Eine mitreißend und elegant geschriebene Schule des Lesens.
Eine mitreissend und elegant geschriebene Schule des Lesens.
Was unterscheidet einen guten Roman von einem schlechten? Kaum jemand könnte das besser erklären als James Wood, «einer der besten Kritiker unserer Zeit» (Newsweek) und selbst ein herausragender Stilist. Erzählperspektive oder Detailauswahl, Figurenzeichnung und Dialoge - Wood zeigt, worauf zu achten lohnt. Anhand vieler Beispiele von der Bibel über Flaubert bis zu David Foster Wallace erklärt er, was manche Autoren besser machen als andere.
Doch es geht Wood nicht allein um die Elemente gelungenen Erzählens. Er beantwortet auch grundlegende Fragen: Was hat die Literatur mit der Wirklichkeit zu tun? Und vor allem: Warum bewegt sie uns so? Denn bei aller analytischen Präzision bleibt Wood ein begeisterter Leser, dessen Leidenschaft ansteckend wirkt. So gelingt ihm das Kunststück, die Geheimnisse der Literatur zu lüften, ohne ihren Zauber zu zerstören.
«Für Romanautoren, solche, die es werden wollen, und alle passionierten Leser ist dieses Buch ebenso erhellend wie begeisternd.»
The Economist
"Mit Diagnosen und Rezepten hält sich Wood wohltuend zurück, aber nicht mit Leidenschaft."
Frankfurter Allgemeine Zeitung
«Ein phantastischer Kritiker; einer der wenigen, die bleiben werden.»
Martin Amis
«Wood schreibt über Literatur, als hinge unser Seelenheil von ihr ab - und für jeden ernsthaften Leser tut es das auch.»
The Nation
"Grandios."
DIE ZEIT
"Woods intelligente Respektlosigkeit wirkt erfrischend."
Süddeutsche Zeitung
"Lange kein Buch mehr gesehen, das so viel Lust darauf macht, Romane zu lesen."
die tageszeitung
Eine mitreissend und elegant geschriebene Schule des Lesens.
Was unterscheidet einen guten Roman von einem schlechten? Kaum jemand könnte das besser erklären als James Wood, «einer der besten Kritiker unserer Zeit» (Newsweek) und selbst ein herausragender Stilist. Erzählperspektive oder Detailauswahl, Figurenzeichnung und Dialoge - Wood zeigt, worauf zu achten lohnt. Anhand vieler Beispiele von der Bibel über Flaubert bis zu David Foster Wallace erklärt er, was manche Autoren besser machen als andere.
Doch es geht Wood nicht allein um die Elemente gelungenen Erzählens. Er beantwortet auch grundlegende Fragen: Was hat die Literatur mit der Wirklichkeit zu tun? Und vor allem: Warum bewegt sie uns so? Denn bei aller analytischen Präzision bleibt Wood ein begeisterter Leser, dessen Leidenschaft ansteckend wirkt. So gelingt ihm das Kunststück, die Geheimnisse der Literatur zu lüften, ohne ihren Zauber zu zerstören.
«Für Romanautoren, solche, die es werden wollen, und alle passionierten Leser ist dieses Buch ebenso erhellend wie begeisternd.»
The Economist
"Mit Diagnosen und Rezepten hält sich Wood wohltuend zurück, aber nicht mit Leidenschaft."
Frankfurter Allgemeine Zeitung
«Ein phantastischer Kritiker; einer der wenigen, die bleiben werden.»
Martin Amis
«Wood schreibt über Literatur, als hinge unser Seelenheil von ihr ab - und für jeden ernsthaften Leser tut es das auch.»
The Nation
"Grandios."
DIE ZEIT
"Woods intelligente Respektlosigkeit wirkt erfrischend."
Süddeutsche Zeitung
"Lange kein Buch mehr gesehen, das so viel Lust darauf macht, Romane zu lesen."
die tageszeitung
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.07.2011In den Wunderkammern der Geschichten
Das neunzehnte Jahrhundert war das große Zeitalter des Romans - und was kam dann? In seiner "Kunst des Erzählens" erkundet James Wood den Realismus und seine Möglichkeiten. Mit Diagnosen und Rezepten hält sich der amerikanische Kritiker wohltuend zurück, aber nicht mit Leidenschaft.
Was war noch einmal ein guter Roman? Wie geht das mit dem Erzählen, wie stiftet man aus lauter Buchstaben und Papier eine Welt? Was ist eigentlich Realismus? Es sind diese Fragen nach dem Funktionieren literarischer Kunst, welche den amerikanischen Literaturwissenschaftler und -kritiker James Wood beschäftigen. "Die allgemeinen Bestimmungen, welche man abstrahierte, sollten insbesondere für Vorschriften und Regeln gelten, nach denen man hauptsächlich in den Zeiten der Verschlechterung der Poesie und Kunst Kunstwerke hervorzubringen habe", heißt es in Hegels Vorlesungen zur Ästhetik. "Doch verschrieben diese Ärzte der Kunst für die Heilung der Kunst noch weniger sichere Rezepte als die Ärzte für die Wiederherstellung der Gesundheit." James Woods Perspektive ist weniger düster: In seinem Buch zur "Kunst des Erzählens", das heute in deutscher Übersetzung erscheint, versucht sich Wood an einer konzisen Beschreibung dessen, was realistische Literatur erreichen kann. Mit Diagnosen und Rezepten geht er dabei wohltuend sparsam um.
Das neunzehnte Jahrhundert ist für Wood das Zeitalter des Romans. Grundgelegt in den Dezennien davor, im Werk Denis Diderots etwa oder auch schon in den prosaischeren Passagen dramatischer Kunst wie Shakespeares "Macbeth", entfaltet sich im neunzehnten Jahrhundert eine Erzählkunst, wie sie zuvor kaum möglich gewesen ist: Auf einmal können Figuren gleichsam von innen heraus beschrieben werden, plötzlich ist es möglich, nicht nur Bühnen zu dekorieren, sondern ganze Interieurs zu entwerfen. Räume, Personen, Gesellschaften beschreiben, all das schafft der realistische Roman spielend. Im erzählerischen Mittel der erlebten Rede, so erklärt uns Wood, überwindet der Roman leichthändig die künstliche Kluft zwischen Autor und Figur. Wen kümmert's, wer spricht, sei es der Autor, sei es die Figur: In der erlebten Rede spricht der Roman selbst, und das ist denn auch das Geheimnis seiner Kunst. Immer wieder polemisiert Wood deshalb gegen den Hang der Schriftsteller, mit zu vielen "auktorialen Flaggen" die Landschaft des literarischen Texts zu verstellen, zu sehr dazwischenzufunken in der Entfaltung des literarischen Geschehens.
Keiner Kunstform, so Wood, gelingt es besser als dem realistischen Roman, den Blick für das Detail mit der Wahrnehmung des Vergehens von Zeit zu kombinieren, das Kleine und das Große gleichsam zusammenströmen zu lassen im Fluss erlebter Rede. Verzeitlichung und Visualisierung, Detail und Ganzes, Figur und Entwicklung, all dies findet Wood erstmals entfaltet und vollendet im Werk Flauberts, der zentralen Reverenz dieses Buches: "Die Romanautoren sollten Flaubert danken wie die Lyriker dem Frühling: Mit ihm beginnt alles." Als entscheidende Wendung in der Geschichte des Romans macht Wood die Entdeckung des Visuellen aus, nimmt doch der realistische Roman des neunzehnten Jahrhunderts den Blick des Kinematographen vorweg. Im zwanzigsten Jahrhundert findet diese Ästhetik des Blicks endgültig zu sich selbst, wenn es etwa in Christopher Isherwoods 1939 erschienenem (und in Deutschland weniger bekanntem) Roman "Leb wohl, Berlin" heißt: "Ich bin eine Kamera mit offenem Verschluss, nehme nur auf, registriere nur, denke nichts. Registriere den Mann, der sich am Fenster drüben rasiert, und die Frau im Kimono, die ihr Haar wäscht. Eines Tages werde ich all diese Bilder entwickelt, sorgfältig kopiert und fixiert haben."
Kunst des Erzählens: James Woods Blick auf die Literatur ist ein ästhetischer. Wenig ist hier die Rede von Büchern und ihren Autoren im Zusammenhang von Gesellschaft und Geschichte, viel mehr erfährt man über Stil und Ausdruck, Metaphern, Figuren und Gestaltung. Wer sich von diesem Buch eine waschechte Literatur-"Theorie" erwartet, wird demgemäß enttäuscht sein müssen: Zu sehr verbleiben die Hinweise auf Woods diesbezügliche Orientierungen im Ungefähren. Allenfalls auf eine kleine Rangelei mit dem ebenfalls eher wissenschaftsfernen Roland Barthes und dessen Umschreibungen des "effet de réel" lässt er sich ein. Die theoretische Abstinenz aber gereicht diesem Essay durchaus zur Ehre.
Es fällt dann aber auf, wie sehr dieses Buch einem willkürlich zusammengezimmerten Kanon verhaftet ist, in welchem sich offenbar kein Platz hat finden lassen für die deutschsprachige Tradition. Sei es aus Unkenntnis, sei es aus Unlust: Werke von Autoren deutscher Zunge finden sich hier allenfalls in Spurenelementen. Fontanes Effi schaukelt einmal durchs Bild, Thomas Mann bekommt ein freundliches Nicken zugesprochen. So gut wie nichts hingegen zu Goethes "Wilhelm Meister", keine Darstellung der individuierenden Kraft des Bildungsromans. Dabei spricht Wood doch fortwährend von der Entstehung des Ich im Roman. Auch kein Wort von Adalbert Stifter, keine Zeile Gottfried Keller, kein Raabe, kein Storm: Von Flaubert zu den großen Russen und dann über den Atlantik und in die Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts führt Woods Linie. So sehr diese auch überzeugen mag, eine innere Geschlossenheit lässt sich ihr kaum attestieren, zu groß sind die vermeintlichen Wüstungen, die Woods hochselektiver Blick im Blindflug links liegenlässt.
Über die inneren Konstruktionsprinzipien des Woodschen Kanons lässt sich denn auch nur spekulieren. Auch das im Übrigen angenehm kurze Vorwort Daniel Kehlmanns trägt wenig zur Erhellung der Sachlage bei. Zu erwähnen ist allenfalls Kehlmanns ebenso richtige wie überraschungsfreie Beobachtung, dass ein solches Buch wie das anzuzeigende hierzulande kaum zustande kommen könnte: Zu groß ist die Angst ordentlich bestallter Literaturwissenschaftler, sich im Geschäft der Literaturkritik die Hände schmutzig zu machen. Im angloamerikanischen Raum bestehen solcherlei Phobien nicht. "Critic", Kritiker, ist dort die Berufsbezeichnung all jener, die sich professionell mit Literatur befassen, innerhalb wie außerhalb akademischer Mauern, und eine reiche publizistische Tätigkeit gilt nicht als unwissenschaftlich und damit mehr oder weniger anrüchig, sondern ist im Gegenteil Ausweis engagierter Lesekompetenz. Deshalb schreibt Wood auch nicht kariert wie ein deutscher Professor, sondern eben beschwingt wie ein literarisch wohlerzogener anglophoner Causeur, und das macht die Sache denn auch so angenehm.
Es ist die Weisheit des Aperçus, mit der James Woods Buch gewinnt: Nach Wood ist es das literarische Projekt der Moderne, dass Prosa so gut geschrieben sein soll wie Lyrik. Verwirklicht findet sich dieser Traum der Literatur für Wood in der großen Romantradition des neunzehnten und zwanzigsten Jahrhunderts, und seine Geschichte ist nicht zu Ende, allen postmodernen Protesten zum Trotz. Dass dieser elaborierte Realismus wenig zu tun hat mit den seriellen Erzeugnissen zeitgenössischer Bestsellerliteratur, versteht sich. Auch hier spart sich Wood allerdings die erkennbar von der Angst vor etwaiger Kontaktinfektion geprägte akademische Überheblichkeit, um die leichte Küche der Unterhaltungsliteratur salopp auf ihren merkantilen Punkt zu bringen: "Man könnte diesen Erzählstil als kommerziellen Realismus bezeichnen. Er basiert auf einer Grammatik intelligenten, tragfähigen und transparenten Erzählens, die auf die originellere Erzählgrammatik Flauberts zurückgeht und natürlich nicht mit Greene endete."
Auch der literarische Boulevard, soll das heißen, hat seinen Flaubert gelesen, und umgekehrt greift auch die sogenannte hohe Literatur eines Graham Greene oder Philip Roth gern einmal in die Trickkiste erzählerischer Effekthascherei. Das alles findet Wood nicht schlimm, solange sich genügend Leser für realistische Literatur begeistern lassen und solange sich Autoren finden, die sich der Zauberwerkzeuge bedienen können.
"Schreiben lehrt man, indem man lesen lehrt", heißt es dazu, wiederum etwas strenger, in Kehlmanns Vorwort. Das klingt beinahe nach einer Drohung, die Hegels forschen Ärzten würdig wäre. Wood aber entscheidet sich für die Redekur: Anstatt seinen Patienten der Vivisektion zu unterziehen, bringt er den realistischen Roman selbst zum Sprechen. Behutsam präsentiert Wood die Wunderkammern realistischer Literatur und breitet ihre Schätze vor uns aus. Die Vorgehensweise überzeugt im Ergebnis: nicht invasiv, aber intensiv.
KLAUS BIRNSTIEL
James Wood: "Die Kunst des Erzählens". Vorwort von Daniel Kehlmann.
Aus dem Englischen von Imma Klemm. Rowohlt Verlag, Reinbek 2011. 224 S., geb., 19,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Das neunzehnte Jahrhundert war das große Zeitalter des Romans - und was kam dann? In seiner "Kunst des Erzählens" erkundet James Wood den Realismus und seine Möglichkeiten. Mit Diagnosen und Rezepten hält sich der amerikanische Kritiker wohltuend zurück, aber nicht mit Leidenschaft.
Was war noch einmal ein guter Roman? Wie geht das mit dem Erzählen, wie stiftet man aus lauter Buchstaben und Papier eine Welt? Was ist eigentlich Realismus? Es sind diese Fragen nach dem Funktionieren literarischer Kunst, welche den amerikanischen Literaturwissenschaftler und -kritiker James Wood beschäftigen. "Die allgemeinen Bestimmungen, welche man abstrahierte, sollten insbesondere für Vorschriften und Regeln gelten, nach denen man hauptsächlich in den Zeiten der Verschlechterung der Poesie und Kunst Kunstwerke hervorzubringen habe", heißt es in Hegels Vorlesungen zur Ästhetik. "Doch verschrieben diese Ärzte der Kunst für die Heilung der Kunst noch weniger sichere Rezepte als die Ärzte für die Wiederherstellung der Gesundheit." James Woods Perspektive ist weniger düster: In seinem Buch zur "Kunst des Erzählens", das heute in deutscher Übersetzung erscheint, versucht sich Wood an einer konzisen Beschreibung dessen, was realistische Literatur erreichen kann. Mit Diagnosen und Rezepten geht er dabei wohltuend sparsam um.
Das neunzehnte Jahrhundert ist für Wood das Zeitalter des Romans. Grundgelegt in den Dezennien davor, im Werk Denis Diderots etwa oder auch schon in den prosaischeren Passagen dramatischer Kunst wie Shakespeares "Macbeth", entfaltet sich im neunzehnten Jahrhundert eine Erzählkunst, wie sie zuvor kaum möglich gewesen ist: Auf einmal können Figuren gleichsam von innen heraus beschrieben werden, plötzlich ist es möglich, nicht nur Bühnen zu dekorieren, sondern ganze Interieurs zu entwerfen. Räume, Personen, Gesellschaften beschreiben, all das schafft der realistische Roman spielend. Im erzählerischen Mittel der erlebten Rede, so erklärt uns Wood, überwindet der Roman leichthändig die künstliche Kluft zwischen Autor und Figur. Wen kümmert's, wer spricht, sei es der Autor, sei es die Figur: In der erlebten Rede spricht der Roman selbst, und das ist denn auch das Geheimnis seiner Kunst. Immer wieder polemisiert Wood deshalb gegen den Hang der Schriftsteller, mit zu vielen "auktorialen Flaggen" die Landschaft des literarischen Texts zu verstellen, zu sehr dazwischenzufunken in der Entfaltung des literarischen Geschehens.
Keiner Kunstform, so Wood, gelingt es besser als dem realistischen Roman, den Blick für das Detail mit der Wahrnehmung des Vergehens von Zeit zu kombinieren, das Kleine und das Große gleichsam zusammenströmen zu lassen im Fluss erlebter Rede. Verzeitlichung und Visualisierung, Detail und Ganzes, Figur und Entwicklung, all dies findet Wood erstmals entfaltet und vollendet im Werk Flauberts, der zentralen Reverenz dieses Buches: "Die Romanautoren sollten Flaubert danken wie die Lyriker dem Frühling: Mit ihm beginnt alles." Als entscheidende Wendung in der Geschichte des Romans macht Wood die Entdeckung des Visuellen aus, nimmt doch der realistische Roman des neunzehnten Jahrhunderts den Blick des Kinematographen vorweg. Im zwanzigsten Jahrhundert findet diese Ästhetik des Blicks endgültig zu sich selbst, wenn es etwa in Christopher Isherwoods 1939 erschienenem (und in Deutschland weniger bekanntem) Roman "Leb wohl, Berlin" heißt: "Ich bin eine Kamera mit offenem Verschluss, nehme nur auf, registriere nur, denke nichts. Registriere den Mann, der sich am Fenster drüben rasiert, und die Frau im Kimono, die ihr Haar wäscht. Eines Tages werde ich all diese Bilder entwickelt, sorgfältig kopiert und fixiert haben."
Kunst des Erzählens: James Woods Blick auf die Literatur ist ein ästhetischer. Wenig ist hier die Rede von Büchern und ihren Autoren im Zusammenhang von Gesellschaft und Geschichte, viel mehr erfährt man über Stil und Ausdruck, Metaphern, Figuren und Gestaltung. Wer sich von diesem Buch eine waschechte Literatur-"Theorie" erwartet, wird demgemäß enttäuscht sein müssen: Zu sehr verbleiben die Hinweise auf Woods diesbezügliche Orientierungen im Ungefähren. Allenfalls auf eine kleine Rangelei mit dem ebenfalls eher wissenschaftsfernen Roland Barthes und dessen Umschreibungen des "effet de réel" lässt er sich ein. Die theoretische Abstinenz aber gereicht diesem Essay durchaus zur Ehre.
Es fällt dann aber auf, wie sehr dieses Buch einem willkürlich zusammengezimmerten Kanon verhaftet ist, in welchem sich offenbar kein Platz hat finden lassen für die deutschsprachige Tradition. Sei es aus Unkenntnis, sei es aus Unlust: Werke von Autoren deutscher Zunge finden sich hier allenfalls in Spurenelementen. Fontanes Effi schaukelt einmal durchs Bild, Thomas Mann bekommt ein freundliches Nicken zugesprochen. So gut wie nichts hingegen zu Goethes "Wilhelm Meister", keine Darstellung der individuierenden Kraft des Bildungsromans. Dabei spricht Wood doch fortwährend von der Entstehung des Ich im Roman. Auch kein Wort von Adalbert Stifter, keine Zeile Gottfried Keller, kein Raabe, kein Storm: Von Flaubert zu den großen Russen und dann über den Atlantik und in die Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts führt Woods Linie. So sehr diese auch überzeugen mag, eine innere Geschlossenheit lässt sich ihr kaum attestieren, zu groß sind die vermeintlichen Wüstungen, die Woods hochselektiver Blick im Blindflug links liegenlässt.
Über die inneren Konstruktionsprinzipien des Woodschen Kanons lässt sich denn auch nur spekulieren. Auch das im Übrigen angenehm kurze Vorwort Daniel Kehlmanns trägt wenig zur Erhellung der Sachlage bei. Zu erwähnen ist allenfalls Kehlmanns ebenso richtige wie überraschungsfreie Beobachtung, dass ein solches Buch wie das anzuzeigende hierzulande kaum zustande kommen könnte: Zu groß ist die Angst ordentlich bestallter Literaturwissenschaftler, sich im Geschäft der Literaturkritik die Hände schmutzig zu machen. Im angloamerikanischen Raum bestehen solcherlei Phobien nicht. "Critic", Kritiker, ist dort die Berufsbezeichnung all jener, die sich professionell mit Literatur befassen, innerhalb wie außerhalb akademischer Mauern, und eine reiche publizistische Tätigkeit gilt nicht als unwissenschaftlich und damit mehr oder weniger anrüchig, sondern ist im Gegenteil Ausweis engagierter Lesekompetenz. Deshalb schreibt Wood auch nicht kariert wie ein deutscher Professor, sondern eben beschwingt wie ein literarisch wohlerzogener anglophoner Causeur, und das macht die Sache denn auch so angenehm.
Es ist die Weisheit des Aperçus, mit der James Woods Buch gewinnt: Nach Wood ist es das literarische Projekt der Moderne, dass Prosa so gut geschrieben sein soll wie Lyrik. Verwirklicht findet sich dieser Traum der Literatur für Wood in der großen Romantradition des neunzehnten und zwanzigsten Jahrhunderts, und seine Geschichte ist nicht zu Ende, allen postmodernen Protesten zum Trotz. Dass dieser elaborierte Realismus wenig zu tun hat mit den seriellen Erzeugnissen zeitgenössischer Bestsellerliteratur, versteht sich. Auch hier spart sich Wood allerdings die erkennbar von der Angst vor etwaiger Kontaktinfektion geprägte akademische Überheblichkeit, um die leichte Küche der Unterhaltungsliteratur salopp auf ihren merkantilen Punkt zu bringen: "Man könnte diesen Erzählstil als kommerziellen Realismus bezeichnen. Er basiert auf einer Grammatik intelligenten, tragfähigen und transparenten Erzählens, die auf die originellere Erzählgrammatik Flauberts zurückgeht und natürlich nicht mit Greene endete."
Auch der literarische Boulevard, soll das heißen, hat seinen Flaubert gelesen, und umgekehrt greift auch die sogenannte hohe Literatur eines Graham Greene oder Philip Roth gern einmal in die Trickkiste erzählerischer Effekthascherei. Das alles findet Wood nicht schlimm, solange sich genügend Leser für realistische Literatur begeistern lassen und solange sich Autoren finden, die sich der Zauberwerkzeuge bedienen können.
"Schreiben lehrt man, indem man lesen lehrt", heißt es dazu, wiederum etwas strenger, in Kehlmanns Vorwort. Das klingt beinahe nach einer Drohung, die Hegels forschen Ärzten würdig wäre. Wood aber entscheidet sich für die Redekur: Anstatt seinen Patienten der Vivisektion zu unterziehen, bringt er den realistischen Roman selbst zum Sprechen. Behutsam präsentiert Wood die Wunderkammern realistischer Literatur und breitet ihre Schätze vor uns aus. Die Vorgehensweise überzeugt im Ergebnis: nicht invasiv, aber intensiv.
KLAUS BIRNSTIEL
James Wood: "Die Kunst des Erzählens". Vorwort von Daniel Kehlmann.
Aus dem Englischen von Imma Klemm. Rowohlt Verlag, Reinbek 2011. 224 S., geb., 19,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Dirk Knipphals ist hingerissen von James Woods "Die Kunst des Erzählens". Das Buch des Literaturkritikers wartet zu seiner Freude mit einer Fülle von erhellenden Einsichten über die Literatur auf. Besonders anregend findet er die Kapitel über die Literatur des 19. Jahrhundert, etwa über Gustav Flaubert oder Jane Austen. Die Begeisterung Woods scheint ihm ein wenig nachzulassen, wenn es um Gegenwartsliteratur geht. David Foster Wallace etwa halte der Autor auf die Dauer für "ermüdend". Trotzdem bietet der Autor für Knipphals auch über Gegenwartsliteratur meisterliche Beobachtungen, zum Beispiel über Philip Roth. Er hebt hervor, dass Woods Buch nicht nur von der "Kunst des Erzählens" handelt, sondern ebenso der "Kunst des Lesens".
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Für Romanautoren, solche, die es werden wollen, und alle passionierten Leser ist dieses Buch ebenso erhellend wie begeisternd. The Economist