Wo ist der Mensch wirklich frei? In der Kunst. Wo ist er der Welt und sich selbst am nächsten? In der Liebe. Wo liegt die Sehnsucht des europäischen Menschen? In Europa. Dies sind die Themen, um die es in diesem Buch geht. Aus einer philosophischen Perspektive: sie verbindet gelehrtes Wissen mit lebensweltlicher Erfahrung, die Welt der Wissenschaft mit der des Alltags. Es sind Seitenblicke, welche die Philosophie, angesichts ihrer Tradition fast ein wenig verlegen, auf den Menschen und seine Kultur wirft, indem sie sich selbst unter die Menschen und ihre Geschäfte mischt. Eine Philosophie nicht über den Wolken, wo sie meist, weltfremd und den Göttern nahe, vermutet wird, sondern eine Philosophie unter den Wolken, wo unsere Werke und unsere Probleme, aber auch unsere Träume, unser Glück und unsere Sehnsüchte siedeln.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.09.2012Realitätsprüfung
Der Elfenbeinturm der Wissenschaft hat einen zweifelhaften Ruf. Seine Bewohner stellt man sich gern als verschrobene, schlimmstenfalls lebensuntüchtige Sonderlinge vor. Die Naturwissenschaftler unter ihnen können bei Bedarf relativ mühelos soziale Comebacks feiern, indem sie ihre Forschung in anwendungsorientierte Leistungen ummodeln. Schwerer haben es Geisteswissenschaftler. Da scheint es nur eine Möglichkeit zu geben: Die streng akademischen Gepflogenheiten hinter sich zu lassen und realitätsnahe Probleme zu behandeln. Jürgen Mittelstraß, mittlerweile emeritierter Philosoph von Rang und einflussreicher Wissenschaftsmanager, unternimmt in seinem Buch eine solche Engführung von Alltag und Philosophie. Die einzelnen Kapitel kreisen um Themen wie Kunst und Recht, Liebe und Eros, Werbung und Lüge oder Europa und die Geisteswissenschaften. Im Zentrum steht das, was wir Kultur nennen. Emphatisch heißt es: "Kultur spielt, lacht, trauert, baut, forscht, lernt, ernährt, herrscht - und zerstört. Sie ist Kunst, Technik, Wissenschaft, Bildung, Wirtschaft, Politik; sie ist immer da, im Guten wie im Bösen - nicht nur auf der Haut des Menschen, auch in seinem Innern." Dass es bei diesem umfassenden Programm stellenweise etwas vorhersehbar zugeht, lässt sich ohne Weiteres verschmerzen. Denn insgesamt hat man es mit ausgewogenen und gelehrten Betrachtungen zu tun, deren lebendige Darstellung sich wohltuend von akademisch schnell unterlaufender Behäbigkeit abhebt. (Jürgen Mittelstraß: "Die Kunst, die Liebe und Europa". Philosophische Seitenblicke. Berlin University Press, Berlin 2012. 238 S., geb., 29,90 [Euro].) span
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der Elfenbeinturm der Wissenschaft hat einen zweifelhaften Ruf. Seine Bewohner stellt man sich gern als verschrobene, schlimmstenfalls lebensuntüchtige Sonderlinge vor. Die Naturwissenschaftler unter ihnen können bei Bedarf relativ mühelos soziale Comebacks feiern, indem sie ihre Forschung in anwendungsorientierte Leistungen ummodeln. Schwerer haben es Geisteswissenschaftler. Da scheint es nur eine Möglichkeit zu geben: Die streng akademischen Gepflogenheiten hinter sich zu lassen und realitätsnahe Probleme zu behandeln. Jürgen Mittelstraß, mittlerweile emeritierter Philosoph von Rang und einflussreicher Wissenschaftsmanager, unternimmt in seinem Buch eine solche Engführung von Alltag und Philosophie. Die einzelnen Kapitel kreisen um Themen wie Kunst und Recht, Liebe und Eros, Werbung und Lüge oder Europa und die Geisteswissenschaften. Im Zentrum steht das, was wir Kultur nennen. Emphatisch heißt es: "Kultur spielt, lacht, trauert, baut, forscht, lernt, ernährt, herrscht - und zerstört. Sie ist Kunst, Technik, Wissenschaft, Bildung, Wirtschaft, Politik; sie ist immer da, im Guten wie im Bösen - nicht nur auf der Haut des Menschen, auch in seinem Innern." Dass es bei diesem umfassenden Programm stellenweise etwas vorhersehbar zugeht, lässt sich ohne Weiteres verschmerzen. Denn insgesamt hat man es mit ausgewogenen und gelehrten Betrachtungen zu tun, deren lebendige Darstellung sich wohltuend von akademisch schnell unterlaufender Behäbigkeit abhebt. (Jürgen Mittelstraß: "Die Kunst, die Liebe und Europa". Philosophische Seitenblicke. Berlin University Press, Berlin 2012. 238 S., geb., 29,90 [Euro].) span
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