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In der gegenwärtigen Forschung wird die Hervorbringung von Kunst und Wissenschaften vor allem unter dem Gesichtspunkt der Abhängigkeit thematisiert, in der sie von ihren Auftrag- bzw. Geldgebern steht. Das Augenmerk gilt den partikularen Interessen, die politisch Mächtige verfolgen, wenn sie Künstler oder Gelehrte alimentieren: Repräsentation, Legitimierung von Herrschaftsansprüchen, Distinktion mit Hilfe von kulturellem Kapital lauten die gängigen Stichworte. Demgegenüber wird in diesem Band gezeigt, dass umgekehrt auch die Mächtigen von den Kulturschaffenden abhängig sind. Denn Wissenschaft…mehr

Produktbeschreibung
In der gegenwärtigen Forschung wird die Hervorbringung von Kunst und Wissenschaften vor allem unter dem Gesichtspunkt der Abhängigkeit thematisiert, in der sie von ihren Auftrag- bzw. Geldgebern steht. Das Augenmerk gilt den partikularen Interessen, die politisch Mächtige verfolgen, wenn sie Künstler oder Gelehrte alimentieren: Repräsentation, Legitimierung von Herrschaftsansprüchen, Distinktion mit Hilfe von kulturellem Kapital lauten die gängigen Stichworte. Demgegenüber wird in diesem Band gezeigt, dass umgekehrt auch die Mächtigen von den Kulturschaffenden abhängig sind. Denn Wissenschaft und Kunst können — statt als Propaganda und schöner Schein — auch als spezifische Formen universalistischer Rationalität aufgefasst werden. So begriffen, sind sie es, die in ihren Ausdrucksformen und Diskursen über die Vernünftigkeit einer Herrschaft verhandeln. Indem sie politische, wirtschaftliche und soziale Geltungsansprüche argumentativ bzw. ästhetisch durchdeklinieren, stellen sie diese zugleich auf den Prüfstand und sie geben als Experten für die Erzeugung von Neuem den Herrschern unbekannte, fremdartige Ideen.
Autorenporträt
Johannes Süßmann, geboren 1964, ist Professor für Geschichte der Frühen Neuzeit an der Universität Paderborn.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.01.2009

Von den Römern bis zu den Rockefellern

Mäzenatentum und Kulturpatronage werden in wirtschaftlich angespannten Zeiten neu bewertet. Wie das Verhältnis von Macht und Kunst früher aussah, legt ein anregender Sammelband dar.

Auf welche Körperorgane kommt es an, um als Wissenschaftler zu reüssieren? An der Universität Cambridge war dieses Jahr der königliche Lehrstuhl in Geschichte neu zu besetzen, für britische Historiker die höchstmögliche Stufe auf der Karriereleiter (einmal abgesehen von einer anderen Stelle am "anderen Ort"). Die vier Kandidaten, die es in die vorletzte Runde schafften, hatten vor versammelter Fakultät vorzusingen, und einer von ihnen nutzte die Gelegenheit, um sich als größtes Genie im Schröpfen privater Mäzene anzupreisen. Dabei verriet er auch, was ihn zu dieser Kunst besonders befähige: seine Leber, zu Toleranz trainiert seit Studententagen (in Cambridge). Die Fakultät zeigte sich beeindruckt - und wählte einen anderen.

Niemand im Vereinigten Königreich macht sich jedoch Illusionen, dass in Zukunft nichts über eine belastbare Leber geht. Glaubt man den einschlägigen Prognosen, so wird der Staat in der Finanzierung der Wissenschaften eine immer kleinere Rolle spielen. Einige britische Historiker wittern darin die Chance zu größerer Freiheit und besserer Forschung: Wer das Vertrauen privater Gönner gewinne, argumentierte etwa eine andere (erfolglose) Kandidatin für den "regius chair", könne dem staatlichen Zwangssystem endloser Forschungsanträge, Zwischenberichte und Evaluationen entrinnen und sehe sich dafür in der Pflicht, nicht mehr bloß für spezialisierte Fachkollegen, sondern auch für interessierte Laien zu schreiben. Der große Vorteil der Geisteswissenschaften, ihre bessere Verständlichkeit im Vergleich zu den Naturwissenschaften, lasse sich so wieder in einen Zugewinn an öffentlicher Legitimation ummünzen. Man fragt sich, warum solche Stimmen in Deutschland kaum zu hören sind.

Umso erfreulicher ist es, dass die deutsche Forschungsbürokratie seit geraumer Zeit ein umfangreiches Projekt finanziert, das sich unter anderem mit der Geschichte der Kunst- und Wissenschaftsförderung befasst. Es trägt den Titel "Wissenskultur und gesellschaftlicher Wandel", vereinigt einen bunten Strauß aus allen möglichen Forschungsblüten an der Universität Frankfurt, und hat jüngst einen Band über "Die Kunst der Mächtigen und die Macht der Kunst" hervorgebracht.

Zeitlich reicht dieser von den Römern bis zu den Rockefellern und thematisch von der Malerei über die Architektur und Astronomie bis zur Musik. Ziel der Herausgeber ist es, "das Verhältnis von politisch bzw. ökonomisch Mächtigen auf der einen, Künstlern und Wissenschaftlern auf der anderen Seite" zu untersuchen, und ihre erkenntnisleitende Annahme lautet: "Keine künstlerische oder wissenschaftliche Innovation, die nicht der vorausliegenden Förderung durch Mächtige zu verdanken und davon kontaminiert ist!"

Von den dreizehn Beiträgen des Bandes haben einige zu diesem Verhältnis erstaunlich wenig, andere dagegen erfreulich viel zu sagen. Der Althistoriker Peter Scholz, Autor der vielbeachteten Studie "Der Philosoph und die Politik" in der griechischen Polis, untersucht das literarische Mäzenatentum römischer Senatoren im Zuge der Hellenisierung Roms und verdeutlicht dabei, dass die griechischen Gelehrten das Machtgefälle zu den römischen Politikern lange durch ihre zivilisatorische Autorität aufwiegen konnten, einer Autorität, die in der Figur des hellenisierten römischen Gelehrtenpolitikers à la Cicero und Caesar zugleich überhöht und überwunden wurde.

Beispielhaft für die Komplexität des Themas und brillant in ihrer interpretatorischen Bewältigung ist Matteo Burionis "Relektüre" eines Gemäldes, in dem ein Architekt seinen Patron als Architekten darstellt. Es handelt sich um Giorgio Vasaris Bildnis von Cosimo I., das ihn bei der Planung der Einnahme von Siena zeigt; der Fürst sitzt mit Zirkel und Winkel am Tisch, den Kopf über einen Befestigungsplan gebeugt, die Rüstung abgezogen und auf den Boden gelegt. Burioni liest das Gemälde als doppelten Rollentausch, von dem beide, Maler und Mäzen, gleichermaßen profitieren. Cosimo erscheint nicht nur als Verkörperung von "arma et litterae", militärischer und literarischer Bildung, die ihn zum kühl kalkulierenden Eroberer machen, sondern auch als Lehrer des Maler-Architekten Vasari, welcher wiederum in der Rolle des pinselnden Feldherrn glänzen darf, der seine Gebäude und Gemälde plant wie der Fürst seine Feldzüge.

Ähnlich aufschlussreich, aber nicht ganz so schlüssig ist Ferdinand Zehentreiters Aufsatz über die Musikpatronage im Habsburgerreich des achtzehnten und frühen neunzehnten Jahrhunderts. Zehentreiter geht den Gründen für die "paradox wirkende Koalition von gesellschaftlicher Rückständigkeit und innovativem Kunstverstand" nach, die Wien zur Musikmetropole Europas gemacht hat. Er gelangt zum bemerkenswerten Befund, dass es der "Habsburgerfeudalismus" mit seinen adligen Privatkonzerten gewesen sei, in dem sich die Musik zur autonomen Kompositionskunst entfaltet habe, und nicht etwa der öffentliche Konzertbetrieb in Paris oder London. Da das kaiserliche Mäzenatentum nach dem Herrschaftsantritt Maria Theresias mangels Mitteln zurückgegangen sei, habe der Hochadel in der Musikförderung die erste Geige spielen können, was Wien mehrere hervorragende Kapellen mit entsprechenden Kapellmeistern beschert habe.

So überzeugend diese Darlegung ist, so überzogen scheint Zehentreiters Behauptung, dass sich Musiker und Mäzen in Wien "als kollegenhafte Protagonisten desselben Geistes" begegnet seien. Für Beethoven mag das noch hingehen (wobei ihm gerade der mangelnde Respekt vor Magnaten den Ruf des Sonderlings eingetragen hat), nicht aber für Haydn, dem der Autor am meisten Beachtung schenkt. Wer seinem Herrn, wie Haydn dem Fürsten Esterházy, alle Rechte an den eigenen Kompositionen abtreten muss, am Namenstag den Rocksaum küsst und vertraglich zu drei Jahren Dienst verpflichtet ist, während ihm stets fristlos gekündigt werden darf, sieht sich schwerlich auf die Stufe der Kollegialität gehoben. Aus Zehentreiters Ausführungen zur Wiener Musikblüte wäre eher das weniger erbauliche Fazit zu ziehen, dass auch Diener "autonome" Kunst produzieren können, wenn ihre Herren in der Rolle der Kunstliebhaber zu glänzen verstehen.

Mit seiner Überschätzung des Künstlerstatus steht Zehentreiter nicht allein, sie zieht sich vielmehr durch den ganzen Band und hat ihren Ausgangspunkt im theoretischen "Grundsatzartikel" des Soziologen Ulrich Oevermann zu Beginn des Buches. Oevermann sieht im Verhältnis von Kulturproduzenten und Kulturförderern die "Macht des Geistes" der "weltlichen Macht" gegenübertreten, und er interessiert sich vor allem für die "Abhängigkeit der weltlichen Macht von den Agenten der kulturellen Erzeugung des Neuen". Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft seien auf die Innovationen und Korrekturen jener angewiesen, die die "Logik des besseren Argumentes" beherrschten. Gemeinsam dagegen sei den geistig und politisch Mächtigen ein "Habitus der kühnen bis hin zur verwegenen, unerschrockenen Krisendiagnose und Risikobereitschaft".

Und wohin trägt den Frankfurter Soziologen die Kühnheit der eigenen Argumentationslogik? "Für die Einschätzung dieses theoretischen Modells der Symmetrie der Wechselseitigkeit in der doppelten Asymmetrie der Abhängigkeit zwischen den beiden Sphären der Erzeugung des Neuen ist es wichtig zu sehen, dass nicht eine tatsächliche, die Faktizität der Empirie auf der Beschreibungsebene ausnahmslos in jedem Falle bestimmende Gesetzlichkeit darin expliziert ist, sondern eine strukturlogische Konstitutionsbedingung für das Gelingen von Kulturförderung und das langfristige kumulative Fortschreiten der Kulturentwicklung."

Man könnte versucht sein, hier eine performative Selbstwiderlegung auszumachen. Eingehüllt in einen halb bildungsbürgerlichen, halb strukturalistischen Sprachnebel, strickt Oevermann an der alten Legende einer "geistesaristokratischen" Wahlverwandtschaft von Geistes- und Machtmensch weiter, mit der sich Gelehrte und Künstler seit jeher über ihre Ohnmacht unter den Mächtigen hinweggetröstet haben. Die Figur des Mäzens bleibt hier eine Phantasiegestalt von Gelehrten, die um die Gunst von Gönnern nicht zu buhlen brauchen. Noch fließt das Geld vom Staate, noch darf das Lebertraining aufgeschoben werden.

CASPAR HIRSCHI

Ulrich Oevermann, Johannes Süßmann, Christine Tauber (Hrsg.): "Die Kunst der Mächtigen und die Macht der Kunst". Untersuchungen zu Mäzenatentum und Kulturpatronage. Akademie Verlag, Berlin 2008. 198 S., 35 Farb- u. s/w-Abb., geb., 49,80 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Caspar Hirschi ist erfreut über die mit diesem Band wahrgenommene Chance, die Kunst- und Wissenschaftsförderung einmal historisch zu untersuchen. Was er aus den der These von der untrennbaren Verbindung und Verbindlichkeit zwischen Kunst und Wissenschaft hier und Macht dort subsumierten 13 Beiträgen erfährt, überzeugt ihn allerdings nicht durchweg. Interpretatorisch brillant zum Beispiel erscheint ihm eine "Relektüre" von Vasaris Bildnis von Cosimo I. Überzogen dagegen findet er allzu positive Sichtweisen auf das Verhältnis von Künstler und Mäzen. Dass die Behauptung von Kollegialität, ja Kongenialität den Band prägt, hält Hirschi für bedauerlich. Um so mehr, als der entsprechende Grundsatzartikel des Mitherausgebers Ulrich Oevermann für ihn sehr sprachnebulös ein Bild des Machtmenschen zeichnet, das ihm fantastisch vorkommt.

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