schon seit 25 Jahren präsentiert der Tigerpalast im unscheinbaren Frankfurter Gerichtsviertel Varieté-Kunst auf höchstem Niveau. Höchste Zeit also, das Jubiläum dieses weit über die Frankfurter Stadtgrenzen hinaus bekannten Varietés mit einem reich bebilderten Buch zu würdigen. Sabine Börchers erzählt, wie es zur ersten Varieté-Neugründung nach dem Zweiten Weltkrieg kam und wie mit Johnny Klinke ein ehemaliger Straßenkämpfer zum Palast-Direktor wurde. Die Autorin erinnert an wegweisende, international renommierte Artisten und schaut nicht nur hinter die Kulissen des Varieté-Geschäftes, sondern auch der Sterne-Gastronomie. Besonderes Augenmerk widmet sie den herausragenden Tigerpalast-Projekten, etwa dem legendären Hochseillauf zum 1200. Geburtstag der Stadt Frankfurt am Main im Jahr 1994.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.04.2014

Zwei Raubkatzen, vier Schweinchen und ein Hochseillauf
Die Journalistin Sabine Börchers lässt ein Vierteljahrhundert Tigerpalast Revue passieren / Eigenes Kapitel über Gastronomie des Varietés

Die Tiger Rambo und Indiana schnurren seit 2001 im Raubtier-Paradies. Nach dem Tod des Katzenpaares ist Schluss gewesen mit dem Auftritt von Tigern im "Tigerpalast". Seither muss der Varieté-Direktor Johnny Klinke selbst den Tiger mimen. Er macht das fast so gut wie die beiden Katzen, die Thierry und Sandrine Bouglione zehn Jahre lang in immer neuen Gastauftritten auf der Bühne des "Tigerpalastes" präsentierten. Die Tiere waren so zahm, dass selbst die Varieté-Direktorin Margareta Dillinger Rambo an der Leine führen konnte, wie ein Foto in Sabine Börchers Buch "Die Kunst der Balance. 25 Jahre Tigerpalast in Frankfurt" belegt.

Die Autorin ist zurückgegangen bis in die Zeit der Jahrhundertwende, da in Frankfurt das Schumann-Theater mit seinen 5000 Plätzen mit dem "Kristallpalast" an der Großen Gallusstraße, der "Scala" an der Stiftstraße und weiteren Varietés um die Zuschauergunst wetteiferte. Diese Tradition wiederaufzunehmen, hatten sich der frühere Barrikadenkämpfer Klinke und seine Lebensgefährtin Dillinger vor knapp drei Jahrzehnten in den Kopf gesetzt. In dem zum 25. Geburtstag des "Tigerpalastes" im Societäts-Verlag erschienenen Band zeichnet Börchers dieses größenwahnsinnige Unterfangen nach.

Dazu liefert der frühere Kulturdezernent Hilmar Hoffmann, der damals das Projekt nicht mit Geld, aber mit gewissen Hilfestellungen unterstützte, eine Einführung, einen Essay recht eigentlich, die in dem Satz endet: "Es ist der Tigerpalast, der unsere Sehnsucht nach glückseligen Augenblicken in 25 Jahren niemals enttäuschte - ich war bei jeder Premiere Zeuge." Dem kann man nur zustimmen.

Bei der Lektüre des Buches wird einem noch einmal klar, welch riskanten Drahtseilakt die Varieté-Gründer hingelegt haben. Ohne jede Erfahrung, ohne Reichtümer im Hintergrund, mit bedauernswert wenig Kapital, dafür aber umso mehr Optimismus, Zähigkeit und Phantasie haben Klinke und Dillinger aus dem Nichts ein blühendes Etablissement geschaffen - mit einem Zwei-Sterne-Restaurant, einer attraktiven Palast-Bar und natürlich mit einem Varieté, das führend ist in Europa.

Börchers, langjährige Redakteurin der Frankfurter Neuen Presse und heute als freie Journalistin auch für die F.A.Z. tätig, erinnert an den verstorbenen Matthias Beltz, den Dritten im Bund der Gründer, der das Motto des Hauses formuliert: Liberté, Égalité, Varieté. An den legendären Jongleur Francis Brunn, der Dillinger die entscheidenden Ratschläge bei der Programmgestaltung gab und die Verbindung zu führenden amerikanischen Artisten herstellte. An den Moskauer Regisseur Valentin Gneuchev und dessen Kollegen Alexandre Grimailo, die eine Brücke nach Osteuropa schlugen.

Ein eigenes Kapitel widmet die Autorin den Küchenakrobaten, die unter dem fachkundigen Trainer Robert Mangold seit Jahren feine Speisen für das Restaurant zaubern. Diese gehobene Gastronomie hat dem Varieté das Überleben gesichert, das mit seinen 180 Plätzen zwar wunderbar intim, aber, ökonomisch betrachtet, eigentlich zu klein ist. Weshalb zwei Vorstellungen am Tag angeboten werden müssen.

Selbstverständlich berichtet die Autorin auch von den legendären Premieren, zu denen sich die hohen Damen und Herren der Stadt drängten. Wir sehen Volker Hauff vor einem Männchen machenden Tiger. Wir freuen uns über einen verblüfften Marcel Reich-Ranicki, der sich vom Taschendieb Borra seine Geldbörse zurückgeben lässt. Und wir erinnern uns angesichts eines Fotos mit vier Schweinchen auf der Bühne an die "vier Schweine", wie der frühere Oberbürgermeister Andreas von Schoeler vier anonyme SPD-Abweichler damals zu titulieren beliebte.

Beschworen wird noch einmal der von Klinke organisierte Hochseillauf des Philippe Petit von der Paulskirche zur Spitze des Doms anlässlich der 1200-Jahr-Feier der Stadt. Der "Tigerpalast", dieser Eindruck bleibt nach der Lektüre zurück, lebt - auch wenn die Tiger Rambo und Indiana gestorben sind.

HANS RIEBSAMEN

Sabine Börchers: "Die Kunst der Balance. 25 Jahre Tigerpalast", Societäts-Verlag, 24,80 Euro

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